Friedrich Baron von Dietrich.[]
Dietrich (Friedrich Baron von), Kommandantschaftssekretair des Grafen Artois und Colonelgeneral der Schweizer und Graubündtner zu Anfange der Revolution, war der erste konstitutionelle Maire von Strasburg und machte sich durch seinen Demokraten-Eifer berühmt.
Seine Grundsätze änderten aber bald und seit 1790 beschuldigte ihn Salles von der konstituirenden Versammlung, daß er Theil an den gegenrevolutionären Manövren in Elsaß nähme. Von diesem Zeitpunkte an, zeigte er sich fortwährend immer mehr und mehr wider die Jakobiner und seine Feinde vereinigten sich, ihn zu verderben. Ein Beschluß vom 18ten August lud ihn vor die Gerichtsschranken. Dietrich nahm die Flucht und gieng nach Basel, wurde darauf auf die Emigrantenliste gesetzt und dadurch bewogen, wieder nach Frankreich zurückzugehen. im November 1792 stellte er sich von freyen Stücken als Gefangener in der Abtey, blieb darinnen über ein Jahr in Verwahrung und fiel dennoch am Ende als Opfer des Revolutionsgerichtes den 24sten Dezember 1793. Er war 45 Jahre alt und in Straßburg gebohren.
Sein Sohn hat mit Mühe 1795 die Tilgung seines Nahmens aus der Emigrantenliste und die Zurückgabe seiner Familiengüter erhalten.
Briefe.[]
Strasburg am 2 Januar 1793.
Unmöglich können Sie Sich vorstellen, wie traurig und niedergeschlagen wir hier alle sind. Wir leben unter dem Drucke einer kleinen Anzahl ränkevoller Menschen, größtentheils Ausländer, ohne Religion, ohne Sitten und Vermögen. Diese bemühen sich, die Unordnung recht groß zu machen, um alsdann im Trüben zu fischen, und sich auf Unkosten der Patrioten zu bereichern. Die Explosion im Elsaß wird schrecklich seyn. Erinnern Sie Sich, wenn dieses geschieht, daß ich es ihnen vorausgesagt. Der Prozeß unsers ehemaligen Maire Dietrich zieht unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich. Dieser Mann ist ein Opfer der niederträchtigsten Kabale geworden. Ein gewisser Rühl, Mitglied der National-Konvention, hat ihn bei der Konvention angeklagt, weil er den Dietrich zu stürzen suchte, um selbst Maire zu werden. Diesen Rühl kennt man bei uns nicht anders, als durch seine Lügen und Prahlereien; in Paris aber durch seine groteske Figur, seine komischen Geberden, durch seine diplomatischen Windbeuteleien, und durch seine Neuigkeitskrämereien. Vortrefflich hat ihn geschildert der Doct. Barth, in seinem Leben, im dritten Bande. S. 28. Er nennt den Rühl, nicht mit Unrecht einen Teufel! Sollten wir diesem Menschen zum Maire bekommen, so sei und Gott gnädig! Es ist unglaublich, welche ungeheure Arbeiten Dietrich als Maire unternahm; es ist unglaublich welche ungeheure Menge von Geschäften er besorgte; und es ist unglaublich, wie gut er dieselben besorgte. Dietrich mußte Finanzverwalter, Aufseher der Zeughäuser, Kommendant der Stadt, Richter und General zugleich seyn. Man verlangte von ihm, daß er alle Menschen und alle Nichtswürdigen, hergelaufenen Abentheurern, Plätze verschaffen; daß er alle Wahlen nach dem Bedürfnisse dieser Menschen leite. Dietrich stand an der Spitze der Mehrheit. Er, nebst einigen wenigen, opferte seine Gesundheit und sein Vermögen auf, um das Volk aufzuklären, und um alle Gefahren von demselben abzuwenden. Es gelang ihm, Strasburg und das Niederrheinische Departement zu retten; seinen Einwohnern Liebe zu Konstitution, und den Muth dieselbe zu vertheidigen, durch sein Beispiel einzuflößen. Während der drei stürmischen Jahre war Strasburg ruhiger als in diesem ganzen Jahrhunderte. Kein Blut floß in seinen Mauren: keine Unruhe entfernte die Fremden oder Reisenden; der Bürger genoß friedlich die Früchte seines Fleißes, welche Dietrich durch mancherlei Anstalten und Vorkehrungen, zu vermehren suchte. Der Diebstahl und die Bettelei wurden täglich seltener; und die Armen, die Kranken, die Waisen und Arbeitslosen, fanden an Dietrich und Türkheim Väter und Freunde. Straßburg war die einzige Stadt in Frankreich welche sich dieses Glücks freuen konnte. Die Wunden, welche die Revolution einem Theile ihrer Einwohner schlug, fingen schon an zu heilen, als einige Verräther diesen Aufenthalt der Ruhe, der Ehrfurchr für das Gesetz und dessen Vollzieher, sowohl als der bürgerlichen Eintracht, in einen Tummelplatz aller Leidenschaften zu verwandeln suchten. Blutdürstige Menschen, welche unter einem treulosen Schleier, ihrer Partikular-Haß in einen Volkshaß umzuschaffen trachteten, hatten sich ein großes Opfer ausgesucht; und dieses Opfer war Friedrich Dietrich. Seine bittersten Widersacher und Ankläger sind La Veaux, ein Fremder, welcher sich dem Dietrich zum Spion in Deutschland anbot, aber nicht angenommen wurde; Simon, ein Priester; und Rühl, ein Mann ohne Religion und Moral, welcher seine dürftige Schwester in Elende verschmachten läßt: welcher, am zweiten Sept. zu Paris, dem unglücklichen Doyen, seinen Amtsbruder, durch Ein Wort, durch einen Schritt, das Leben hätte retten können, aber denselben, vor seine Augen gefühllos ermorden ließ.
Vor einiger Zeit fand man hier, mehrere Tage nach einander, ein eben so wahres als witziges Epigramm an dem Freiheitsbaume angeschlagen. Ich theilt Ihnen dasselbe mit:
Que faut-il donc qu'on imagine
De cette liberté, qu'ici l'on nous apprête?
Son arbre est sans racine,
Et son bonnet sans tête!
Wichtige Anekdoten.[]
Ditterich, Maire von Straßburg, war der Centralpunkt der Propaganda für Teutschland. Er ließ sich dies Geschäfte durch Briefe und Emissarien äußerst angelegen seyn. Eine Menge von ihm besoldeter Kaufleute, besonders aber ein Tobacksfabrikant Müller, ein Kaufmann Rubsamen, ein Gastgeber zur Stadt Wien, Namens Kiener, nebst vielen andern, überschwemmten in Teutschland ihre Correspondenten durch Flugschriften und Aufmunterungen zu einem allgemeinen Aufstand gegen ihre Fürsten und gegen ihre rechtmäßige Obrigkeit. Ich habe dieser Art Schriften eine Menge in Teutschland bei dem Kaufmann Reinbold in Steinbach, und vielen anderen an andern Orten in Händen gehabt, und die Briefe dazu durchlesen. Ditterich war es, welcher eine Levrault, der seinem alten Vater, dem ehrlichen Buchdrucker in Straßburg, als er ihm einstens Geld zu geben versagte, Maulschellen gab, heimlich aller Orten herumschickte, um die sogenannten Aristokraten aufzusuchen; einen seiner Lüderlichkeit wegen auf dem lutherischen Wilhelmitenkloster ausgestossenen Theologen, Frienshols, über den Rhein schickte, um die wüthigsten Plakarde an den teutschen Zollpfählen anzuschlagen. Ditterich war es, der den Kardinal Rohan in Ettenheim durch seine Abgeordnete wollte morden lassen. Ditterich war es, der den Zahnarzt Leveque unter großen Versprechungen dahin brachte, Seine Majestät, den König von Preußen, über dem Zahnpuzen zu vergiften, da er eben dieses Geschäftes wegen nach Mümpelgard, Stuttgard und Berlin reiste. Auf seiner Rückreise aber wurde er in Offenbach eingezogen, verhört und nach Magdeburg gebracht. Ditterich war es, der einen Leuchsenring, ehemaligen Hofmeister der Prinzen von Darmstadt, nach Berlin sandte, um so viele zu einer künftigen Revolution vorzubereiten, als er konnte. Er wurde aber entdeckt, und mußte bei Nacht und Nebel Berlin räumen. Ditterich war es, der einem Dufreney und mir selbst die größten Summen anbieten ließ, um seine Anhänger zu werden. Er war es, der einen Kaufmann Kolb in Straßburg, einen Frankfurter von Geburt, dazu gebrauchte, die Millionen, die ihm der Deputirte Herauld de Sechelles aus Paris für seine Agenten im Auslande überbrachte, in Wechseln zu übermachen. Er gehörte in die Klasse der theoretischen Reformatoren, die, wenn sie für eine Sache fanatisch eingenommen sind, glauben, alles müsse nach dem Ideal von Plan gehen, den sie auf dem Papier entworfen haben; zumal wenn unbeschränkter Ruhm und gränzenlose Ehrsucht ihren Geist in Fesseln halten. Vor der Revolution war er Verfasser naturhistorischer Werke über den Torf, der Geschäftsmann des Grafen Artois, und Sekretarius der suisses et Grissons, eine Stelle, die er dem ehemaligen Inhaber dieser Stelle, Herrn von Mordange, übertheuer bezahlt hatte. In Straßburg wurde er der Stifter des Jakobinerklubs, und bald nachher des der Feuillans. Ihm verdankt Straßburg die gewaltsame Absezung ihres Magistrats, die Wegnahme aller ihrer Patrimonialgüter, die Oeffnung aller Thürme und Zuchthäuser, die Empörung der gemeinen Soldaten, welche da in Garnison lagen, gegen ihre Offiziere, mit einem Worte, seine Freiheit, Vorrechte und Privilegien.
Friedrich Dietrichs, ehemaligen Maire zu Strasburg, eigene Vertheidigung wegen des ihm angedichteten Vorhaben eines Königsmordes.[]
-- -- "Ich kenne nichts abgeschmackteres, als die Aussagen des Peter Evesque, Zahnarztes von Strasburg, welche man in der Baireuther Zeitung vom 15ten October des vorigen Jahrs lieset. Es ist die Wiederholung der Fabel von dem Mörder, der vorgeblich von mir abgeschickt worden ist, um den Kardinal Rohan zu erwürgen, worüber Dieser mit mir einen Kriminalprozeß vor dem Reichsgerichte anfieng. Ich glaube nicht so tief gesunken zu seyn, daß ich mich wegen der Beschuldigung, als ob ich einen Meuchelmord vorgehabt hätte, entschuldigen müßte. So ist die ohnmächtige Wuth meiner Feinde beschaffen, daß ich sie schon widerlege, wenn ich ihre Verleumdungen nur öffentlich bekannt mache. Indessen wird es doch nicht unnütz seyn, wenn ich noch beifüge, daß, zu eben der Zeit, da man die Aussage des Evesque bekannt machte, man mir nach Basel schrieb, und in mich drang, daß ich meinen Einfluß auf meine Mitbürger benutzen sollte, um die Thore Strasburgs der Preußischen Armee zu öffnen. "Denn entweder, schrieb man mir, siegen die Aristokraten nebst ihren Beschützern, oder die Jakobiner. Im ersten Falle sind Sie verlohren; denn Sie sind vor einem Deutschen Gerichtshofe als ein Meuchelmörder angeklagt worden. Im andern Falle ist Ihr Untergang eben so gewiß; denn die Jakobiner werden Sie Ihrem Hasse aufopfern, und so selbst Werkzeuge unserer Rache werden." Daraus zog man den Schluß: "daß ich meine Begnadigung nur durch einen großen Dienst erkaufen könne." Und dieser Dienst bestand in der Auslieferung Strasburgs! Man ziehe nun selbst Folgerungen aus dieser Zusammenstellung.
- a) Man vergleiche hiemit diese Annalen Januar, Heft 1. S. 92.
Quellen und Literatur.[]
- Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
- Politische Annalen herausgegeben von Christoph Girtanner. Berlin. Bey Johann Friedrich Unger. 1793.
- Wichtige Anekdoten eines Augenzeugen über die französische Revolution. Ein unentbehrlicher Nachtrag zu Girtanner's historischen Nachrichten und Betrachtungen xc. Berlin und Leipzig 1800.
- Politische Annalen herausgegeben von Christoph Girtanner. Erster Band. Januar. Februar. März. Berlin. Bey Johann Friedrich Unger. 1793.