Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Baboeuf.[]

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Gracchus Baboeuf, oder eigentlich François Noel Baboeuf, gehörte zu den Pariser Journalisten, welche den meisten Einfluß aufs Volk hatten, und dadurch der Regierung gefährlich wurden. Baboeufs Publikum waren die niedern Volksklassen, welche das von ihm herausgegebene Blatt, den Tribun du peuple, mit der größten Begierde lasen, und von ihm schon deßwegen eine sehr günstige Meinung hegten; weil er den vielsagenden Nahmen Gracchus angenommen hatte.

Eigentlich ist Baboeuf ein verdorbener Schreiber, der seinen Geburtsort, Saint Quentin, seit 1777 verließ, bei mehrern Herrschaften im Dienste stand, aber fast allemahl wegen begangenen Veruntreuungen mit Schande die Flucht nehmen mußte, endlich während der Revoluzion die Bedienung eines Distrikts-Administrators erhielt, und hier wegen groben Betrugs im Jahr 1792 zwei Jahr zu den Galeeren verurtheilt wurde. Allein er entwich nach Paris, und machte da den Volksredner.

Seine abscheulichen Grundsätze, welche bloß auf Mord und Plünderungen gerichtet waren, zogen ihm in der Folge einen abermahligen Verhaft zu. Der 6. Oktober 1795 gab ihm jedoch die Freiheit wieder, welche er bald zu neuem Unfug mißbrauchte, eine förmliche Verschwörung anspann, und deßwegen am 10. Mai 1796 -- aufs neue eingekerkert wurde. Seine Frechheit hatte sich jedoch dadurch nicht verloren; er versprach dem Direktorio die geheimsten Gänge der Intrigue zu entdecken, wenn es sich mit ihm in förmliche Unterhandlungen (de puissance à puissance) einlassen wollte. Allein der Vollziehungsrath nahm auf diese lächerliche Zumuthung keine Rücksicht, und Baboeuf konnte dießmal seiner wohlverdienten Strafe nicht entgehen.

Er wurde durch den Ausspruch des hohen National-Gerichtes zu Vendome zum Tode verurtheilt, und am 27. Mai des Jahrs 1797, zugleich mit seinem Mitverschwornen Darthe, guillotinirt. Der Versuch, sich vorher selbst zu entleiben, mißglückte ihm.


Beytrag zu Baboeufs Lebensgeschichte.[]

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Roye, den 28. Flor. 4. J. (17. May 1796.)

Die so glücklich entdeckte Verschwörung ist zu ausgebreitete, uns zu kühn, als daß sie nicht in der Revolution Epoche machen sollte. Es ist daher nöthig, die Gattung von Personen kennen zu lernen, die bey dieser Crise eine Rolle gespielt haben. Ich will Ihnen daher etwas von Baboeuf erzählen; hier war sein erster Exercierplatz.

François Noel Baboeuf ist in der Gegend von Saint Quentin geboren. Sein armer Vater, der Beamter, bey der Salzsteuer war, ließ ihn im Schreiben unterrichten. Er lernte eine schöne Handschrift.

Im Jahr 1777 verließ er das väterliche Haus, und suchte bey verschiedenen Personen als Schreiber oder Abschreiber anzukommen; aber vergebens, theils weil er noch zu jung war, theils weil sich niemand für ihn verbürgte. Indessen drückte ihn das äusserste Elend; er war schlechterdings von allem entblößt. Aus Mitleiden bot man ihm auf einem Schlosse bey Roye eine Bedientenstelle an, und er übernahm sie. Er diente ungefähr drey Jahre in diesem Hause. Der ehemalige Besitzer ließ damals ein Erbregister erneuern. Da Baboeuf gut schrieb: so brauchte man ihn dazu. Es fehlte ihm nicht an Verstande; er gab sich Mühe, und wurde bald ein ziemlich guter Lehnsverständiger.

Unterdessen schwängerte er eine Kammerjungfer des Schlosses und heurathete sie. Da ihn aber seine neuen Kenntnisse im Lehnrechte insolent machten: so wurde er fortgejagt. Er verklagte seinen ehemaligen Herrn, und verlor seinen Proceß. Er wollte nun mit eignen Flügeln fliegen, ließ sich zu Roye nieder, und erklärte sich für einen Lehnscommissar.

Eine Pariser Dame vertraute ihm die Erneuerung eines kleinen Lehns an, daß sie in der Gegend von Roye besaß; er übernahm das Geschäfte, trieb die Rückstände ein, legte keine Rechnung ab, wurde verklagt, und verlor seinen Proceß.

Der ehemalige Prior von Saint Aurin bey Roye, vertraute ihm ebenfalls die Erneuerung des Erbregisters seiner Priorey an: er übernahm sie, fieng einen Proceß gegen den Prior an, und verlor ihn.

Der ehemalige Marquis Soyecourt vertraute ihm das nämliche Geschäfte auf seinen Gütern an; er machte einen Anfang damit; aber die groben Briefe, die er an die Vasallen schrieb, erregten so viele Beschwerden gegen ihn, daß der Marquis ihm sein Vertrauen entziehen mußte. Das mißfiel Baboeuf; er proceßirte und verlor seinen Proceß.

Bis 1789 lebte er von Schreibereyen für die Landleute. In den ersten Zeiten der Revolution begann er seine Laufbahn damit, daß er auf dem Lande eine aufrührerische Schrift umher trug und unterzeichnen ließ; er wurde verhaftet, und in ein Gefängniß zu Paris gebracht. Eine durch die constituirende Versammlung bekannt gemachte Amnestie gab ihm seine Freyheit wieder. Er schrieb dann ein Journal, das er, aus Mangel an Subscribenten, bald wieder aufgab.

Zur Zeit der Urversammlungen 1792, die unter dem Septembermesser gehalten wurden, ernannte man ihn zum Wähler im Somme-Departement. Die Wahlversammlung machte ihn darauf zum Administrator der Districts Montdidier. Nach zwey Monaten begieng er bey dem Verkaufe der Nationalgüter ein materielles Falsum; er wurde verklagt, entfloh, und wurde auf zwey Jahre auf die Galeeren verurtheilt. Jetzt verließ er das Somme-Departement, und vermischte sich mit dem großen Haufen in Paris. Seine Schriften zogen ihm dort den Verhaft zu; und er wurde in die Citadelle zu Arras gebracht. Die Amnestie im letzten Brumaire gab ihm nochmals seine Freyheit wieder.

Dieß ist der Mann, der als Bediente sicher nicht daran dachte, daß er einst die politische Rolle eines großen Verschwörers spielen und dem Directorium der Republick das Anerbieten thun würde, mit ihm als Macht zu unterhandeln. Möchte der Genius der Freyheit wollen, daß er nicht in den Fall komme, die Wohlthat einer dritten Amnestie zu geniessen! **ch.


Lehrsätze des Terroristen Baboeuf.[]

[3]
Bekanntlich erfrechte sich der rasende Baboeuf noch im März 1796 nicht allein in seinem Journal, der Volks-Tribun betitelt, sondern auch durch Anschlage-Zettel in den Strassen von Paris die Armen zum Aufruhr zu reitzen, und als das wirksamste Mittel, dazu Plünderung der Reichen, der Kramladen xc. zu predigen; eine Lehre, die selbst die armen Bewohner der Vorstädte in Paris so empörte, daß einige derselben zu den ersten gehörten, die jene abscheulichen Zettel von den Mauern abrissen. Die Frechheit dieses Terroristen veranlaßte endlich das weise Gesetz, das, ohne die wohlthätige Pressfreyheit einzuschränken, die Verantwortlichkeit der Schriftsteller bestimmte.

Nachstehende Lehrsätze sind theils aus dieser Mauerschrift, theils aus dem Journal Baboeufs gezogen, und gehören, in Hinsicht der gränzenlosen Ausschweifung ihres Inhalts, zu den merkwürdigsten französischen Revolutions-Producten. v. A.

1. Die Natur hat jedem Menschen ein gleiches Recht auf den Genuß aller Güter gegeben.

2. Der Zweck der Gesellschaft ist, diese Gleichheit zu vertheidigen, die im Naturstande oft von dem Starken und Boshaften angegriffen wird, und durch die Mitwirkung aller, die allgemeinen Genüsse zu vermehren.

3. Die Natur hat jedem die Verbindlichkeit auferlegt, zu arbeiten; Niemand durfte sich der Arbeit entziehen, ohne Verbrecher zu werden.

4. Die Arbeiten und Genüsse müssen allen gemeinschaftlich seyn.

5. Es ist Unterdrückung, wenn der eine sich durch Arbeit erschöpft, da hingegen der andere im Ueberflusse schwimmt, ohne etwas zu thun.

6. Niemand konnte sich, ohne Verbrecher zu werden, ausschließlich die Güter der Erde oder des Fleisses zueignen.

7. In einer wahren Gesellschaft darf es weder Reiche noch Arme geben.

8. Die Reichen, die nicht zum Vortheile der Dürftigen dem Ueberflusse entsagen wollen, sind die Feinde des Volks.

9. Niemand darf, durch Zusammenhäufung aller Mittel, einem andern der zu seinem Glück nöthigen Belehrung berauben; die Belehrung muß allgemein seyn.

10. Der Zweck der Revolution ist, die Ungleichheit zu zerstören, und das Glück aller zu gründen.

11. Die Revolution ist nicht geendigt, weil die die Reichen alle Güter verschlingen, und ausschließlich befehlen, da hingegen die Armen als wahre Sclaven arbeiten, im Elende schmachten, und im Staate Nichts sind.

12. Die Constitution von 1793 ist das wahre Gesetz der Franzosen, weil das Volk sie feyerlich angenommen, weil der Convent nicht das Recht hatte, sie zu ändern, weil er, um diesen Zweck zu erreichen, das Volk, das deren Vollziehung verlangte, zu Tausenden hat erschiessen lassen, weil er die Deputirten, die ihre Pflicht thaten, indem sie jene Constitution vertheidigten, verjagt und erwürgt hat xc. **ch.


Zeitungsnachrichten.[]

1797.[]

Vermischte Nachrichten. [4]

Der bekante Verschwörer, Baboeuf, deßen so oft im Journale erwähnt worden, hat in seiner letzten Vertheidigung vor dem hohen National-Gerichtshofe zu Vendome weitläuftig dargestellt, daß man ihn und seine Complicen nicht verdammen könne, ohne zugleich die neuern Philosophen zu verdammen, deren Lehren er nur habe in Ausübung bringen wollen. Aus diesen Lehren erhelle ganz deutlich, daß das Eigenthums-Recht ein schrecklicher Mißbrauch sey, denn so lange dieß Recht bestehe, sey die Gleichheit eine Absurdität, und die neuen Menschenrechte verlangten durchaus, daß man alle Erbschafts-Rechte abschafte. Seine Schlüße beruheten auf eine strenge Logik nach den angenommenen Principien.


Quellen.[]

  1. Charakterzüge und interessante Szenen aus dem Leben denkwürdiger Personen der gegenwärtigen und verflossenen Zeiten. Herausgegeben von Julius Gustav Meißner. Wien, 1800. Im Verlage bei Anton Doll.
  2. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Hamburg 1796.
  3. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Hamburg 1796.
  4. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1797.
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