Frankfurt am Mayn.[]
Frankfurt am Mayn, eine schöne, große und feste Reichsstadt zum Oberrheinischen Kreise gehörig, an den Fränkischen Gränzen, in der Wetterau gelegen. Die Stadt wird durch den dazwischen fließenden Mayn in zwey Theile unterschieden, davon der größere Frankfurt, der kleinere aber Sachsenhausen heißt. Beyde hängen vermitelst der steinernen Maynbrücke zusammen. Frankfurt selbst hat in seiner größten Länge von Osten nach Westen 1,830 in der größten Breite 1,380, im Umfang gegen 4,000 gemeine Schritte, 5 Thore auf der Land- und 6 Thore auf der Wasserseite, beträchtliche Aussenwerke, welche in Alleen und Gärten umgeschaffen werden, 145 Strassen mit nächtlicher Beleuchtung, 16 Kirchen und 6 Klöster, welche jezt aufgehoben sind. Sachsenhausen hat 1,200 Schritte in die Länge aber eine geringe Breite, 2 Thore, 2 Kirchen, und ebenfalls nächtliche Beleuchtung. Das Ganze enthält in 3,300 Häusern über 40,000 Menschen. Die lutherische Religion ist die herrschende und die obrigkeitlichen Personen- werden nur aus den Bekennern derselben gewählt; es wohnen aber auch viele reformirte Bürger hier. Die Stadt ist zwar eng gebaut und nur den Roßmarkt, den Römerberg, auch noch den Liebfrauenberg, darf man als öffentliche Plätze gelten lassen; aber es sind ausser diesen große Strassen, vorzüglich die Zeil mit regelmäsiger Anlage vorhanden, welche prächtige Privathäuser enthalten. Zu denselben muß man auch die zum Theil Pallast-ähnlichen Gasthäuser mit sehr guter Einrichtung zählen. Neue Strassen werden für die immer wachsende Menschenmenge, am südwestlichen Ende der Stadt oder auf dem sogenannten Fischerfelde angelegt. Die Verfassung der Stadt trägt durch ihre Zweckmäsigkeit viel zu dem Flor derselben bey. Der Magistrat besteht aus dem Stadtschuldheißen und 42 Senatoren, welche zum Theil aus adelichen Patriciern, zum Theil aus graduirten und andern Personen bestehen, mit ihren 5 beyrathenden Syndicis, alle obrigkeitliche Gewalt besitzen und die neuen Mitglieder selbst wählen. Dem ungeachtet ist gegen die Ausartung in Oligarchie durch mehrere Mittel, und vorzüglich durch die Kontrolle in Finanzsachen gesorgt, welche ein bürgerliches Kollegium von 51 Personen besorgt, und noch weitern Einfluß auf die öffentlichen Geschäfte hat. Zu dem Consistorium, an dessen Spitze der Senior oder vorderste Geistliche der Stadt steht, werden auch einige Mitglieder des Raths gezogen. Die öffentlichen Einkünfte, welche großen Theils aus den Zöllen fließen, schätzt man auf 700,000 Gulden. In Frankfurt wurden gewöhnlich die Römischen Kaiser und Könige gewählt, und jezt auch gekrönt. Dieser Umstand befördert den Glanz, welche aber noch ungleich mehr durch ihren lebhaften Handel blüht. Manufakturen hat sie nur wenige von Seiden- Samt- und Baumwollen-Stoffen, Gold- und Silberarbeiter, Tapeten u. Tabak; aber sie ist der Mittelpunkt von ausgebreiteten Handlungsgeschäften für einen großen Theil Europens. Unter den vielen einzelnen Zweigen desselben zeichnet sich durch seine Wichtigkeit der Wein- Speditions- und vor allen der Wechsel- und Geldhandel aus, welchen die hiesigen reichen Bankiere betreiben. Die Börse befindet sich in einem Saale des Braunfels. Die Seele dieses Handels und Hauptursache zur allgemeinen Verbreitung desselben sind erstlich der schiffbare Mayn, welcher immer mit Fahrzeugen bedeckt ist, und noch mehr die beyden Messen dieser Stadt, welche mit den Leipzigermessen nicht nur die wichtigsten in Deutschland, sondern vielleicht in ganz Europa sind. Die erstere dieser beyden Messen wurde ehemals 8 Tage nach Ostern auf Quasimodogeniti, u. die andre entweder auf den Sonntag nach Maria Geburt gehalten. Es ist aber dieses nachgehend dahin geändert worden, daß beyde, den Kaufleuten zum Besten, welche auch die Leipzigermesse besuchen, nunmehr 8 Tage eher gehalten werden; und fängt sich die erste den Dienstag nach Ostern, welcher an andern Orten den dritten Feyertag macht, aus und dauert sowohl als die Herbstmesse, 3 Wochen. In der Stadt sind verschiedene Kurfürstliche, Fürstliche und Gräfliche Paläste und Höfe. Das Rathhaus wird der Römer genannt. Zur rechten desselben ist das Haus Alten-Limburg, von dem eine Societät adelicher Familien den Namen hat, aus denen die meisten Glieder des Raths gewählt werden, zur linken ist ein Haus, zur Frauenstein genannt. Auch von diesem hat eine Societät von Bürgern den Namen, die ehemals auch aus adelichen Familien bestund, heut zu Tage aber Gelehrte, vornehme Kaufleute, Rentierer und etliche Familien, so durch besondere Kaiserliche Privilegien in den Adelstand gesetzt wurden, zu Gliedern hat. Aus diesen Frauensteinern werden 6 in den Rath genommen. Ihr vormaliges Versammlungshaus, zu Frauenstein, haben sie schon lange veräussert, und dafür ein anderes, zum Braunfels, gekauft. Diese Gesellschaft wählt sich jährlich einen Burggrafen, und hat ansehnliche Einkünfte. Zum Vergnügen der Einwohner diesen ausser den angelegten Alleen und vielen schönen Gartenhäusern, auch das neuerbaute Schauspielhaus. Unter den vielen wohlthätigen Anstalten sind bemerkungswerth die 4 Almosenkasten, das wohleingerichtete Waisenhaus und vorzüglich das menschenfreundliche Senkenbergische Stift, welches in schöner Anlage eine Krankenanstalt, einen Botanischen Garten, eine Anatomie und zweckmäsige Bibliothek zur Bildung junger Aerzte vereinigt. Die Katholiken hatten die vornehmsten Kirchen, worunter auch die Domkirche St. Bartholomäi ist. Die Lutheraner haben 7 Kirchen, von denen die Hauptkirche noch nicht ganz ausgebaut ist, nebst 2 Frauenklöstern, (wozu noch 1766 das Stift der Fräulein von Cronstett für 12 Fräulein aus den Geschlechtern der adelichen Gesellschaft von Altenlimburg gekommen ist,) ein Lutherisches Gymnasium von sechs Klassen, welches jederzeit in gutem Flor gewesen ist; auch eine gute aber schweer zugängliche Stadtbibliothek. Unter den übrigen Bibliotheken zeichnet sich die im Bartholomäusstift durch ihre Handschriften aus. Die Reformirten, die sich von je her in Frankfurt durch Industrie, Aufklärung, Geschmack, Feinheit der Sitten, Reichthum, Wohlthätigkeit und Patriotismus ausgezeichnet haben, erhielten 1554 eine Kirche, die ihnen aber 1561 wieder genommen wurde. Seit dieser Zeit hielten sie sich zu dem Gottesdienst in dem Hanauischen Flecken Bockheim, eine halbe Stunde von der Stadt. Aber im Jahr 1787 wurde den beyden reformirten Gemeinen, der Deutschen und der Französischen, eine Privatgottesdienst in schön gebauten 2 Bethhäusern, mit 2 Predigern für jede Gemeine, bewilligt. Die Juden, deren Zahl sich über 9,000 erstreckt, wohnten in einer besondern Gasse (von 195 sehr hohen Häusern), welche am Ende der Stadt gegen Morgen liegt, und bey Nacht verschlossen wurde. Da 1796 ein Theil dieser Strasse durch das Französische Bombardement in die Asche gelegt wurde, so haben jezt die Juden Erlaubnis, auch in andern Theilen der Stadt zu wohnen. Von 1742 bis 1744 residirte Kaiser Carl VII. hier, und wegen des damaligen Krieges ward auch die Reichstagsversammlung auf einige Zeit von Regenspurg hieher verlegt. In dem Kriege von 1756 haben die Franzosen 1759 diese Reichsstadt besezt und erst 1763 wieder geräumt. Die Stadt Frankfurt bezahlt dem Kaiser jährlich als Urbarsteuer 3,062 fl. 24 kr. Ihr Reichsaufschlag beträgt 500 fl. und ihr Beytrag zu einem Kammerziel 676 Thlr. 26 ¾ kr. Ihr Wappen ist ein silberner, mit Gold gekrönter Adler, in rothem Felde.
Während des Französischen Revolutionskriegs hatte Frankfurt durch Durchmärsche, Bombardement, mehrere Angriffe und durch häufige Gelderpressungen, viel auszustehen, und der reichen Beyträge der Bürgerschaft ungeachtet fiel sie in eine beträchtliche Schuldenlast. Einzelne Bürger bereicherten sich aber durch einen mehr als jemals lebhaften Handel, vorzüglich durch Geldgeschäfte. Und die Stadt selbst wurde bey den allgemeinen Ausgleichungen im Jahr 1802 und 1803 nicht nur als Reichsstadt erhalten, sondern erhielt noch die vielen katholischen in ihren Ringmauern enthaltenen Klöster, Stiftungen, Höfe xc. mit ihren Einkünften als eigenthümlichen Besitz. (Die Stadt berechnet die Einkünfte von diesen neuen Erwerbungen auf 59,476 Gulden.) Nur der ansehnliche Hof und das Haus Compostell blieb dem Kurerzkanzler. Ueberdies soll nach dem Reichs-Deputationsschluß der Frankfurter Handel von allen den lästigen u. zweckwidrigen Geleitsrechten völlig befreyet seyn, welche die umliegenden Fürsten ausüben; man hat aber diese Befreyung jezt nur auf das Gebiet der Stadt ausgedehnt; das heißt, es ist beym Alten geblieben. Dagegen verlor die Stadt ihren Antheil an den Dörfern Soden und Sulzbach, und ist verbunden, jährlich 34,000 fl. Renten an einige Reichsgrafen auszuzahlen. Da sie nun auch das Personale der aufgehobenen Klöster zu ernähren hat, so beträgt in den ersten Jahren die Ausgabe über 100,000 Gulden. Das Gebiet der Stadt enthält auf 3 Quadratmeilen 7 Dörfer, mehrere Höfe und Landgüter, und auf der Südseite einen beträchtlichen Wald. Innerhalb der Landwehre befinden sich die Dörfer Bornheim, Oberrad und Niederrad, an welchem leztern der Deutsche Orden Antheil hat. Längst der Nidda liegen zerstreut die Dörfer Hausen, Bonames, Dortelweil und in einiger Entfernung Nieder-Erlenbach. Das große Dorf oder den Flecken Nieder-Ursel besizt sie mit Solms Rödelheim gemeinschaftlich. Die Einwohner der Stadt und des Gebiets berechnet man auf 50,000 Seelen.
Frankfurt am Main.[]
[2]
Frankfurt am Main, eine berühmte ehemalige Reichsstadt an den fränkischen Gränzen in der Wetterau, welche durch den dazwischen fließenden Main in zwei vermittelst der Mainbrücke zusammenhängende Theile getheilt wird, von denen der größere Frankfurt, der kleinere Sachsenhausen heißt, und mit seinem Gebiete gegen 4 Quadratmeilen ausmacht. Frankfurt ist keine eigentliche Festung, aber doch durch Mauern und Wälle und einen breiten, mit Wasser angefüllten Graben vor Ueberrumpelung gesichert. Die Volksmenge beträgt 43,000, ungerechnet 7000 Juden, welche in einer besondern Gasse beisammen wohnen. Frankfurt ist ein beträchtlicher Handelsort, und es werden daselbst jährlich zwei Messen gehalten, von denen die eine zu Ostern, die zweite in August und September fällt. Die jedesmalige Kaiserwahl und Kaiserkrönung (welche letztere, der goldnen Bulle gemäß, eigentlich zu Achen seyn sollte) zog nicht minder eine zahlreiche Menge Menschen dahin. Die lebendigste Beschreibung hiervon und von dem glänzenden Zustande Frankfurts in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts findet man in Göthe's interessanter Selbstbiographie (aus meinem Leben 1 r Thl.), dessen Vaterstadt zu seyn, Frankfurt sich rühmen darf. Das dasige Rathhaus, welches in diesem Falle besonders wichtig war, heißt der Römer. In Rücksicht auf die Cultur behauptet Frankfurt einen vorzüglichen Rang unter Deutschlands Städten; ein Vorzug, den es zum Theil den dortigen Reformirten verdankt, welche auch 1554 daselbst eine Kirche erhielten, die ihnen aber 1561 wieder genommen wurde, seit welcher Zeit sie ihren Gottesdienst in dem benachbarten hanauischen Flecken Bockenheim halten. In der Nachbarschaft von Frankfurt befindet sich das Schlachtfeld bei dem Dorfe Bergen ( wo die Franzosen 1759 eine Schlacht gewannen), die Schöne Stadt Hanau, das berühmte Wilhelmsbad, wie auch die Bäder Wisbaden, Schwalbach und Schlangenbad. Zwei Mal in dem Revolutionskrieg wurde Frankfurt von den Franzosen besetzt. Das erste Mal zog, nach Cüstine's schnellem Vorrücken in Deutschland, General Neuwinger am 22. Oct. 1792, den Tag nach der Einnahme von Mainz, in Frankfurt ein: da aber Cüstine bald von den Preußen und Hessen zurückgedrängt wurde, und in Frankfurt eine zu schwache Besatzung ließ, welche durchaus unfähig war, einem vorherzusehenden Angriff zu widerstehen, so wurde diese Stadt den 2. Dec. desselben Jahres von den genannten Armeen wieder erobert. Das zweite Mal rückten die Franzosen in dem merkwürdigen Sommer von 1796 in Frankfurt ein, nachdem Jourdan den 13. Juli den unter der Gewalt der österreichischen Besatzung stehenden Rath vergebens zur Uebergabe aufgefodert hatte, und 180 Häuser ein Raub der Flammen geworden waren. Allein zu Folge der günstigen Wendung, die der Krieg zu Ende des Sommers für die Deutschen nahm, räumten die Franzosen in der Nacht vom 7. auf den 8. September Frankfurt wieder, das sie seit dem 16. Juli besetzt hatten. Die ehemalige Reichsstadt wurde nach mancherlei schweren Bedrückungen endlich, in Gemäßheit der errichteten Rheinconföderation, von dem Fürsten Primas Carl von Regensburg und Aschaffenburg den 9. September 1806 in Besitz genommen; und die neue Organisation derselben durch ein Edict vom 10. October bekannt gemacht, durch welche die reichsstädtische Verfassung ganz aufgehoben, das Stadtgericht zur untersten Instanz, Frankfurt zur Hauptstadt des Großherzogthums erklärt wurde. Auch sollte sie der Sitz der rheinischen Bundesversammlung seyn. Am 1. Nov. 1813 rückten nach der Schlacht bei Hanau die siegreichen Heere der Verbündeten in Frankfurt ein. Sie erklärten Frankfurt wieder zur freien Reichsstadt nach einer neu zu entwerfenden Verfassung, und der Präsident des Verwaltungsrathes der befreiten deutschen Länder, Freiherr von Stein, nahm in Frankfurt seinen Aufenthalt. Der Wiener Congreß bestätigte die der Stadt ertheilte Selbständigkeit, und sie trat in den vollen Genuß derselben ein, als am 20. Jun. das bis dahin bestandene General-Gouvernement seine Funktionen endigte. Die Verhandlungen über die Verfassung der wiederhergestellten Republik haben einen großen Zwiespalt der Meinungen geoffenbart, und ihr endliches Resultat ist bis jetzt noch nicht ausgemittelt. Einen neuen Glanz hat Frankfurt durch die Bestimmung der Bundesacte erhalten, vermöge deren sie der Sitz der deutschen Bundesversammlung seyn soll.
Von Reisende.[]
Heinrich Clauren.[]
- [1791]
Frankfurt. d. 8. Oct. 1791.
Mit dem Schlage sieben Uhr geht täglich von Mainz das sogenannte Marktschiff ab, und nimmt für 16 Kreuzer jeden willig auf.
Wir giengen den 6ten October an Bord; eine Reise, einzig in ihrer Art! Jung und alt, Handwerkbursche und Priester, Soldat und Korbmacher, Matronen und Franzosen, Mädchen und Juden, kurz, alles geht punkt sieben Uhr an Bord, und in 2 -- 3 Bey-Nachen sind Waaren, Frachtgüter und -- Kälber mit eingeschifft. Für Honoratiores ist in der Kajütte ein besonderes Kabinet eingerichtet, ist es aber schön Wetter, so geht man lieber auf das Verdeck, um theils der hie und da schönen Aussichten zu geniessen, und theils auch den Ausdünstungen der grossen Kajüte zu entgehen. Ueberhaupt könnte diess Schiff, da es so ansehnliche Revenüen abwirft, weit eleganter eingerichtet seyn, aber die Besitzer desselben haben sich satt gesogen, und bekümmern sich nun nicht viel mehr darum. Weil es nach Frankfurt zu stromauf geht, so wird das Schiff anfangs von 8, dann von 4 Pferden gezogen, und segelt man vor einem Ort vorbey, so kommen kleine Nachen, entern sich an das Schiff, und nehmen, ohne dasselbe aufzuhalten, immer in währendem Schwimmen, Pakete, Briefe und Personen an, oder geben welche ab. Im Schiffe selbst gieng es ziemlich lustig zu, muntere Fiedler geigten flinke Dreher und "Stückle," und zuweilen begleitete sich die ganze Kajüte in vollstimmiger Vokalmusik, der erste Violinist machte zugleich den Schiffsnarren, und ein brüllendes Gelächter bejauchzte seine Schwänke, und ein Jude liess sich als Taschenspieler, die Person à 1 Kreuzer, sehn: ein Carmeliter-Mönch, ein heidelberger Student und zwey Franzosen machten nebst einem Kaufmann unsere Gesellschaft auf dem Verdecke aus: Später krochen auch 2 Kapuziner herauf, die von den Franzosen getaust, schreckliche Dinge machten, besonders zeichnete sich der älteste von ihnen aus, der seiner fünf Sinne nicht mehr mächtig war: Der Carmeliter war sanfter und bescheidener: mein Gesellschafts-Büchelchen gefiel ihm so, dass er sich gar nicht davon lossreissen konnte, besonders Schillers Lied an die Freude: als es eilfe schlug, betete er, auch die hochwürdigen Capuziner beteten, aber bey diesen war es Handwerksgebrauch, dort inniges Gefühl.
Die Gegend ist abwechselnd, mit unter leer, und dann wieder reizend schön. Vorzüglich liegt Hochheim recht artig, rings umgeben von Weinbergen, und auf einer kleinen Anhöhe eine niedliche Kirche: es durchkreuzten mich hier so manche süsse Rückerinnerungen, und noch durch den Tubus holte ich das liebe Hochheim ein, als ich schon weit davon gesegelt war. Der vorzüglichste Hochheimer wächst auf einem Plätzchen von 16 Quadratruthen: wie viel tausend Fuder mögen wohl die Weinhändler von diesem Plätzchen schon verkauft haben! in Höchst, einem kleinen Städtchen, wird gewöhnlich gespeist: hier fällt die Nied in den Main: die hiesige churfürstliche Porcellainfabrik ist unbeträchtlich; desto ansehnlicher aber war sonst die bolongarische Tobacksfabrik; von ihr rührt der mehr als fürstliche Pallast her, der beynahe ein ganzes Städtchen formirt, und das Hauptgebäude allein 800,000 Gulden kostete: seinem Bibliothekar gab Bolongaro, der Tobacksspinner, jährlich 6000 Gulden! man kann auf die übrige Pracht schliessen, die sich von Tage zu Tage, bis endlich zum Banqueroutte, verfeinerte: itzt steht das Palais einsam, nur ein Zimmer wird von einem armen Bruder der Nebucad Nezars bewohnt: die Fabrik steht fast ganz still: das anstossende Antonitenkloster liegt nicht übel: rechts Darmstädtische Wälder und Gebürge: links eine Gebürgkette, die von Homburg herunter den Feldberg und die Gebürge bey Kronenberg und Königstein nach Wiessbaden begreift.
Frankfurt präsentirt sich mit seinen umliegenden neuen Landhäusern von der Mainseite trefflich. Bey der Landung des Marktschiffes tritt die ganze Wache unter Gewehr, eine sehr nöthige Vorsicht, denn man kann sich von dem Gewühle von Menschen keine Idee machen, das hier dem Schiffe entgegen strömt; neugierigen Pflastertretern ist diese Stunde immer willkommen, und mehr als hundert solcher Geschöpfe gaffen einen müssig an, andere stehen am Ufer, und erwarten eine Frau Base, oder Herrn Onkel, und rufen über alle Menschen weg, "Jüngfer Base Fieckel! Herr Vetter Müller," dass einem die Ohren gellen; die zudringlichsten Creaturen sind aber drey bis vier Schock kleiner und grosser, junger und alter Buben, die an das Schiff heranklettern, und fragen, ob man nichts in das Logis zu tragen habe: Mit dem Stock in der Hand muss man sich da seiner Haut wehren, sonst nehmen sie einen lieber selbst auf den Buckel, und tragen einen vor ein paar Kreuzer zum Dinge hinaus: die Leidenschaft des Eigennutzes geht da so weit, dass manche Kerls, die nichts zu verdienen bekommen hatten, und von den andern verdrängt worden waren, vor Bosheit heulten.
Den 7ten Octbr. Unser erstes Geschäft war heute, unser Logis im Hayner Hof, wohin und der Kaufmann im Marktschiff empfohlen hatte, mit dem Weidenhof zu vertauschen, in erstern hatten wir auf ein schwarzes Schieferdach so eine traurige Aussicht, und ein kleiner schiefbeiniger Marqueur wartete so schmutzig und so langsam auf, dass ich, wenn ich länger hier geweilt hätte, ganz Frankfurt gram geworden wäre.
Der Hr. D. Grambs, an den mich unser C...r empfohlen hatte, zeigte uns mit vieler Gefälligkeit sein sehr reiches Gemäldekabinet, in welchem Stücke waren, die 6 -- 10000 Fl. kosteten! bey einer Privatsammlung muss man auf solche Umstände aufmerksamer seyn, als bey öffentlichen Gallerien. Sein vornehmstes Stück war, die Marter Stephanis; so reich als das Tableau war, so interessant war es aus tausenderley Rücksicht für den Liebhaber wie es für den würklichen Kenner seyn mochte. Er hatte es neuerlich aus Frankreich erhalten, wo jetzt wohlfeiler Markt in dergleichen Seltenheiten ist: Der liebe Mann hatte sich zwo Stunden mit uns beschäftigt, und wir verliessen ihn mit der verbindlichsten Dankbarkeit: ich gieng hierauf mit Freund L...e in die Comödie, wo die Mainzische Gesellschaft das Räuschchen von Bretzner treflich aufführte.
Den 8. Octbr. Eine Bekanntschaft, die ich diesen Morgen machte, gab in meinen Augen ganz Frankfurt einen neuen Werth: es war der Kaufmann G...d, an den ich von meinem lieben G...r Empfehlungsbriefe hatte. G...d schrieb in mein Stammbuch als sein Symbolum, "gerade und richtig:" und Geradheit und Richtigkeit spricht ihm aus den Augen: zuvorkommende Gefälligkeit, und eine bescheidene Einhüllung seiner Kenntnisse und Verdienste waren neben jenen die Hauptzüge seines Charakters, und sein Herz, das seiner Gattin, einem jungen, heitern, liebenswürdigen Weibe, und seinen Freunden allein gehört, entfaltete sich so offen, und mit so vielem Vortheil für sich, dass man ihm und seiner Familie gut seyn musste, ohne dass man einmal den sanften Zug fühlte, von dem man hingerissen den schönen Freundschaftsbund knüpfte:
Mit grossen Erwartungen und einer sehr viel versprechenden Idee von dem hiesigen so wichtigen Römer betrat ich diess merkwürdige Gebäude, und fand mich auf das ärgste getäuscht: ausser dem Conferenzzimmer, das ich mir auch weit prachtvoller vorgestellt hatte, sind die übrigen Säle, und kleinern Zimmer entweder altmodisch, oder ärmlich oder gar nicht meublirt: dessen ungeachtet blieb mir immer der Fleck, auf dem ich stand, interessant, und durch die lebhafte Erzählung der Frau, die uns herumführte, und die manchem Wahlbothschafter sein Ceremoniel lehren könnte, wurde ich mitten unter die Feyerlichkeiten gezaubert, bey denen nichts fehlte, als der Kayser und 50000 Menschen. Eben so kahl ist die grosse Domkirche, und Zeit und Mühe muss jeden dauern, die er auf eine so undankbare Art verschwendet.
Weit länger weilte ich in dem Eslingerischen Leseinstitute, das so elegant als gemeinnützig ist, es steht täglich von früh bis abends offen, und in drey oder vier sehr geschmackvoll meublirten Zimmern, findet man immer eine ansehnliche Gesellschaft, die von der tiefsten Stille umgeben, Zeitungen, Journale und alle mögliche inn- und ausländische fliegende Blätter und einzelne Broschüren liest, die auf den ihnen bestimmten Tischen immer bereit liegen: Für die gesellige Conversation ist das erste Zimmer eingeräumt, in dem alle mögliche Neuigkeiten aufgetischt, und die gelesenen Stücke beraisonnirt werden. Im Sprachzimmer hängen die Gesetztafeln, die Verzeichnisse der Mitglieder, u. d. m. Vorschläge zu Verbesserungen, Fragen und dergleichen, kann jedes Mitglied in ein dazu bestimmtes Schubfach legen, und Esslinger antwortet darauf täglich, und legt seine Antworten in ein anderes Schubfach. Mitglieder zahlen jährlich einen Carolin, Fremde haben, wenn ich nicht irre, drey Wochen freyen Zutritt. Für letztere ist dies Leseinstitut ungemein interessant, da sie hier die ersten und nützlichsten Bekanntschaften zu machen, die beste Gelegenheit haben: Abends führte mich G..d in die Comödie, wo die beyden Savoyarden, eine Operette, und der Vetter aus Lissabon gegeben wurden: im ersten reüssirten sie nicht ganz; das Stück selbst hat wenig Handlung, und die Musik leyerte aus dem Register von Anno 20 oder 30: immer reiner Accord, volle Eintöne und richtige Haltung, aber nichts von neuerm Geschmacke; die Uibergänge hart, und die Melodien voll, aber ohne Wohlklang: eine einzige Actrice, ein junges Mädchen von 16 Jahren, sang recht brav, und die Stärke ihrer Brust lässt, wenn sie sich mehr ausgesungen hat, viel erwarten, aber sie outrirte in der Aktion, und verdunkelte dadurch ihr Gutes: desto besser führten sie den Vetter aus: Stegmann, als der schwache Alte, spielte mir beynahe das Herz aus dem Leibe, und Hr. Porsch hielt sich, als den Vetter, meisterlich: unter den Actricen ist in Rücksicht des Aeusserlichen Madam Porsch die erste, ob sie auch diesen Platz als Actrice verdient, weiss ich nicht, da sie beyde Tage über keine Hauptrollen hatte. Das Publicum ist in seiner Kritik ziemlich strenge, wenigstens mit seinem Bravo, und Händeklatschen sparsamer, als das Leipziger Parterre, von dem der Lampenputzer mit eben dem Beyfall beehrt, und eben so laut beklatscht wird, als Opitz oder die Albrecht. Im künftigen Jahre wird hier ein eigenes Nationaltheater errichtet werden, und die Mainzische Gesellschaft hatte für diessmal die letzte Messe besucht.
August von Kotzebue.[]
- [1804]
Frankfurt am Mayn.
Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich Ihnen den Römer beschreiben soll, auf welchem der neue Kaiser zu speisen pflegt? oder die goldene Bulle? oder die Pantoffeln Karls des Großen? Auf dem Römer sind ringsumher alle Kaiser, die seit Anbeginn des heil. Römischen Reichs gekrönt worden, in schmalen Nischen abkonterfeit; aber so schmal auch die Nischen sind (denn wirklich hat hier kein gemalter Kaiser so viel Platz, als eine Schildwache in ihrem Häuslein), so ist dennoch für einen künftigen Cäsar kein Plätzchen mehr übrig: welcher Umstand dem Großprahler Cüstine, als er hier war, die Prophezeihung inspirirt haben soll, der jetzige Kaiser werde der letzte seyn. Ei nun! die Franzosen haben ja den lieben Gott wieder in seine Rechte eingesetzt, so werden sie ja wohl in Ansehung des Deutschen Kaisers sich eines Bessern besinnen.
Die Domkirche enthält einige hübsche Gemälde, vorzüglich aber nicht; denn wenn sie das wären, so hätten die kunstliebende Franzosen sie -- mitgehn heißen. Ein alter, derber, Deutscher Ritter in Stein gehauen, Günther von Schwarzburg, hat mir am besten gefallen. Man kann in der That die Deutsche Kraft nicht anschaulicher ausdrücken. -- Vom Frankfurter Theater lassen Sie mich schweigen. Ich habe einen sehr wackern Schauspieler gesehen, er heißt Werdy, und eine Madame Müller, von der es wohl mit Recht heißt: es giebt der Madame Müllers viele, sehr viele in der Welt. Ihr größter Fehler war Gemeinheit. Man hat seit Kurzem neue Hoffnungen für die hiesige Bühne erregt, indem man einen verdienstvollen Mann (Herrn von Meyer, Verfasser eines bekannten Gedichts Tobias) zum Intendanten derselben ernannt hat; aber -- er darf, ohne Zuziehung des Committe, weder gute Schauspieler annehmen, noch schlechte verabschieden, und folglich laborirt die neue Organisation abermals an einem Grundübel. --
Die fremde und einheimische schöne Meßwelt hat hier einen weit angenehmern point de réunion, als in Leipzig, nehmlich keine offene, jeder Witterung ausgesetzte Straße, wie in Auerbachs Hof, sondern ein sehr geräumiges Gebäude, in welchem alle Waaren des Luxus ein großes Viereck füllen, dessen bunter Schmuck fast zu jeder Tageszeit durch eine noch buntere Menge belebt wird.
Jean-Philippe Graffenauer.[]
Lüneburg im November 1806.
Sie kennen Frankfurt, mein Herr, und wissen, daß es eine große Handlung treibende Stadt ist, die am Main liegt, der sie von ihrer Vorstadt Sachsenhausen trennt. Sonst gab die Wahl und die Krönung eines deutschen Kaisers, die hier Statt fanden, Frankfurt ein eigenthümliches Interesse. Jetzt ist hier die Residenz des Fürsten Primas, der sich unablässig bemüht, sie zu erweitern, und zu verschönern. Man zählt hier ungefähr fünf und vierzig Tausend Einwohner, unter welchen viele Juden sind. Die Mehrzahl der Häuser in dieser Stadt ist im alten Styl erbaut; man findet indeß in den Hauptstraßen prächtige Häuser und große Hotels. Das Rathhaus, der Römer genannt, ist ein gothisches Gebäude, an dessen vordern Façade Bogengänge entlang laufen, unter welchen während der Messe Kramläden eröffnet werden.
Das Frankfurter Theater genießt einer gewissen Celebrität. Unweit desselben findet man einen hübschen schattenreichen Spatziergang. (>>>)
Kriegslasten.[]
Frankfurt am Mayn.[6] Nach einer allgemeinen Berechnung sind seit dem Februar 1806 mehr als 200,000 Mann französischer Truppen durch hiesige Stadt passirt, wovon die meisten hier einquartirt gewesen sind. Bloß seit dem 1. Okt. sind an Ergänzungs-Truppen und Depots 46,000 Mann hier durch zur französischen Armee gezogen, welche fast alle hier Nachtquartier gehabt haben.
Quellen.[]
- ↑ Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Neu bearbeitet von Konrad Mannert, Königl. Bairischen Hofrath und Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Carls vaterlaendische Reisen in Briefen an Eduard. Leipzig, bey J. S. Heinsius und Sohn. 1793.
- ↑ Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. von August von Kotzebue. Berlin 1804 bei Heinrich Fröhlich.
- ↑ Meine Berufsreise durch Deutschland, Preußen und das Herzogthum Warschau, in den Jahren 1805, 1806, 1807 und 1808. Von J. P. Graffenauer, Doktor der Arzneygelahrtheit, vormaligem Arzte bey der großen französischen Armee, mehrerer gelehrten Gesellschaften Mitgliede. Chemnitz, bey Carl Maucke. 1811.
- ↑ National-Zeitung der Deutschen. 2tes Stück, den 8ten Januar 1807.
Literatur.[]
- H. S. Hüsgen's Getreuer Wegweiser von Frankfurt am Main und dessen Gebiete für Einheimische und Fremde nebst Einem genauen Grundriß der Stadt und einer akkuraten Charte von deren Gebiete Frankfurt am Main in der Behrensschen Buchhandlung 1802