Der Erfurter Fürsten-Congreß.*)[]
[1]
Darstellung dieser merkwürdigen Zusammenkunft von zwei Kaisern, vier Königen, einer Königin, vier Prinzessinnen, vier und dreißig Fürsten, vier und zwanzig Ministern und über dreißig Generalen.
- *) Wir brauchen diesen Ausdruck in seinem ursprünglichen Sinne; denn eigentliche Versammlungen und Sessionen aller anwesenden Fürsten zu gemeinschaftlichen Berathschlagungen hatten zu Erfurt nicht statt.
Die persönlichen Zusammenkünfte regierender Fürsten zu politischen Zwecken waren häufig in der mittlern Geschichte, selten in der neuern Zeit; die jetzige Generation, das Zeitalter Napoleons sieht die glänzendste Versammlung gekrönter Häupter, von deren Entscheidung die Welt ihr Schicksal erwartet. Als sich die Deutschen Fürsten noch persönlich zu den Reichs- Kreis- und Bundestagen einfanden, da verewigte manche Deutsche Stadt den Römischen Kaiser mit den Kurfürsten und Herzögen des Reichs. Auch waren die Congresse auswärtiger Fürsten und Monarchen vorzüglich zur Zeit der Kreuzzüge keine ungewöhnliche Erscheinung. Nachher, besonders seitdem die Diplomatik ein System von conventionellen Formen angenommen und beständige Gesandtschaften eingeführt hatte, wurden solche Zusammenkünfte zur Seltenheit. Die letzten merkwürdigen Congresse gekrönter Häupter waren zu Pillnitz, zu Berlin, bei Austerlitz und zu Tilsit; wenn gleich diese letztern Vereinigungen des Französischen Kaisers mit den Kaisern von Oesterreich und Rußland im eigentlichen Sinne nicht den Charakter der jetzigen Versammlung zu Erfurt tragen, indem sie nur den Drangsalen des Krieges ein Ziel setzten, ohne das Loos über die künftige Bestimmung Europa's zu werfen. Der folgenreiche Congreß auf dem zwei Stunden von Dresden belegenen Lustschlosse Pillnitz wurde im Jahre 1791 vom 25sten bis zum 27sten August gehalten. Die Theilnehmer an demselben waren der Kaiser Leopold II., der König von Preußen Friedrich Wilhelm II., der damalige Churfürst, jetzige König von Sachsen, der Kaiser Franz (damals Erzherzog und Thronerbe), der jetzige König von Preußen, als damaliger Kronprinz, die Prinzen und Prinzessinnen des Kursächsischen Hauses, der Prinz von Nassau, der Graf von Artois und andre hohe Personen. Sie blieben nicht so lange zusammen als die zu Erfurt versammelten Kaiser, Könige und Fürsten, sondern trennten sich nach drei Tagen. Die Zusammenkunft des Kaisers Alexander mit dem Könige von Preußen in Berlin im Spätjahr 1805 ist noch der Erinnerung gegenwärtig. Der Aufenthalt des Russischen Kaisers am Preußischen Hofe währte zehn Tage vom 25sten October bis zum 3ten November, da er nach Brünn zum Kaiser Franz reisete.
Seine jetzige Reise nach Erfurt trat Kaiser Alexander am 14ten Sept. von Petersburg an; er hatte einen weitern Weg zurückzulegen als sein gekrönter Freund Napoleon, Protector des Rheinbundes, welcher erst am 22sten Sept. Morgens von St. Cloud nach den Staaten des Rheinbundes, nach Erfurt aufbrach, wohin sich alle Fürsten dieses Bundes begaben. Nie sah man eine zahlreichere Fürsten Wanderung. Der Großfürst Constantin war seinem Kaiserlichen Bruder vorausgeeilt, welcher am 18ten September in Königsberg eintraf, und am 20sten die Königl. Preußische Familie verließ, um sich über Cüstrin, Frankfurt an der Oder und Weimar nach Erfurt zu begeben. Hier kam der Kaiser Napoleon am 27sten September schon um 10 Uhr Morgens an. Er war über Chalons, Metz, Mainz, Frankfurt am Main, Hanau, Philippsthal und Gotha zu der unvergeßlichen von ihm berufenen Versammlung gereiset. Am Abend vorher, am 26sten Sept. war der König von Sachsen in Erfurt eingetroffen, und am 27sten Nachmittags, wenige Stunden nach der Ankunft des Französischen Kaisers zog der Kaiser Alexander in Erfurt ein, begleitet von Napoleon, der ihm bis zwei Stunden von Erfurt entgegengeritten war. Hier sahen die beiden größten Monarchen der Welt sich wieder. Welch eine Wiedervereinigung! Beide trugen einander die freundschaftlichsten Gefühle entgegen und große gemeinschaftliche Plane, die Welt zu beglücken.
- "Wer zählt die Fürsten, nennt die Namen
- "Die gastlich hier zusammen kamen?"
Erfurt vereinigte in den letzten Tagen des Septembers und den ersten des Octobers in seinen alten Ringmauern zwei Kaiser, vier Könige, eine Königin, vier Prinzessinnen, vier und dreißig Fürsten, vier und zwanzig Staatsminister und Gesandte, und über dreißig Generale. So waren die beiden Sterne der ersten Größe von vielen Gestirnen mittlerer und minderer Größe umgeben.
.
Napoleon, Kaiser der Franzosen, König von Italien, Beschützer des Rheinbundes. Alexander I. Kaiser aller Reußen. Friedrich August, König von Sachsen. Maximilian Joseph, König von Baiern. Friedrich Wilhelm Carl, König von Würtemberg. Hieronimus Napoleon, König von Westphalen. Friederike Katharine Sophie, Königin von Westphalen. Großfürst Constantin. Prinz Wilhelm von Preußen. Carl Ludewig August, Kronprinz von Baiern. Herzog Wilhelm von Baiern. Carl Ludwig Friedrich, Erbgroßherzog von Baden. Stephanie Louise Adrienne Napoleon, Erbgroßherzogin von Baden. Herzog von Sachsen Weimar. Erbprinz von Sachsen Weimar. Herzog von Sachsen-Gotha. Prinz Leopold von Sachsen-Coburg. Herzogin von Sachsen-Hildburghausen. Herzogin von Würtemberg. Erbgroßherzog von Hessen-Darmstadt. Erbprinz von Meklenburg-Schwerin. Prinz Paul von Meklenburg-Schwerin. Erbprinz von Meklenburg-Strelitz. Herzog von Oldenburg. Pfalzgraf Wilhelm von Pfalz-Birkenfeld. Fürst von Anhalt-Dessau. Fürst von Waldeck. Fürst Primas. Fürst von der Leyen. Fürst Alexander von Neufchatel. Fürst von Benevent. Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt. Fürst und Fürstin von Thurn und Taxis. Landgraf von Hessen-Homburg. Prinz Victor von Hessen-Rheinfels-Rothenburg. Prinz von Hessen-Philippsthal. Prinz von Hohenlohe. Fürst von Reuß-Plauen-Greitz. Fürst von Reuß-Lobenstein. Fürst Reuß der 61ste. Fürst von Reuß-Ebersdorf. Fürst von Reuß-Schleitz. Fürst und Erbprinz von Hohenzollern-Hechingen, außer den Russischen Fürsten.
.
Graf von Champagny, Minister der auswärtigen Verhältnisse in Frankreich. Graf Maret, Minister Staats-Secretär. Graf Romanzoff, Staats-Minister des Departements der auswärtigen Angelegenheiten in Rußland. Graf Speransky, Kaiserlich-Russischer Staats-Minister. Graf von der Goltz, Königlich-Preußischer Staats-Minister. Generalfeldzeugmeister Baron von St. Vincent, Kaiserlich-Oesterreichischer Abgesandter. Freiherr von Montgelas, Königlich-Baierscher Staats-Minister. Graf von Bose, Königlich-Sächsischer Staats Minister. Graf von Fürstenstein, Königlich-Westphälischer Minister-Staats-Secretär. Graf Manfredini, Großherzoglich-Würzburgscher Staats-Minister. Graf von Taube, Königlich-Würtembergscher Staats-Minister. Graf von Beust, Fürstlich-Primatischer Staats-Minister. Baron von Dalberg, Badenscher Gesandter zu Paris. Kanzler von Eglofstein. Baron v. Thümmel, Minister in Gotha. Freih. von Hammerstein, Herzogl.-Oldenburgscher Staatsminister. Geheimerath, Baron von Plessen. General und Ober-Stallmeister Caulincourt, Herzog von Vicenza, Kaiserlich-Französischer Bothschafter in St. Petersburg. General Graf Tolstoy, Kaiserlich-Russischer Bothschafter in Paris. Herr von Bourgoing, Französischer Minister in Dresden. Graf Schönburg, Sächsischer Gesandter in Cassel. Chevalier de Bourdeaux, Königlich-Holländischer Abgeordneter. Von Bethmann, Russischer General-Consul zu Frankfurt. Wichelhausen, Amerikanischer Consul zu Bremen. Staatsrath Jollivet. General-Intendant Daru. Staatsrath Gervais. Duca di Mondragone. Graf Tolstoy, Großmarschall des Kaiserlich-Russischen Hofes. Fürst Gallizin. Fürst Gagarin. Fürst Trubezkoi. Fürst Wolkonskoi. Fürst Sapieha. Graf Marcolini, Königlich-Sächsischer Oberhofmarschall. Graf Bochholz, Königlich-Westphälischer Ober-Ceremonienmeister. Graf von Wintzingerode, Königlich-Westphälischer Großmarschall des Pallastes. Graf Lerchenfeld. Freiherr von Gemmingen. Graf Schlitz. Graf von Salm-Dyck. Geheimerath von Leikam, von Wohlzogen. Geheimerath Göthe und Wieland u. s. w.
.
Marschall Lannes, Herzog von Montebello, welcher dem Russischen Kaiser vom Kaiser Napoleon entgegengesandt war und ihn nach Erfurt begleitete. Marschall Mortier, Herzog von Treviso. Marschall Soult, Herzog von Dalmatien. General Savary, Herzog von Rovigo. General und Obermarschall Duroc, Herzog von Friaul. General Oudinot, einstweiliger Gouverneur von Erfurt. Die Generals Nansouty, Lauriston, Suchet, Claparede, Bernetti, Villiers, le Camus, Boyer, Pennet, Laurent, Boursier, Albert, Chitroff, Chanikof. Die General-Adjutanten Graf Osorowsky, Graf Reuß, Baron Gutschmidt, von Funke, von Petrikowsky, Graf von Wartenberg, von Moltke, Alussief, Arackschejeff, von Schuwalow, von Trubetzkoy. Generallieutenant von Pfürth. General von Uslar, von Dillon, d'Albiniac.
Ein öffentliches Blatt vergleicht Erfurt in dem Glanze des daselbst gehaltenen Fürsten-Congresses mit dem Olymp der alten Mythe. Homer überliefert uns die auf diesem gehaltenen Berathschlagungen. Diejenigen, die auf dem Thüringschen Olymp Statt gefunden haben, wird uns wol kein epischer Dichter und kein Geschichtschreiber vorlegen. Der leztere erwartet die Resultate dieser Zusammenkunft, und hält sich inzwischen an die äußern Merkwürdigkeiten und die sichtbaren Data.
Unter diesen müssen besonders die vielen Merkmale der innigen Freundschaft und Harmonie der beiden Kaiser, aufgezeichnet werden. In Erfurt wurden die Bande derselben noch enger und fester geschlungen. Mit Ausnahme der Stunden, welche die beiderseitigen Staats-Geschäfte, die Audienzen der vielen Fremden, der verschiedenen an den Französischen Kaiser abgesandten Deputationen, die Vorstellung der in Erfurt versammelten Fürsten ausfüllten, waren die beiden großen Monarchen unzertrennlich. Man sah sie bei der Tafel, bei Spazierfahrten, in den musterhaften Darstellungen der von Paris gekommenen Französischen Theatergesellschaft, (welche Tragödien von Corneille, Racine und Voltaire aufführte) bei der von Napoleon gehaltenen Musterung der prächtigen in und um Erfurt einquartirten Französischen Truppen beständig zusammen. Der Russische Staats-Minister, Graf von Romanzoff und der Graf von Tolstoy erhielten von Napoleon das große Band der Ehrenlegion und der Marschall Lannes und der Minister-Staats-Secretär Maret dagegen von dem Russischen Monarchen den St. Andreas-Orden.
So verlebten Napoleon und Alexander die ersten neun Tage ihrer Wiedervereinigung bis zum 6ten October, da sie sich zu einer prächtigen Hirschjagd begaben, welche der Herzog von Sachsen-Weimar auf dem Eckersberge, 4 Stunden von Erfurt, und eine Stunde von Weimar, veranstaltet hatte. Mittag und Abend brachten sie in Weimar zu, wohin ihnen viele Fürsten gefolgt waren. Am folgenden Tage, besichtigten die beiden Kaiser das vor zwei Jahren durch den unvergeßlichen 14ten October so berühmt gewordene Schlachtfeld bei Jena, und erstiegen den Landgrafenberg, auf welchem Napoleon die Nacht vor dem entscheidenden Tage zugebracht hatte. Welch eine Rückerinnerung! Aus dem 1806 mit Blut gedüngten Boden war nun der Baum des Friedens hervorgewachsen, den Napoleon jezt gemeinschaftlich mit Alexander zu befestigen sucht. Von der gegenwärtig ruhigen Wahlstatt kehrten die beiden Monarchen nach einer bei Apolda gehaltenen großen Hasenjagd, noch am nämlichen 7ten October nach Erfurt zurück, wo sie wieder unter dem lauten Jubel der Einwohner und des vor den Thoren paradirenden Französischen Militärs einzogen. Dort strömten die Könige, Fürsten und Staatsmänner zusammen und bildeten einen schimmernden Kreis um den Französischen und den Russischen Kaiser, welche die mehresten Stunden des Tages und des Abends in Vertraulichkeit mit einander zubrachten.
Die wichtigen Gegenstände außer das Schicksal Europa's bestimmenden Verhandlungen und Einleitungen blieben natürlich mit dem Schleier des Geheimnisses bedeckt. Doch erfuhr man schon, ehe die beiden Souveräne sich trennten, etwas von den wohlthätigen Würkungen und den beglückenden Tendenzen derselben. Ueber die gegenseitige Neigung, den Frieden zu erhalten, waltete kein Zweifel ob. Die in Paris zwischen Frankreich und Preußen geschlossene Convention wurde in Erfurt ratificirt, und die Lage des edeln in Königsberg residirenden Königs-Paars durch vortheilhafte Modificationen erleitert und erheitert. Der Herzog von Oldenburg trat dem Rheinbunde bei und die desfalsige Acte ward am 14ten October zu Erfurt unterzeichnet. Oldenburg stellt demnach ein Contingent von 800 Mann. Auch gieng nach einigen Nachrichten ein Russischer Courier durch Frankfurt nach England, welchem der Kaiser Alexander die Grundlinien eines Friedens vorlegte, bei dessen Unterhandlung er sich erbot die Mittlers Rolle zu übernehmen. Möge sich diese Angabe durch Erfolg bekräftigen!
Die über so vieles Blutvergießen trauernde Menschheit muß hoffen, daß dieser goldne Schein einer neuen Morgenröthe, bei aller vermehrten Dunkelheit der Aussichten, nicht wieder verschwinden, und daß der ermüdeten Welt endlich einmal die Ruhe werde wiedergeschenkt werden. Dann wird auch sie eine neue Aera von dem Erfurter Fürsten-Verein datiren, der in jedem Fall in der Geschichte eine denkwürdige Epoche bildet; wenn auch die dasigen Verhandlungen nicht gleich entscheidend, sondern mehr vorbeugend und für die Folge einleitend gewesen sind. Der Congreß währte siebzehn Tage, vom 27sten September bis zum 14ten October, an welchem denkwürdigen Tage die beiden gekrönten Freunde sich unter schönen kosmopolitischen Hoffnungen trennten, der Kaiser Napoleon, der seinen erhabenen Freund aus dem Norden, wieder bis auf den Weg nach Weimar begleitete, über Frankfurt und Straßburg nach Frankreich, und der Kaiser Alexander über Weimar und Königsberg in sein weites Reich zurückkehrte. Napoleon wird nun, nach Befestigung des Friedens auf dem übrigen Continent, den Krieg in Spanien mit der ganzen Superiorität seiner Macht unternehmen. Erfurt ward nach Abreise der gekrönten Häupter zu einer Einöde, in Vergleich mit seiner bisherigen Lebhaftigkeit und seinem ephemeren Glanze. So tritt auf der Bühne eines geendigten Schauspiels plötzlich Leere und Nacht an die Stelle der blendenden Pracht und des lebendigen Würkens.
Zusammenkunft der beiden Kaiser in Deutschland.[]
- [Oktober]
Wenn von Kaisern die Rede ist, so versteht es sich von selbst, daß Napoleon und Alexander gemeint sei, denn nur diese Kaiser sind es, die uns gegenwärtig besonders interessiren. Es ist eins der merkwürdigsten Ereignisse, daß diese Monarchen, aus entgegengesetzten Punkten Europens, in der Mitte von Deutschland zusammentreffen, um sich über politische Angelegenheiten zu unterhalten, und wie man als bestimmt annehmen kann, um hier manches fest zu setzen, was uns gegenwärtig verborgen bleibt, und allererst die Folgezeit aufklären wird.
Was auch die Hauptabsicht dieser Zusammenkunft sein möge, so ist so viel gewiß, der Antrag rührte vom großen Napoleon her, und die Gegenstände, welche in dieser Kaiserkonferenz verhandelt werden sollen, können wir füglich in zwei Hauptabschnitte theilen. Zuerst werden wahrscheinlich beide Monarchen einander Rechenschaft von dem ablegen, was sie bisher, zufolge des Tilsitter Friedens unternommen haben, um den großen Plan auszuführen und England zum Frieden zu nöthigen, dann aber auch werden sie sich ohne Zweifel über Gegenstände der Zukunft unterhalten, und genau in Erwägung ziehen, was künftig zu thun sei, um den großen Plan, in Rücksicht Englands, zur Reife zu bringen.
Es kann nicht fehlen, daß bei dieser Gelegenheit auch andere eben so wichtige Gegenstände für ganz Europa zugleich mit erwähnt werden; was nämlich die übrigen Mächte, besonders Schweden und Dännemark betrifft, und welche Rolle man willens sei, andere Mächten, als z. B. Holland und Westphalen, so wie Oesterreich und Italien, zuzutheilen, im Fall sich England fortdauernd weigern sollte, den Friedens-Vorschlägen Gehör zu geben.
Es versteht sich von selbst, daß Spaniens Angelegenheiten einen wichtigen Theil dieser Konferenzen ausmachen, so wie man auch bestimmen wird, welchen Antheil Rußland an dem Kriege gegen England zu nehmen habe, und überhaupt, wie die Angelegenheiten des festen Landes in Ordnung zu bringen sind, wobei der Rheinische Bund einen Hauptgegenstand der Unterhandlungen mit ausmachen wird. Das alles würde eine gewöhnliche Reichsversammlung Monate lang beschäfftigen, ohne daß es vielleicht zu einem festen Entschluß gekommen, aber bei dieser Zusammenkunft ist solche diplomatische Zögerung keinesweges zu besorgen, im Gegentheil kann man erwarten, daß die wichtigsten Angelegenheiten von ganz Europa vielleicht in 14 Tagen entschieden werden. Beide Monarchen haben höchstwahrscheinlich sich längst auf diese Zusammenkunft vorbereitet, und da sie ihre wichtigsten Staatsmänner, einen |Prinzen von Benevent und Grafen Romanzow, zur Seite haben, so kann es nicht fehlen, daß hier bei mündlicher Unterhaltung oft Gegenstände mit einem Federzug entschieden werden, die andere kaum in Monaten bearbeiten würden.
Ausser diesen Hauptmaterien, die hier kürzlich berührt worden, dürften auch manche Austauschungen und Gränzberichtigungen mit vorfallen, um künftigen Mißhelligkeiten vorzubeugen, und so kann es nicht fehlen, daß die Angelegenheiten der Pforte mit in Erwägung gezogen werden, wozu wir schon in Französischen Blättern Winke erhalten haben, denn daß auch dem Türkischen Reiche eine große Umwandelung bevorstehe, ist wohl außer Zweifel. Ueberhaupt dürfte diese Kaiserliche Zusammenkunft in diesem und folgendem Jahre manche Erscheinung herbeiführen, die unsern Politikern unerwartet ist, weil diese noch immer nicht sich von verjährten Vorurtheilen losreißen können, und die Umwandlung in Kabinetsgeschäften, die Napoleons Genie hervorbrachte, manchem alten Diplomatiker unerklärbar ist.
Einige Bemerkungen über den Erfurter Kongreß.[]
- [Oktober]
Im December des Jahres 1798, wo der nunmehrige Kaiser Napoleon bekanntlich in Aegypten war, sagte er nach dem Aufstande in der Hauptstadt Cairo in einer Proklamation an die Einwohner derselben unter andern auch folgendes: "Kann wohl ein Mensch so blind seyn, um nicht einzusehen, daß das Schicksal selbst meine Unternehmungen leitet? Es wird eine Zeit kommen, wo die Welt zur Ueberzeugung gelangen muß, daß eine höhere Hand mich leitet, und daß alle Bemühungen der Menschen nichts gegen mich vermögen. Glücklich sind diejenigen, welche eilen, sich an mich anzuschließen." Das waren merkwürdige Worte. Damals hielt man sie für einen schwärmerischen Ausdruck, jetzt aber, nach zehn Jahren, scheint diese Prophezeihung nicht ohne Bedeutung zu sein. Die Zeit ist bereits gekommen, wo man einsehen muß, daß das Schicksal selbst Napoleons Unternehmungen leitet. Schon die Zusammenkunft der beiden Kayser in Tilsit war merkwürdig und hatte die wichtigsten Folgen, aber man darf hoffen, daß die gegenwärtige Versammlung von Kaiser, Königen und Fürsten in Erfurt, noch größere Erinnerungen für uns Deutsche zurücklassen werde, denn die Fortdauer des Kontinentalfriedens ist gesichert, und eher als man denkt wird man vielleicht die Wohlthat des Seefriedens genießen. Man weiß soviel, daß durch die beiden Kaiser neue Eröffnungen an England gemacht worden, und wenn man annimmt, daß der allgemeine Friede der Wunsch der beiden Souveraine ist, und die Resultate dieses Wunsches durch die zwei größten Monarchen der Erde ausgesprochen, und das Interesse Großbritanniens mit jenen des Continents verbunden, warum sollte nicht der baldige Frieden angenommen werden? Würden die Vorschläge verworfen, so kann man eben so gewiß annehmen, daß auch Napoleon diese Möglichkeit beherzigt und schon Mittel in Vorschlag gebracht habe, um den großen Zweck des Friedens, trotz der Weigerung, näher zu kommen. So ist also der Erfurter Kongreß die wichtigste Begebenheit seit einem Jahrhundert, und die Folgen dürften für ganz Europa merkwürdig werden. Auch in Erfurt hätte Napoleon so wie in Cairo sagen können: glücklich sind diejenigen, welche eilen, sich an mich anzuschließen.
Auszug eines Schreibens aus Erfurt vom 16. October.[]
- [Oktober]
Nachdem vorgestern beide Kaiser von hier abgereist, und unsere Stadt von Fremden immer leerer wird, beschäftigt man sich zu errathen, was eigentlich die beiden großen Monarchen Europas in ihren Zusammenkünften abgehandelt haben. Es versteht sich von selbst, daß alles sehr geheim gehalten worden, dennoch konnte es nicht fehlen, daß nicht etwas davon bekannt wurde, wenigstens weiß man einen Theil der Gegenstände, die hier zur Sprache gekommen, nur was die Beschlüsse betrifft, die genommen worden, darüber ist man zweifelhaft. So. z. B. weiß man, daß folgende Punkte verhandelt worden: 1) Die Wiederherstellung des Friedens. Es sind zwei Kouriers, ein Russischer und ein Französischer, von hier abgefertigt worden, um die Stimmung beider Kaiser nach London zu bringen. 2) Auf den Fall, daß England die Friedensvorschläge verwerfen sollte, ist zwischen Napoleon und Alexander der Plan festgesetzt worden, zur Eröffnung des Feldzugs gegen die Brittische Macht in Indien, und zwar durch das südliche Rußland und Persien. 3) In Ansehung der Pforte, soll man deren Schicksal zu Gunsten Rußlands bestimmt haben. 4) Es soll ein Plan festgesetzt worden sein, um sich der Ruhe von Deutschland zu versichern, und die Fürsten des Rheinischen Bundes die Bewilligung erhalten haben, ihre Truppen nicht marschiren, sondern wieder in ihre Garnisonen einrücken zu lassen. 5) In Ansehung Preußens ist, was dessen Schicksal betrifft, vieles bestimmt, ein Theil der Kontribution erlassen, und überhaupt dessen Lage verbessert worden. 6) Die Deutschen Angelegenheiten sind ebenfalls in Betracht gezogen worden. On es wahr sei, daß der Herzog von Weimar mit einer Erweiterung seines Gebiets und der Königskrone bedacht werden solle, imgleichen, daß der König von Bayern im Bayreuthschen noch vergrößert werde, ist unbestimmt, aber gewiß, daß, um alles in Deutschland zu reguliren, ein Bundestag gehalten werden soll, wozu der Fürst Primas einen Plan entworfen hat. Das waren die vornehmsten Gegenstände, wie hier von sachkundigen Männern behauptet wird, die man bei den Kaiserlichen Zusammenkünften in Erwägung zog, und nur was darüber beschlossen worden, bleibt zur Zeit Geheimniß, und wird erst nach und nach sich entwickeln.
Zeitungsnachrichten.[]
- [1808]
Politische Notizen. [5] [September]
Außer der Zusammenkunft des Französischen und Russischen Kaisers zu Erfurt, erwartet man auch deselbst mehrere Souverains des Deutschen Rheinbundes, doch ist solches noch unbestimmt.
Wie man glaubt, so werden sowohl der Französische als Russische Kaiser in Dresden einige Tage sich aufhalten, und alsdann wird der König von Sachsen nach Warschau abreisen.
Politische Notizen. [6] [Oktober]
Am 27. September war die Ankunft des Kaisers Napoleon zu Erfurt, und an eben diesem Tage hat sich auch Kaiser Alexander von Weimar nach Erfurt begeben. Die Zusammenkunft beider Monarchen war auf offener Landstraße zwischen beiden Städten, und was dabei sowohl als in den ersten Tagen vorgefallen, findet man in öffentlichen Blättern ausführlich erwähnt.
Bis zum 1. October waren in Erfurt angekommen: 2 Kaiser, 2 Könige, 6 Deutsche und Französische Herzoge, 4 Prinzen, 9 Deutsche und 4 Russische Fürsten, mehrere Grafen und Standespersonen; überhaupt heißt es, daß sämmtliche Fürsten des Rheinbundes bis zum 3. October ankommen werden.
Bei Weimar werden große Jagden gehalten, und besonders wird den 7. October in den Schlachtfeldern von Jena, eine große Hasen-Treibjagd statt finden in eben der Gegend, die durch die Schlacht vom 14. October 1806 so merkwürdig geworden.
Rheinischer Bund. [7]
Erfurt, den 13. Okt. JJ. MM. die Könige von Bayern und von Würtemberg statteten heute dem Kaiser Napoleon und Alexander Ihre Abschieds Visiten ab, und reisten gleich darauf in Ihre Staaten zurück. JJ. beyden kaiserl. MM. machten Vormittags einen Spazierritt um die Stadt, worauf Kaiser Alexander die Herzogin von Würtemberg, und Kaiser Napoleon die Frau Erbgroßherzogin Stephanie kaiserl. Hoheit besuchten.
Erfurt, vom 14. Okt. Heute früh um 8 Uhr rief die Trommel die ganze Garnison in grosser Uniform auf dem Domplatz unter das Gewehr, von wo aus sie mit klingendem Spiele und fliegenden Fahnen zum Krämpferthore hinaus auf die Strasse nach Weimar zu hinzogen, und sich dort aufstellten; zwey Batterien reitender Artillerie setzten sich auf verschiedenen Anhöhen. Die kaiserl. Grenadiergarde stand zunächst am Thore. Eine ungeheuere Menge Fremde und Einheimische wogten zum Thore hinaus, um dort die beyden Monarchen noch einmal zu sehen. Um 11 Uhr ritt Se. kaiserl. Maj. Alexander, begleitet von dem Großfürsten Konstantin kaiserl. Hoh. und einem Detaschement Kürassier, nach dem kaiserl. Französischen Palais, wo Höchstsie mit Kaiser Napoleon frühstückten. Gegen 12 Uhr ritten Höchstdieselben von da weg über den Anger, und zum Krämpferthore hinaus. Voraus sprengte das Korps unserer Bürgergarde mit ihrer Standarte, dann kamen die beyden kk. MM. und der Großfürst Konstantin k. H. mit einem grossen sehr glänzenden Gefolge, einige Eskadrons Kürassiers schlossen den Zug, den das Geläute aller Glocken begleitete. Vor dem Thore empfiengen die höchsten Personen das Vivent les Empereurs der paradirenden Truppen, und der versammelten Zuschauer, in das sich die Salven der beyden Batterien auf der Anhöhe und der Ebene mischten, die von den Kanonen auf der Festung wiederholt wurden. Der kaiserl. Zug verschwand uns auf der Anhöhe nach Weimar zu. Se. Maj. der Kaiser Napoleon begleitete den Kaiser Alexander bis zu der Stelle des Empfangs auf dem Wege nach Weimar, wo Ihre Majestäten Abschied voneinander nahmen. Die Truppen zogen indessen wieder nach der Stadt zurück; kaum waren die Garde und ein Theil des 17. leichten Inf. Reg. bey dem kaiserl. Palais angelangt, so donnerten die Kanonen von neuem. Der Kaiser Napoleon ritt nach seinem Palais zurück, wo er noch ungefähr eine halbe Stunde verweilte, während sich die Truppen auf die Landstrasse nach Gotha begaben. Um 2 Uhr stieg der Kaiser in seinen Reisewagen, und verließ unsere Stadt.
Ein anderes Schreiben aus Erfurt vom 14. Oktober meldet: Heute um 1 Uhr begleitete Se. Maj. der Kaiser Napoleon den Kaiser Alexander mit allen beobachteten Zeremonien, welche bey der ersten Zusammenkunft Ihrer Majestäten beobachtet wurden, bis auf den halben Weg von Weimar, hier umarmten sich die beyden Kaiser, und schieden. Der Kaiser Alexander verfolgte die Strasse nach Weimar, wo sich dieser Monarch einen oder zwey Tage aufhalten wird. Der Kaiser Napoleon ist nach Erfurt zurückgekommen Se. Maj. empfieng den König von Sachsen. Hierauf gab der Kaiser dem Bothschafter Grafen v. Tolstoy, welcher nach Rußland zurückkehrt, Abschiedsaudienz. Se. kaiserl. Majestät sind kurz darauf abgereist. Ihre kaiserl. Hoheit die Erbgroßherzogin von Baden ist heute nach Weimar gegangen, wo ein sehr glänzender Ball gegeben werden soll.
Quellen.[]
- ↑ Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1808.
- ↑ Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
- ↑ Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
- ↑ Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
- ↑ Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
- ↑ Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro 87. Sonnabend, den 29. Oktober 1808.
Literatur.[]
- Erfurt in seinem höchsten Glanze während der Monate September und Oktober 1808. Enthaltend eine genaue Beschreibung der Feierlichkeiten des Empfangs der Monarchen, Fürsten und bedeutenden Fremden, welche sich zu dem Kongreß daselbst eingefunden. Erfurt bei Friedrich August Knick. 1808.