Wer Gewalt hat, der darf nur ein mächtiges Geschrei erheben, wenn er sich Ungerechtigkeiten erlaubt, und endlich glaubt die Welt, daß er das größte Recht zu dem habe, was er gethan hat. In einem Zeitpunkte, wo die Welt in Convulsionen liegt, scheuet man das Unrecht noch weniger, als in ruhigen, friedlichen Tagen, und man entschuldigt jeden Gewaltstreich, jede schreiende Ungerechtigkeit mit der Nothwendigkeit, oder mit der Staatsklugheit. Man thut, als sey man verantwortlich, wenn man etwas nicht ausführe, so widerrechtlich dasselbe auch seyn mag; man vergrößert die Folgen, welche die Unterlassung einer Handlung gehabt, im Falle der Gegner die Vortheile davon benuzt hätte. Auf diese Art läßt sich alles, wo nicht entschuldigen, doch bemänteln; man giebt dem Unrechte den Schein der größten Klugheit und tröstet sich mit dem Bewußtseyn, daß man dem Uebel vorgebeugt habe, welches die Ausführung eines Unternehmens nach sich gezogen hätte. So macht es die englische Regierung mit ihrer Expedition nach Copenhagen, die es mit den Folgen entschuldigt, welche die Wegnahme der dänischen Flotte durch die Franzosen nach sich hätte ziehen können. Wenn man aber jede That durch ihre möglichen Folgen rechtfertigen zu können wähnt, so kann unter Menschen und Staaten gar nicht mehr die Rede von Recht und Unrecht seyn. Allein dies Verfahren stürzt Europa nicht bloß in die barbarischsten Zeiten zurück, sondern führt auch einen Zustand unter seinen Bewohnern ein, welcher unter den Wilden in Nordamerika herrscht. Man vertilgt sich, und endlich kommt der jüngste Tag weder mit Wasser noch mit Feuer angezogen, sondern das Schwert frißt alles weg, was Menschenantlitz trägt.
Staaten sind juridische Personen; sie sind frei, selbstständig und unverletzlich. Wer sich an ihnen vergreift, der begeht das schändlichste Verbrechen. Jede Neutralität ist rechtlich, weil sie ein Zustand ist, der sich mit dem Bestehen aller Staaten nach dem Princip der Freiheit und Gerechtigkeit verträgt. Kein Staat hat ein Recht, dem Andern anzusinnen, noch weniger ihn zu nöthigen, an einem Kriege gegen einen Dritten Theil zu nehmen. Sein Unternehmen ist eben so ungerecht als nachtheilig, sobald es consequent durchgeführt wird. Dänemarks Neutralität war eine rechtliche Handlung; es durfte von niemand in diesem Zustande gestört werden; jede Verletzung gegen dasselbe war ein Verbrechen. Dänemark fand es seinem Vortheile angemessen, neutral zu bleiben, und seine Handlungsweise war dem Rechte gemäß. Dänemark handelte daher nicht ungerecht, allein war sein Verfahren auch klug in einem Zeitpunkte, wo Staaten vernichtet werden, wie Strohhalme zerknickt werden, wo man die Gewaltigsten in den Staub tritt und die Niedrigen erhebt, wo man sich alles erlaubt, weil man die Gewalt hat? Dänemark stand in der Mitte zwischen Frankreich und England, und seine Neutralität kam alle Augenblicke in Gefahr verletzt zu werden. Beide Gegner sind entschlossen keine Neutralität mehr zu verstatten; beide greifen zu jedem Mittel, welches zur Schwächung des Gegners für dienlich angesehen wird. Man sieht daher leicht, daß Dänemarks Lage höchst mißlich war. Es war nicht stark genug, seine Neutralität gegen einen Angriff zu vertheidigen, und befand sich doch vermöge seiner Lage in einem Zustande, wo ihm auch derjenige, mit dem es sich verband, nicht alle Unterstüzzung gewähren konnte, welche es bedurfte. Schlug es sich auf die Seite der Franzosen, so kamen die Engländer mit ihren Flotten vor Copenhagen, bombardirten die Stadt und nahmen vielleicht Seeland weg. Trat es mit den Engländern in ein Bündniß, so rückten die Franzosen ins Land ein, und es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß es seine teutschen Provinzen verloren haben würde. Es schwebte zwischen zwei Abgründen, und es kam bei der Aufgebung seiner Neutralität nun dahin, sich zu fragen, welcher Sturz ihm die wenigsten Nachtheile verursache? Das Beste, was Dänemark in friedlichern Zeiten thun konnte, was freilich die Fortsetzung seiner Neutralität, die ihm bisher so viele Vortheile gewährt hatte. Wären unsere Zeiten gewöhnliche Zeiten, so würde ihm sein Unternehmen auch gelungen seyn, allein in Tagen, wo jeder Gegner delenda est Carthago im Munde führt, war der Zustand, in welchem sich Dänemark befand, schwerlich auf die Dauer zu behaupten. Handelte daher auch Dänemark unter den jetzigen Umständen nicht klug, so verfuhr es doch gerecht und dem Gerechten wünschen Menschen und Götter einen glücklichen Erfolg.
England that, wenigstens der That nach, dem ersten Eingriff in die Neutralität Dänemarks, und vernichtete einen Zustand, der England keine Nachtheile, aber wohl viele Vortheile brachte. Es zwang Dänemark, auf irgend eine Seite zu treten, und Dänemark trat auf die Seite der Gegner Englands, welches mit einer Flotte vor Copenhagen erschienen war, Seeland umringt hatte und den Kronprinzen zwingen wollte, sich für Engländer zu erklären. Ein solches Ansinnen beleidigt schon einen Privatmann, noch mehr aber muß sich ein Fürst dadurch empört fühlen. Man will den zwingen, der Gewalt hat, welche er noch nicht versucht hat. Es läßt sich daher leicht im voraus einsehen, auf welche Seite sich derjenige schlägt, dem man etwas ansinnt, was er seiner Ehre, seiner Pflicht zuwider hält. Noch mehr empört der Ton, in welchem eine solche Zumuthung geschieht, und daß die Engländer die Pillen nicht zu versüßen wissen, lehrt eine lange Reihe von Erfahrungen. Der Kronprinz von Dänemark wählte die Freundschaft Frankreichs und die Engländer, welche auf Seeland gelandet waren, bombardirten Copenhagen, schossen es in Brand, zerstörten die friedlichen Wohnungen der Bürger und führen die dänische Flotte nach England. Dies ist eine That, welche eben so ungerecht als heillos ist. Sie drohet England mit Uebeln, die vielleicht für dasselbe nachtheiliger sind, als alles, was man bisher gegen dasselbe gethan hat.
Warum ergriff England eine Maaßregel, welche seiner Ehre. seiner Existenz so nachtheilig ist? Es wollte erfahren haben, daß geheime Artikel existiren, vermöge deren die dänische Flotte den Franzosen ausgeliefert werden sollte, welche sich derselben bei einer Landung in England bedienen wollten. Der Lord Hutchinson hat wirklich geheime Artikel nach England geschickt, welche obigen Inhalts gewesen sind. Hat man ihm einen Streich gespielt? Hat man dabei Absichten gehabt, welche nur zu sehr erreicht worden sind? Oder giebt es wirklich solche geheime Artikel, vermöge deren die dänische Flotte den Franzosen ausgeliefert werden sollte? Wir wollen annehmen, daß es dergleichen gebe; hatte Dänemark in die Ueberlieferung der Flotte gewilligt? Wenn es nicht darein gewilligt hatte, so mußte man sie ihm mit Gewalt nehmen und wie wollten die Franzosen nach Seeland kommen, um sich derselben zu bemächtigen? Und wenn Dänemark den Franzosen auch seine Flotte auslieferte, so konnte ja England immer noch das Auslaufen derselben verhindern, und lief sie aus, so war der Ausgang des Kampfes nicht zweifelhaft. Jezt that es mit Ehren, was es vorher mit Schmach unternommen hatte. Dieser Sieg ließ seinen Nationalruhm unbefleckt, der jezt befleckt ist, so lange es nicht die geheimen Artikel, welche zu Tilsit abgeschlossen worden sind, vorzeigt und ihre Aechtheit beweist. Besizt es auch dergleichen Artikel und hat der Lord Hutchinson sie auch erhalten, so folgt doch nicht daraus, daß sie ächt sind. Sie können untergeschoben seyn, und giebt es nicht Gründe genug, welche eine solche Vermuthung rechtfertigen, wenn man bedenkt, daß selbst durch die Ueberlieferung der Flotte an die Franzosen England nicht mehr gefährdet war, als es vorhero der Fall war?
England handelte bei seinem Ueberfalle eben so unklug als ungerecht. Wenn es auch glaubte, daß sein Gegner Dänemark zu gewinnen suchen werde, so war es doch nicht wohl glaublich, daß es ihm gelingen werde, wenn man den Charakter des jetzigen Königs betrachtet, den nichts mehr empört, als ein Ansinnen, das den Schein einer Gewaltthätigkeit hat; und da man wußte, daß die dänische Politik den Charakter des Kronprinzen trage, so konnte man auch um so sicherer errathen, was daraus folgen werde, so bald man sich Schritte gegen ihn erlaubte, welche eine Zumuthung enthielten, die eben so sehr gegen seine Grundsätze verstieß, als sie den Schein von einem Zwange hatte.
Das Verfahren Englands gegen Dänemark verdient also die höchste Mißbilligung; es war eben so voreilig und unklug als widerrechtlich. Was man durch die Wegnahme der dänischen Flotte erlangte, das konnte England nicht schaden, wenn man auch Gebrauch von der Flotte hätte machen wollen. Wartete es, bis sich die Folgen des Tilsiter Friedens mehr entwickelt hätten, so würde es gesehen haben, daß sie mehr vortheilhaft als nachtheilig für dasselbe waren. Was zu schnell und unerwartet geschieht, daß kann nicht von dem Fehler der Uebereilung freigesprochen werden. Das Interesse der Nationen wird durch ihre Lage und ihre Verbindungen bestimmt, und wem mußte wohl mehr daran gelegen seyn, als dem Norden, es gegen England nicht aufs äußerste zu treiben? Durch Nachgiebigkeit würde es das erlangt haben, was ihm keine Gewalt verschafft hat. Eine Regierung kann einen Augenblick das Interesse ihres Landes verkennen, allein so bald sie ruhig das ganze Getriebe der Staatsmaschine wieder durchschauet, kehrt sie auch zu dem zurück, was sonst war und was ihr so große Vortheile gewährte.
England hat sich also durch die Einnahme von Copenhagen und durch die Wegführung der dänischen Flotte mehr geschadet, als durch den Verlust mehrerer Seeschlachten. Es hat seine Ehre befleckt, weil es ein Unrecht begangen hat, das sich nicht wieder gut machen läßt. Niederlagen können durch Siege ersezt werden, aber Makel des Nationalruhms, welchen der Schein von Heimtücke und Hinterlist anklebt, lassen sich nicht wieder abwischen.
Ministerial und Oppositions Blätter fangen an, sich immer mehr zu nähern, welches sonst nie der Fall war, wenigstens treffen sie in dem Punkt zusammen, daß Großbrittanien sich in großer Gefahr befinde, und in solche durch die gröbsten unverzeihlichsten Vergehungen der Minister gesetzt worden. Zur Probe folgendes:
Das sonst sehr orthodoxe Ministerielle Blatt (The Sun) scheint die Kopenhagner Expedition noch gar nicht verschmerzen zu können. Man liest folgende Stelle: "Unter allen Expeditionen war wohl keine jemals verbrecherischer und ungeschickter angelegt, leichtsinniger ausgeführt, von traurigen Folgen begleitet, als die von Kopenhagen. Diejenigen, welchen diesen Plan zuerst entworfen, werden nicht nur die Schande ihrer eignen Unwissenheit und Treulosigkeit, sie werden auch den Fluch einer bedrängten, biedern, tief gebeugten Nation tragen müssen."
Ein andres bekanntes Blatt (Morning Chronicle) wirft folgende Fragen auf: "Warum haben unsre Minister, da sie einmal die schimpfliche Expedition nach Kopenhagen beschlossen hatten, warum haben sie nicht den Muth und die Klugheit gehabt, ein angefangenes Verbrechen wenigstens zu vollenden? Warum haben sie, da sie einmal im Besitz der Insel Seeland, der Dänischen Flotte, der Dänischen Arsenäle und der Dänischen Hauptstadt waren, warum haben sie nicht 100,000 Mann nach Seeland geführt, warum haben sie nicht eine hinlängliche furchtbare Flotte, im Baltischen Meere beisammen gehalten, um so, in Verbindung mit Schweden, den Sund gegen jeden Angrif einer feindlichen Macht, für den Englischen Handel offen zu halten? Aber Kurzsichtigkeit und Gewinnsucht, sind die Hauptzüge in allen Operationen unsrer Minister. Sie fanden sich durch die pomphaften Erzählungen von dem Siege bei Kopenhagen, geschmeichelt, und diejenigen, welche durch diese verbrecherische Expedition sich zu bereichern trachteten, konnten die Ankunft des Raubes in den Brittischen Häfen, kaum erwarten. Was demnächst aus dem Sunde, aus dem einzigen, noch übrig gebliebenen Alliirten, Schweden, was aus dem Brittischen Handel werden würde, daran dachten sie nicht, daran wird das donnernde Wort der Zukunft sie erinnern."
Man sieht daraus, daß die Engländer einen wenigern guten Ausgang ihrer Unternehmungen erwarten, als einige Englische Anhänger auf dem festen Lande, die noch immer sich einbilden, im Norden werde England durch neue Expeditionen große Progressen machen. Die Brittischen Zeitungsschreiber scheinen ganz andrer Meinung als einige der unsrigen zu seyn. Den Beweis liest man im Blatte: the star, wo es heißt: "Niemand ist so blind, als die, welche nicht sehen wollen. Nachdem Schmach und Verlegenheit in allen Ecken ist, nachdem Englands Handel darnieder liegt, seine Verbindungen mit dem Auslande angeschnitten, seine ältesten Alliirten mit ihm im Kriege begriffen sind, sollen wir denjenigen, die alle Kalamitäten herbeigeführt haben, noch die glänzendsten Talente, und den besten Willen, für unser Glück zu sorgen, zutrauen!" Ungeachtet dieser so häufigen Klagen gegen das Ministerium, giebt es noch viele Deutsche, welche den traurigen Zustand der Englischen Nation und ihrer Handlung in Zweifel ziehen, und das sind diejenigen, wie das Englische Blatt sagt, welche nicht sehen wollen. --
Kopenhagen am 2. Januar. Ein öffentliches Blatt enthält folgende ungefähre Angaben von dem Gesammtverlust, welchen Dänemark durch den Englischen Ueberfall erlitt. Die Anzahl der fortgeführten oder zerstörten Kriegsfahrzeuge wird auf 76 angegeben, die zusammen 2246 Kanonen führten. Für die Erbauung der 76 Kriegsfahrzeuge werden 5,222,000 Rthlr.; für die 2246 Kanonen werden 13,476,000 Rthlr.; für die Magazinvorräthe xc. eine dreymahl so grosse Summe berechnet, so daß die Gesammtsumme des Verlustes 67,380,000 Rthlr. Dän. Kour, ausmachen würde.
Quellen.[]
↑Brandraketen, ein Feuerwerk für Engländer. In zwanglosen Heften. London, 1808. Im Büreau der Ausländer.
↑Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
↑Wiener-Zeitung. Nro 7. Sonnabend, den 23. Januar 1808.
Literatur.[]
Die Belagerung von Kopenhagen im Sommer 1807. Von D. Friedrich Münter. Kopenhagen 1807. Gedruckt und verlegt von dem Director J. F. Schulz, Königlichem und Universitäts-Buchdrucker.
Versuch einer politischen Uebersicht des Kriegszug der Britten nach Seeland im Jahre 1807. von C. F. von Hellfried. Königl. Dänisch. Stifts-Amtmann. Aus dem Dänischen übersetzt von Johannes Ambrosius Markussen. Prediger der Gemeine Asnes, auf der Insel Seeland. Kopenhagen, in der Schubothischen Buchhandlung, 1809.