Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Advertisement

Neuchatel.[]

[1]
Neuchatel, Neufchatel, deutsch Neuenburg, oder Welschneuburg, ist nebst der Grafschaft Vallangin, ein unabhängiges Fürstenthum, welches gegen Westen und Norden an Frankreich, in der andern Gegenden an Helvetien, u. den beträchtlichen Neuenburger See gränzt. Es hat einen Flächeninhalt von 15 Quadratmeilen. Im Jahre 1803 fanden sich 35,342 Einwohner, darunter waren 12,646 Fremde, 4,980 Spitzenmacherinnen, 4,070 Uhrmacher und 1,197 Kattunfabrikanten. Mit Einschluß von Vallengin rechnete man aber im Jahr 1802. 47,000 Seelen. Es ist von mehrern Ketten des Gebirgs Jura durchzogen; hat also ein rauhes Klima, wo der Winter gewöhnlich 7 Monate währt. Daher ist der Getreidebau nicht hinreichend für die Konsumtion des Landes, besser die Viehweide und Viehzucht, und das einzige wichtige Produkt zur Ausfuhr ein hier gezogener rother Wein, meist in der Nähe des Sees. Dieser Mangel an natürlichen Gütern, und die große Freyheit der Bewohner, machte Neufchatel zu einem der ansehnlichsten Fabrikländer; es werden jährlich eine sehr große Menge von Ziz und andern Baumwollenstofen, Spitzen, Borten, Uhren, Messern, mechanischen Werkzeugen xc. verfertigt und ausgeführt. Dieser kleiner Staat ist ein unabhängiges, in männlicher und weiblicher Linie erbliches, ohne Einwilligung des Volks untheilbares Fürstenthum, in welchem der Fürst bey Antritt seiner Regierung die Erhaltung aller alten Privilegien beschwören muß, als Gouverneur zwar einen Ausländer, zu allen übrigen Stellen aber nur einen Einheimischen stellen, und ihn nicht wieder absetzen kann, wo die Justizpflege ganz in den Händen des Tribunals der 3 Stände, des Adels, der 4 Castellane, und des Stadtraths von Neufchatel liegt, an eine gezwungene Werbung und an Auflagen nicht zu denken ist, und die Einnahme des Landesherrn, von seinen Domänen, Zehnten, Grundzinsen xc. aus 37,500 Thl. bestehen. Die Provinz stund mit Bern, Lucern, Freyburg und Solothurn im Bunde, und brachte an diese die Entscheidung, wenn Zwistigkeiten mit dem Landesherrn entstunden. Sie hat 3 Städte, 113 Flecken, Dörfer und Weiler, und ist der reformirten Religion zugethan. Betteley wird nicht geduldet. Die Sprache der Landschaft ist die Französische, wie denn auch die Einwohner von Französischer Abstammung sind; es befinden sich aber viele Deutsche unter ihnen. Sie Gehörte sonst dem Geschlechte Longueville aus Frankreich; als aber der lezte Erbe dieses Haus im Jahr 1694 abstarb, so wählten die Stände von Neufchatel und Valangin den König von Preussen, als Erben des Hauses Oranien, das alte Rechte auf dieses Land hatte, zu ihrem Fürsten, welcher auch die Possession ergrif, und sie im utrechtischen Frieden bestätigt erhielt. Die Hauptstadt

NB Bern

Neuchatel, liegt an einem See gleiches Namens, wo der kleine Fluß Seyon hineinfällt, zwischen schönen Weinbergen, angenehmen Gärten, und vielen Lusthäusern, an eine Anhöhe gelehnt. Sie hat 4 große Straßen und verschiedene ansehnliche Gebäude, worunter sich besonders das Rathhaus, das Hospital, das Zuchthaus, der Palast des Herrn dü Peyrou, in der Vorstadt, auszeichnen. Auf dem alten Schlosse wohnt der Gouverneur. Die Einwohner sind alle reformirt, und haben ein Gymnasium, nebst 2 Kirchen. In der einen wird deutsch gepredigt; sonst redet man hier durchgängig französisch. Im Jahr 1750 richtete der Fluß Seyon große Verwüstung an. Die Zahl der Einwohner dieser Stadt macht etwas über 3,500 aus. Sie ist bey Nacht erleuchtet. Der Stadtrath dieser Stadt macht den dritten Theil der Landstände aus und hat große Privilegien. Der hiesige Kommissions- und Wechselhandel ist nicht unwichtig, und bey der Stadt befinden sich mehrere Zizmanufakturen und Hammerwerke, welche den Kaufleuten der Stadt gehören.


Jahr 1811.[]


Aus der Schweiz, vom 3ten November. [2]

Die mit Ende 1811 vollendete Zählung der Einwohner des Fürstenthums Neuenburg gewährt folgende Uebersicht: Unterthanen (im Jahr 1810, 36,109), 35,950; Fremde (im Jahr 1810, 13,804), 13,915; zusammen 24,255 männlichen und 25,610 weiblichen Geschlechts, überhaupt 49,865. Im Jahr 1810 war sie 49,913, jetzt vermindert um 48. Sie verminderte sich nämlich um 159 Unterthanen und vermehrte sich um 111 Fremde. Geboren wurden 761 männliche und 719 weibliche, zusammen 1480 Kinder; unter diesen befinden sich 28 uneheliche und 28 todtgeborne; überhaupt 6 weniger als im Jahr 1810. Es starben 601 männliche und 594 weibliche, zusammen 1195 Personen; 299 mehr als im Jahr 1810. Die Ueberzahl der Gebornen war also 285. Von den 1195 Gestorbenen starben 320 im Frühling, 264 im Sommer, 295 im Herbst und 318 im Winter; 339 überlebten nicht das erste Jahr, 70 starben zwischen 80 und 90 Jahren und 5 über 90 Jahre; 16 Kinder starben am Zahnen; 171 an Gichtern; keines an den natürlichen oder Schutzbocken; 47 am Stickhusten; 59 an den Masern; 57 Personen an Faul- und Gall~~fiebern; 66 an Zehrfiebern; 92 an der Lungensucht; 100 an der Wassersucht; 88 an Schlagflüssen; 60 an der Ruhr; 9 Kindbetterinnen und 154 an Altersschwachheit. Es geschahen 22 Selbstmorde, von 19 Männern und 3 Weibern, darunter 5 aus Melancholie. 344 Ehen wurden eingesegnet und 4 Ehescheidungen erkannt. Unter den Einwohnern befanden sich 5886 Spitzenmacherinnen (nochmalige Vermehrung von 190 gegen 1810); 3309 Uhrenmacher, Instrumentenmacher, Vergolder u. s. w. (große Verminderung von 1161 gegen 1810); 690 Kattundrucker (Verminderung von 16); 369 Zimmerleute; 374 Maurer; 529 Schuhmacher; 410 Schneider; 113 Metzger; 139 Pfister; 146 Müller; 154 Schmiede; 161 Schreiner; 87 Böttcher; 172 Lein- und Wolltuchweber (20 mehr als 1810); 34 Rothgerber; 85 Fischer und Fischhändler; 443 Wirthe (3 minder als 1810); 1490 Dienstmägde (64 mehr als 1810); 496 männliche Dienstboten (weniger als 1810); 9388 Rebleute, Taglöhner und Arbeiter (111 mehr als 1810); 570 Handelsleute (26 mehr als 1810); 65 Notarien; 146 Schulmeister (10 mehr als 1810), und 48 Hebammen. -- Laut der den 15ten Januar 1812 abgelegten Rechnung der Brandassekuranzanstalt ergiebt sich, daß 4996 Gebäude, geschätzt auf 13,354,400 Fr. im Jahr 1810, und weitere 1302 Gebäude, geschätzt auf 7,782,900 Fr. im Jahr 1811, zusammen 6297 Gebäude, für 21,137,300 Fr. geschätzt, in diesen zwey Jahren mit 15,536,300 Franken versichert wurden. Nachdem man fünf Batzen auf jedes Tausend Franken Kapital von denen, so nicht über 20,000 Fr. assekurirt, und 10 Fr. von allen, die höher geschätzt waren, zur Bestreitung der ersten Unkosten enthoben hatte, so blieben nach Bezahlung dieser letztern 3034 Liv. 16 Sols übrig. Diese verbunden mit 7757 Fr. 17 S., welche durch den Bezug von 1/2 vom Tausend auf den assekurirten Häusern erhalten wurden, deckten die für 11 abgebrannte Gebäude zu bezahlenden 7880 Fr. 14 S., und in Kassa blieb auf das kommende Jahr die Summe von 2211 Fr. 19 S. -- Die Fortsetzung des Krieges, der kritische Zustand, in welchem sich durch denselben Europa befindet und die Maßregeln, welche große Staaten in Betreff des Handels vornahmen, mußte nothwendigerweise auf die Industrie und den Handel des Fürstenthums nachtheiligen Einfluß haben. Die Thätigkeit der Künstler und Handelsleute ward gelähmt; die Manufakturen sanken von dem blühenden Zustand herab, auf welchen sie sich erhoben hatten; mehrere mußten geschlossen werden. Elend und Entvölkerung wären die unvermeidlichsten Folgen dieser Stockung der Geschäfte und der Verlassung der Werkstätte gewesen. Die beunruhigende Aussicht weckte die Aufmerksamkeit und Sorgfalt der Regierung. Um der gewerbtreibenden Klasse, die durch Mangel an Arbeit bald um allen Lebensunterhalt gekommen wäre, zu helfen, schlug sie den 11ten November 1811 eine Unterschriftensammlung in Form von Aktien, jede zu 100 Franken, vor, deren Fonds unter ihrer unmittelbaren Aufsicht durch besondre Kommissionen verwaltet und darin verwendet werden sollten, jenen Arbeit zu verschaffen, die keine mehr hatten oder finden konnten. Man unterstützte hierdurch das Bedürfniß, ohne die Trägheit zu nähren, und gab der Wohlthätigkeit Anlaß, Gutes zu wirken. Dieser Aufruf war auch nichts vergebens. Er brachte eine ansehnliche Summe ein, welche theils den ersten Lebensbedürfnissen, theils dem Arbeitsmangel abhalf, theils noch für künftige Fälle beyseite gethan wurde, wo vielleicht neue Erwerbzweige entdeckt und eingeführt werden könnten, welche jene ersetzen dürften, die nun gelähmt sind, oder ganz eingehen.


Zeitungsnachrichten.[]

[1812]

Vermischte Nachrichten. [3]

Nach der letzten Zählung enthält das Fürstenthum Neufchatel 49,865 Einwohner.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
  2. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 292 Donnerstag, den 5/17. December 1812.
  3. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 287 Freytag, den 29. November/11. December 1812.
Advertisement