Neuester Französischer Kriegsbericht.[]
(Die Mittheilungen von Kriegsnachrichten werden Französischer Seits jetzt so selten, daß folgender Bericht über die Stellungen der Armeen, als der Zeitgeschichte angehörend, eine Aufnahme in unserm Journal verdient. Er ist ganz im Geiste der früheren Bülletins geschrieben, man weiß daher, was man von der Richtigkeit der Zahlen zu halten hat. Die Zeit ist Gottlob! vorüber, wo durch Vergrößerung der Thatsachen Furcht eingeflößt werden könnte.)
- Paris, den 17ten März.
Folgendes ist die genaue Situation unserer Armee im Norden von Europa, am 1oten März.
Pillau. -- Der General Castella hielt mit 1200 Mann Franzosen das Fort Pillau besetzt. Er capitulirte den 26sten Januar. Diese Capitulation ist eine Convention, der zufolge die Französischen Truppen mit Waffen und Gepäck abziehen, und nach Frankreich zurückkehren. Das Betragen des Generals Castella, welcher, ohne eine Belagerung auszuhalten, den Platz übergab, den er commandirte, wird von einer Untersuchungs-Commission geprüpft werden.
Danzig. -- Der General Rapp, unter dessen Befehlen die Divisions-Generäle Heudelet und Grandjean, Cavallerie-General Cavaignac, der General Campredon, Commandant des Geniewesens, und der General Lepin, Commandant der Artillerie, stehen, hat in der Festung Danzig eine Besatzung von mehr als 30,000 Mann, und eine Verproviantirung in Brod für 820 Tage, in Fleisch und andern Gegenständen auf ein Jahr. In den letzten Tagen des Januars, da die Russische Armee sich Danzig näherte, ging er auf sie los, warf die Avantgarde über den Haufen, und machte 800 Gefangene. Um die Mitte Februars zog er selbst an der Spitze von 15,000 Mann und 1500 Pferden aus, nahm drey Redouten, die der Feind aufwerfen ließ, nahm ihm 6 Geschütz und 1800 Mann. Er trieb den Feind auf drey Stunden von dem Platze zurück. Die Russen hatten gehofft, im Monat Februar über das Eis gehen, und den Holm angreifen zu können; das Eis aber war durch die Sorgfalt des Gouverneurs gebrochen worden. Man ließ den Feind vorrücken, und als er in der Schußweite war, schmetterte man ihn mit Kartätschen nieder; er ließ viele Verwundete und Todte am Fuße der Werke liegen.
Da in den ersten Tagen des März das Thauwetter anfing, so legte man die Ueberschwemmung an.
Thorn. -- Der Ingenieur-General Poitevin commandirt in Thorn. Die Besatzung besteht aus 4000 Bayern und 1500 Franzosen. Die Russische Armee machte im Laufe Februars Versuche, die Brillenwerke vor der Festung wegzunehmen, ward aber zurückgestoßen, und ihr Verlust betrug nicht weniger als 8 bis 900 Mann an Todten und Verwundeten. Thorn hat Lebensmittel an Brod auf mehr als zwey Jahre; an Fleisch und Gemüse auf mehr als neun Monate.
Modlin. -- Der Divisions-General Daendels commandirt zu Modlin. Seine Besatzung besteht aus 1000 Sachsen, 1000 Franzosen und 6000 Polen. Der Platz war an Brod auf mehrere Jahre, an Fleisch und andern Lebensmitteln auf 9 Monate versehen. Diese großen Verproviantirungen an Brod in den Weichselfestungen rühren von den großen Armee-Magazinen her, die sich darin vorfanden.
Zamosz hat eine Besatzung von 4000 Polen; Czenstochau eine Besatzung von 900 Polen.
Der Fürst von Schwarzenberg hat den 12ten Februar die Posten an der Piliza genommen. Ein neues Oesterreichisches Observations-Corps vereinigt sich an den Gränzen von Böhmen.
Der General Regnier mit dem 7ten Corps hat sich über Petrikau und Rawa auf Kalisch gerichtet. Seine Cavallerie wurde daselbst den 13ten Februar durch ein Corps Russischer Truppen angegriffen, welche auf dem Eise zwischen Thorn und Modlin, in der Gegend von Plotzk, über die Weichsel giengen. Der Gen. Regnier warf diesen Angriff in die Stadt Kalisch selbst zurück. Ein Sächsischer Brigade-General mit seiner Brigade wurde vom Feinde abgeschnitten, zog sich aber auf das Corps des Prinzen Poniatowsky zurück, welcher zu dem Oesterreichischen Corps gestoßen ist, und zwischen Cracau und der Pilitza steht. Der General Regnier ist über die Oder zurückgegangen, und hat vor Dresden Position genommen. Soweit für Polen.
Der Vicekönig hatte in den ersten Tagen Februars das 11te Corps von Berlin nach der Oder vorrücken lassen. Dieses Corps kam zu Frankfurt an, als der Vicekönig die Räumung von Warschau erfuhr und einsah, daß seine Position gegen Posen zwecklos wäre. Er zog sich daher ruhig hinter die Oder. Den 18ten Februar setzte ein Corps von 1500 Mann Russischer leichter Reuterey auf dem Eise über die Nieder-Oder. Der Marschall, Herzog von Castiglione, beauftragte den General Poinsot ihm mit zwey Bataillonen Infanterie und hundert Pferden entgegen zu marschiren. In einer Recognoscirung auf eine Stunde unweit Berlin, tödtete ihnen dieser General 60 Mann, unter andern einen Preußischen Edelmann, der Graf von Schwerin genannt. Nachts umgingen feindliche Reiter Berlin, überfielen den Posten, der das Oranienburger Thor bewachte, 3 bis 400 drangen in die Stadt; es war den 20sten Februar früh Morgens. Der Herzog von Castiglione ließ einige Kanonenschüsse auf sie geben und sie durch Infanterie vertreiben. Das gemeine Volk in Berlin wollte diesen Umstand benutzen, um einige Bewegungen zu machen: aber die Bürgergarde, die aus allen Bürgern bestand, hielt Zucht, und so ward alsobald die Ordnung wieder hergestellt. Nach dieser Affaire verschwanden die feindlichen leichten Truppen. -- Den 22sten Februar kam der Vicekönig mit 500 Pferden von der Garde zu Berlin an, und nahm alsobald mit allen seinen Leuten zu Köpenik Position. -- Der Oberst-Lieutenant Ciceron hielt mit seinem Bataillon die Brücke zu Fürstenwald an der Spree besetzt. Er ließ sich von 600 Russischen Reitern anführen, welche ihm weiß machten, sie hätten Artillerie und Infanterie bey sich. Da war er so einfältig den Posten, den er vertheidigen sollte, gutwillig zu verlassen, und zog sich mit seinem Bataillon auf die Armee zurück. Es sind Befehle gegeben worden, um diesen Officier, welcher nach aller Strenge der militairischen Gesetze bestraft werden soll, zu verhaften.
Der Vicekönig hat zwischen zwey Wegen zu wählen, entweder die Cavallerie des ersten und zweyten Corps, welche sich auf dem linken Elbufer reorganisirt hatte, kommen zu lassen, um das Land zwischen der Elbe und Oder damit zu säubern, oder der andern Armee entgegen zu marschiren und sich der Elbe zu nähern. -- Diese Cavallerie war aber noch nicht ganz reorganisirt, und so viele alte Soldaten, eine so kostbare Hülfsquelle, wären dadurch in einen zu frühzeitigen Kampf verwickelt worden; zudem hatte noch der General Bülow, Commandant eines Preußischen Corps an der Oder, die leichte Cavallerie des Feindes über diesen Fluß setzen lassen.
Der Vicekönig faßte den Entschluß, sich in guter Ordnung über die Elbe zurückzuziehen; er ließ die Oder auf folgende Art besetzen: Der General Grandeau mit einer Besatzung von 9000 Mann, und mit Lebensmitteln auf 8 Monate, commandirt zu Stettin. Der Brigade-General Dufresse commadirt en Second. Der General Chamberlhac commandirt das Geniewesen. Der General Fornier d'Albe bewacht mit 3000 Mann die Festung Cüstrin. Der General Laplane und der Ingenieur-General Dode sind mit 6000 Mann in Glogau; Spandau wird mit 3000 Mann vom General Bruny bewacht. Alle diese Plätze sind seit 9 Monaten auf ein Jahr verproviantirt. Den 4ten wollten 1200 Mann Russischer leichter Cavallerie zwischen Berlin und Wittenberg die Arriergarde des Vicekönigs chargiren. Ein Bataillon vom 6ten Infanterie-Regiment empfing sie an Laufes Spitze und tödtete ihnen ungefähr 100 Mann. Seitdem ist diese Cavallerie verschwunden, und wurde nicht mehr gesehen.
Hieraus ersieht man unsere Position in Polen und an der Oder; nun die an der Elbe.
Der General Lauriston [xxx] mit fünf neuen Divisionen, die aus alten aus Frankreich gezogenen Truppen gebildet sind, und einer zahlreichen Artillerie-Equipage, mit einer doppelten, und mit Gespann versehenen Verproviantirung, mit dem Westphäl. Corps und dem 1sten Cavalleriecorps, hält Magdeburg besetzt und vereinigt auf diesem Punkte eine große Militairmacht. Der Fürst von Eckmühl, mit dem 1sten, und der Herzog von Belluno mit dem zweyten Corps der großen Armee stehen längs dem Elbufer. Der General Grenier stand mit dem 11ten Corps vor Wittenberg. Dieser Platz war bewaffnet und in Vertheidigungsstand gesetzt. Der Sächsische Generallieutenant Thielemann war mit 6000 Sachsen zu Torgau in Garnison, eine Festung, welche der König seit 1809 an der Elbe erbauen lassen, und deren Arbeiten mit solcher Thätigkeit betrieben wurden, daß sie sich jetzt im besten Vertheidigungsstande befindet. Sie ist mit 200 Stück Geschützes besetzt.
Der Gen. Reynier war mit dem Sächsischen Corps und der Division Durutte vor Dresden, und hatte eine Bayerische Division auf dem linken Flügel. Dieses Armeecorps verstärkt sich mit 10,000 Mann, die aus den Sächsischen Depots ankommen.
Um alle diese Punkte beaufsichten zu können, ward das Hauptquartier nach Leipzig verlegt. In dieser Lage der Dinge hielt der König von Sachsen, um vom Kriegsschauplatze entfernter zu seyn, es für rathsam, sich nach Plauen zu begeben.
Da der König von Westphalen seine Garde und seine Truppen zu seiner freyen Disposition haben will, um sich in Person überall, wo es die Umstände erheischen würden, hinzubegeben, so wünschte er, daß die Königin sich nach Frankreich begeben möchte. Diese Prinzessin muß heute in Compiegne ankommen.
Indessen hatte der General Lauriston mit Recht alle Truppen aus der 32sten Militair-Division weggezogen, um sie in Magdeburg zu concentriren. das Corps des General Vandamme, welches aus 10 Bataillons besteht, wird erst gegen das Ende des März-Monats dahin kommen. Hamburg war daher von sehr schwachen Streitkräften bewacht. Der Pöbel wollte dieses benutzen; den 24sten Februar beschimpfte er die Douanen; man gab Feuer auf die Aufrührerischsten und so zerstreute sich die Zusammenrottirung. Die Hamburger Bürgerschaft war noch so wohlgesinnt, daß sie die Nothwendigkeit, den Pöbel im Zaum zu halten, einsah; sie bildete die Nationalgarde, und stellte die Ordnung wieder her. Mehrere Dänische Cavalleriepikets trugen dazu bey, die Ordnung in Hamburg aufrecht zu erhalten. Ein Russischer Spion wurde verhaftet und erschossen. Sechs Unruhstifter wurden ebenfalls erschossen.
Den 12ten dieses Monats hielt der General Cara St. Cyr es für rathsam, auf das linke Elb-Ufer überzugehen, und das Hauptquartier der 32sten Militair-Division zu Artlenburg zu nehmen.
Das erste Observations-Corps vom Rhein, aus der 8ten, 9ten, 10ten, 11ten, 29sten, 38sten und 39sten Division der großen Armee bestehend, zieht sich am Mayn zusammen. Der Fürst von der Moskowa, der es commandirt, hat gegenwärtig sein Hauptquartier zu Hanau.
Der General von Wrede hat mit einer Bayerischen Division sein Hauptquartier zu Bamberg genommen. Die Würtembergische, die Hessische und die Badensche Division vereinigen sich zu Würzburg.
Der General Bertrand ist mit 5 Divisionen, welche das Italienische Observations-Corps ausmachen, über Tirol ausgerückt. Die Divisionen der Kaiserl. Garde, unter den Befehlen des Herzogs v. Treviso, sind zu Frankfurt angekommen. Ueber 20,000 Mann alte Cavalleristen, welche alle den Feldzug mitgemacht haben, sind wieder beritten, ausgerüstet und an der Elbe zusammengezogen. Sie können alle in den ersten Tagen des Aprils wieder in die Linie treten. 60,000 Mann Cavallerie werden in unsern Depots in Frankreich ausgerüstet. Die Hälfte derselben sind bereits nach Mainz unterwegs.
Ungeachtet der Verluste, die wir diesen Winter erlitten haben, wird demnach bald eine weit zahlreichere, um ein Drittheil mehr Geschütz führende Armee ins Feld rücken. Ein Corps von 80 Bataillons wird die 32ste Militair-Division bewachen, und 150 Bataillons werden sich in Lagern zu Manövern, oder in der Reserve im Innern bilden.
Unabhängig von den Corps, welche das Königreich Italien bey der großen Armee hat, werden 40,000 Italiener zur Vertheidigung der venezianischen Küsten, der Illyrischen Provinzen und des Adriatischen Meeres, Lager bilden. -- Die Armee von Spanien hat die Stämme von ungefähr 150 Bataillons und ungefähr 50 Schwadronen nach Frankreich zurückgeschickt. Dagegen hat sie Recruten erhalten, welche diesen Verlust mehr als hinlänglich ersetzen.
Das 7te Regiment Polnischer Chevauxlegers, die schöne Gendarmerie-Legion, welche auf eine so ausgezeichnete Art die Englische Cavallerie zurückdrängte, und vier Garde-Regimenter, sind die einzigen Corps, die aus Spanien gezogen, aber auch wieder ersetzt worden sind. -- Die Französische Gendarmerie hat 3000 Officiere und Unterofficiere geliefert, um alle Cadres der Cavallerie vollständig zu machen.
Dieses ist die wahre militärische Lage Frankreichs. Es ist das Resultat der Energie und der Patriotismus der Franzosen.
Die Russen sind in Königsberg und in Altpreußen mit jenem Eifer, den man für alles Neue hat, aufgenommen worden.
Preußen ist jetzt wieder denselben Faktionen preisgegeben, welche dem Kriege von 1806 vorangingen.
Quellen und Literatur.[]
- Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1813. Herausgegeben von einer Gesellschaft von Gelehrten. 1813