Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Pariser Assekuranz-Anstalt für Feuersgefahr.[]

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Es ist auffallend, daß es bis auf den heutigen Tag in ganz Frankreich keine Versicherungs-Anstalten wider Feuerschäden gab, und daß besonders die Stadt Paris einer solcher wohlthätigen Anstalt entbehren mußte. Man muß sich um so mehr wundern, wenn man bedenkt, daß sich in Frankreich die meisten Zweige der Polizei-Wissenschaft ausgebildet haben, und von da aus den übrigen Ländern bekannt geworden sind. Sollte nicht vielleicht der Grund hievon in dem Leichtsinn der Nation liegen, welcher, immer nur das Gegenwärtige betrachtend, für alles, was im Gebiete der Zukunft liegt, völlig blind ist. Dieß ist um so wahrscheinlicher, wenn man bedenkt, daß sich solche Versicherungs-Anstalten anfänglich meist durch Privatpersonen bilden müssen; besonders in Frankreich, wo von jeher die Regierung bey der Verfolgung großer Plane das Wohl der Einzelnen, welches der Phantasie keine glänzenden Bilder leihen kann, vergaß. Daher war das Armenwesen und alle Wohlthätigkeits-Anstalten in diesem Lande immer vernachlässigt. Mit dem platten Lande beschäftigte sich die Polizeiverwaltung gar nicht, und es ist deßhalb leicht erklärbar, daß die Gegenden im Innern noch fortgesetzt die Spuren der grösten Vernachlässigung an sich tragen.

Kurz vor der Revolution hatten sich zwey Assekuranz-Compagnien, die ersten in Paris, gebildet. Sie nahmen sehr beträchtliche Prämien, die sich für ganz steinerne Häuser auf ein Zweitausendstel und für Häuser mit Zimmer-Mauern auf ein Fünfzehnhundertstel des Bauwerthes beliefen. Doch erhielten sie sich nicht, obschon die Assekurateurs einen beträchtlichen Gewinn haben mußten. Wahr ist es, daß im Ganzen genommen in Paris ungleich weniger Feuersbrünste ausbrechen, als in andern großen Städten, und daß die Löschungs-Anstalten so vortreflich sind, daß sie sogleich in ihrem Entstehen getilgt werden können. Es ist daher für eine Handels-Gesellschaft immer etwas gewagtes, eine beträchtliche Summe auf den Zufall in Bereitschaft zu halten, wenn nicht die Zahl der Abonnenten hinlänglich den Ertrag derselben decken kann.

Die neue Anstalt, von der wir sprechen, ist von anderer Art. Es ist eine Gesellschaft, welche durch die Vereinigung aller Eigenthümer, welche sich versichern lassen wollen, gebildet wird. Die Erfahrung hat gezeigt, daß diese Methode vor allen andern die grösten Vorzüge hat, unter drey Hauptrücksichten besonders. 1) Weil mehr Sicherheit für die Mitglieder, welche durch ein gegenwärtiges gleich starkes Interesse an einander gefesselt werden, vorhanden ist. 2) Weil die Beisteuern um die Hälfte und um mehr noch geringer seyn können. 3) Weil es hier nothwendig ist, daß ein zusammengeschoßner Fond, welcher Unterdeß todt liegen müßte, existire. Alles dieß ist leicht einzusehn. Eine Compagnie, welche aus Spekulation dieses Geschäft unternimmt, muß, da sie vermittelst eines bestimmten Geldpreißes die Entschädigung für unbestimmte Unglücksfälle, deren Belauf sie nicht kennt, zu leisten verspricht, ihr Risiko zum voraus so hoch anschlagen, als es nur immer möglich ist. Die verhältnißmäßige Geldsumme, welche sie von ihren Abonnenten fordert, wird nach dieser Berechnung festgesetzt, und so gereichen alle Unglücksfälle, die nicht eintreffen, ihr zum Gewinn, während jeder Abonnent seine Beisteuer so entrichtet hat, als ob sie wirklich eingetreten wären. Bei einer Vereinigung aller Interessenten ist dieß ganz anders, denn sowohl die guten als die nachtheiligen Vorfälle gehören ihnen allen gemeinschaftlich an, und die Beisteuer geht nicht auf alle Schäden, welche sich ereignen könnten, sondern blos auf die, die wirklich vorgefallen sind. Hier ist gegenseitige Beihülfe, ohne andern Zweck, als, Sicherung vor den Folgen eines eintretenden Unfalls zu erlangen. Dort ist eine aus Gewinnsucht hervorgehende Spekulation einiger Individuen, für welche die Sicherung des Eigenthums ihrer Abonnenten blos Nebenzweck ist.

Diese Gesellschaft verdankt ihren Ursprung dem Vorschlag eines ehemaligen Rechtsgelehrten von Paris Namens Marchand du Chaume, den er unter dem Namen Unions-Vertrag für die gegenseitige Versicherung der Gebäude in Paris, gegen Feuersgefahr, bei zehn Notarien, welche die Unterschriften einsammeln sollen, niedergelegt hat.

Sein Projekt gründet sich auf folgende Angaben:

Es ist bewiesen, daß der Werth sowohl der öffentlichen als Privat-Gebäude der Stadt Paris sich wenigstens auf anderthalb Milliarden (1,500,000,000) Franken beläuft. Zu größerer Sicherheit der Rechnung nehme man blos eine Milliarde an.

Der Belauf der Feuerschäden in gewöhnlichen Jahren ist nie über 100,000 Franken gestiegen. Man nehme das doppelte, also 200,000 Fr. an.

Diese Summe ist der fünftausendste Theil einer Milliarde, und es folgt daraus, daß eine Beisteuer, welche den fünftausendsten Theil des Gesammtwerths aller Gebäude in Paris bildet, jährlich alle Feuerschäden decken könnte.

Nimmt man nun an, daß blos der achte Theil der Eigenthümer an der Gesellschaft Theil nehmen wird, so bildet die Masse der zu versichernden Gebäude die Summe von 125 Millionen, welche den achten Theil einer Milliarde ausmacht. Das Verhältniß der Beisteuer bleibt dasselbe. Sie beträgt *) für 5000 Fr. nur 1 Franken, und für 100,000 nur 20, ist also eine wahre Kleinigkeit.

*) In gewöhnlichen Jahren.

Der Einwendung, welche man gegen diesen Ueberschlag machen kann, daß es möglich ist, daß für dasselbe Jahr die Summe der Feuerschäden sich verdoppele, ja verzehnfachen kann, läßt sich entgegnen, daß es eben so möglich ist, daß ganze Jahre verstreichen, ohne daß jene Summe völlig, oder nur zur Hälfte, ja wo vielleicht gar nichts abzutragen wäre. Diese beiden entgegengesetzten Möglichkeiten heben sich ganz auf.

Die nähere Einrichtung dieser Gesellschaft ist folgende.

Sie besteht aus den Eigenthümern von Häusern und Gebäuden aller Art, die Schauspielhäuser ausgenommen, die in Paris oder in den Vorstädten liegen. Sie wird als geschlossen angesehn, sobald der Werth der zu versichernden Gebäude die völlige Summe von hundert fünf und zwanzig Millionen bildet. Von diesem Augenblicke an verbinden die Unterschriften derer, die diesem Vertrag beigetreten sind, und eher nicht. Herr Marchand du Chaume ist Direktor der Union. Die Versicherung erstreckt sich auf alle Feuerschäden, welche die Hälfte des jährlichen rohen Ertrags der Gebäude übersteigen. Die Schätzung des Schadens geschieht durch zwei Sachverständige, davon einer von dem Eigenthümer, der andre von dem Direktor ernannt wird. Können sie beide nicht vereinigen, so ernennt der Friedensrichter einen Dritten.

Der Werth, unter dem die Gebäude eingeschrieben werden, ist die zwanzigfache Summe ihres reinen Ertrags nach den Angaben der Mutter-Rolle der Grundsteuer. Der rohe Ertrag, wovon oben die Rede war, wird als ein Drittel grösser, als der reine angesehen. Es ist jedermann frey, nach Belieben wieder aus der Gesellschaft zu treten, wenn er es nur in den fünf lezten Tagen seines Jahres anzeigt, und so ist er von dem ersten Tage des folgenden Jahres an aller Beiträge überhoben.

So wie sich eine Feuersbrunst ereignet hat, und der Schaden abgeschätzt worden ist, stellt der Direktor dem beschädigten Eigenthümer einen Zahlungsbefehl für die nöthige Summe auf die Notarien der Gesellschaft, welche die Beiträge bei den Mitgliedern einzusammeln haben, aus. Jedes Mitglied ist gehalten, innerhalb 14 Tagen nach der Aufforderung sein Contingent einzuliefern. Da sich Indeß Fälle ereignen können, wo eine schleunige Beihülfe an Geld von der höchsten Wichtigkeit ist, und diesemnach immer ein gewisser Fond vorräthig seyn muß, so wird bei dem Eintritt in die Gesellschaft von jedem Interessenten ein Zehntausendstel des Werths seines Eigenthums in die Casse der Notarien abgetragen. Hierdurch wird bewirkt, daß eine Summe von 12500 Franken auf jeden Fall vorräthig ist. Bei der Ausschreibung der Entschädigungs-Summe wird dieses Zehentausendstel jedem Abonnenten aufs neue abgefordert.

So wie die Gesellschaft eines ihrer Mitglieder entschädiget hat, so gehen alle Klagen desselben auf Schadenersatz gegen Miethsleute oder andre, auf sie selbst über, und alle Summen, welche auf diesem Wege eingetrieben werden können, werden zu den vorräthig liegenden Fonds geschlagen.

Alle Civil-Streitigkeiten, die sich zwischen der Gesellschaft und den Mitgliedern erheben könnten, sollen durch Schiedsrichter geschlichtet werden, ohne daß man an ein Appellationsgericht, oder an das Cassationstribunal sich wenden dürfe. Durch diese Verfügung werden alle weitläufigen Prozesse, welche gewöhnlich durch die Gesellschafts-Verträge veranlaßt werden, gänzlich verhindert. Der Direktor hat deswegen auch eine ausgedehnte Vollmacht, Compromiße abzuschliessen, und überhaupt so zu transigiren, wie es dem Intereße der Gesellschaft gemäß ist.

Die Unkosten der Direktion werden durch eine stete Beisteuer aller Interessenten, die auch auf ein Zehntausendstel gesezt ist, bestritten.

Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß dieses Institut sich auf richtige Grundsätze stützet, und, seiner innern Einrichtung nach, sich erhalten und ausdehnen muß. Wer wird wohl lange mit sich zu Rathe gehen, wenn er durch einen jährlichen Beitrag von dreißig Franken ein Eigenthum von hunderttausend Franken sichern kann? Auch ist hier nicht zu befürchten, daß jemand aus niedriger Habsucht sein Haus selbst in Brand stecke, um mit der Entschädigungs-Summe sich ein ganz neues bauen zu können; denn die Angabe des Werths, unter welchem ein Gebäude eingeschrieben ist, bleibt immer beträchtlich unter dem Bauwerthe, weil jedermann den reinen Ertrag viel geringer auf die Mutterrolle setzen läßt, als er wirklich ist. Dieser reine Ertrag wird nach der Zahl der Miethleute, und wenn keine im Hause sind, nach dem vermuthlichen Miethwerth der Abtheilungen des Hauses, von den Eigenthümern selbst angegeben. Eine solche Basis zur Abschätzung des Werthes der Gebäude annehmen, scheint unter mehrern Rüksichten noch vortheilhafter zu seyn, als den Werth durch besondre Taxatoren anschlagen zu lassen.

Es ist sehr zu wünschen, daß sich in den vorzüglichsten Städten des französischen Gebietes ähnliche Vereinigungen bilden mögen. Die einfache Einrichtung derselben macht sie leicht ausführbar. Sie wären eine besondre Wohlthat für das platte Land, wo Feuersbrünste häufiger, und für die Eigenthümer noch nachtheiliger sind. Es ist zu hoffen, daß die jezige Regierung, so wie ihr der wiederkehrende Friede die, alles niederbeugende, Last des Krieges wird abgenommen haben, sich mit diesem wichtigen Zweige der Sicherheits-Polizei näher beschäftigen wird.

A.


Quellen.[]

  1. Französische Miscellen. Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1804.
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