Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Gaëta.[]

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Gaëta, eine in den Kriegsgeschichten auch unserer Tage berühmt gewordene Neapolitanische Festung, welche 25 Stunden von Rom und 15 von Neapel entfernt auf einer schroffen Landzunge liegt, und nach Virgil (Aen. 7,I.) ihren Namen von Cajeta, des Aeneas Amme, hat. Noch vor Rom wurde sie gegründet, hatte nach dem Untergange des Römischen Reichs eine Zeitlang eine republikanische Verfassung, und wurde darauf von Herzogen regiert, die den Papst als Lehnsherrn anerkannten. Sie ist eine der stärksten Festungen Europa's, wozu ihre isolirte Lage, welche nur von der Seite der schmalen Landzunge den Angriff erlaubt, viel beiträgt. Ihre Umgebungen sind höchst reizend, und die vielen zierlichen Landhäuser der Vorstadt - schon die Römer hatten deren an dieser fruchtbaren Küste eine große Menge - machen das Ganze äußerst romantisch. Gaeta ist schon im Mittelalter und namentlich im Jahr 1435 von König Alphons von Aragonien belagert worden, aber auch in der neuern Zeit hat es in einem Jahrhundert drei denkwürdige Belagerungen, durch welche es jedesmal erobert worden, erfahren. Die erste 1702 von den Oestreichern, die es nach drei Monaten unter General Daun mit Sturm nahmen; die zweite 1734 von den vereinigten Waffen Frankreichs, Spaniens und Sardiniens, die vom Anfang Aprils bis zum 6. August zubrachten, bis sich die Besatzung auf ehrenvolle Bedingungen ergab. Seitdem noch mehr befestigt, wurde es zuletzt im Jahr 1806 von den Franzosen belagert. Bei den schnellen Fortschritten der Französischen Heere in Neapel im Februar jenes Jahres wurde ihnen unter mehreren Festungen auch Gaeta von der Neapolitanischen Regierung zugesichert, aber der Commandant derselben, der heldenmüthige Prinz Ludwig von Hessen-Philippsthal, verweigerte die Uebergabe und nöthigte durch seine tapfere Gegenwehr den Feind zu einer förmlichen Belagerung. Mit unerschütterlichem Muth hielt er sich bis zum Juli, und nur eine fast tödliche Verwundung durch eine Bombe, die ihn nöthigte, sich nach Sicilien überschiffen zu lassen, konnte es endlich dahin bringen, daß die Festung am 18. Juli capitulirte. Am 8. August 1815 übergab der Marechal de Camp Begani die Festung Gaeta an die Truppen des Königes Ferdinand v. Sicilien, nachdem er sie lange für den König Joachim vertheidigt hatte.


Vermischte Nachrichten.[]

[2]
Bekanntlich rettet der deutsche Prinz von Hessen-Philippsthal die Ehre der neapolitanischen Waffen durch die tapfere Vertheidigung der Vestung Gaeta. Ueber 130 Stüke sind vor derselben aufgepflanzt; ihre Lage ist aber so vortheilhaft, daß das Feuer keine Wirkung thun kann, und es unmöglich ist, sie zu nehmen, wenn sie nicht zugleich von der Seeseite blokirt wird. Indeß sind alle die schönen Oelpflanzungen der Gegend niedergehauen, um Verhake zu machen. Jahrhunderte müssen den Schaden ersezen; denn bekanntlich braucht der Oelbaum die meiste Wartung und die längste Zeit. Diese waren alle uralte Bäume. Des Prinzen von Philippsthal: Gaeta ist nicht Ulm; Hessen-Philippsthal nicht Mak, wurde von den Franzosen mit Achtung für den tapfern Mann aufgenommen. Einer kleinen Nekerei konnte man sich indessen doch nicht enthalten. Man schikte ihm von französischer Seite ein Kalb zum Geschenke, welches er mit einem grossen Seefisch und einer Portion sehr feinen Schießpulvers erwiederte.


Miscellen.[]

[3]
Gaeta, welches sich beynahe durch ein halbes Jahr mit so rühmlicher Hartnäckigkeit vertheidigt hatte, capitulirte am 19. Jul., 4 Tage, nachdem der tapfere Commandant, Prinz von Hessen-Philippsthal, durch die erhaltenen schweren Wunden genöthigt worden war, sich nach Palermo überschiffen zu lassen. Noch hatte der Marschall Massena keinen Sturm unternommen, wohl aber vorbereitet. Die Garnison schiffte nach Sicilien über, bevor noch die Werke von den Franzosen besetzt waren, und dienet 1 Jahr lang nicht. Den Tag nach abgeschlossener Uebergabe eilte Massena sogleich nach Calabrien. -- Es ist nicht uninteressant, einiges über die früheren Schicksale dieser uralten berühmten Ortes hier anzuführen. Gaeta ist an der Seite eines Berges gebaut, der beynahe ringsum vom Meere umgeben ist, und nur durch eine schmale Erdzunge mit dem Lande zusammenhängt. Sie liegt an dem Meerbusen, den die Alten den Formischen nannten, und der an Schönheit nur dem von Neapel weicht; 25 Stunden von Rom und 15 von Neapel. Nach Strabo ward die durch Auswanderer von Samos gegründet; wenigstens existirte sie früher als Rom. Virgil läßt den Aeneas dort seine Amme begraben. Autonin, der Fromme, ließ ihren Hafen anlegen, oder doch verbessern. Nach dem Untergange des Römischen Reichs hatte sie eine Zeitlang Republicanische Verfassung, nachher ward sie durch Herzoge regiert, die den Pabst als Lehensherrn erkennten. Die Zerstörung von Formiä und Minturnä verschafften ihr einen ansehnlichen Zuwachs an Bevölkerung. Die nahen Umgebungen der Stadt sind äusserst reitzend, und in der Ferne unterbricht der Vesuv, so wie die Inseln Ischia, Bentotiene und Ponza, die Einförmigkeit des Meer-Horizonts. Die Römer hatten an dieser fruchtbaren Küste eben so viel Landhäuser, als an der Bucht von Baja. Noch jetzt erblickt man in der Mitte von Orangen- und Citronenwäldern, unter Myrthen und wohlriechenden Gebüschen, bald Substructionen antiker Villa's, bald Grabmähler. Die Vorstadt, die sich längs den Ufern des Golfs hinzieht, hat auch jetzt eine Menge zierlicher Landhäuser. Gaeta, in ihrem dermahligen Zustande, ist eine der stärksten Festungen von Europa, wozu besonders ihre isolirte Lage beyträgt, welche nur von der Seite der schmalen Landenge einen Angriff zuläßt. Der sehr bequeme Hafen bildet einen Halbzirkel; seine Kays sind mit Artillerie bedeckt, und nach Westen hin erstrecken sich einige Werke, die von Carl V. angelegt wurden, bis ins Meer hinein. Das Schloß auf dem Gipfel des Berges, an der äussersten Spitze des Meerbusens, ward 1449 durch Alphons, König von Arragonien, gebaut. Als dieser Fürst 14 Jahre vorher die Stadt belagerte, befahl er, die Trümmer von Cicero's geglaubter Villa zu schonen, mit den Worten: "Lieber wollte ich die Belagerung aufgeben, als sie zerstören." Die Belagerung, wo die Stadt von Ottolino Caraccioli und Sorleone Spinola vertheidigt wurde, war langwierig und heftig. Eine andere erlitt sie 1707, wo sie von den Oesterreichischen Truppen, unter General Daun, mit Sturm eingenommen wurde. Unter den Merkwürdigkeiten, welche Fremde zu besehen pflegen, befindet sich das Grabmahl des Munatius Plancus, von den Einwohnern Torre d'Orlando genannt; ein anderer noch älterer Thurm, der gewöhnlich Latratina heißt, weil man darin mehrere Anubisfiguren gefunden hat; und das Grabmahl des Connetable, Carls von Bourbon, der 1528 bey dem Sturm bey Rom blieb. Bis 1757 hieng sein Skelett an einem Schloßthore; die Päbste hatten nie zugeben wollen, daß er in geweihter Erde begraben würde, weil er gegen sie Krieg geführt hatte; 1757 machte jedoch Prinz Carl von Bourbon, diesem Vorfall ein Ende, und ließ seinen Ahnherrn feyerlich in der Cathedralkirche beysetzen. Ausserhalb der Stadt sieht man einen Felsen, der, wahrscheinlich durch ein Erdbeben, von oben bis unten gespalten ist. Eine Volkstradition läßt dies bey Christi Tod geschehen, daher der Ort von den vorbeyfahrenden Schiffen salutirt wird.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Italienische Miscellen Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1805.
  3. Wiener Zeitung. Nro. 64. Sonnabend, den 9. August 1806.
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