Das Kriegswesen.[]
[1]
Die Maßregeln zur Aufrechthaltung der äussern Sicherheit, oder das Kriegswesen, sind der dritte Pfeiler des gesellschaftlichen Vereines. Durch Einführung einer alle Stände umfassenden Conscription hat die Republik den Grund zur Grösse und Feste des Staates gelegt. Gerechter und einfacher kann der Staat nicht zur höchsten Kraftäusserung gebracht werden; denn keine höhere gibt es, als die aller seiner waffenfähigen Jünglinge zusammen genommen. Diese Einrichtung hat ausser dem Vortheil, dem Staate eine nationale, von Ehre beseelte Bürger-Armee zu liefern, noch die zwei großen Vortheile, daß sie die Bildung des jungen Bürgers vollenden, ihm einen männlichen Charakter schaffen hilft, und daß sie ihm Sicherheit gewährt, bei seinem Geschäfte bleiben zu können, so bald seine Dienstjahre vorüber sind, oder ihn das Loos nicht getroffen hat. Ein Vortheil, der bei dem gewöhnlichen Recrutirungs-Systeme der alten Feodal-Staaten gänzlich mangelte. In diesen Staaten wurde der Kriegsdienst durch die Lebenslänglichkeit zur Sclaverei, und durch Anhäufung von Invaliden zum Entvölkerungs-Mittel und zur Staats-Bürde. So schlugen Maßregeln einer heiligen Nothwendigkeit zu Verfügungen der Ungerechtigkeit aus. Diese Ungerechtigkeit war um so schreiender und widersinniger, als restlich die, welche viel zu verlieren hatten, nie die Waffen zur Vertheidigung ihrer Habe ergriffen, sondern sie jenen überließen, die nichts verlieren konnten, und zweitens, als Stände, die ihre Privilegien bloß ihren Kriegsdiensten verdankten, immerfort jene genossen, während sie diese nicht mehr leisteten.

Aber ungeachtet dieser Vortheile, die für Frankreich aus dem neuen Systeme erwuchsen, würde es dem zu seinem Untergange verschwornen Europa unterlegen seyn, wenn nicht Napoleon noch eine ganz neue Strategie und Taktik geschaffen hätte. Diese ausserordentliche Beweglichkeit und Schnelligkeit seiner Armeen, die Kunst, mit der es das Menschenblut in kleinen Gefechten zu schonen, und grosse Schlachten so anzuordnen weiß, daß sie entscheiden müssen, und daß seine Kriege kaum so viele Monathe dauern, als die der alten Feldherren Jahre dauerten; die Vorkehrungen, mittelst welcher er zahlreiche Armeen, mitten in feindlichen Ländern, ohne nachgeführte Magazine, bloß durch kluge Berechnung des Gewinntriebes der Menschen zu verpflegen, und Ueberfluß und Wohlfeilheit selbst in die Länder zurückzuführen weiß, die vor Ankunft seiner Heere Mangel litten; die Art wie er alle Springfedern der Ehre in Bewegung setzt, und nicht nur für den Tapfern, sondern auch für seine Familie sorgt; die weise Verfügung mit den Nationalgarden, von denen ein Theil längs dem Rhein und an den Meeresküsten beständig organisirt, der andere aber bei einem außerordentlichen Angriff auf die Gränzen des Reichs zusammen berufen wird -- alles das deutet auf eine nothwendige Umformung aller bisherigen Staats- und Kriegsmaximen hin.
Die Conscription ist in Frankreich äusserst einfach eingerichtet. Von 1,200,000 Kindern, die beiläufig im ganzen Umfange des Reichs jährlich geboren werden, erreichen etwas mehr als die Hälfte das 20ste Jahr; wenn man von dieser Zahl wieder die Hälfte für das weibliche Geschlecht abzieht, so bleiben 300,000 Jünglinge im Alter von 20 Jahren übrig, welche der Conscription unterliegen. Ein Drittel ist zum wirklichen Dienst, ein Drittel zur Reserve und zum Depot bestimmt, und ein Drittel bleibt ganz dienstfrei. Die Dienstzeit begreift 4 Jahre. Die Jünglinge ziehen bei dem Aufruf zum Dienste das Loos. Die strengste, unerbittlichste Gerechtigkeit wacht in Frankreich darüber, daß der Sohn des Reichen, wie der des Armen seine Dienstzeit überstehe.

Die Organisation der kais. Garde ist folgende: Die Garde (la maison militaire de l'Empereur) besteht aus einem Generalstabe, einer General-Administration, einem Corps Grenadiere zu Fuß, einem Corps Jäger zu Fuß, zwei Füsilier-Regimenter, einem Corps Grenadiere zu Pferde mit einer Schwadron Veliten, einem Corps Jäger zu Pferde mit einer Schwadron Veliten, einem Corps polnischer leichter Reiter, einem Corps leichter Artillerie mit Park, Handlangern und einer Schwadron Veliten, einer Legion Gensdarmerie d'Elite, zwei Bataillonen Artillerie-Zug, einem Bataillon Matrosen, einer Compagnie Mameluken, und einer Compagnie Veteranen. Die Garde beträgt beiläufig 12,000, soll aber auf 32,000 Mann gebracht werden.
Im Generalstabe befinden sich vier Colonel-Generale vom Hause des Kaisers, nämlich die Herzoge: von Auerstädt, Commandant der Grenadiere zu Fuß; von Dalmatien, Commandant der Jäher zu Fuß; von Istrien, Commandant der Reiterei; von Treviso, Commandant der Artillerie und Matrosen. Ferner 10 Aides de Camp des Kaisers, nämlich: die Grafen Lemarois, Law de Lauriston, Caffarelli, Rapp, der Herzog von Rovigo; die Grafen Bertrand, Mouton und Reille, sämmtlich Divisions-Generale; der Graf le Brun und H. v. Gardanne, Brigade-Generale.

Die Organisation der Armee ist folgende: a) Generalstab der Armee. Drei Lieutenante des Kaisers: der König von Spanien, Commandant der Französischen Armee in Spanien; der König beider Sicilien, Commandant der Französischen Armee in Neapel; der Vicekönig von Italien, Commandant der Armee von Italien. Sechzehn Reichsmarschälle, 4 Senatoren, die diesen Titel haben, 4 General-Inspectoren, und 4 Colonele-Generale (siehe S. 31); 157 Divisions-Generale, 283 Brigade-Generale, 148 commandirende Adjutanten. b) Die Departemente des Reichs sind in 29 Militär-Divisionen vertheilt. 1) Paris; 2) Mezieres; 3) Metz; 4) Nancy 5) Straßburg; 6) Besanzon; 7) Grenoble; 8) Marseille; 9) Montpellier; 10) Toulouse; 11) Bordeaux; 12) Nantes; 13) Rennes; 14) Caen; 15) Rouen; 16 Lille; 17) . . . .; 18) Dijon; 19) Lyon; 20) Perigueux; 21) Bourges; 22) Tours; 23) Bastia; 24) Brüssel; 25) Lüttich; 26) Koblenz; 27) Turin; 28) Genua; 29) . . . . c) General-Inspectoren und Chefs der Corps von verschiedenen Waffen, als: 1) Kaiserl. Gensd'armerie, unter dem Chef und ersten General-Inspector Herzog von Conegliano. Sie thut Dienste im ganzen Umfange des Reichs, und ist (die bei der Garde als Legion d'Elite angestellten mitbegriffen) 17,951 Mann stark, worunter 713 Officiere. Sie ist eingetheilt in 29 Departemental-Legionen, 58 Schwadronen, 123 Compagnien, 388 Lieutenantien, und 2795 Brigaden, nämlich 1865 zu Pferd, und 930 zu Fuß. Jede Brigade ist 6 Mann stark, 116 zu Fuß ausgenommen, die 10 Mann stark sind. 2) Kaiserl. Artillerie-Corps besteht ausser dem Generalstab von 437 Officieren, aus 8 Regimentern Artillerie zu Fuß, 6 Regimentern Artillerie zu Pferd, 2 Bataillonen Pontonniere, 16 Compagnien von Artillerie-Handwerkern, 4 Compagnien Waffenschmiede, 26 Bataillonen Artillerie-Fuhrwesen, 111 Compagnien von Canonieren-Küstenwächtern, 28 Compagnien stättiger Canoniere und 18 Compagnien Veteranen. Erster General-Inspector ist der Divisions-General Songis. 3) Kaiserl. Genie-Corps, bestehend aus einem Generalstabe von 3 Divisions-Generalen, 6 Brigade-Generalen, 4 Obersten, 8 Majoren, 66 Bataillons-Chefs, 220 Capitänen, 40 Lieutenanten, und einem Examinator vom Genie (Bossut), der Glied vom Institut ist; ferner 9 Compagnien Mineure, 5 Bataillone Sappeure, Zug, und 588 Garden des Genie-Corps. Die Compagnien sind 68 Mann im Frieden und 100 im Krieg, die Bataillone 612 Mann im Frieden 909 im Kriege stark. Die Artillerie- und Genie-Schule zu Metz besteht aus 100 Zöglingen, wovon 70 für die Artillerie und 30 für das Genie. Ausserdem ist in Metz eine Regiments-Schule für Mineure und Sappeure. Chef und erster General-Inspector des Genies ist Graf Dejean. 4) Infanterie: 90 Linien-Regimenter, 27 leichte Infanterie-Regimenter. 5) Cavallerie: 78 Regimenter, nämlich 2 Carabinier- 12 Cürassier- 30 Dragoner- 24 Chasseur- und 10 Husaren-Regimenter. 6) 10 Halb-Brigaden Veteranen. d) Revüe-Inspectoren und Kriegs-Commissäre. Der Graf v. Cessac (Lacuee), General-Director der Revüen und der Conscription; 3 Revüen-Inspectoren en Chef, 146 Inspectoren und Unter-Inspectoren, 53 Commissäre-Ordonnateure, 234 Kriegs-Commissäre, und 63 Adjuncten der Kriegs-Commissäre.
Stand der Armee. Am Schlusse des Jahrs 1804 bestand die Armee aus folgenden Truppen, den Generalstab nicht mitbegriffen:
Soldaten. Officiere. 1) Garde des Kaisers 7,299 359 2) Linien-Infanterie 192,555 8,841 3) Leichte Infanterie 58,560 2,548 4) Truppen zu Pferd 53,487 3,148 5) Artillerie zu Fuß 13,206 757 6) Artillerie zu Pferd 2,866 196 7) Artillerie-Zug 8,878 175 8) Pontonniere 1,145 62 9) Genie 5,636 299 10) Piemontesische Legionen 3,888 138 11) Gensd'armerie 15,063 655 12) Veteranenim Dienst 11,733 800 13) Canonier-Veteranen 832 64 14) Unregelmäßige Truppen 7,248 416 15) Küsten-Wächter 12,919 239 Summe: 395,428 18,697
Alle zusammen betragen 414,125 Mann.
Dieß kann man beiläufig als Friedensstand der französischen Armee abgeben.
Hiervon muß man die Nummern 11, 12, 13, und 15, (Zusammen 42,305 Mann) als nicht am Kriege theilnehmend Truppen abziehen, so daß der Stand der Felddienste leistende Mannschaft sich auf 371,820 Mann belauft, Es braucht keine Erwähnung mehr, daß zu Kriegszeiten, dem französischen Conscription-Systeme zufolge, diese Macht in jedem Jahre um 200,000 Mann vermehrt werden kann.
Von den zur Bildung des angehenden, zur Belohnung des dienenden Kriegers in Frankreich bestehenden Einrichtungen werden wir weiter unter zu sprechen Gelegenheit haben.
Eine kurze Uebersicht des von Zeit zu Zeit wechselnden Soldes dürfte zum Schlusse nicht ohne Interesse seyn.
Jährlicher Sold unter beim Fußvolk bei den Reitern Heinrich IV. 1600 120 L. 600 L. Ludwig XIII. 1610 120 L. 480 L. Ludwig XIV. 1651 108 L. 384 L. do. 1660 90 L. 270 L. do. 1668 85 L. 126 L. do. 1701 85 L. 123 L. do. 1714 90 L. 126 L. Ludwig XV. 1718 117 L. 144 L. do. 1762 102 L. 120 L. Ludwig XVI. 1788 111 L. 129 L. 1790 und 1791 136 L. 17½ S. 155 L. 2½ S. 1799 und 1802 109 Fr. 80 C. 122 Fr.
Gouvernement von Paris: Gouverneur, der Herzog von Abrantes, erster Aide de Camp des Kaisers. Platz- und Waffen-Commandant von Paris, Divisions-General Graf Hulin, 3 Aides de Camp, 1 Adjudant-Commandant, 36 Platz-Adjudanten für die zwölf Arrondissemente der Stadt. Pariser Garden, 2 Regimenter Infanterie, zusammen 2660 Mann; 1 Schwadron Dragoner. –

Organisation der Marine. a) Marine: ein Groß-Admiral, der König beider Sicilien; 8 Seepräfecten, 7 Vice-Admirale, 16 Contre-Admirale, 134 Schiffs- 143 Fregatten-Capitäne, 417 Schiffs-Lieutenante, 4 Regimenter Marine-Artillerie, 5 Compagnien Handwerker, 6 Compagnien Canonier-Lehrlinge, 68 Ingenieure der Marine, 4 Park-Chefs (Oberste), 7 Unter-Chefs, 12 Capitäne-Inspectoren der Eisenhämmer und Gußhütten, 174 Commissäre verschiedenen Ranges bei der Marine-Verwaltung angestellt, 7 Magazin-Aufseher, 10 Officiere als Chefs und Unter-Chefs der Hafen-Bewegungen. Erster General-Inspector der Marine-Artillerie ist Graf de Suigny, Divisions-General; er hat unter sich 2 Inspectors-Adjuncten, 8 Marine-Inspectoren, und 18 Unter-Inspectoren. Die Wälder des Reichs, aus denen Holz zum Schiffsbau genommen wird, sind in 7 Arrondissemente vertheilt.
Die 8 Seepräfecturen sind: 1. Antwerpen 2. Havre 3. Brest 4 L'Orient. 5. Rochefort. 6. Toulon. 7. Genua. 8. . . . .
Stand der Marine. der eigentliche Stand der Marine kann nicht genau angegeben werden. Man weiß beiläufig, daß 25 Linienschiffe in Brest, 16 in Toulon, 10 in Antwerpen und 8 bei Rochefort liegen.
Man kann demnach die Zahl der Linien-Schiffe zu 60, die der Fregatten und Brigantinen zu einer gleichen Zahl annehmen. Eine große Zahl Kriegsschiffe aller Art sind auf den Schiffswerften des Reichs in Arbeit. Zahllose Canonenboote bedecken die Küsten des Kanals und die Ufer der Schelde.
Im Jahre 1805 begriff die Marine-Inscription 400,130 Köpfe, aus welchen man Leute zum Seedienste ausheben kann. Die Zahl der Matrosen schätzt man beiläufig auf 70,000 Mann.
Die 4 Marine-Regimenter betragen auf dem Kriegsfusse 14,340 Mann. Die fünf Compagnien Handwerker, (zu 153 Mann) 765 Mann. Die sechs Compagnien Artillerie-Lehrlinge (zu 153 Mann) 818 Mann.
Mit dem Marine-Ministerium ist auch das der Colonien verbunden, wovon folgendes zur kurzen Uebersicht seiner Einrichtung dienen mag.
Colonial-Verwaltung. Ferrand, Divisions-General, Commandant in St. Domingo; Villaret-Joyeuse, Viceadmiral, General-Capitän von Martinique; Ernouf, Divisions-General, General-Capitän von Guadeloupe; Victor Hugues, Commmandant im Französischen Guyana; de Caen, Divisions-General, General-Capitän von Isle de France und Reunion; Levasseur, Capitän-Commandant am Senegal. Von den öffentlichen Anstalten zur Bildung und Belohnung der Seetruppen ebenfalls in der Folge.
Quellen.[]
- ↑ Frankreich unter der neuen Dynastie nach seinen innern Verhältnissen. Von Joseph Widemann, Beamten des Französischen Staats-Secretariats, Verfasser der Streifzüge nach Venedig und Istrien, und der mahlerischen Schilderung von Baden. 1810.