Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Advertisement

F. N. L. Buzot.[]

[1]
Buzot, (F. N. L.) gebohren zu Evreux den 1sten März 1760, war daselbst zu Anfange der Revolution Advokat und ward zum Deputirten des dritten Standes dieser Balley bey der Generalständeversammlung ernannt. Trotz verschiedener Vorträge, die er machte, ward er wenig bey der konstituirenden Versammlung bemerkt. Sein dumpfes Organ, seine schleppende Sprache und seine fortwährenden Andeutungen von Komplots und Anschlägen gaben ihm den Nahmen des Unglückspropheten. Er ward Mitglied des Untersuchungsausschusses. Als ernannter Deputirter beym Nationalkonvent im September 1792, sah man ihn Robespierre als einen Diktator bezeichnen. Bey des Königs Prozeß votirte er seinen Tod mit Verschub. Mit unter der Anzeige der Pariser-Gemeine gegen die übrigen Girondins begriffen, wurde er den 31sten May in seiner Wohnung arretirt. Er entkam, flüchtete sich nach Evreux, half Calvados gegen den Konvent in Aufstand bringen und schiffte sich zu Quimper nach Bordeaux ein. Nachdem er einige Zeit herumgeirrt, ward er nebst Pethion auf dem Felde todt gefunden.


Charakterschilderung.[]

Von Madame Roland. [2]

Buzot.

Ein erhabener Character; ein stolzer Geist; und ein brausender Muth. Empfindsam, heftig, melancholisch, und träge; dies muß ihn zuweilen von Einem Extreme zum andern bringen. Als ein leidenschaftlicher Beobachter der Natur, der seine Einbildungskraft mit allen Reitzen, die sie darbieten kann, und seine Seele mit den Grundsätzen der feinsten Philosophie nährt, scheint er dazu gemacht zu seyn, häusliche Glückseligkeit zu genießen und zu verschaffen. Neben einem Herzen, das seiner würdig wäre, würde er die ganze Welt in dem süßen Vergnügen der Privattugenden vergessen; aber in einen öffentlichen Lebenslauf geworfen, kennt er nichts als die Vorschriften der strengen Billigkeit, und er vertheidigt sie für jeden Preis. Er geräth leicht gegen die Ungerechtigkeit in Unwillen; verfolgt sie mit Hitze; und kann sich nie mit dem Verbrechen vertragen. Ein Freund der Menschheit, für die zartesten Gefühle empfänglich, und erhabener Aufwallungen, so wie auch der großmüthigsten Entschlüsse fähig, liebt er seine Gattung, und weiß sich als Republikaner zum Besten des Vaterlandes aufzuopfern; aber ein strenger Richter über Privat-Personen, und schwierig in Betreff der Gegenstände seiner Achtung, schenkt er diese nur sehr wenigen Menschen. Diese Zurückhaltung, verbunden mit energievollen Freyheit, womit er sich ausdrückt, hat ihn des Hochmuths beschuldigen lassen, und ihm Feinde gemacht. Die Mittelmäßigkeit verzeihet dem Verdienste selten; aber das Laster haßt und verfolgt die muthige Tugend, die ihm öffentlichen Krieg erklärt. Buzot ist der sanfteste Mensch auf Erden für seine Freunde, und der rauheste Gegner der Betrüger.

Schon in seiner Jugend erwarb ihm sein reifer Verstand, und die Rechtschaffenheit seiner Sitten, die Achtung und das Zutrauen seiner Mitbürger. Er rechtfertigte beydes durch seine Ergebenheit für die Wahrheit; durch seine Entschlossenheit und Standhaftigkeit, sie zu sagen. Der gemeine Menschenhaufe, der dasjenige herabwürdigt, was er nicht erreichen kann, behandelte seinen durchdringenden Verstand, als Träumerey; seine Wärme, als Leidenschaft; seine stark ausgedrückten Gedanken, als Diatriben; seine Widersetzung gegen alle Arten der Ausschweifung, als Empörung gegen die Majorität. Man beschuldigte ihn des Royalismus, weil er behauptete, die Sitten wären in seiner Republik nothwendig, und man müßte nichts verabsäumen, um sie zu erhalten oder zu verbessern; man beschuldigte ihn, daß er Paris verläumde, weil er die Ermordungen des Septembers veranscheuete, und die nur einer Handvoll durch die Räuber besoldeter Mörder zuschrieb; man beschuldigte ihn des Aristocratismus, weil er in dem Processe Ludwigs XVI das Volk zur Ausübung seiner Souveränität aufrufen wollte; des Föderalismus, weil er die Erhaltung der Gleichheit zwischen allen Departementen forderte, und sich gegen die Municipal-Tyranney einer usurpatorischen Gemeinde empörte. Dies sind seine Verbrechen.

Er hatte auch seine Fehler. Mit einer edlen Figur und einem zierlichen Wuchse, ließ er in seiner Kleidung jene Sorgfalt, jene Reinlichkeit, und jenen Anstand herrschen, die einen Geist der Ordnung, Geschmack, Gefühl für die Convenienz, und die Achtung des rechtschaffenen Mannes gegen das Publicum und sich selbst verriethen.

Als daher die Hefen der Nation an das Ruder der Staatsangelegenheiten Menschen setzten, die den Patriotismus darin bestehen ließen, daß sie dem Volke schmeichelten, um es zu leiten; alles umwarfen und anfielen, um sich in Credit zu setzen, und sich zu bereichern; die Gesetze verläumdeten, um zu regieren; die Zügellosigkeit in Schutz nahmen, um sich selbst Ungestraftheit zu sichern; mordeten, um ihre Macht zu befestigen; fluchten, soffen, und sich wie Lastträger kleideten, um mit ihres Gleichen zu fraternisiren. Da bekannte Buzot doch die Moral des Socrates, und beobachtete die feine Lebens-Art des Scipio. Der Bösewicht! Der unbescholtene Lacroix, der weise Chabot, der sanfte Lindet, der zurückhaltende Thuriot, der gelehrte Duroi, der menschliche Danton, und ihre getreuen Nachahmer, haben ihn daher für einen Verräther gegen das Vaterland erklärt; sie ließen sein Haus schleifen, und sein Vermögen einziehen, so wie man einst Aristides verbannte, und Phocion verurtheilte. Es wundert mich, daß sie nicht decretirt haben, seine Name solle vergessen werden. Dies wäre ihren Absichten weit angemessener gewesen, als der Vorsatz, ihn mit Beynamen aufzubewahren, die der Augenschein widerlegt.

Man kann in der Geschichte Buzot's Betragen in der constituirenden Versammlung nicht wegwischen; noch seine weisen Vorschläge, und seine kräftige Ausfälle im Convent in Vergessenheit bringen. Wie groß auch in ungetreuen Journalen die Entstellung der Meynungen seyn mag; so finden sich die Grundsätze, worauf sie sich stützten, doch immer wieder. Buzot's sprach oft aus dem Stegereif; arbeitete übrigens wenig; unterließ aber nie, sich gegen jedes verkehrte, oder der Freyheit schädliche System zu erheben. Sein Bericht über die Departemental Garde, deren Project man so sehr verschrien hat, enthält Gründe, auf die man nicht antwortete; sein Bericht über das, gegen die Mordprediger vorgeschlagene Gesetz, enthält die gesundeste Politik, und eine Philosophie, die so wahr als die Natur, und so stark als die Vernunft ist, auf welche sie sich stützt; sein Vorschlag wegen der Verbannung der Bourbons, ist mit Genauigkeit entwickelt, mit Richtigkeit motivirt, und mit Anmuth und Wärme geschrieben; seine Meynung über den Proceß des Königs, die voll von Sachkenntniß und Vernunftgründen ist, hat nichts von dem Pathos und den Abschweifungen, wozu jener Gegenstand bey so vielen Reden Anlaß gegeben hat; endlich schildern seine Briefe an seine Committenten, vom 6ten und vom 22sten Januar, seine Seele mit einer Wahrheit, wegen welcher man sie einst noch suchen wird. Einige Kämpfer von seiner Stärke, hätten dem Convent den Stoß geben können, den er nöthig hatte; aber die andern Männer von Talent, die sich als Redner für große Gelegenheiten aufzusparen schienen, vernachlässigten dem täglichen Kampf zu sehr, und fürchteten nicht genug die Taktik ihrer mittelmässigen Gegner.


Der Prozeß gegen Ludwig XVI.[]

[3]

Meine Meinung ist nemliche, welche ich bereits auf dieser Rednerbühne bekannt machte, und drucken ließ. -- Ich habe nur noch einige Bemerkungen anzuführen, die unsre gegenwärtige Lage fordert. -- Ich stimme für die Appellation an das Volk, weil ich glaubte, daß diese Maaßregel allein das Unglück von der Republik entfernen könnte, welches ihr gegenwärtig droht. Ich dachte, daß nun eine günstige Gelegenheit sey, den andern Departementen jenen politischen Einfluß zu geben, den sie haben sollten, aber doch nicht haben; die verweigerte Volksbestätigung eines so wichtigen Dekrets, war in meinen Augen ein Nationalverbrechen, dem ich nicht beistimmen wollte. -- Ihr habt aber anders entschieden, ich ehre euer Dekret; und gehorche demselben. Aber, Bürger, ich verhehle euch nicht, daß mich euer Ausspruch in die grausamste Verlegenheit setzt. Die Gefangenschaft scheint mit außerordentlich gefährlich, sie verdoppelt die Gefahren, und beschleunigt unsern Untergang. Wenigstens wird Ludwig ermordert, dieß sehe ich zum voraus. --

Man wird eich der Schwachheit und des Kleinmuths beschuldigen, und ihr werdet das Zutrauen verlieren, welches euch so nöthig ist, um den Staat zu retten. Doch Bürger, glaube ich, daß zu Behauptung dieses Meinung mehr Muth, als zu der entgegengesetzten gehöre. Wird das Todesurtheil Ludwigs des 16ten sogleich vollzogen, so weissage ich traurige Ereignisse, deren Ende leicht abzusehen ist. Ich hoffe aber noch immer, daß ihr in dieser Lage die Zeit haben werdet, alle eure Hülfsmittel gegen die Unternehmungen der Feinde aufzubieten, und so die Freyheit eures Vaterlands zu retten. Möge die Convention, überzeugt, daß sie durch das Todesurtheil Ludwig des 16ten eine unermeßliche Verantwortlichkeit auf sich nimmt, sich zu der Höhe erheben, auf welche die Umstände und ihre eigenen Handlungen sie gestellt haben; noch kann sie alles gut machen, wenn sie dazu den unerschütterlichen Willen hat.

Ich verurtheile Ludwigen zum Tode. -- Indem ich aber dieses schreckliche Urtheil ausspreche, kann ich mich eines tiefen schmerzlichen Gefühls nicht erwehren. Wehe dem Unmenschen, der ein solches Urtheil fällen; wehe dem Volk, welches es ohne Rührung anhören könnte, denn, ist einmal Menschlichkeit und Moralität verschwunden, so ist alles verlohren.

Erlaubt mir, Bürger, eine Bemerkung, auf die ich den höchsten Werth setze, zu machen. Ich wünschte daß die Convention zwischen dem Endurtheil und der Vollziehung irgend einen Zeitraum festsetze. Diese Maaßregel scheint mir sehr politisch, und wird durch die Nothwendigkeit erfordert. Ihr beweist dadurch der ganzen Welt, daß ihr ohne Leidenschaft handelt; Bürger, befragt die öffentliche Meinung; ihr habt nöthig, euch mit dieser unüberwindlichen Macht zu umgeben, denn sie allein ist eure Stärke.

Ich verurtheile Ludwigen den 16ten zum Tode, und nie wird dieser Ausspruch in mit Reue oder Gewissensbisse erzeugen. Ich fordre nochmals, daß zwischen dem Endurtheil und der Vollziehung ein Zeitraum festgesetzt werde.


Quellen.[]

  1. Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
  2. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts herausgegeben von J. W. v. Archenholz. Für das Jahr 1795. Im Verlage des Herausgebers.
  3. Gallerie der hingerichteten, gefangenen, oder sonst verunglückten französischen Konventsmitglieder und andrer Revolutionsmänner seit Ludwigs des Unglücklichen Tode; in Verbindung des, von der erstern am Verdammungstage ihres Monarchen, über denselben ausgesprochnen, Endurtheils. Hannover, im Verlage der Helwingschen Hof-Buchhandlung. 1794.
Advertisement