Gent.[]
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Die Stadt Gent, Ghendt, Gandavum (auch Gand, ein Handschu auf deutsch,) die Hauptstadt in Flandern, liegt an der Schelde, und ist unstreitig die größte Stadt in Europa und eine Festung. Noch drey andere Flüsse stärken den Handel der Stadt nicht wenig. Nemlich die Lise, aus Artois, die Lieve und Möre. Die Stadt wird bey nöthig gewordener Eröfnung der Schleusen auf drey Meilen im Umkreise unzugänglich. Sie hat einen Bischof, welcher unter den Erzbischof von Mecheln gehört, und treibt ausgebreitete Handlung. Wegen der vielen Flüsse, welche bey der Stadt zusammen treffen, hat sie, so wohl in Ansehung des Handels als der Festigkeit, eine sehr vortheilhafte Lage. Ein Kanal, welcher von hier nach Brügge, und von da bis Ostende geführt worden, ist 1613 angefangen, und vorzüglich merkwürdig, wird die neue Fahrt genennet, und von verschiedenen festen Schlössern beschützt, worunter das Fort St. Philipp das beste ist. Von einem andern Kanale, welcher gegen Norden sich erstreckt, gehet von Rodenhuysen aus, ein Arm nach Sas van Gent, ein anderer aber theilet sich in der Gegend von Moerbeck, so, daß ein Neben-Arm nach Axel, und ein anderer nach Hulst gehet. Anderer kleinerer Kanäle und Flüsse hiesiger Gegend nicht zu gedenken. Der sehr vielen Kanäle machen über 26 kleinen Inseln, welcher durch wichtige und grosse Brücken an einander gehenget werden. Den Umfang der Stadt schätzt man innerhalb der Mauren 45640 römische Schuhe. Die Anzahl der Häuser schätzt man auf 36000 und die Einwohner auf 40 bis 60000 Seelen. Das Grafenkastel (Petra comitis) ist der Versammlungs-Ort des Hofs und Raths von Flandern. Das Stadthaus ist ein ansehnliches Gebäude. Von dem mitten in der Stadt stehenden Thurm Belfort, mit dessen Bau 1313 der Anfang gemacht worden ist, hat man eine angenehme Aussicht über die ganze Stadt, und die auf demselbigen befindliche Glocke ist ihrer Grösse wegen merkwürdig. Es ist hier auch ein vortreflich Castell von fünf Basteyen, welches die Stadt, so ohnehin wohl befestigee ist, noch mehr defendirt. In Gent ist auch die Herrschaft Raveschot. Zu dem hiesigen 1539 gestifteten Bistum gehören 7 Decanate, nemlich 1.) das Decanat in der Stadt von 7 Kirchen, 2.) das everghemische von 21 Pfarren, 3.) das dendermontische von 21 Pfarren, 4.) das deynsische von 25, 5.) das wasische von 20 Pf. 6.) das thieltische von 22 Pf. 7.) das hulstische von 15 Pf. Die Kathedralkirche, welche Johannes dem Täufer gewidmet ist, ist ansehnlich. Ausser der Collegiatkirche sind hier noch 6 Pfarrkirchen. Der Abt der Benedictiner Abtey zu St. Peter (Abbatia S. Petri in monte Blandinio), nennet sich Primas von Flandern, Präsident der Versammlung der niederländischen Klöster, welche unmittelbar unter dem heiligen Stuhl stehen, Fürsten Champin, Graden zu Harne, Herren zu Swynaerde, Aßenede, Saffelaere xc. Hiernächst sind hier sind noch 2 Manns-Abteyen, 2 Jesuiter Collegia, 7 andere Mannsklöster und der sogenannte Tempelhof, welcher dem Johanniter Ritter-Orden gehöret, 22 Frauenklöster, 2 Beguinenhäuser, ein Seminarium des Bisthums Gent, unterschiedene Hospitäler und Kapellen. Die Stadt liegt 4000 Schritte vom Meer, nach welchem ein sehr grosser Kanal gehet, der mit vielen Schanzen versehen ist. Insonderheit liegt an dessen Ausflusse die für unüberwindlich gehaltene Festung Sas van Gent, welche Holland besitzt. Ehedem hatte die Stadt mehrere Einwohner und Häuser als ietzt. Oftmalige Feuersbrünste haben zu ihrer Verringerung viel beygetragen. Das Stadtgebiete erstreckt sich bis an den Veytgracht, und hat auf der längsten Seite 1 Stunde im Durchschnitt. Uebrigens hat die Stadt 8 Thore, 13 Plätze, 126 Wind- und Wassermühlen. Der Adel der Provinz, nebst der Kaufmannschaft, macht jetzt den besten Theil der Einwohner von Gent aus. Letztere beschäftigen sich so wol, mit einem sehr einträchtlichen Propre-Handel, en gros uud en detail, als auch, mit einem starken Transito und Wechsel-Verkehr. Die Gegend von Gent Brügge und Ostende hieß ehemals Flandria Teutonica, das deutsche Flandern.
Gent..[]
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Gent, (Gand) Hauptstadt der zum Königreiche der Niederlande gehörigen Grafschaft Flandern, eine feste und wohlgebaute Stadt am Einfluß der Lys, Lievre und Moers in die Schelde (51" 24' nördl. Br.). Die hindurchlaufenden Flüsse und Kanäle theilen sie in 26 Inseln ab. Der Umfang der Stadt ist sehr weitläufig, und konnte zu den Zeiten Philipps von Valois und Karls VI. 50.000 Mann ins Feld stellen. Sie verlor durch Kaiser Karl V, welcher hier (im Prinzenhofe) geboren wurde. Als 1539 die Einwohner zu starker Abgaben halber sich empörten, trugen sie Franz I. an, sich unter seinen Schutz zu begeben. Dieser entdeckte dies Karln, welcher deshalb an 30 der vornehmsten Bürger hinrichten ließ; viele in die Acht erklärte, die öffentlichen Gebäude einzog, alle Privilegien zurücknahm, eine Strafe von 1,200,000 Thlr. ausschrieb, und eine Citadelle anlegte, um die Stadt noch mehr im Zaum zu halten. Jetzt rechnet man 55,000 Einwohner, welche viele Manufacturen und Fabriken in wollenen und baumwollenen Zeugen, Leinwand, Tuch, Hüten u. a. haben. Unter die merkwürdigen öffentlichen Plätze und Gebäude gehören die Domkirche, 55 andre Kirchen, das Stadthaus, die Citadelle, das Grafenkastell, der Prinzenhof, die Börse u. a. m. Als die Niederlande dem französischen Reich einverleibt wurden, ward Gent eine der 4 Bezirksstädte des Departements der Schelde. Man sehe über diese Stadt Ge. Forsters Ansichten am Niederrhein, Bd. 2. S.266-283.
Zeitungsnachrichten.[]
1793.[]
Brüssel, vom 1. April. [3]
Gent ist in der Gewalt der österreichischen Truppen, welche am 29. dort eingezogen sind. Die allgemeine Freude, welche Flanderns Bewohner beym Einzuge der Erretter Belgiens bewiesen, läßt sich nicht beschreiben. Dieses seinem Souveraine immer getreue Volk, zeigte bey dieser Gelegenheit auf eine auffallende Art, daß die vorgegebene Vereinigung dieser Provinz mit Frankreich nur das Werk einiger wenigen durch Stolz und Eigennuz geblendeter Menschen war, welche die ganze Nation verabscheute, und doch dulden mußte. Zu Gent haben die Franzosen unermeßliche Magazine sowohl an Lebens-Mittel als Kleidungsstücken und Waafen zurückgelassen. Ehegestern wurden 18. zu Termonde eroberte mit ganz neuen Feldgeräthschaften angefüllte Schiffe dahier eingebracht.
Gent, vom 15. April. [4]
Gestern Mittag trafen 3 Bataillons Engl. Garden und 3. andere Bataillons Fußvolck, zusammen ungefehr 4000. Mann, unter Commando des Herzogs von Yorck, zweyten Sohnes des Königs von Engelland, allhier ein. Sie hatten einen zahlreichen Generalstab und 14. schwere Kanonen bey sich. Ihre Ankunft ward durch das Glockenspiel auf dem grossen Plaze und durch die grosse Glocke angezeigt. Bey dieser Gelegenheit wurde Abends auf dem grossen Stadttheater Bal gegeben. Die Schönheit dieser Truppen hat hier jedermann in Verwunderung gesezt. Dem Vernehmen nach, werden dieselben morgen schon wieder, und zwar nach Brüggen, abmarschiren.
Quellen.[]
- ↑ Die Belgischen Provinzen, Deutsch Burgund, oder Die Oesterreichischen Niederlande, historisch- geographisch beschrieben, nebst einigen historischen Nachrichten die gegenwärtigen Revolution betreffend, bis auf gegenwärtige Zeit, von M. Just Gottfried Martel, Rektor und Adjunctus Ministerii zu Köthen. Köthen, auf Kosten des Verfassers, und in Commißion bey Gräff in Leipzig. 1790.
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 13. April, 1793. Num. 30.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 27. April, 1793. Num. 34.