Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Reichenbach.[]


Reichenbach,[1] gutgebaute Kreisstadt, im Fürstenthum Schweidnitz, in Niederschlesien, 6 Meilen von Breslau. Sie hatte im Jahr 1803. 3,236 Einwohner, meistens Fabrikanten und Kaufleute, denn es werden hier und in den umliegenden Dörfern große Quantitäten von Rasch, Parchent, Mesalanen, halbwollenen Zeuchen, Kattun und Cannevas verfertigt und ausgeführt, auch beträchtlicher Handel mit Wolle und Garn getrieben. Die Malteser haben hier eine Commende, die Katholischen besitzen die Pfarrkirche, und die Lutheraner ein Bethaus. Diese Stadt wurde merkwürdig durch die im Jahr 1790 daselbst zwischen Preussen und Oesterreich gepflogenen Traktaten, die den Ausbruch eines blutigen Kriegs verhinderten. Der Reichenbacher Kreis hat nur 7 Quadratmeilen, aber wegen der großen Fabrikdörfer 28,782 Einwohner nach der Zählung im J. 1796.


Zeitgeschichte der Stadt.[]

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1790 im July stand die ganze Preußische Armee um Reichenbach, wo im Gadebeckschen Hause die Gesandten der Höfe Oestreich, Pohlen, Preußen, England und Holland einen Friedensvergleich unterhandelten, damit der türkische halbe Mond nicht am politischen Himmel verschwinden möchte, welches zu bewerkstelligen Oestreich und Rußland mit aller Macht strebten, aber Friedrich Wilhelm II. zu hintertreiben suchte, was denn auch gelang.

1795 den 23. Sept. legte man den Grundstein zur neuen evangel. Kirche, und weihte den neuen evangel. Friedhof ein. Der Kirchenbau verursachte einen Kostenaufwand von 53113 Rtl. wovon kaum die Hälfte des geborgten Kapitals bezahlt worden ist. Auch wurde vom Baumeister Niederacker aus Waldenburg das schöne Schweidnitzer Thor errichtet.

1807 im Laufe des unglücklichen Krieges zwischen Preußen und Frankreich, wo die Schlesischen Vestungen vom Feinde theils berennt, theils ihm übergeben wurden, hatte Reichenbach, rings davon umgeben, eine mißliche Lage, indessen kamen bei zwei Vorfällen die Einwohner noch glimpflich weg, obgleich allgemeine Plünderung und Brand erfolgen konnte.

Wahrend der kurzen Belagerung von Schweidnitz kamen fast täglich kleine Trupps Würtenbergsche Reiter nach Reichenbach, um die Straße nach Silberberg zu beobachten, saßen aber nicht ab, sondern verhielten sich ruhig.

Am 25. Jan. Abends waren diese kaum zurückgeritten, als 12 Preußische Reiter von der Silberberger Besatzung durch die Vorstadt ihnen nachsprengten, und nach einer halben Stunde mit 6 Gefangnen zurückkehrten. Den 26. Jan. rückten die berüchtigten schwarzen Jäger unter Obrist Scharfenstein, und ein Dragonerregiment, beides Würtenberger, ersteres in die Stadt, letzteres in die Dörfer, und verübten in mehrern Häusern großen Unfug. Zwar war das Plündern streng verboten, allein desto ungestümer das Fordern und mitunter schlimmer als wirkliche Plünderung. Frey Tage lang verweilten diese Gäste.

Den 30. April befand sich ein Transport leerer Wagen in der Stadt von 100 Baiern bedeckt. Plötzlich kam ein Bataillon Preußen aus Silberberg, und der Anführer des Vortrabes Lieutenant Fischer überrumpelte jene so rasch, daß die kaum das Tränkthor sperren konnten, vor welchem nun ein Scharmützel mit kleinem Gewehr begann, bis das Bataillon kam, durch das aufgeschlagne Thor in die Stadt drang, und die Baiern sodann zum Schweidnitzer Thore mit Verlust von 20 Gefangnen hinauseilten. Sie kamen Nachmittags stärker wieder, betrugen sich aber erträglich, überhaupt immer besser als die Würtenberger.

Die Franzosen-Einquartierung nach dem Tilsiter Frieden sey mit Stillschweigen übergangen, da das Benehmen derselben in allen Schlesischen Städten und Dörfern durchaus sich glich. Uebrigens fiel 1808 - 1812 nichts geschichtlich merkwürdiges in Reichenbach vor.

1813 den 26. Mai kamen von Bauzen her die verwundeten Russen in so großer Zahl, daß man die Kirche zum Lazareth einrichten mußte. Man führte sie wenig Tage später nach Strehlen, und ließ blos die leicht verwundeten in der Stadt. Den 28. und 29. Mai traf auch ein Theil des russischen Heeres ein, französische Gefangne mitbringend, und von itzt an wurde Reichenbach und dessen Umgegend ein Standquartier der Russen, ihres Kaisers Alexanders, und unsers Königs Friedrich Wilhelm. Das bei einer so ungeheuern Menge zum Theil halb wilder Menschen auch viel Ausschweifungen vorfielen, und mit den Lebensmitteln eben nicht räthlich gewirthschaftet wurde, läßt sich denken, doch ist nie Feuer entstanden, was bei den Franzosen zur Tagesordnung gehörte.

Mit Eintritt des Waffenstillstandes kamen in die Stadt 70 Generale nebst 402 Offizieren; das Personal der Minister und Staatsräthe samt ihrer Bedienung bestand aus 2400 Mann, welche gegen 4000 Rosse bei sich führten. Demnach waren alle städtische und vorstädtische Gebäude bis unters Dach vollgepfropft, und die Wirthe behielten kaum ein Stübchen oder Kämmerchen zum Aufenthalt 6 Wochen lang. Von da an sah Reichenbach keine Kriegerschaaren wieder, und hatte blos nach der Schlacht bei Katzbach den dort gefangnen Franzosengenernal Püthod und dessen Offiziere 8 Tage hindurch zu bewirthen.

1815 errichtete der König eine vierte Landesregierung, und wies deren Wirkungs-Personal die Stadt zum Aufenthalt an. Indessen

1820 wurde dieselbe wieder aufgehoben, und ihre Offizianten in die Regierungen zu Breslau, Liegnitz und Oppeln vertheilt.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
  2. Zeitgeschichte der Städte Schlesiens mit Abbildungen herausgegeben von D. Christ. Friedrich Emanuel Fischer und Carl Friedrich Stuckart. Schweidnitz bei Carl Friedrich Stuckart. 1819.
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