Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Ragusa.[]

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Ragusa, kleine Republik in Dalmatien, längs dem Meerbusen von Venedig, welche, ausser der Stadt Ragusa, das Städtchen Slano und St. Croce, nebst mehrern Dörfern, die Insel Meleda, und die Halbinsel Sabioncello unter sich begreift, und über 36 geogr. QM. enthält. Ihre Regierung war größtentheils nach dem Muster der Venetianischen eingerichtet, folglich streng aristokratisch. Der große Rath mit gesetzgebender und souverainer Gewalt, bestund aus allen Adelichen, welche über 18 Jahre alt sind. Ein Ausschuß von ihm war der Senat von 45 Mitgliedern. Die vollziehende und im Grunde fast alle Gewalt hatte der kleine Rath oder die Consiglieri della Republica, von 7 Senatoren, an deren Spitze der Rector steht. Der große Rath wählte diesen kleinen Rath aus dem Senat, aber immer nur auf Ein Jahr, und der Rector wurde mit jedem Monat neu gewählt. Die Republik stund unter Türkischem Schutze, und zahlte Tribut. Ausserdem hatte sie auch Ungarn, Neapel, Venedig und den Pabst zu Beschützern. Die gemeine Sprache ist slavonisch, doch sprechen auch alle Einwohner italienisch. Ihre Religion ist die katholische. Die Volksmenge beträgt 56,000 Seelen, wovon 8000 in der Hauptstadt sind. Im J. 1806. sezten sich die Franzosen in den Besiz des kleinen Staats, und er gehört zu Dalmatien und dem Königreiche Italien. Der Marschall Marmont führt von dieser Stadt den Titel Herzog von Ragusa. Seit 1810 gehört die Stadt nebst ihrem Gebiete zur zweyten Militär-Division der Illyrischen Provinzen. Die Hauptstadt

Ragusa, auf slavonisch Dobronich, hat eine ansehnliche Handelschaft. Sie liegt auf einer Halbinsel, an dem Meerbusen von Venedig, und ist sowohl durch die Natur, als durch die Kunst befestigt, indem sie auf der Landseite von einem unersteigbaren Felsen umschlossen wird, auf der Meerseite aber das Fort St. Laurenz bey dem Hafen hat. Sie hat ein italienisches Theater, nächtliche Beleuchtung, Tuch- und Seidenmanufakturen und einen Erzbischof. Die Sorge für die Erhaltung der Freyheit gehet so weit, daß die Edelleute daselbst keinen Degen tragen, auch ohne Erlaubniß des Raths niemals ausserhalb ihren Häusern schlafen dürfen, und in der Nacht werden die Fremden, besonders die Türken, in ihren Quartieren verschlossen. So werden auch die Stadtthore im Sommer nicht länger als 3 oder 4 Stunden offen gelassen. Der Handel der Stadt, größtentheils auf eigenen Schiffen, wird vorzüglich durch die Frachtfahrten für andere Nationen lebhaft. Der Hafen hat nicht hinlängliche Sicherheit gegen alle Winde, man benüzt daher häufig den etwas nördlicher liegenden trefflichen Hafen Sta. Croce. Alt-Ragusa, einst unter dem Namen Epidauros eine ansehnliche Stadt, jezt ein bloses Dorf, liegt 2 Meilen südlicher. Im Jahr 1637 und 1667 ist die Stadt von Erdbeben sehr erschüttert worden. Sie ist der Geburtsort des berühmten Anselm Banduri und des Mathematikers Roger Joseph Boscovich.


Sitten und Gebräuche der Ragusaner.[]

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Der Charakter des Ragusaners ist ein Gemisch des Slavonischen und des Italienischen. Er ist andächtig, lebhaft, geschmeidig, geschwätzig, und hängt mit Wärme an seinen Nationalgebräuchen. Eines seiner Lieblingssprüchworte ist: Sve na Staru, Alles nach altem Brauche. In den letzten Jahrhunderten hat er sich freylich etwas nach andern europäischen Völkern gebildet. Indeß bleibt ihm noch manches Alte, sogar aus den heidnischen Zeiten her, und dieses Gemisch alter und neuer Gebräuche ist es eben, was den ragusanischen Staat so merkwürdig macht. Es ist aber wohl übertrieben, was die Ragusaner behaupten, nähmlich, man müßte ihr Land bewohnen, um den Homer recht verstehen zu können. Noch vor nicht gar langer Zeit behielt Ragusa in der Erziehung der Jugend jene Strenge bey, wodurch sie die alten Freystaaten auszeichneten. Das Alter flößte allgemeine Achtung ein, und die Gegenwart eines Greises an einem öffentlichen Orte war hinreichend, den Muthwillen der Jugend zu bezähmen. Alt und Oberer waren gleichbedeutende Wörter; denn man drückte das eine und das andere mit Star oder Starjescina aus. Die Kinder wurden um väterlichen Hause erzogen, und bekamen selten andere Leute, als ihre Ältern zu sehen. Man erlaubte ihnen kein Vergnügen, als gymnastische und litterarische Übungen, Histrionen waren von Ragusa ausgeschlossen. Leuten von Stande war Latein und Griechisch sehr geläufig, und auch die illyrische Litteratur zählte eine große Anzahl von Dichtern und Geschichtschreibern. Von diesen Gebräuchen ist man aber abgewichen; es gibt jedoch noch andere, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Der Ragusaner ist noch immer andächtig und liebt die geistlichen Feste. Er hat deren viele, und verfehlt nicht, sie mit großem Eifer und vieler Pracht zu feyern; besonders hat er ein großes Zutrauen zum heil. Blasius, seinem Patron und dem Beschützer in allen Nöthen. Diesen Heiligen feyert er aber auch mit dem größten Aufwande. Noch vor einiger Zeit both dieses Fest den Fremden ein sehr merkwürdiges Schauspiel dar. Drey Tage vor dem Feste des heil. Blasius hielten die Priester Lobreden auf denselben. Am Tage zuvor stellten sic zwey Bauernregimenter, die von zwey geharnischten Rittern angeführt wurden, vor dem Pallast des Rettore oder Rectors der Republik, und feuerten in dem Augenblicke, wenn er von seinen Räthen begleitet, unter dem Porticus erschien, um sich zur Versper zu begeben, drey Salven ab. Am folgenden Morgen, sobald es Tag wurde, kam die ganze Stadt in Bewegung, und der Zulauf der Fremden vermehrte noch den Lärm; mitunter erschollen Kanonen und Trommeln. Gegen neun Uhr erschien der Rettore wieder mit seinem Gefolge, und setzte sich vor seinem Pallast. Zwölf Frauen (Tarsnize) mit Fahnen in der Hand, woran oben eine Öhl- und Weinflasche, Brezeln und Gemüse hingen, und mit einem Korbe auf dem Kopf, der Kuchen und Öhlzweige enthielt, zum Zeichen der Friedens und des Überflusses, tanzten unter bäuerischer Musik einen ländlichen Tanz. Dann erschien der Admiral an der Spitze der Seeleute, ferner der Groß-Capitän, vor welchem ein Page ging; ihn folgten vier Fahnenträger und eine Menge Bedienten in Nationalkleidung, alle traten vor den Rettore hin, und machten spanische Reverenzen. Der Rettore und die ganze Regierung wohnten dann der hohen Messe bey, und das Volk drängte sich hinzu, um die Reliquien des heil. Blasius zu küssen. Der Nachmittag war einem kriegerischen Feste vorbehalten. Die Bürger und die Bewohner der umliegenden Gegend von Ragusa stellten sich außer der Stadt unter die Waffen, und bildeten mehrere Bataillons, an deren Spitze Capitäne und Fahnenträger standen. Der Groß-Capitän, mit einem prächtigen Säbel, einer Pike und einem Schilde bewaffnet, stand an der Spitze des schönsten Hauses; sein Page war stets hinter ihm; ein anderes Oberhaupt, der Contre-Capitän genannt, der nur mit einer Pike und einem Schilde bewaffnet war, führte auch ein Heer an. Nach dem Abfeuern einer allgemeinen Ladung, kam das ganze Heer in die Stadt, schoß immerwährend Pistolen ab, zog durch die Basiliuskirche und stellte sich vor dem Rettore, der unter dem Porticus saß, in Ordnung; zur Rechten des Rettore befand sich der Erzbischof, und zur Linken der ganze Hofstaat. Die Heerschaar machte dann drey sonderbar verkleideten Leuten Platz, die einen originellen Tanz aufführten. Von diesen Leuten soll unten die Rede seyn. War dieser Tanz beendigt, so manöuvrirte die Heerschaar, zog drey Mahl vor dem Rettore her, feuerte beständig und machte spanische Reverenzen. Die Piken- und Fahnenträger zeigten ihre Geschicklichkeit im Schwenken derselben über dem Kopf, zwischen den Beiden u. s. w. Zuletzt theilte sich die Heerschaar in zwey Theile, wovon der eine vom Groß-Capitän und der andere vom Contre-Capitän commandirt wurde. Die beyden Oberhäupter lieferten eine Zweykampf; sie bedienten sich dabey der Lanzen und hielten die Stöffe mit ihrem Schilde ab. Nach einem kurzen Gefecht ließ sich der Contre-Capitän in die Flucht jagen, unter dem Jubelgeschrey des Volkes; man kündigte alsdann dem Rettore an, die Seinigen hätten gesiegt, Alles wären sich und ruhig. Bey dieser Nachricht zog er sich in den Pallast zurück, und lud den Groß-Capitän, seine Freunde und Verwandten zu einem großen Gastmahl ein, womit die Feyerlichkeit beschlossen wurde; hernach gab der Groß-Capitän den angesehensten Personen des Staates ebenfalls ein Gastmahl. Die Ragusaner behaupten: daß ungeachtet des häufigen Ausschenkens von geistigen Getränken, und ungeachtet der Nachlässigkeit im Abbrennen der Feuergewehre, an diesem Feste sich doch nie ein Unglück zugetragen habe, und zwar durch den besondern Schutz des heil. Blasius; ein englischer Reisender, Herr Watkins, welcher dem Feste beygewohnt hat, versichert jedoch in seiner Reisebeschreibung, daß diese Feyerlichkeit, welche vermuthlich einen politischen Ursprung hat, und zum Besten des Staates eingerichtet worden ist, nunmehr in Mißbrauch ausgeartet sey, und nichts als Lärm, Verwirrung und Zufälle darbiethe. Ursprünglich wollte die Regierung gewiß die Vereinigung der Ragusaner am Feste des heil. Blasius dazu benutzen, dieselben in den Waffen zu üben. Man erzählt auch, ein König von Bosnien, welcher den Anschlag gemacht habe, sich durch Verrätherey der Stadt Ragusa zu bemächtigen, sey mit einem starken Gefolge dahin gekommen, unter dem Vorwande, das Blasiusfest mit den Einwohnern zu feyern. Die Ragusaner haben seine List gemerkt; da sie jedoch nicht feindlich zu Werke gehen konnten, so haben sie ihre Castelle mit Truppen besetzt, die Waffen ergriffen, und vor dem Könige manöuvrirt, als ob sie ihn bloß belustigen wollten; beym Anblick so vieler Leute habe der König auf seinen Anschlag Verzicht geleistet, und sey der Ragusaner Freund geblieben; diese haben seit der Zeit stets das Fest ihres Patrons mit kriegerischen Übungen gefeyert.

Auch das Fest des heil. Gregorius begehen die Ragusaner, besonders die jungen Leute, feyerlich, weil, wie man vermuthet, dieser Papst nach den schrecklichen Verheerungen der Slaven, durch das Schicksal der Illyrier gerührt wurde, und ihnen große Geldsummen schickte, um die als Gefangene weggeführten jungen Leute wieder loszukaufen.

Zwischen diesen beyden Festen fällt ein drittes, welches ganz heidnisch ist, und offenbar von Epidaurus nach Ragusa versetzt worden ist. Am ersten May zieht nähmlich die Schusterzunft in schönen Kleidern tanzend durch die Stadt. Man sieht alsdann den alten Silenus mit dem slavischen Nahmen Vembel; er trägt ein langes, weisses, ganz mit Gras und Blumen bedecktes Kleid und auf dem Haupt eine Laubkrone, worin zahme Schlangen sitzen; auch in der Hand hält er eine lebendige Schlange. Während er tanzt und springt, kriechen diese Thiere hervor und wickeln sich um seine Haare herum. Der Vembel ist eine Volksmaske, und ohne diesen slavischen Silenus würde sich der Ragusaner an diesem Tage nicht belustigen. Während dem Carneval und andern Lustbarkeiten sieht man auch Vorstellungen der drey ersten slavischen Gottheiten: Turrizza, Tioroje und Vila. Ersterer ist der Gott des Krieges; es ist eine Riese, welcher die Götter leitet, und durch seine Spässe das Volk zum Lachen bringt, wie der Gott Manducus beym römischen Volke. Tioroje, der slavische Bacchus, hat das Haupt mit Reben bekränzt; Vila ist die Götting der Scham und der Jagd. Diese drey Masken ziehen ebenfalls mit Pfeifen und Trommelschlägern durch die Stadt, und tanzen einen bäuerlichen Tanz, wobey die Zuschauer ein lautes Gelächter aufschlagen.

Die Ragusaner lieben überhaupt Belustigungen sehr: Bälle, Schmäuse, fröhliche Zusammenkünfte gibt es bey ihnen sehr häufig. Von den Thraziern haben sie wohl den Hang zum Wohlleben geerbt. In ihren Nationalgesängen werden ihre Helden auch aus die größten Zecher besungen. Bey allen Gastmählern, sobald als der Braten erscheint, wird ein Lieblingslied gesungen, das mit den Worten anfängt: Na peceno svi udrimo, d. h. Fallen wir Alle über den Braten her! Dann singt jeder eine Strophe zu Ehren des Hausherrn, und An- und Abwesenden werden häufige Gesundheiten zugetrunken.

Ehemals beobachtete man auch in Ragusa besondere Gebräuche bey Heirathen und Hochzeiten; heut zu Tage fügt man sich darin nach italienischer Sitte. Auch ist der Gebrauch der Epithalamien und der kleinen illyrischen Schauspiele, womit man sonst die Gäste zu ergetzen pflegte, aufgegeben worden.

An gewissen Tagen im Jahre hat man in Ragusa das Vergnügen, die Kolendari zu hören, welches ebenfalls ein Nationalgebrauch ist. Die Kolende hat am Abende vor Neujahr, vor dem heil. Dreykönigstage, vor St. Lucas, St. Martin, St. Nicolas, St. Andreas und Weihnachten statt. Scharen von Sängern ziehen alsdann durch die Straßen, bleiben vor den Bürgerhäusern stehen und singen gewisse Vorhersagungen in slavischen Versen oder spaßhaft und auch wohl satyrisch. Das Volk hört sie mit vieler Neugierde an und wiederhohlt zusammen das Vorspiel jeder Strophe. Zuweilen improvisirt einer von den Sängern und belustiget den Haufen durch spaßhafte Anspielungen auf das Betragen der Leute des Hauses, wovor er singt. Diese Belustigung dauert die ganze Nacht, oft sind diese Sänger arme Leute, denen man mit einem Stücke Geldes ihre Mühe vergilt; zuweilen sind es aber auch Verwandte oder Freunde des Hausherrn; in diesem Falle muß dieser sie, für die ihm bewiesene Ehre, reichlich bewirthen. Der Neujahrstag ist der eigentliche Kolende. Man gibt an diesem Tage Geschenke, und die Bediente gehen in alle Häuser, wo ihre Herrschaften Verbindungen haben, und empfangen daselbst ein Stück Geld; zu Weihnachten und Ostern gehen sie ebenfalls umher; am Weihnachtsfeste gibt man ihnen ein Brot, das seiner Sichelform wegen Luk heißt, und am Osterfeste eine dicke Torte, mit einem Ey in der Mitte. Auf dem Lande hatte man den Gebrauch beybehalten, am Abende vor St. Veit, St. Johann, St. Peter und St. Elias Freudenfeuer anzuzünden; oft ist derselbe mit heidnischen Ceremonien verbunden; so bekrönt man sich noch mit Blumenkränzen, die Vienzi heißen, und springt über die Feuer her, indem man die Nahmen der Verwandten oder Freunde ausspricht, denen man Heil und Glück wünscht; anstatt, wie ehemals, während dem Springen die Gottheiten anzurufen, wendet man sich heut zu Tage an die Heiligen. Man behält überhaupt auf dem Lande, besonders in dem Districte Canali, noch die alten illyrischen Gebräuche beym die man in Forti's Reise beschrieben findet.

Die adelige Jugend hatte vor nicht langer Zeit auch ihre eigenen Gebräuche; sie machten eine Gesellschaft aus, die Druscina hieß, und ihre Gesetz und ihre Regierung hatte, deren Mitglieder sie in ihren Sitzungen ernannte Vom Osterabende an bis zum ersten May ließ sie alle Abende einen großen und grünen Zweig in die Stadt bringen. Diesen suchten nun die Ricoletti (junge Adelige eines Stadtviertels) den Castellani (junge Adelige eines andern Viertels) mit Gewalt zu rauben. Dieser kleine Krieg wurde unter dem Abbrennen von manchen Schwärmern geführt. Am ersten May pflanzte die Druscina einen Maybaum vor der Blasiuskirche auf, und begab sich dann zum Rettore des Freystaates und zum Erzbischofe, welche beyde derselben eine gute Collation auftragen ließen; dann besuchte sie die Klöster und Schulen und sammelte überall eine Menge Backwerk und Bilder ein. Zwey Tage hernach, nämlich in der Nacht vor Kreutzerfindung, um 1 Uhr, fing sie wieder einen kleinen Krieg an, und zündete, unter dem Abbrennen von hunderten von Schwärmern, den grünen Baum vor der Kirche an; fast die ganze Stadt wohnte dem Auftritte bey. Diese Ceremonie hat etwas mit dem nächtlichen Feste, Dendrophorion genannt, bey den Griechen gemein.

Es gibt in Ragusa ein italienisches Schauspiel; die Frauenzimmer wohnen demselben erst dann bey, wenn sie verheirathet sind. Wenn die Mädchen zwölf Jahr alt sind, so erscheinen sie nirgends mehr, und sogar im väterlichen Hause sind sie nur für Verwandte und Geistliche sichtbar. Statten sie ihren Verwandten einen Besuch ab, so wählen sie dazu die Stunden, wenn nur wenig Leute auf den Straßen sind; die Messe hören sie in den leersten Kirchen. Die Töchter der Reichen lassen sich in Sänften tragen. Wer eine Tochter zu verheirathen hat, muß ihr einen Bräutigam suchen; denn die jungen Leute würden es als erniedrigend ansehen, wenn sie um die Hand eines Mädchens bitten müßten, und ein Korb würde sie in den Augen ihrer Freunde entehren.

Zu den Zeiten der Republik trugen die Beamten ein langes, schwarzes Kleid, einen schwarzen Mantel ohne Kragen und eine sehr große Perücke; heut zu Tage trägt man sich wie bey uns; nur im Winter fügt man prächtige Pelzkleider und eine Art von Barett mit sehr feinem Pelze hinzu. Die Nationalkleidung der Frauenzimmer ist sehr kostbar, aber weder anmuthig noch vortheilhaft für die körperlichen Formen. Die Landleute tragen sich fast wie die Mameluken, nur statt der Mützen tragen sie Käppchen; sie sind stets mit einem Fleischermesser, das sie Hangjar nennen, bewaffnet, oft führen sie auch Pistolen und Flinten bey sich; sie haben ein wildes, trotziges Ansehen; die Kälte ertragen sie mit vielem Muthe, im Winter sieht man sie oft mit beeistem Schnurrbarte und mit offener haariger Brust in die Stadt kommen.

Auch in ihrer Nahrung weichen die Ragusaner etwas von andern Völkern ab. Rindfleisch, Braten, grüne Suppen sind ihnen Lieblingsspeisen. Grüne Suppe ißt man täglich; die Ragusaner haben eine besondere Art, dieselbe zuzubereiten; man kocht sie aus einem kabsähnlichen Gemüse, welches Kapus heißt, und im ganzen ragusanischen Staate häufig wächst. Auch Milchspeisen verstehen die Ragusaner gut zuzubereiten, besonders geronnene Milch und Mantala, ein aus Mehl, Mandeln, Spezereyen und süßem Weine bestehendes Gericht, das die Italiener pane Schiavone, slavisches Brot nennen. Die Ragusaner haben vortreffliche Früchte und gute Weine; ihr Malvisia, ihr Secenno, ihr Cesviniza von Stagno und ihr Muskatweil von Lagosta können den besten europäischen Weinen Trotz biethen. Das ragusanische Öhl, welches einen Hauptausfuhr-Artikel ausmacht, steht dem Luccaischen gar nicht nach; endlich hat der ragusanische Zwieback einen trefflichen Geschmack, und kann sich lang halten.

Steht ein Ragusaner auf dem Puncte, eine lange Reise anzutreten, so bekommt er von allen Verwandten und Freunden, bey denen er Abschied nimmt, einen Zuckerhut zum Geschenke, und in dem Augenblick, wenn er mit ihnen aus dem Hause tritt, um sich einzuschiffen, wirft ihm seine Frau oder nächste Verwandte, Korn, Flittergold und Olivenblätter aus dem Fenster auf den Kopf; ein alter Gebrauch, wodurch man wahrscheinlich den Wunsch zu erkennen geben will, daß Überfluß, Fröhlichkeit und Friede den Reisenden überall begleiten mögen.

Sobald als ein Kranker die letzten Sacramente empfangen hat, gehen die Verwandten nicht mehr aus; stirbt er, so begeben sich die Männer in ein besonderes Zimmer und die Weiber in ein anderes. Am folgenden Tage, Nachmittags, versammeln sich die nächsten Verwandten des Verstorbenen, setzen sich mit schwarzen Mänteln in einem Zimmer neben demjenigen, worin der Todte liegt, nieder, und empfangen daselbst alle Personen, die aus Höflichkeit ihnen einen Besuch abstatten. Gehört der Todte einer adeligen Familie an, so empfangen die Verwandten Nachmittags nur Besuche von Adeligen, des Morgens aber erscheinen die andern Stände. In diesen Versammlungen fällt das Gespräch aber niemahls auf den traurigen Gegenstand, welcher dieselben veranlaßt hat. Am dritten Tage wird das Leichenbegängniß gehalten. Die Männer gehen hinter dem Sarge her mit schwarzen Röcken, woran eine Art von Kappe befestigt ist, die man über den Kopf ziehen kann; einige tragen auch ein schwarzes Band in den Haaren. An der Art, wie die Kappe getragen wird, erkennt man die verschiedenen Grade der Verwandtschaft. Ist die verstorbene Person ein Frauenzimmer, so dauert das Leichenbegängniß 6 bis 8 Tage; während dieser Zeit statten die Männer des Morgens und die Weiber Nachmittags ihre Besuche in dem Hause ab; erstere sowohl als letztere erscheinen in Trauerkleidern. Ehemals, wenn eine Person von hohem Stande starb, wurde ihre Leiche vom Rettore der Republik, vom Adel, der Bürgerschaft, und von der Corporation der Kaufleute zur Erde begleitet. Plaeevise oder Klageweiber gingen schreyend vor oder hinter dem Sarge her, schlugen sich an die Brust und rauften sich die Haare aus. Nach dem Begräbniß begab man sich zu dem Hause des Verstorbenen, wo ein gedungener Redner auf lateinisch ein Lob desselben aussprach. Starb ein Frau, so folgten die andern Frauen dem Sarge, und stießen Seufzer und Klagen aus; hernach wurde ebenfalls das Lob des Verstorbenen ausgesprochen.

In Hinsicht der Dienerschaft beobachtet man in Ragusa ebenfalls einige Gebräuche. Es gibt männliche und weibliche Bediente; erstere tragen niemahls Livree; man nimmt sie, wenn sie 8 oder 9 Jahr alt sind, und behält sie bis zu ihrem 20sten Jahr; alsdann läßt man sie zur See gehen, wo sie zuweilen ihr Glück machen. Ihre Herrschaft läßt sie lesen, schreiben und rechnen lernen. Die weiblichen Bedienten sind Bauerntöchter, welche ebenfalls sehr jung in Dienst treten. Man nährt und kleidet sie und gibt ihnen noch einen kleinen Lohn. Nach einem acht- oder zehnjährigen Dienst bekommen sie eine Art von Mitgift; dieses Geschenk geben ihnen die Verwandten und Freunde ihrer Herrschaft, und zwar auf folgende Art: Die Aussteuer der Magd pflegt des Sonnabends Statt zu haben. Zwey Tage vorher ladet sie die Verwandten und Freunde ihrer Frau ein. Diese schicken ihr am Samstage Morgens in einer Schüssel eine Lomonie mit einem Goldstücke, oder mit Röcken, Tüchern und Bändern. Die Frau hält über diese Geschenke Rechenschaft, damit sie dieselben bey ähnlicher Gelegenheit vergelten könne; sie läßt dieselben auf eine silberne Schüssel legen, und eine andere Schüssel dabey stellen, worein sie den Jahreslohn der Magd legt. Diese beyden Schüsseln werden auf einen Tisch gestellt, wo sie Jedermann, der an diesem Tage ins Haus kommt, sehen muß. Alsdann kommen die Verwandten der Magd unter Abfeuern der Muskete und mit einer ländlichen Musik vom Lande herein, und bringen mehrere großer mit Laub bedeckte und mit allerhand Bändern gezierte Körbe voll von Früchten, Torten, Milchspeisen und andern ländlichen Leckereyen. Der Hausherr bewirthet dieselben, und behält sie bis zum folgenden Tage, welcher für das ganze Haus ein Festtag ist. Es werden viele Damen dazu eingeladen; ist die Gesellschaft versammelt, so werden alle Geschenke, welche die Spravjeniza, d. h. der ausgesteuerten Magd, gegeben worden sind, in Augenschein genommen. Die Magd erscheint alsdann im Saale, kniet vor ihrer Frau nieder und begehrt ihren Segen. Die Frau hält eine kleine Anrede an sie, lobt ihre Treue und ihren Fleiß, und ermahnt sie, sich künftighin gut aufzuführen, sie sagt ihr, daß sie im Hause erzogen worden sey, und wenn sie bleiben wolle, fortan daselbst vielmehr wie ein Mitglied der Familie, als wie eine Dienerinn werde angesehen werden. Gerührt von diesem Beweis der Güte ihrer Herrschaft fängt sie an zu weinen, und begibt sich mit leicht begreiflichen Empfindungen wieder zur Dienerschaft, welche sie zwingt mitzutanzen; auch bei der Herrschaft im Saale endigt sich das Fest mit einem Balle. Die Bauern kehren hierauf wieder aufs Land zurück, mit demselben Getöse, wie bey ihrer Ankunft. Wenn die Magd im Dienst bleibt, so bekommt sie einen besseren Lohn und nach Verlauf von 6 Jahren gibt man ihr eine neue Spravva.

Sicher ist dieser Gebrauch einer der rührendsten, den man nur denken kann; es gibt vermuthlich in ganz Europa kein anderes Land, wo man es versteht, Bediente zu bilden, und ihre Anhänglichkeit gehörig zu schätzen und zu belohnen. Jener Gebrauch hat jedoch auch etwas Nachtheiliges. Der Reitz eines so sanften Behandelns zieht allzu viel Bauernmädchen in die Stadt, und haben sie sich einmahl daselbst an ein bequemes Leben gewöhnt, so fällt es ihnen schwer, zu der älterlichen Hütte zurückzukehren; und doch ist ihre Zahl zu groß, als daß sie sich alle in der Stadt verheirathen könnten. Die Handwerker nehmen auch Kinder in den Dienst, welche sie ihr Handwerk lehren; sie pflegen sie aus der Morlakkey kommen zu lassen; solche Lehrburschen bekommen nur den Unterhalt. Sind sie in ihrem zwanzigsten Jahre geschickt in ihrem Fache, so werden sie in die Zunft eingeschrieben, und bekommen umsonst alle Werkzeuge, deren sie bedürfen. Durch dieses Mittel setzen sich in Ragusa stets neue Familien nieder.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte zu Landshut. Landshut, bei Philipp Krüll, Universitätsbuchhändler. 1811.
  2. Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. 1814.
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