Das Haff.[]
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Das Haff, auch das Frische Haff, ist der Meerbusen in Pommern, welchen die Oder vor ihrem Ausfluß durch das Vorliegen der Inseln Usedom und Wollin bildet. Es wird in das große und kleine Haff eingetheilt.
Das Frische Haff, Busen der Ostsee an der Preussischen Küste. Es ist über 12 Meilen lang und 3 Meilen breit, und steht bey Pillau durch die 1 Viertelmeile breite Meerenge, Gatt genannt, mit der See in Verbindung. Wer nach Königsberg will, muß einen Theil des Haffs und die Meerenge paßiren, welche aber kaum 12 Fuß Tiefe hat. Das Wasser in dem Haff ist nicht gesalzen. Der lange und schmale Strich Landes, welcher es von dem ofnen Meere trennt, heißt die frische Nehrung, und gehörte ehemals zum Gebiete der Stadt Danzig.
Das Kurische Haff, auch in Preussen, weiter gegen Norden. Es steht bey Memel durch eine schmale Meerenge mit der Ostsee in Verbindung, hat gegen 15 Meilen in seiner größten Länge und gegen 7 Meilen in seiner größten Breite.
Von Reisende.[]
Ludwig Rhesa.
- [1813]
Brandenburg, d. 8. April 1813.
Die Thürme Königsbergs sind nun hinter mir. Voll wehmüthiger Erinnerung sahe ich sie, als wäre es zum letzten Male, im Abendroth funkeln, da ich den Hügel herunter fuhr, an dessen Fuß der anmuthige Flecken Brandenburg liegt. Nach den preußischen Geschichtsschreibern soll er den Namen von einem Markgrafen Otto von Brandenburg erhalten haben, der in Verbindung mit den Kreuzherren den heidnischen Preußen hier eine Schlacht lieferte und im Jahr 1269 die Burg erbauete. Der Weg bis hieher ist mit Spuren des französischen Rückzuges bezeichnet. Die Zäune sind abgerissen, alle Dächer abgedeckt, Fenster und Thüren zerschlagen. Einige Dörfer liegen ganz in Schutt. Selbst von den Kirchhöfen sind die Kreuze abgebrochen und die Särge herausgerissen. Die Kirche in Brandenburg hat zu einem Stalle für die Pferde gedient und ist noch nicht wieder hergestellt. Von den Vandalen erzählt Jornandes, daß sie alle Kunstwerke zerstört, aber vor den christlichen Kirchen Ehrfurcht gehegt hätten --.
Auf dem halben Wege hieher traf ich im Gasthause zu Hohen-Kreuz zehn Söhne der Musen an, deren Einigen meine Zuhörer waren. Jetzt haben sie sich mit dem Kriegesschwerdt umgürtet und ziehen als freiwillige Jäger zum preußischen Heere an der Elbe. An einem runden Tische sitzend, versangen sie sich den Abschiedskummer und überraschten mich durch Nennung meines Namens in dem Gesange, Pro salute xc. Welch ein Wechsel von Schicksal und Beschäftigung! Aus dem ruhigen Schatten der Wissenschaften ziehen diese Pfleglinge Minervens in das stürmische Schlachtfeld, um sich den Oelzweig der Ruhe für künftige Studien zu erfechten. Die Zeiten Griechenlands sind wieder gekommen, da Alles die Stadt Athen verlassend nach Salamis zog, um das Joch der Perser abzuschütteln.
Es ist sechs Uhr Abends. Ich eile heraus -- das Gewühl im Gasthause wird mir drückend -- um die Gegend in Augenschein zu nehmen. Von Brandenburg beginnt die Kette von Bergen, eigentlich nur Hügel, welche das frische Haf von der Ostseite begrenzen. Sie erheben sich steil bis zu einer Höhe von 60 Fuß über das Wasser. Vor Jahrtausenden ging hier das Meer in hohen Fluten herüber, welches aus den angespülten Muscheln und dem Bernsteine deutlich zu erkennen ist; wie denn überhaupt das ganze Preußen vor den Menschen-Geschlechtern Meeresgrund gewesen zu seyn scheint. Die allmählig zurücktretenden Wellen haben ein weites Vorland angespült, das itzt mit Fischerwohnungen bedeckt ist. Der junge Baumaufschlag am Ufer scheint vom jenseitigen Strande herzurühren; denn von der Ostseite ist weit und breit kein Wald zu sehen. Die sorgsame Mutter Natur benutzte die Flügel des Windes, um ihren wuchernden Keim über die Wellen zu tragen. Auf der höchsten Bergspitze südlich von Brandenburg kann man das ganze Pregelthal und die gegenüberliegende Bergreihe Samlands, von Pillau bis hinter Königsberg, übersehen. Die Mündung des Pregels ist ehemals gegen fünf Meilen breit gewesen; denn so weit rechne ich von hier bis zum Berg Galtgarben. Ehe man den Gipfel ersteigt, wo ein Häuschen den Wandrer zur Ruhe einladet, springt ein im Mondzirkel aufgeworfener Erdwall am Ufer hervor, der mit Strauch und Gebüsch umwachsen ist. Er stammt vermuthlich aus den Ritterzeiten her und diente den heidnischen Preußen zur Schutzwehr, die sich im ihr Stücklein Muttererde lieber todtschlagen als sich unterjochen ließen. Von der Ostseite windet sich ein Gießbach in das Haf hinein. Fürchterlich ist der Abgrund in das Haf hinein. Fürchterlich ist der Abgrund, in welchen das Wasser sich hinabstürzt, und mit Mühe klimmt man durch das Gesträuch zur Schanze empor. Auf der Höhe sank vor meinen Augen die Sonne unter. Vor mir das unermeßliche Meer, wie von Feuergluth geröthet -- und rings umher die schweigende Schöpfung. Wie nennen das Gefühl der Anbetung, in welches ich hier versank! Millionen Wesen hingen liebevoll an dem freundlichen Blick der Sonne. Freunden läßt sie zurück, und Freuden weckt sie immer wieder. Und sie sollte nicht ein Spiegel seyn von der Herrlichkeit eines Ungenannten -- nicht der Erguß einer unendlichen Liebe, die uns in ihrem Herzen trug, ehe wir noch waren? Der fallende Thau mahnt mich an die Rückkehr zu meinem Dörfchen. Alles ist still um mich geworden. Das ganze Haf ist mit Segeln bedeckt. Es sind wohl tausend Fischerkähne, ihren Fang zu machen, um morgen vor Sonnenaufgang nach Königsberg zu segeln und dort satt zu machen, den der zur Kirche geht und nicht zur Kirche geht. An dem Ufer schwimmen ganze Geschwader von Schwänen, die schon aus fernen Landen zur alten Wohnung heimgekehrt sind. Wer gab ihnen den Verstand, ihren weiten Weg, ohne geographische Charten zu finden? Schon die alten Chronikenschreiber sagen, daß die Ostsee von dem Schwane häufig besucht werde. Bei den Einwohnern war er stets ein heiliger Vogel. Sein Hals ist das Bild der philosophischen Würde und Ruhe. Ueber Fluth und Abgrund schwimmt er majestätisch hin und fürchtet sich vor dem Tode nicht; denn er soll einen Gesang anstimmen vor seinem Sterben. Das nenn' ich ein Leben mit würdigem Ende! von dem heiligen Franziskus erzählt man, daß er sterbend seinen Sonnengesang vollendet habe. "Denn er richtete sich von seinem Lager auf, sagt die Legende, und sprach: Gelobt sey Gott der HErr, der herrliche, um unsern Bruder, um den Tod" -- und hiemit hauchte er die Seele aus. Wer doch auch einen Psalm dichtend sterben könnte!
Quellen.[]
- ↑ Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Neu bearbeitet von Konrad Mannert, Königl. Bairischen Hofrath und Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
- ↑ Nachrichten und Bemerkungen aus den Feldzügen des Jahres 1813 und 1814, aus dem Tagebuche eines Feldgeistlichen in dem Preußischen Heere. Nebst einer Beschreibung der Schlachten, von welchen der Verfasser Augenzeuge war. Berlin, 1814. Bei Friedrich Maurer, an der Spittelbrücke No. 17.