Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Der Wall.[]

In anderthalb Stunden mässigen Schritts umgeht man die Stadt auf ihren Wällen, von der Schifferbörse, dem Bollwerk an der Elbe, sehr unbildlich das hölzerne Wams genannt, bis zur Bastion Albertus am Stintfang, auf festgestampften Fusswegen, unter dem Schatten stämmiger Ulmen und Linden, die hie und da auf den breiten Seitenplätzen des Fahrweges, mit Wäldchen von eben diesen Bäumen abwechseln. Sie sind, nach den Abtheilungen eines Fortificationswerks, geradlienigt, in abgemessnen Zwischenräumen, und nicht nach den Regeln der neuern Gartenkunst gepflanzt, -- sind das ehrwürdige Erbtheil unsrer Vorfahrer in vorübergegangnen Iahrhunderten. -- Wären wir nicht schuldig, es weise zu verwalten? sollten wir nicht Sorge tragen, diese Schattengänge auf unsern Wällen und vor unsern Thoren uns unverstümmelt so lange zu erhalten, als die Natur sie nährt und ihr Dasein fristet? -- und ist das von den Verwaltern immer geschehen? Wir sehen auf unsern öffentlichen Spaziergängen kaum noch einen Baum in seinem stolzen unverkünstelten Naturwuchs, und in seiner Fülle. Diese wohlthätige Ansicht eines solchen Bildes unerschütterlicher den Schicksalsstürmen trotzender Mannesstärke und des jugendlich kräftigen Alters, hat uns die in dem Lauf des vorigen Iahrhunderts, vielleicht in gutgemeinter aber schlechtverstanner Absicht eingeführte, dann durch Sanktion des unantastbaren Vorurtheils und Herkommens erhaltene, und durch Unwissenheit der Beamten und Eigennutz der Officianten bis auf unsre Generation fortgepflanzte leidige Gewohnheit des Kappens der Bäume, entzogen. Unsre Spaziergänge sind entstellt, und ihr Genuss ist um die Hälfte des Lebens eines Baumes verkürzt. Allenthalben sahen wir noch vor wenig Iahren, in der Iahrszeit wo die Natur wieder erwacht und neues Leben beginnt, lange Reihen der schönsten und gesundesten Bäume des Walls, durch diese Operation in Pfähle verwandelt; in widrige verstümmelte Gestalten ohne Ast und Zweig. Der Erfolg dieser gewöhnlich alle fünf oder sechs Iahre an jedem Baum wiederholten Verstümmlung, ist sichtbar an vielen starken vollsaftigen Stämmen. Der darin stockende Zufluss des von der Natur für die Erhaltung seiner nun verlohrnen Aeste und Zweige bestimmten Saftes, hat unförmliche Auswüchse und Knollen an dem Stamm hervorgetrieben, der freie Wuchs der Aeste ist gehemmt, oft in schiefer Richtung und immer unverhältnissmässig schlank gegen den verkürzten unförmlich dicken und knotigen Stamm, sind diese keinen schönen Baumschlag. -- Auf mehrere Iahre ward so die ganze Existenz des Baums vernichtet, sein Leben zu einem periodischen Wechsel von Sein und Nichtsein herabgebracht, oder er durch den unverständig geschehenen Hieb beim Kappen, worauf der eindringende Regen den Stamm aushöhlte, ganz in eine traurige Ruine verwandelt.

Die Entstehung dieser Baumverstümmlung, die bis zu diesem Grad arg nur in Hamburg getrieben wird, ist schwer zu entdecken. Eine vom Grossvater auf den Enkel fortgeerbte glaubwürdige, mündliche Ueberlieferung, versichert, dass vor dem Iahr 1709, dem berüchtigt härtesten Winter des vorigen Iahrhunderts, die Bäume unsrer Gegend noch nicht gekappt wurden. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass bei der Verheerung, die dieser Winter in unsrer Baumvegetation anrichtete, man halb oder ganz erfrorne Stämme kappte, um den Baum vielleicht noch zu retten; dass man nachher fortfuhr, die Operation kränkelnden und absterbenden Bäumen als Kur, und endlich den gesunden, als Diät zu diktiren -- wobei sich die Aufseher am besten standen, ehe die auf Kameralgewinn rechnenden Vorsteher einsahen, dass es keinen gab -- und dass man am Ende den mislungnen Versuch eines Forstgewinnes wieder abzustellen vergass. Ein vorsitzender Verwalter der Fortifikationsdepartements folgte, wie das auch bei andern nur zu oft der Fall ist, seinem Vorgänger blindlings, ohne zu fragen: welcher forstwirthschaftliche oder Kameralnutzen, welcher Policeivortheil erreicht, ob dem gesunden Verstande und der schönen Gartenkunst nicht dadurch Hohn gesprochen würde, und welche wesentliche Nachtheile die ohne gehörige Vorsicht gemachte Operation an den Bäumen stifte? -- -- Die Sache des ärgerlichen Kappens, ward endlich vor zwölf Iahren von der Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe laut zur Sprache gebracht, durch ihre Vermittelung von sachkundigen Forstbeamten ausführlich verhandelt und -- verneinend entschieden. Im 2ten Bande ihrer Schriften sind die darin gehörigen Akten gedruckt. -- Aufmerksame Departementsverwalter haben seitdem -- und unser verstorbene Sieveking ging damals als vorsitzender Fortifikationsbürger hierin mit dem Beispiel voran -- besonders aber in den letzten Iahren der jetzigen Verwaltung, rühmliche Schritte zur Vertilgung der leidigen Sitte des Kappens gemacht, und ihr Gränzen angewiesen. Der auf bessre Einsicht der Sache gegründete feste Wille einer Reihe ihrer Nachfolger, wird vollenden was sie begannen, in einem halben Iahrzehend wird von dem häslichen Misbrauch keine Spur mehr sein, und dadurch der Wunsch des ganzen Publikums erfüllt werden, das diesen Umfug immer mehr mit Unwillen ansieht, und eben so über den noch unheilbaren Starrsinn erstaunt, womit ausser dem Thor ähnlichen Verstümmlungen an andern Departementern untergeordneten Baumgängen noch immer fortgefahren wird.

Eben dieses jetzt verwaltende Fortifikationsdepartement, das für die wirthschaftlichere und zweckmässigere Behandlung öffentlicher Spaziergänge, und dadurch zugleich für den Genuss seiner Mitbürger redlich sorgt, wirkt auch zur Verschönerung unsrer Wallpromenade. Iunge Bäume werden an die Stelle abgängiger Stämme gesetzt, auf Standorten zu vorzüglichen Aussichten, Ruhesitze angelegt. Mehr könnte hierin geschehen; einige gut gelegene Bastionen könnten zu weiten Uebersichten, zu englischen Anlagen, zu malerischen Ansichten und anmuthigen Ruheplätzen benutzt werden, wenn die unan tastbare Ehre der Befestigungswerke, womit man sich einwiegt, etwas mehr von ihrer grossen Strenge nachliesse, und wenn andre kleinliche Departementsgeistische Verhältnisse und Kollisionen dem guten Willen nicht noch oft die Hände bänden. Auch in dieser, dem Gemeinwesen freilich nicht sehr wichtigen, aber doch immer gemeinnützigen Angelegenheit unsrer Republik, lasst uns auf mehr Vereinigung abweichender Meinungen von misverstandner Pflichtübung kollidirender Behörden, zur Verschönerung der Stadt und ihrer Gegend hoffen. Was zum Beispiel, wäre nicht aus den beiden Bastionen Albertus und Vincent, mit ihren Umgebungen zu machen! Dort, die Aussicht über einen Theil der Stadt und des Hafens, auf die Elbe, das benachbarte Altona und seine Gegend, hinaus bis an die Höhen von Blanckenese: hier, eine von jener wieder ganz verschiedene Ansicht, der beiden kleinen Alsterseen und ihrer Ufer, in und ausser der Stadt, mit Iungfernsteige und der Vorstadt des Walles gegen die Alster und Elbe hinaus, sind Standorte zu abwechselnden Aussichten; als, über dem Deichthor, auf den Magdeburger Hafen und die Elbe; bei der sogenannten Schifferbörse, an der äussersten Wallspitze, auf die Elbe, den innern Hafen, die Inseln und Stromufer; ferner, bei einigen neu angelegten Ruhesitzen, am Glockengiesserwall, neben dem Lombard, u. s. w.

Zu den auch den Fremden bekanntesten künstlichen Anlagen in der Nähe der Stadt, gehört vor allen das sogenannte Fortifikationshaus mit seinen Pflanzungen unterhalb der Bastion Albertus, zwischen welcher, dem Stadtgraben und dem jenseitigen Hornwerk, es eingesenkt liegt. In dieser Lage unter den Befestigungswerken, durfte der Bau des Hauses bisher nicht höher geführt werden; daher die Aussicht aus dem kleinen Salon auf die Elbe hin viel beschränkter ist, als die von der Wallhöhe hinter dem Hause; doch ist ihm längst eine Erweiterung und Erhöhung zugedacht. Die von hier ab bis an die Brücke des Millernthors fortführten, und nur so viel das schmale abschüssige Terrain der Wallhöhe es gestatten wollte, abwechselnden Schattengänge, sind einsam, vertraulich, geschützt gegen die herrschenden rauhen Winde. Kaum dem Stadtgewühl entgangen, findet man sich hier, wie in der stillen Parktiefe eines entfernten Landsitzes, umgeben von Vögelchören und vom fernen Wassergemurmel des Abflusses im Stadtgraben. diese wohlthätige Täuschung, hat wohl das meiste zu dem Ruf des vertraulichen Plätzchens beigetragen. Es ist übrigens beschränkt, und die Lage zwischen den Wallhöhen und dem stockenden trüben Stadtgraben zu beengt und einförmig, um einen grössern Namen zu verdienen. Das höchste der Unterhaltung der täglichen Gesellschaften, die sich in dem Fortifikationshause im Sommer zu grossen Mittags- und Abendschmäusen versammeln, ist -- ausser der Befriedigung dieses physischen Genusses, und des geistigen, mit dem beliebten Whist- und l'Hombrespiel -- gegen die Zeit des Thorschlusses, ein Gang nach dem entferntesten Theil des Gartens, zu dem Zelt auf der Wallhöhe, bei der Brücke des Millernthors. Wirklich anziehend ist das Schauspiel des bunten Gewimmels und lärmenden Einzuges der dichten Menschenmassen und Fuhrwerke in das Thor. Es endigt mit dem Trommelsignal das die Schliessung befiehlt, und wird nun plötzlich in tiefe Stille verwandelt.

Der in Hamburg sich allmählich mehrende Eifer für die Kultur der Wissenschaften und Künste, und für ihre praktische Ausübung, hat es über die gemilderte Eifersucht und Strenge des Fortifikationswesens erhalten, dass zur Anlegung einer Sternwarte, auf der durch die freie Lage dazu ganz geeigneten Elbbastion Albertus, der Platz verwilligt ward. Von der Thätigkeit und Sachkenntniss der zu dieser Anstalt, hauptsächlich für Meridian-Beobachtungen, zusammengetretenen Association, lässt sich etwas ausgezeichnetes für die Bereicherung der Himmelskunde und der damit verwandten örtlichen Gegenstände, erwarten.

Dieselbe Wallhöhe, kann bei dem Entwurf des auf einem andern Platz nun glücklich ausgeführten Plans zur Errichtung eines Ehrendenkmals für unsern unvergesslichen Büsch, in Vorschlag. -- -- --

Doch, diesem vaterländischen Unternehmen gebührt in einem eignen Abschnitt eine ausführlichere Erwähnung.

Quellen und Literatur.[]

  • Skizzen zu einem Gemälde von Hamburg. Von der Verfasser der Darstellungen aus Italien. Hamburg bey Friedrich Hermann Nestler. 1802.
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