Uebersicht der wichtigsten Weltbegebenheiten im Jahr 1809 als Zugabe zum Weltbürger.[]
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Beym Anfang dieses Jahrs glaubte Europa sich dem Ziele eines 18jährigen Kampfes, dem vollständigen Siege der seit einem halben Jahrhunderte verbreiteten Aufklärung gegen die Finsternisse des Fanatismus und Feudalismus, zu nähern. Am westlichen Ende Europens, in Spanien, sollte dieser Kampf vollendet werden und ihm sollte der ruhige Genuß der Früchte so theurer Anstrengungen folgen. Allein so nahe war das erwünschte Ziel noch nicht, als man wähnte und hoffte. Das alte System, dieser nur zu Boden geschleuderte, aber nicht zerdrückte Antäus, erhob sich von neuem und begann den herkulischen Kampf vielleicht zum letztenmale.
Alles wurde aufgereizt, um mit übermächtigen Kräften den Sieg zu fesseln und die alte Herrschaft des Fanatismus und Feudalismus, die man vormals nicht mehr aufrecht erhalten konnte, nun wieder herzustellen. Ein allgemeiner Volkskampf sollte erzwingen und wieder erobern, was geprüfte Heere vormals nicht retten konnten. Oesterreich war das Haupt des ungeheuren Riesenkörpers, welcher gebildet werden sollte, um das neue Gebäude niederzustürzen und die Zeiten des Faustrechts herbey zu führen. Religion und Vaterland und Freyheit wurden mit prangenden Worten in Anspruch genommen, um die Hände des Volks zu bewaffnen und für ein Luftgebilde zu kämpfen, das keine Religion, kein Vaterland, keine Freyheit kennt und ehrt. Märtyrer fanatischer Grundsätze zu werden, das Vaterland durch zügellose Freyheit in Anarchie zu stürzen, dazu ist der größere Theil der Bewohner Europens zu aufgeklärt, und daher fanden die hochtrabenden Aufrufe und Proklamationen so wenig Gehör. Auf den
- rheinischen Bund
sollte der neue Kampf zuerst und wesentlich einwirken. So viele Beyspiele haben schon gezeigt, daß große Worte wenig wirken, wenn sie nicht von großen Thaten unterstützt werden. Die österreichischen Heere rückten demnach zu gleicher Zeit in Bayern ein, als die deutsche Nation zu Ergreiffung der Waffen gegen Napoleon, den Helden unserer Zeit, aufgefordert wurde. Die Aufmerksamkeit von ganz Europa wurde aufgeregt, wie noch bey keinem vorherigen Kriege. Es halt das Interesse jedes Einzelnen; alles, was jedem Menschen das heiligste und theuerste ist, war der Entscheidung des Schlachtschwertes unterworfen. Der Saame der Zwietracht war reichlich ausgestreut, und es kam nun darauf an, wie und wo er wurzeln und aufkeimen würde.
Aber nur einige Glücksritter im Norden, die wie Irrlichter erschienen und wieder verlöschten, dünsteten aus dem in Fäulniß übergegangenen Saamen hervor, und im Süden ließen sich die Tyroler, die in ihrem geraden und biederen Sinne die täuschenden Proklamationen für baare Münze annahmen, zu Ergreiffung der Waffen bethören, um für jene und mit jenen zu kämpfen, von denen sie schon so oft zu den Waffen gerufen und eben so oft verlassen und aufgeopfert wurden.
Die bayerische Armee, diesmal die Vormauer des rheinischen Bundes, zog sich vor Oesterreichs zahllosen Heeren hinter die Isar zurück. Selbst dieser Rückzug trug das seinige bey, um die großen Versprechungen des Feindes gehörig zu würdigen. Die Kassen wurden in Beschlag genommen, die ausständigen Abgaben eingetrieben, Beamte und Bürger, die sich ihrem Monarchen besonders anhänglich bewiesen hatten, mißhandelt und in Gefangenschaft abgeführt.
Kaum hatten die feindlichen Heere die Isar überschritten, so fanden sie bey Eckmühl, Landshut und Regensburg ihr Thermopilä. Bayerns Krieger, von Napoleons Genie geleitet, durchbrachen die zahlreichen sich gegen den Lech wälzenden Kolonnen und die Gefahr, die den rheinischen Bund zu verschlingen drohte, war vorüber. Die einmal eröffnete Siegesbahn wurde von den Truppen des rheinischen Bundes muthig verfolgt und diese überzeugten den erhabenen Protektor, daß ihr Vaterland seines mächtigen Schutzes würdig sey. Eine festere Konsistenz der Bundesstaaten und eine lange ungetrübte Ruhe ihrer Bewohner werden die Früchte ihrer zwar starken, aber glorreich gelohnten Anstrengungen seyn.
Oesterreich hatte den höchsten Grad seiner Kräfte aufgeboten, um den alten Stand der Dinge wieder herbey zu führen. Eine aufgebotene Volksmasse, bis zur Begeisterung bearbeitet von gedungenen Schriftstellern, stellte ihm gewaltige Mittel zur Hand, sein Revolutionssystem durchzusetzen. Französische Schriftsteller machten ihm indessen den Vorwurf, daß es, ungeachtet der so vielen schon erhaltenen Lektionen, noch nicht gelernt habe, seine Streitkräfte zusammen zu halten und dadurch den Sieg zu sichern. Es stellte Armeen in Gallizien, in Böhmen und in Italien auf und zwar so zahlreich, daß es überall offensiv agiren konnte.
Das mächtige Frankreich gieng hingegen in Italien, in Sachsen, in Pohlen, in Spanien, in Holland und gegen Tyrol nur Vertheidigungsweise zu Werke, griff seinen Feind nur auf einem Punkte an und demüthigte seine ungeheure Macht. So große Anstrengungen, so ausgedehnte Plane, so weitaussehende Projekte endeten sich nach einem sechsmonatlichen Kriege mit einem nachtheiligen Frieden, dessen Resultat Oesterreich um seine Marine, um seinen Seehandel und um mehrere Millionen Seelen und Einkünfte brachte und das Herz der Monarchie gegen Deutschland und Italien blosstellt.
Rußland benützte in diesem Jahre die europäischen Verhältnisse, um sein Reich gegen Norden und Süden zu vergrößern und die wichtigsten Acquisitionen zu machen. Dieses äußerte selbst Frankreichs Monarch, die Seele der europäischen Politik, in einer Rede an das gesetzgebende Korps. Im Norden begränzt der bothnische Meerbusen das ungeheure Reich Alexanders und der wichtigste Theil Schwedens ist zu einer russischen Provinz geworden.
Zur Vergrößerung des russischen Pohlens mußte Oesterreich 400,000 Seelen abtreten und was Rußland neuerdings von der Türkey losreissen wird, das wird erst das Resultat des gegenwärtigen, von Rußland mit vielem Glücke geführten Krieges seyn.
Schweden stand auf dem Punkte, seine Selbstständigkeit zu verlieren und von dem rußischen Kolosse unterdrückt zu werden. Da trat der Onkel des Königs auf, entsetzte ihn des Thrones, ergriff die Zügel der Regierung und rettete, freylich mit großem Verluste, das Reich und gab seinem erschöpften Volke den Frieden. Dadurch wurde den Engländern der Norden vollends geschlossen und so groß auch der Verlust Schwedens seyn mag, so sind seine Opfer doch nur im Grunde dem gemeinschaftlichen Interesse Europens gebracht worden und Schweden erwartet eine reichliche Entschädigung dadurch, daß sein Handel vielleicht in Bälde von dem englischen Seedespotismus wird befreyt werden.
Großbrittanien hat, während ihm voriges Jahr von den Mächten des festen Landes der Oelzweig des Friedens dargeboten wurde, in der Stille die Plane ausgebrütet, Europa in eine Anarchie zu verwandeln. Wie wenig es aber selbst beytrug, um seine Plane auszuführen, lehrte der Erfolg. Oesterreich wurde ohne Unterstützung gelassen und selbst das Geld, welches diese aller Welt Kaufleute zu Hilfe schickten, mußte sich retiriren, als Oesterreich im Unglück war. Von den bedrängten Türken wurden nur Handelsbewilligungen verlangt, wogegen man wahrscheinlich ebenfalls Plane und Rathschläge ertheilt haben wird. In Spanien fand England seine Goldgrube. Allein auch hier war Englands Hilfe so gering, daß jeder Versuch, Madrid wieder zu erobern, fehl schlug. Dagegen hat England für sein eigenes Interesse aus allen Kräften gearbeitet. Das spanische Amerika wurde von dem Mutterlande losgerissen und die Quellen seiner Reichthümer werden nunmehr so lange nach England ausfließen, als die Britten die Herren der See seyn werden. Spanien mag nun den Engländern gesperrt werden, die spanische Seemacht ist vernichtet und der Nervensaft aus Amerika abgeleitet. Ganz in den nämlichen Verhältnissen steht es mit Portugal. In Westindien hat es den französischen Antheil von St. Domingo und die Insel Martinique erobert und also während der Verwirrung, die es auf dem festen Lande von Europa anzurichten suchte, ganz vortreflich für sein eigenes Interesse gesorgt. Minder glücklich gelang die seyn sollende Diversion für Oesterreich, eigentlich aber die ebenfalls für sein eigenes Interesse unternommene Expedition nach der holländischen Provinz Seeland. Die Insel Walchern wurde ein Todtenhaus für seine Truppen, die Holländer zeigten keine Lust zu einer Revolution und die Früchte dieser Expedition müssen nun freywillig aufgegeben werden, nachdem sie ihren Anstiftern, den englischen Ministern, den politischen Tod zugezogen haben.
Frankreichs mächtiger Regent hat im Laufe dieses Jahres bewiesen, daß er nicht blos den Titel eines Protektors des rheinischen Bundes führt, sondern daß er auch wirklich dessen großer Beschützer sey. Durch unerwartet schnelle Hilfe hat er den Saamen der Zwietracht erstickt, den Oesterreich in alle deutsche Gemüther auszusäen gesucht hatte. Er hat Oesterreichs höchste Anstrengung vernichtet, durch eroberte Provinzen den Grundstein zu neuen Reichen gelegt und sich zugleich eine Straße nach der Türkey gebahnt, die er über kurz oder lang betreten wird, um die hohe Pforte zu schützen oder zu bekriegen, je nachdem sie sich in das europäische System fügen wird. Er hat die Verhältnisse Italiens regulirt und das katholische Kirchenoberhaupt der weltlichen Sorgen enthoben, die seit tausend Jahren so viel Unheil über Europa brachten. Die Manen der dem Bannstrale unterlegenen Fürsten der Vorzeit sind nun versühnt, und die Nachwelt wird die Thaten Napoleons, in diesem Jahre bewirkt, anstaunen.
Im Kreise der Fürsten Europens werden nun die Resultate berechnet, welche diesen Thaten folgen sollen. Die geistlichen und weltlichen Angelegenheiten, die nun geschlichtet werden sollen, sind gleich wichtig und ganz Europa sieht mit der gespanntesten Erwartung dem neu eintretenden Jahre als der Zeit der Reife entgegen.
So stehen wir nun am Schlusse des Jahres wie am Abend eines heißen Sommertags, dessen Morgen heiter, der Mittag durch ein verderbliches Ungewitter gestört war und dessen Abend nur noch die letzten Stralen der Sonne erblicken läßt, deren liebliche Abendröthe uns einen freundlichen Morgen verspricht. Es war ein verderblicher Tag, der viele Zerstörungen anrichtete. Manche Hoffnung wurde getäuscht, manche Erwartung vereitelt; aber auch manches Vertrauen bestärkt, mache gute Einrichtung gerettet. Was würde aus Deutschland geworden seyn, wenn Oesterreichs Proklamationen und Aufforderungen das erwartete Gehör gefunden hätten? Tyrols rauchende Brandstätten und zerstörtes Familienglück mögen hierauf antworten!
Quellen.[]
- ↑ Uebersicht der wichtigsten Weltbegebenheiten im Jahr 1809.