Ernst Ludwig Posselt.[]
[1]
Posselt (Ernst Ludwig), wurde an 22sten Januar 1763 zu Durlach, einem Städtchen im Großherzogthum Baden, geboren. Sein Vater, Philipp Daniel Posselt, war daselbst Justizbeamter, und führte den Hofrathstitel. Ueber die früheste Bildung Posselts fehlen zwar genauere Nachrichten, doch muß die Erziehung, welche er im älterlichen Hause erhielt, sehr zweckmässig gewesen seyn, weil er schon im 11ten Jahre seines Alters das Pädagogium seiner Vaterstadt mit dem größten Nutzen besuchen konnte, und seines zarten Alters ungeachtet, vor allen seinen Mitschülern durch unermüdeten Fleiß und rühmliche Wißbegierde sich auszeichnete. Sein Lehrer, der damalige Prorector Dibold, ertheilte ihm daher das ehrenvollste Zeugniß, rühmte sein außerordentliches Gedächtniß und seine vortreffliche Beurtheilungskraft, und erklärte schon damals, daß er sich weit über das Gewöhnliche erhebe. Zwar schienen diese Vorzüge durch einen gewissen Stolz, der seine Mitschüler beleidigte, verdunkelt zu werden; aber es war ein edler Stolz, der aus der reinen Quelle einer rühmlichen Ehrbegierde entsprang. Hier auf diese Schule war es, wo sein aufstrebender Geist durch die Lesung der classischen Schriftsteller, vorzüglich des römischen Alterthums, zu jener feurigen Liebe des wahrhaft Großen, Edeln und Schönen entzündet wurde, die ihn auszeichneten, und wo er aus den Meisterwerken des Livius, Sallustius und Tacitus das Ideal der Historiographie auffaßte. In keiner Periode seines spätern Lebens erkaltete diese glühende Liebe zu den Alten. Selbst da, als die großen Ereignisse der neuesten Zeit sein Gemüth mit unwiderstehlicher Gewalt gefesselt, und ganz in ihren Strudel hinabgezogen zu haben schien, verlor er die alte Welt nicht aus den Augen, und stellte in römischer Sprache die Begebenheiten seiner Zeit dar. So eingeweiht in den Geist der Wissenschaft, kam er auf das akademische Gymnasium zu Carlsruhe, wo er sich auf die Universität vorbereitete. Er ging nach zwei Jahren nach Göttingen, und studirte daselbst drei Jahre lang unter der Anleitung der berühmtesten Männer, welche damals Göttingen zierten, mit rastlosem Eifer die Rechte, Politik und Diplomatik, und bildete durch dieses Sudium seinen Geist zu dem historischen Scharfblick, den wir in allen seinen Schriften bewundern. Kaum ist es nöthig zu bemerken, daß er auch als Student die römischen Classiker nicht aus der Hand legte, und sich eine gründliche Kenntniß des Englischen und Französischen erwarb. Als er Göttingen verlassen hatte, begab er sich zuerst nach Straßburg, wo er sich einige Zeit aufhielt, und diese Muße zur Erlangung der juristischen Doctorwürde benutzte. Er kehrte hierauf in sein Vaterland zurück, um demselben zu dienen. Ungern und mit Widerwillen entschloß er sich, den einförmigen Weg der juristischen Praxis einzuschlagen. Er ward Regierungsadvocat. Daß die Geschäfte, die ihm dieser Beruf auflegte, seinem lebhaften Geiste keine Befriedigung gewährten, läßt sich denken. Er würde gewiß früher oder später freiwillig aus diesem Wirkungskreise herausgetreten seyn, wenn ihn nicht bald sein achtbaren Gönner und Freund, der Consistorialpräsident Aug. Joh. von Hahn, an das Gymnasium in Carlsruhe berufen hätte. Er übernahm daher 1784, dem Rufe freudig folgend, die Stelle eines Professors der Geschichte und Beredsamkeit an dieser Bildungsanstalt. Zugleich ward er Privatsecretär des regierenden Markgrafen. Jetzt befand er sich auf einem Platze, der ihm mannichfaltige Anregung zu wissenschaftlichen Arbeiten gab. So lange er hier war, verging kein Jahr, wo er nicht irgend eine Frucht seines wissenschaftlichen Fleißes zu Tage gefördert hätte. Seine Rede über die Historiographie 1785 zeigt, mit welchem reifen Nachdenken er die größten Historiker gelesen, geprüft, und gewürdigt hatte. In den Jahren 1785 - 88 gab er das wissenschaftliche Magazin für Aufklärung heraus, welches den Zweck hatte, Aufklärung über alle Theile des menschlichen Wissens in gefälliger Form zu verbreiten; eine große Aufgabe für einen zweiundzwanzigjährigen Jüngling. Das Unternehmen, welches durch den Beitritt gelehrter Männer unterstützt wurde, erhielt verdiente Beifall, obgleich die Ausführung dem großen Entwurfe nicht ganz entsprach. 1788 wurde er als Mitglied in die deutsche Gesellschaft zu Mannheim aufgenommen, und in demselben Jahre erhielt er das pforzheimer Bürgerrecht. Er hatte nämlich in einer den 27sten Januar 1788 in Gegenwart des Hofes gehaltenen Rede die heldenmüthige Aufopferung der vierhundert pforzheimer Bürger, die unter der Anführung ihres Bürgermeisters Deimling in der Schlacht bei Wimpfen (6ten Mai 1622) ihrem ritterlichen Markgrafen, Georg Friedrich, das Leben, mit Verlust ihres eignen, gerettet haben, würdig geschildert, und dadurch den patriotischen Dank der Nachkommen jener Helden wohl verdient. Doch alle diese Arbeiten, so schätzbar sie auch an sich sind, können nur als Vorübungen zu den größern historischen Werken betrachtet werden, durch welche Posselt seinen Namen berühmt gemacht hat. Glücklicher Weise fügte es sich, daß er bald nach den ersten Revolutionsbewegungen in Frankreich, im Jahre 1791 nach Gernsbach unweit Rastadt, als Beamter versetzt wurde, wo ihn in dem anmuthigen Murgthale die freundliche Muße zu Theil wurde, und er von sicherm Ufer aus den wildbewegten Strom der Zeit beobachtete. Von jetzt an widmete er seine Zeit den historischen Studien, und beschrieb die Begebenheiten des Jahrs 1792 in lateinischer Sprache: Bellum populi Gallici adversus Hungariae Borussiaeque reges, eorumque socios. Scriptore D. Ern. Ludov. Posselt. Gott. 1793. Vom Jahre 1793 an gab er das historische Taschenbuch für die neueste Geschichte heraus, welches als sein Hauptwerk zu betrachten ist. Er hat sich durch dasselbe den Ruhm des größten deutschen Annalisten erworben. Im Jahre 1796 bat er um seine Entlassung und um Beibehaltung des halben Jahrgehalts, wofür er die Geschichte von Baden zu schreiben versprach. Seine Bitte ward ihm gewährt, die Bedingung angenommen, und ihm noch die Erlaubniß ertheilt, sich einen beliebigen Aufenthaltsort zu wählen. er lebte hierauf abwechselnd in Durlach, Carlsruhe, Tübingen, Erlangen und Nürnberg. Mit Moreau ward er bekannt und man darf wohl sagen, vertraut, als diesen der Sieg in das Herz von Deutschland führte. Aber eben deßhalb ward Posselt durch die Nachricht von dem Prozesse des liebenswürdigen Helden 1804 heftig erschüttert, und die Furcht, in denselben verwickelt zu werden, vermehrte die Schwermuth, in welcher häusliche Leiden und eine unglückliche Ehe ihn gestürzt hatten. Sein heller Geist ward von schwarzen Ahnungen umwölkt, und es bemächtigte sich seiner eine Beklommenheit, die das Schlimmste fürchten ließ. In dieser Gemüthsverfassung reis'te er den 3ten Juni 1804 von Nürnberg nach Durlach, wo er seine Familie zurückließ, um seinen Neffen, D. Posselt, in Heidelberg zu besuchen. Bald nach seiner Ankunft daselbst endigte er sein Leben, indem er sich den 11ten Juni 1804, zwischen sieben und acht Uhr des Morgens, aus einem Fenster des obern Stockwerks herabstürzte. Posselt war mit allen Eigenschaften, welche den Geschichtschreiber bilden, ausgerüstet. Er besaß jenen Scharfblick, der bis zu den verborgensten Quellen der Handlungen durchdringt; den nöthigen Scharfsinn, um das Bedeutende, Zweckdienliche und Folgenreiche von dem unnützen Nebenwerke zu sondern; er hatte jene Gewalt über die Sprache, die in den Stand setzt, jeder Sache den passenden Ausdruck zu leihen, und besaß die Kunst der mahlerischen Perspective, die im Gemählde alle einzelnen Figuren so an ihren Platz, so in ihr Licht stellt, daß sie zusammen den möglich größten Totaleindruck hervorbringen.
Werke[]
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.