Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Tyrol.[]


Tyrol,[1] gefürstete Grafschaft an der Südseite von Deutschland, zwischen Baiern und dem Königreich Italien, ehemals zu dem österreichischen, jezt zu dem bairischen Kreis gehörig. Es begrif, ausser dem eigentlichen Tyrol, auf der Westseite die Vorarlbergischen Herrschaften, auf der Südostseite das Fürstenthum Brixen, auf der Südseite das Fürstenthum Trident, und an der südlichsten Gränze die Welschen Confinien. Alle diese Theile haben 520 ge. QM. Flächeninhalt, und zwar Tyrol mit den Confinien 383, Vorarlberg 45, Trient 75 und Brixen 18 QM. Das ganze Land wird durch die Kette der höchsten Alpen von Westen nach Osten durchschnitten; die einzelnen hervorragenden Spitzen heißen im Lande Ferner, und erreichen auf der Westseite eine Höhe von 14400 Fuß (die Ortles-Spitze), auf der Ostseite aber an der Gränze von Salzburg eine Höhe von 12000 Fuß (der Glockner) über die Meeresfläche. In der Mitte, am Brenner, ist die niedrigste Erhebung des Gebirgs, und hier zieht sich auch die große, für schwere Fuhrwagen brauchbare Hauptstrasse über die Alpen. Durch diesen Hauptzug des Gebirgs wird das Land in den kleinern nördlichen und in den größern südlichen Theil getheilt. An der Nordgränze trennt eine andere Alpenkette Tyrol von Baiern, und zwischen den beyden Gebirgen fließt von Graubündten her der Hauptfluß des Landes, der Inn, gegen Nordosten nach Baiern. Dieser Theil des Landes ist daher ziemlich kalt, und nur in dem Thale des Flusses und der kleinern Seitenbäche einer ergiebigen Kultur fähig; die höhern Gegenden werden zur Viehweide benützt, und die Bergrücken haben, wenigstens auf der höchsten Kette, ewigen Schnee. Durch das südliche Land ziehen sich zwar ebenfalls viele und zum Theil sehr hohe Seitenäste der Alpen; aber sie haben ihre Richtung gegen Süden, und die vielen Thäler bieten ihre offene Seite dem warmen Klima Italiens dar; haben daher zu gleicher Zeit auf den Bergen Schnee und im blühenden Thale ausser dem Getreidebau, gute, aber nicht haltbare Weine, Südfrüchte, Maulbeerbäume zur stark betriebenen Seidenkultur, und auch viel Tabak. Der Hauptfluß dieser südlichen Hälfte ist die schiffbare Etsch, welcher ausser der Eisack und Rienz mehrere Flüßchen aufnimmt. Getreid wird im Innthale, noch häufiger aber (vorzüglich Mais) in den zunächst südlich unter den hohen Alpen liegenden Strichen gebaut; die nemlichen Gegenden liefern auch viel Flachs. Einer der wichtigsten Nahrungszweige ist die Rindvieh-, auch Pferde- und Ziegenzucht. Die hohen Gebirge enthalten Bären, Gemsen, Adler und den Lämmergeyer. Die Berge liefern ausser dem Zinn und Quecksilber alle übrigen Metalle; wenig Gold und Silber, gutes Kupfer, viel Eisen, Bley und vorzüglichen Galmey, Salz wird in beträchtlicher Menge (jährlich 300000 Centner) zu Halle im Innthal gewonnen und ausgeführt. Mineralische Wasser finden an vielen Orten. Die Einwohner benüzen ihr großentheils rauhes Land mit vielem Fleiß. Ihre Zahl beträgt: im eigentlichen Tyrol 514000 (wovon auf Vorarlberg 84585 nach der Zählung im J. 1803 kamen), Trident zählt etwas über 150000 Seelen, und Brixen 29000; die Zählung im J. 1805 gab für alle diese Theile 689187 Seelen, also eine etwas geringere Bevölkerung. Sie bearbeiten mehrere Artikel des Kunstfleißes, Kupfer zu Achenrain und Lienz, Seide mit sehr schöner Färberey im ganzen südlichen Lande, doch vorzüglich zu Roveredo und Trident, vortreffliche Handschuhe von Ziegenfellen, Wollenteppiche im Pusterthal, Leinwand, auch einige Battist-, Musselin- und Cattunarbeiten xc. Sogar die Zucht der Canarienvögel wurde ein nicht unbedeuter Handelsartikel. Auch der Zwischenhandel ist durch die große Heerstrasse, welche Italien mit Deutschland in Verbindung sezt, und durch die Boznermesse für das Land einträglich. Es wurde in politischer Hinsicht getheilt in 5 Kreise: 1) Unterinnthal und Wipperthal, 2) Oberinnthal, 3) Pusterthal und Eisack, 4) an der Etsch, Burggrafenamt und Vinstgau, 5) Wälche Confinien. Trident und Vorarlberg hatten ihre besondere Eintheilung. Die Landstände, zu welchen auch die Bauern gehörten, hatten unter allen deutschen österreich. Ländern die meisten Vorrechte erhalten, und wurden begünstigt; nur der deutsche, nicht aber der italienische und slavische Bewohner, hat an diesen Vorrechten Antheil. Die Einkünfte schätzte man gegen 3 Millionen Gulden.


Oesterreich besaß dieses besonders in militärischer Hinsicht wichtige Land mehrere Jahrhunderte, trat es aber durch den Preßburger Frieden 1805 an die Krone Baiern ab, welche 1806 Vorarlberg von Tyrol trennte, Trident und Brixen aber innig vereinigte, und dem Ganzen eine neue Eintheilung in folgende 29 meist sehr große Landgerichte gab: Innsbruck, Schwaz, Rattenberg, Kufstein, Fürstenburg, Landeck, Telfs, Reitti, Brixen, Bruneggen, Sillian, Lienz, Botzen, Klausen, Meran, Mezzolombardo, Cles, Male Pergine, Levico, Cavalese, Roveredo, Riva, Stenico, Condino, Tione, und die Landgerichte Trident, Vezzano und Levico, welche die Stadt Trident nebst der dazu gehörigen innern und äussern Prätur begreifen. In diese Landgerichte sind alle die zahlreichen und beträchtlichen Patrimonialgerichte eingeschlossen, welche adeliche Familien auf ihren Herrschaften, auch Stifter und einzelne Gemeinen besizen. Die sieben Prälaturen des Landes St. Geogenberg (Viecht), Grieß, Welschmichael, Wilten, wurden 1807, 16. Sept. aufgehoben, und die Einkünfte dem Religions- und Studienfond zugetheilt.

Im J. 1808 erhielt Tyrol eine neue Einrichtung, indem die 29 Landgerichte unter 3 Kreise, den Innkreis, Eisackkreis, und den Etschkreis vertheilt wurden. Bey dieser neuen Eintheilung sezte man die Größe des Landes auf 443½ QM., und die ganze Bevölkerung nach der Zählung im J. 1806 auf 620854 Seelen an.

Im J. 1809 erregten die meisten Einwohner Tyrols, auf Oesterreichischen Betrieb, einen Aufstand gegen ihren Landesherrn, den König von Baiern, welcher erst nach vielem Blutvergießen und Verderben des Landes am Ende dieses Jahrs unterdrückt werden konnte. Am 28sten Febr. 1810 trat Baiern den südlichen Theil von Tyrol nebst dem größten Theil des Pusterthals an das Königr. Italiens ab. Dieser Theil begreift den ganzen Etschkreis, oder das ehemalige Fürstenthum Trident mit dem südlichen Tyrol, ferner den größten Theil des Landgerichts Botzen und ein südliches Stück vom Landgerichte Clausen. Aus diesen Bestandtheilen, welche 132 QM. mit 248000 Seelen betragen, wurde das Departem. der Ober-Etsch (Alto Adige) für das Königr. Italien gebildet, doch so, daß ein kleiner östlicher Bergstrich (die Herrschaft Primiero) zum Departem. der Piave kam. Zu dem nemlichen Departem. wurden auch die Gerichte Buchenstein, Ampezzo oder Peitelstein und der Flecken Toblach mit einem kleinen angränzenden Bezirke gezogen. Sie gehörten bisher zum Landgerichte Bruneggen, im Eisackkreise, und enthalten ungefehr auf 8 QM. 7000 Seelen. Ausserdem wurde aber von Tyrol der beträchtlichere Theil des Pusterthals an die Illyrischen Provinzen des Kaisers Napoleon abgetreten. Er umfaßt die beyden bisherigen Landgerichte Sillian und Lienz vom Eisackkreise, und das im Pusterthale liegende Salzburgische Gericht Windisch-Matray. Die beyden Landgerichte haben auf 31 QM. 26900, und Windisch-Matray auf 8 QM. ungefehr 5000 Seelen. Die Summe aller von Baiern in Tyrol abgetretenen Landschaften enthält also auf 179 QM. sehr nahe 287000 Menschen. Da nun die drey vollständigen Tyroler Kreise auf 443 QM. 620854 Seelen hatten, so bleiben nun für für Baiern in den noch vorhandenen 1⅔ Kreisen auf 264 QM. 313854 Seelen übrig. Sie wurden nun sämtlich unter den Namen des Innkreises begriffen. Die ehemals theils sehr großen, theils durch Gebirge in ihrem Zusammenhange während des Winters unterbrochenen Landgerichte, wurden in kleinere Landgerichte von der ersten, zweyten und dritten Klasse zerlegt, so daß der Innkreis seit 1810 dreyßig Landgerichte zählt.


Von Reisende.[]

August von Kotzebue.[]

[2]

[1804]

Tyrol.

Warum reiset denn Alles, was reisen kann, immer nur nach der Schweitz? warum besuchen so wenige Menschen Tyrol? Warum schreibt denn Alles, was schreiben kann, Bücher über die Schweitz? und warum lesen wir so selten etwas über Tyrol? -- Ich habe die Schweitz auch gesehen, wenn gleich nur obenhin, aber ich muß laut bekennen, daß die Naturschönheiten Tyrols mir jenen der Schweitz in nichts nachzustehen scheinen.

Das Einzige, was ich vermißt habe, sind Wasserfälle, die freilich in Tyrol nur sparsam und unbedeutend sind, aber auch ohne Wasserfälle wage ich zu behaupten, daß man Tyrol vielleicht befriedigter verlassen werde, als die unaufhörlich hoch gepriesene Schweitz. Welche romantische, gewaltig ergreifende Aussichten! -- Gleich wie man aus einem Sentenzen-reichen Autor die besten Stellen auszuziehen, und zusammengedrückt seinen esprit zu nennen pflegt, so mögte ich, zum Exempel, den Weg zwischen Fuessen und Reitti einen esprit de la nature nennen, denn es scheint in der That, die Natur habe ihre schönsten, erhabensten Gegenstände aus der ganzen Welt zusammen gelesen, und hier, auf einem engen Raume wieder ausgeschüttelt. Fahre doch ja kein Reisender diese Straße im Dunkeln, er würde muthwillig den süßesten Empfindungen aus dem Wege fahren. Geht es bergunter, von Lermos nach Nassereit, so steige er aus, und gehe ganz gemächlich zu Fuße. Die schroffen Felsen, die ihn zu erdrücken drohen, die herabrieselnden Quellen, die durch Vitriol so herrlich grün gefärbten Seen, der Wald von Lerchenbäumen, die Wände von Berberissträuchen, das alte zerstörte Schloß auf einem isolirten Hügel mitten im dunkelgrünen See -- dann wieder der herrliche Lechstrom, bald schäumend und murrend im engen Felsenbett, bald still und majestätisch durch blühende Ebenen sich wälzend -- nein! ich habe schon öfter erklärt, daß ich Gegenden nie beschreiben werde; aber wer Sinn hat für die erhabensten Decorationen der Natur, der traue auf mein Wort: ihm werden auf dieser Reise mehr als einmal die Thränen unwillkührlich ins Auge sich drängen.

In der Schweitz muß man sich gefallen lassen, mit vorgespannten Schnecken, die sie dort Pferde zu nennen belieben, fein langsam herum zu kutschen, und die kostbare Zeit an den eigensinnigen Schlendrian eines theuren, sehr theuren Fuhrmanns zu vergeuden, denn Posten giebt es dort nicht; hier hingegen trabt man immer rasch mit muntern Postpferden durch das Land, spricht und schläft, verweilt oder zieht fürder, alles nach Belieben. Und ist es nicht ein großer Vorzug, den Tyrol vor der Schweitz behauptet, daß alle seine unendlichen Schönheiten an der Landstraße liegen? daß man nicht nöthig hat, wie dort, links und rechts abzuweichen, und mühsam herum zu klettern, um die versteckten Reize der Natur zu belauschen? hier kommt sie Dir überall mit majestätischem Ernst und doch wieder so freundlich entgegen, und wo findest Du, wie in Tyrol, diesen erschütternden Contrast zwischen der wildesten Natur und den lieblichen Bildern des regsten menschlichen Fleißes? -- Sieh, wie dort die zackigten Felsen Dir die Welt und den Himmel zu verschließen scheinen, ein Erdbeben hat diese Massen so eigensinnig in einander geschoben, der brüllende Strom stürzt aus ihnen hervor, sie beugen sich auf ihn herab, als wollten sie den Weg ihm sperren, und er spritzt seinen Schaum, sie verhöhnend, empor. Da liegt aber, dicht neben dem ewigen Kampf der Elemente, ein stilles Hüttchen, von Weinreben umrankt, blöckende Kühe weiden, und ein fröhliches Kind, bückt sich sorglos über die tobende Fluth und schöpft sich einen Becher voll Wasser. Man mögte ihm ängstlich zurufen: Fall nicht, Kleiner! aber er versteht das nicht, er sieht hier keine Gefahr. -- So ist es überall; wie Blüthen auf Wellen schwimmen, so überall in Tyrol das Bild wohlthätigen Fleißes gemahlt auf den Grund einer scheinbar zürnenden Natur. Große Felder, mit türkischem Korn bebaut, breiten eine güldene Decke über die Thäler, mehr als dreihundertfaltig lohnt diese segensreiche Frucht, und hat der Landmann sie geerndtet, dann erst erscheinen die Kohlköpfe, die dazwischen gepflanzt waren, und das Feld prangt von neuem, als sey es bloß dazu bestimmt gewesen, mit der Hoffnung reicher Erndte. -- Bunter geschmückte als in Tyrol, findest Du nirgends die ländlichen Hütten. Die Legenden, mit welchen die Wände bemahlt sind, werden überschattet von aufgereihten türkischen Kornähren, die eine liebliche Tapete bilden, gleichsam zur Begrüßung des im Triumph vorbeiziehenden Herbstes.

Doch was sind die reichsten Gaben der Natur, wenn sie ihr Füllhorn nicht über gute, fröhlige Menschen ausschüttet? auch diese findest Du hier, ein biederes, treuherziges Volk, das fest an Gott und dem Kaiser hängt, auch ein wenig stolz auf den letzten Landsturm ist; und mit Recht, denn es verwehrte den Franzosen das Eindringen in seine Gebürge, indem es die Kräfte der Vaterlandsliebe gegen die der neuen Freiheit abwog, und das Zünglein mächtig zu sich herüber riß. Gern erinnern sich die Tyroler jener gefahr- und ehrenvollen Zeit, durch mancherlei Bilder suchen sie an ihren Häusern das Andenken daran zu verewigen. Ueberhaupt mögen sie gern interessante Erinnerungen fest halten, besonders wenn sie halsbrechende Dinge betreffen. So findet man zum Beispiel an der Landstraße, die beständig über steile Gebürge führt, oft Bilder aufgerichtet, auf welchen hier Einer von den Räubern überfallen wird, dort ein Anderer in Wassersnoth schwebt; dort wiederum ein Dritter von scheuen Pferden die Felsen hinabgeschleift wird. Durch schnelle Hülfe eines Heiligen, zu dem die Verunglückten einen Stoßseufzer sandten, wurden sie gerettet, und dankbar bezeichneten sie die Stelle, wo ein Wunder ihr Leben erhielt. Ich finde diese Gewohnheit sehr löblich, obgleich anfangs die gräßlichen Bilder dem furchtsamen Reisenden zuweilen Schrecken einjagen. Aber was gehen den braven Tyroler die furchtsamen Reisenden an? ist er doch in seinem Lande, und niemand soll es ihm verargen, wenn er die Erinnerung an überstandene Gefahren durch sinnliche Denkmäler stets wieder herzurufen strebt, denn wahrlich jene Erinnerung ist eins der süßesten menschlichen Gefühle. Ich spreche aus Erfahrung.

Als ich nach Sibirien geschleppt wurde, begab es sich eines Tages, . . .

-- Auf mehreren der erwähnten Bilder sind auch junge Mädchen dargestellt, denen Bösewichter ihre Unschuld rauben wollen, die aber, durch ein wohl angebrachtes Stoßgebet, die Hülfe irgend eines keuschen Heiligen noch zu rechter Zeit herbei riesen. Auch einem alten Manne, den ein Schlagfluß auf dem Felde traf, hatte man auf der Stelle, wo der Tod ihn so plötzlich überraschte, ein Denkmal errichtet. Sehr vergänglich sind diese Denkmäler freilich, denn gewöhnlich bestehen sie aus kleinen hölzernen Tafeln, etwa einen Schuh ins Gevierte, welche, mit groben Farben bepinselt, jeder Witterung Preis gegeben sind; aber was schadet das? wenn sie nur so lange ausdauern, als die Menschen leben, welche die Begebenheit interessirt.

Für Leute, die sichs gern bequem machen, gern gut essen und trinken, gewinnt die Reise durch Tyrol abermals neue Reize, denn ich wüßte kein Land, wo ich, auch in dieser Hinsicht Ueber reisen mögte. In jedem Dorfe findest Du mehrere gute, oft elegante, immer sehr reinliche Zimmer, mit weißen bequemen Betten versehen. Eine Stunde, oft auf nur eine halbe Stunde nach Deiner Ankunft, wird Dir ein Mahl aufgetischt, bestehend aus Fleischsuppe, Fisch, Wildbraten, delicater Mehlspeise; zum Desert Confect und Früchte. Alles ist trefflich zubereitet. Dann trinkst Du einen recht guten Landwein, der Deinen Gaumen befriedigen wird, wenn du auch sonst an Bourdeaux-Wein gewöhnt wärest, und der auch vermuthlich oft genug im lieben deutschen Vaterlande für Bourdeaux-Wein verkauft wird. Der sogenannte rothe, scharfe, (das heißt nicht süße) ist nach meinem Geschmack dem süßen vorzuziehen, denn der letztere, da er eigentlich nur halb süß ist, schmeckt etwas widerlich. Schnelle und freundliche Bedienung würzt das Mahl, und am Ende ist die Zeche so mäßig, daß auch der Beutel weit länger gefüllt bleibt, als in der Schweitz. -- Was ließe sich wohl noch mehr zur Empfehlung einer Lustreise sagen? Ein herrliches Land, zauberische Aussichten, wohl unterhaltene Chausseen, gute Pferde, willige Posthalter, höfliche Postillions, bequemes Nachtlager, leckere Speisen, guter Wein, freundliche Bedienung, wohlfeile Zeche. Ohne Bedenken darf ich selbst schwächlichen Damen den Rath geben, sich im nächsten Sommer Gesundheit und Heiterkeit in den Tyroler Gebürgen zu holen. -- Fünf Stunden von Inspruk giebt es auch Gletscher von ungeheurem Umfang, welche dieses Jahr von vielen Fremden, besonders von Engländern, bereiset worden sind. Man schilderte sie mir als außerordentlich merkwürdig. -- Der höchste Berg im Lande liegt gegen Graubündten zu, und heißt der Oertler. Er soll über 13000 Fuß hoch seyn. Manche Patrioten wollen ihn sogar zum Nebenbuhler des Montblanc machen, der bekanntlich über 14000 Fuß hält. -- Eine treffliche Specialcharte von Tyrol hat, bloß durch Hülfe seines Genies, ein Bauer, Namens Peter Honig, verfertigt. Auch ein paar schöne Globen, die noch auf einem Schlosse unweit Inspruk gezeigt werden, sind sein Werk. Maria Theresia belohnte ihn kaiserlich, sie gab ihm nemlich täglich einen Gulden, sage einen Gulden, wovon er noch obendrein seinen Gehülfen beköstigen mußte. Dagegen widerfuhr ihm nach seinem Tode die große Ehre, daß sein Leichnam wieder ausgegraben, und von dem Kirchhofe in die Kirche selbst gebracht wurde, die übrigens weder ein Westmünster Abtei, noch ein Pantheon, sondern eine gewöhnliche Dorfkirche ist.

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In dieser Gegend von Tyrol bemerkt man an dem weiblichen Geschlechte eine reizende National-Physiognomie, ovale Gesichter, schön geschnittene braune Augen, eine weiße Haut. Sie gleichen sich alle wie Schwestern, aber wie liebliche Schwestern, Schade nur, daß ihre geschmacklose Kleidung ihre Reize verunstaltet. -- In jedem Wirthshause findet man nun eine Taxe für Mahlzeiten, eine löbliche Gewohnheit, nur die Classificirung der Mahlzeiten hat mir ein Lächeln entlockt. Die erste große Eintheilung ist in Fleisch- und Fasttage gemacht, dann giebt es Herren-Mahlzeiten, Fuhrmanns-Mahlzeiten, Hochzeitsmahle, und bei den letzteren ist für Frauenzimmer die seltsame Einschränkung gemacht, daß sie acht Kreuzer weniger bezahlen als die Mannsperson. Das ist übrigens sehr billig und sollte wohl überall so seyn, denn sie essen und trinken ja in der That weniger. -- In diesen Gegenden wird schon, wie ehemals in ganz Italien, das Leinenzeug nicht mehr geplättet, sondern bloß gewaschen, welches einem verwöhnten Gefühl unsanft thut. -- Die schöne Landschaft wird hie und da durch die unendliche Menge von abgelaubten Bäumen, (ich glaube, es sind Eschen) verunstaltet; man freut sich aber doch zu sehen, daß der Landmann nichts vernachlässigt, um seinem Vieh im Winter Futter zu verschaffen. Eine Bäuerin versicherte mich, das Vieh fresse die Blätter sehr gern, und befinde sich wohl dabei. Warum ahmt man dies Beispiel im Norden nicht nach? besonders in Lief- und Ehstland, wo das Vieh so oft im Winter Stroh fressen muß? Fehlt es etwa an Händen, um die Blätter einzusammeln? aber ein einziger Baum giebt reiche Ausbeute, und erfordert wenige Zeit ihn zu entlauben. An tauglichen Bäumen ist auch kein Mangel, denn nicht bloß die Esche dient dazu, auch die Ulme, ja sogar der Eichbaum, wie ich nachher oft in Italien zu sehen Gelegenheit hatte.

Bis Mittewald kamen die Franzosen; hier steckten die wackern Tyroler ihrem Vordringen ein Ziel. Aber freilich erkauften sie ihre Siege oft theuer. Der Postmeister zu Mittewald liefert ein trauriges Beispiel, wie viel Unglück zuweilen das Schicksal plötzlich über einen Menschen zusammen häuft. Er war ein wohlhabender Mann, ein glücklicher Gatte und Hausvater. Da kamen die freien und edlen Franzosen, raubten ihm alles, und schossen ihm zwei Häuser in den Grund. Seine Gattin wurde vor Schrecken wahnsinnig. So irrte sie in den Feldern umher, er mußte sie einsperren. Kaum war der Feind verjagt, so stellte sich die Pferdeseuche ein, und ihm fielen 36 Pferde. So blieb er auf den Trümmern seines Glücks, vor der verriegelten Thür einer wahnsinnigen Frau sitzen. Jetzt war seit drei Wochen wenigstens diese in der Besserung, nur noch melancholisch; sie nahm sich aber doch schon wieder, zu des Mannes Freude, der häuslichen Geschäfte an. Ich meine, der Kopf, der so viel Elend zu ertragen vermag, muß sehr stark oder sehr schwach seyn.

Der Weg zwischen Brixen und Botzen ist wiederum äußerst romantisch; immer rechts schroffe Felsen, links ein jäher Abgrund, unten der reißende Strom, die Eisach, den ich fast einen viele Meilen langen Wasserfall nennen mögte. Doch auch hier sind dem rauhen Boden überall kleine fruchtbare Plätze abgetrotzt, und Millionen Kürbisse schimmern aus jeder Steinritze hervor. Besonders wird der Weinbau hier herum sehr emsig betrieben. Der Tyroler Wein ist recht gut, wohlfeil, und ich kann mich nicht genug wundern, daß wir ihn im Norden nie zu trinken bekommen. Oder trinken wir ihn vielleicht nur unter vornehmerem Titel? -- Crucifixe sieht man überall zu hunderten am Wege; sie werden von den gläubigen Seelen auf allerlei Weise herausgeputzt. Hier hat der Herr Christus Blumensträußer zwischen den Füssen, dort hängt ihm türkisch Korn vor den Armen herab. Hie und da ist sogar eine Weinrebe neben das Crucifix gepflanzt, von der es, bis zur Spitze hinauf mit reifen Trauben prangend, so artig umranket wird, daß der gekreuzigte Heiland dem Bachus -- dennoch nicht ähnlich sieht. Wozu sich doch der Herr Christus zuweilen hergeben muß! da steht er auch irgendwo über einem Brunnen, in der Seite, die ihm mit dem Speer geöffnet worden, steckt eine kleine blecherne Röhre, und aus dieser fließt das Brunnenwasser sehr witzig heraus.

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Leider vergönnte mir die Zeit nicht, das Ende dieser erbärmlichen Predigt abzuwarten. -- Doch ich vertauschte gern die unsinnigen Floskeln des Mönches nur gegen die erhabene Poesie der Natur. Immer mehr und mehr sieht sich der Nordländer mitten unter Gegenstände gezaubert, die im Vaterlande ihm fast fremd waren. Maisfelder dehnen sich vor ihm aus, in Rahmen von goldgelben Kürbissen gefaßt. Aus Meilen langen Bogen-Zweigen winken ihm blaue Trauben. Gleich Guirlanden, um ein Fest zu schmücken, sind die Weinreben von Ulme zu Ulme gezogen. Die Gebüsche am Wege hat der wilde Hopfen so dicht umrankt, daß man die Straße mit nichts als Lauben eingefaßt glaubt. Lange Alleen von Maulbeerbäumen ziehen sich an andern Stellen den Weg entlang, Cypressen ragen hier und dort gleich hohen Pyramiden hervor, ächte Kastanien, Stämme von ungeheurem Umfang, überschatten mit tausend Zweigen die Rasen, große Feigenbäume lassen ihre Zweige verworren in einander laufen, hohes, an der Spitze gefiedertes Rohr, scheint neidisch zu eilen, um die höhern Bäume im Wachstum zu erreichen -- und zwischen allen diesen sieht man hübsche, braunäugige Bäuerinnen wandeln, mit schwarzen Zöpfen, silbernen Nadeln darin gesteckt, Wallfahrts-Lichtern in den Händen, und -- ohne Andacht in den schalkhaften Mienen. So befriedigt, und so erwartungsvoll betritt der Reisende Welschlands Gränze, eilt rasch durch Trento, wo ihn die Erinnerung an das tridentinische Concilium nicht zurück halten vermag, und erreicht, von dem mannigfaltigsten Genusse berauscht, aber nicht gesättigt, das merkwürdige Verona.


Zeitungsnachrichten.[]

1806.[]

Gesetzgebung und Regierung. [3]

Eben so ist auch unter dem 21. Nov. v. J. eine Verordnung zur neuen Organisation der Provinz Tyrol erschienen. Kraft derselben soll die in 24 Landgerichte und 22 Rentämter eingetheilt werden. Zu den Landgerichten und Rentämtern sind folgende Orte bestimmt: Innsbruck, Schwaz, Rattenberg, Kufstein, Fürstenburg, Landeck, Telfs, Reutti, Brixen, Bruneggen, Lienz, Botzen, Klausen, Meran, Trient, Mezzolombardo, Kles, Male, Pergine, Leviko, Kavalese, Roveredo, Riva, Tione. Zusammen enthalten diese Landgerichte und Rentämter 443 ½ Quadrat-Meilen und 618,893 Einwohner.


Karte.[]


Der ehemalige Oesterreichische Kreis nach der Charte des Freyh: v Schmidtburg Weimar im Verlage des Geographis. Instituts. 1809.


Der ehemalige Oesterreichische Kreis nach der Charte des Freyh: v Schmidtburg Weimar im Verlage des Geographis. Instituts. 1809.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
  2. Erinnerungen von einer Reise aus Liefland nach Rom und Neapel von August von Kotzebue. Berlin 1805. bei Heinrich Frölich.
  3. National-Zeitung der Deutschen. 2tes Stück, den 8ten Januar 1807.
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