Gröningen, schöne und regelmäßig angelegte Hauptstadt in dem Departement gleiches Namens, 4 Meilen vom Meere, mit welchem sie vermittelst der Hunse und eines schiffbaren Kanals, Communication hat. Ihre Festungswerke sind meistentheils verfallen, doch ist das neue Werk Helpen, eine Viertelstunde von der Stadt noch beträchtlich. Das Rathhaus, des Statthalters Palast, das Haus der Stände, das Zeughaus, die Börse und Wage u. d. m. sind ansehnliche Gebäude. Im Jahr 1796 zählte man in der Stadt 23,770 Einwohn. Sie hat guten Handel mit Getreid, Fettwaaren und Vieh. Im Jahr 1672 hielt diese Stadt eine Belagerung des kriegerischen Bischofs von Münster, Christoph Bernhards von Galen, tapfer aus, und man feyerte jährlich am 28. August ein Dankfest wegen dieser aufgehobenen Belagerung, welches aber 1772 abgestellt worden.
Ich wiederhole es, keine Spur ist hier zu sehn, daß in diesen Gegenden der Friede je gestört worden sei. Näher bei Gröningen lagen jedoch am Ufer starke Artilleriezüge, welche an die Gränzen, und für ein Lager bestimmt waren, das sich einige Stunden von Gröningen zusammenziehen sollte. In Windschoten, wo wir ein Mittagsmahl einnahmen, sah schon alles patriotischer aus, als in Neuschanz. Vor dem Fenster des Wirthshauses war der Baum der Freiheit gepflanzt, und ein dikker freundlicher Wirth, der, wie es schien, Maire war, begrüste und zum erstenmal mit dem theuren Titel: Bürger. Auf den Strassen hörte man den Marseillermarsch.
Gröningen ist eine sehr niedliche Stadt; die vielen vor der Stadt gelegnen Lusthäuser und die majestätischen Linden und Kastanien auf den hohen Wall geben bei der Einfahrt einen allerliebsten Anblik. Hier bekam ich einen hohen Begrif von der holländischen Reinlichkeit im ganzen Umfang des Worts. Es hatte ziemlich geregnet, dennoch waren die Strassen und die schön gebaueten Brükken so, daß ich mit gröstem Appetit von der Erde hätte essen mögen. Ueberhaupt hat man von dieser Nettigkeit des Pflasters und der Strassen in Deutschland keinen Begrif. Im Gasthof war unser Zimmer mit einer feinen Fustapete belegt, artig ausgemahlt, und der Kamin von Marmor, Rost und Feuerzange von feinem Stahl. Alles ist so nett, daß man wahrhaftig! kaum sich niederzuse zen getraut. Verläst man einen Augenblik das Zimmer, so ist schon wieder die Magd da, und reinigt den Fusboden von den Stäubchen, die allenfalls darauf gefallen sein könnten. Die berühmten Spuknäpfchen der Holländer wurden uns hier zum erstenmal beim Essen auf den Tisch gesezt, eine Sitte, die mir gar nicht gefallen will.
GrA Groningen
Es blieb mir Zeit, einen kleinen Spaziergang in der Stadt und um die Wälle zu machen, eh unser Abendessen bereit war. Ein Officier von der batavischen Legion hatte die Güte, mich zu begleiten. Gröningen ist wirklich keine unbedeutende Vestung. Die Ueberschwemmungen, die man auf eine halbe Stunde weit veranstalten kann, machen sie unzugänglich, und die Werke sind alle in gutem Stande. Hier ist schon alles viel patriotischer, als an der Ostfrisischen Gränze. Ich sah mit Vergnügen kleine Jungen mit Kokarden geschmükt auf dem Walle exerzieren. Die holländische National-Garde mit Stuzperücken sieht denn aber doch etwas drollicht aus.
Hier ist auch eine Universität, von der ich aber nichts weiter gemerkt habe. Ich besuchte auf einem Augenblik einen Buchladen, der die Ueberschrift führte: Bookwinkel van Zuidema. Der Herr Prinzipal wuste kein Wort von deutscher Litteratur. Wohl aber fand ich Kniggens sämmtlichen Schriften und eine Menge deutscher Produkte, unter denen aber leider sehr viele erbärmliche Romane waren, in holländischen Uebersezzungen.
Sehr leid that es mir, daß heute gerade kein Schauspiel war. Auf den nächsten Tag waren die Indianer in England von Kotzebue angekündigt. Ich hätte wohl eine holländische Gurli sehn mögen! Uebrigens sind die Kotzebueschen Stükke in Holland alle übersezt, und eben so wohl an der Ordnung des Tages, als in Deutschland. Immer heist es: aus dem Hochteutschen von dem vermaarden (berühmten) Kotzebue. Nach dem Schauspiel ist gemeiniglich ein Hornpip oder ein nationales Ballet angekündigt.
Inzwischen haben die Bataver auch Nationalstükke, hauptsächlich wird Ohldenbarneveld sehr oft gegeben. Mein Begleiter erzählte mir, daß man gestern die Stelle! "lieber frei sterben, als Sklave des Hauses Oranien sein," mit allgemeinem Klatschen zum grösten Verdrusse vieler sich hier herumtreibenden preussischen Officiere im Parterre gleich wiederholt habe.
Nachdem ich ausserordentlich gut gespeist und noch besser geschlafen hatte, erfuhr ich zu meinem grösten Leidwesen, daß ich entweder Extrapost nehmen, oder noch einen Tag warte oder aber zu Schiffe weiter gehen müsse. Ich wählte das leztere, weil ich hörte, daß ich sechs bis acht bisher Krankheitshalber im Spital zu Gröningen zurükgebliebene fränkische Officiere zur Gesellschaft haben würde, und man mir von der ausnehmenden Theurung und Prellerei in den holländischen Gasthöfen eine gar schlimme Beschreibung gemacht hatte.
Diese leztere Furcht war aber vollkommen ungegründet. So gut wir bedient worden waren, so billig war die Zeche. Für zwei ausserordentlich reichliche Mahlzeiten mit Wein, für Logis, Koffee xc. bezahlten wir zwei Personen die Kleinigkeit von einem holländischen Dukaten. Ich empfehle jedem Reisenden, der in Gröningen übernachtet, den Gasthof zur Stadt Hamburg mit gutem Gewissen.
Der Divisionsgeneral, Graf von Hogendorp, Adjutant Sr. Majestät, des Kaisers und Königs, ist am 19ten d. M. hier eingetroffen, um die 88ste Kohorte der Nationalgarde, welche in Gemäßheit des kaiserl. Dekrets vom 14ten März 1812 in der 35sten Militärdivision errichtet werden soll, zu organisiren. Nachdem derselbe die Reservekompagnie dieses Departements, in Begleitung des Herrn Generals von Pathed, des Herrn Präfekten, und des Herrn Generals, Barons Augereau, inspicirt und die Kohorte organisirt hatte, begab er sich nach Delfzyl, um daselbst die Festungswerke zu untersuchen.
Quellen.[]
↑Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
↑Holland und Frankreich, in Briefen geschrieben auf einer Reise von der Niederelbe nach Paris im Jahr 1796 und dem fünften der französischen Republik von Georg Friedrich Rebmann. Paris und Kölln.
↑Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 121. Montag, den 20. May 1812.