Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Neue Unruhen in Spanien.[]

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[1808]

Die Volksunruhen in Madrid sind aufs neue ausgebrochen und nun zum drittenmale schnell genug gedämpft worden. Bei dem Partheigeist, welcher dort herschte, war es nicht unerwartet, daß blutige Ereignisse erfolgen würden, und die projectirte Abreise der Königin von Hetrurien nach Bayonne, hat hierzu Veranlassung gegeben, wenigstens wurden bei dieser Gelegenheit Französische Offiziere vom Volke insultirt, und der Großherzog von Berg, der auf alle Bewegungen, die sich in der Hauptstadt wie auf dem Lande äußerten, ein wachsames Auge hatte, der schon aus den Proclamationen, die hier und da circulirten, deutlich bemerken konnte, daß etwas in Werke sei, wodurch die öffentliche Ruhe gestört werden würde, ergriff schnelle Maaßregeln, um die Zusammenläufe des Pöbels zu hindern. Wie bekannt pflegt das Militair durch Kartätschenfeuer in solchen Fällen mehr als durch Proclamationen auszurichten, und so auch hier. Auch einige Angriffe der Kavallerie thaten gute Dienste, und obgleich die Masse der Aufrührer schon auf 20000 Mann angewachsen war, so wurden sie doch bald zerstreut. Man flüchtet sich in den Häusern, um von da aus den Fenstern auf das Französische Militair zu feuern, man sucht sich des Arsenals, der daselbst befindlichen Kanonen und Gewehre zu versichern, aber auch diese Anstrengungen des Volks sind vergebens, denn alle die man mit den Waffen in der Hand findet, werden niedergehauen und durch ein fürchterliches Blutbad werden tausende der Aufrührer zu Boden gestreckt. Selbst Bauern aus den benachbarten Dörfern hatten hieran Theil nehmen wollen und waren in dieser Absicht bewaffnet zur Stadt gekommen, aber ihnen ging es nicht besser als den Städtern, denn sie wurden niedergeschossen, und so die Ruhe wieder hergestellt. Es ist bemerkenswerth, daß eine Garnison von nicht mehr als 3000 Mann, eine so große in Aufruhr begriffene Volksmasse so schnell bändigen konnte, aber daß der Französische Verlust sich nur auf 25 Todte und etwa 50 Verwundete beschränken sollte, wie öffentliche Blätter erzählen, scheint nicht wahrscheinlich, da wir wissen, daß es von beiden Seiten so hitzig hergegangen ist, daß selbst dem einen Französischen Escadrons-Chef zwei Pferde unter dem Leibe getödtet wurden. Wenn aber auch der Französische Verlust bedeutender gewesen wäre, so ist im Gegentheil der Gewinn so außerordentlich, als wir noch kein Beispiel in der Geschichte haben, denn man kann dreist behaupten, daß durch diesen Vorfall das Königreich Spanien in Französische Hände gekommen. Der König Karl hat aus Dankbarkeit für diese Französische Unternehmung dem Großherzog von Berg zum Generallieutenant des Königreichs erklärt und deshalb die nöthigen Befehle ertheilt; das heißt mit andern Worten, der Freund und nächsten Verwandte des Französischen Kaisers ist in diesem Augenblicke Herr des Königreichs geworden, ihm stehen Spanier und was das wichtigste ist, Armeen zu Gebote, es kann daher nicht fehlen, daß Spaniens Schicksal sich in Napoleons Händen befindet. Man hat in Französischen Blättern bereits den König Karl unter die Klasse der schwachen Könige gesetzt, würde einen solchen wohl das Ruder der Regierung jemals wieder anvertraut werden? Das ist zu bezweifeln, und geschähe es auch, daß er diese Würde behielte, so ist leicht einzusehen, daß von Napoleons Leitung von jetzt an alles was in Spanien geschehen soll, abhängen wird.

Was den neuen König Ferdinand betrifft, der sich als Regent ausrufen ließ, aber kaum vier Wochen sich in dieser Würde zu behaupten vermochte, so ist von diesem ehemaligen Könige jezt gar nicht die Rede. Die Franzosen nannten ihn nur Prinz von Asturien, und als solcher wird er ein Schloß in Frankreich beziehen und daselbst ganz in der Stille regieren. Auch scheint dieses für ihn zweckmäßiger als die Regierung eines Königreichs zu seyn, zu welcher er durchaus kein Talent hatte, denn seine Schwäche leuchtete von allen Seiten hervor. Jezt da er zu feigherzig war, nur einen Versuch zu wagen, um die angefangene Revolution durchzuführen, schreibt er abermals einen de- und wehmüthigen Brief an seinen hochzuverehrenden Herrn und Vater, und will diesen einen Beweis seiner Liebe, seines Gehorsams und seiner Unterwerfung geben, indem er zu Gunsten seines Vaters der Krone entsagt, und den Wunsch noch beifügt, daß er dieselbe noch viele Jahre tragen möge. Wie ein so schwacher Prinz, ohne Grundsätze, ohne Festigkeit des Charakters es wagen konnte, eine Revolution zu unternehmen, und sich vor den Augen des großen Napoleon und im Angesicht einer Französischen Armee die Krone aufsetzen zu wollen, das ist kaum zu begreifen.

Es ergiebt sich aus diesem Vorfall abermals die schon oft gemachte Bemerkung, das bei allen, was gegen Frankreich unternommen wird, die Nebenumstände den Kaiser so begünstigen, daß seine Gegner ihm selbst die Waffen in die Hand reichen um durch ihr eignes verkehrtes Benehmen, ihn nur noch grösser und mächtiger zu machen, und so ist auch das mächtige Spanien ihm zum beliebigen Gebrauch überliefert worden.


Actenstücke.[]

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Seit den Vorgängen zu Aranjuez war das Volk zu Madrid beständig in Gährung; seine Anmaßungen und seine Hochmuth waren auf einen Grad gestiegen, wovon man sich keinen Begriff machen kann. Der Sieg, den er über seinen König erfochten, die Trophäen, die es den 200 Karabiniers von der Garde des Friedensfürsten abgenommen hatte, flößten ihm den stolzen Glauben ein, seinem Eigensinn und seinen zügellosen Leidenschaften müsse Alles nachgeben. Die Franzosen wurden täglich insultirt. Zwar bestrafte man die Thäter öfters exemplarisch; allein stets setzten die Franzosen das kalte Blut und die Ruhe der sich bewußten Kraft den leidenschaftlichen Ausbrüchen der Volksmenge entgegen. Allerdings wurden diese Maßregeln der Franzosen auch durch die gute Gesinnung der Masse der rechtlichen Einwohner von Madrid unterstützt. Seit 2 Tagen waren die Volkshaufen zahlreicher, sie schienen auf ein gewisses Ziel geleitet zu werden; man streute Handbulletins, Proklamationen, auf dem Lande aus. Kaltblütige Beobachter, sowohl Franzosen als Spanier, sahen, daß sich eine Krise näherte, und sie sahen es mit Vergnügen. Ohne eine strenge Lektion war es unmöglich, diese verirrte Menge zu vernünftigen Ideen zu führen. Die Königin von Hetrurien und der Infant Don Francesco, unwillig über die Beleidigungen, die sie täglich erdulden mußten, begehrten und erhielten die Erlaubniß, sich nach Bayonne zu begeben *). Der Großherzog sandte einen seiner Adjutanten ab, um sie zu komplimentiren, und sie zu versichern, daß sie keiner Beschimpfung ausgesetzt seyn würden. Als dieser Offizier auf dem Platze vor dem Pallast ankam, ward er von einem Volkshaufen umringt. Er vertheidigte sich geraume Zeit. Er war auf dem Punkte, umzukommen, als zehn Grenadiere von der Wache anlangen, und ihn mit ihren Bajonneten retten. Im nemlichen Augenblick wurde ein zweiter Offizier von einem andern Volkshaufen verwundet. Die große Straße von Alcala, das Sonnenthor, die Piazzamayor füllen sich mit Volk. Der Großherzog läßt den Generalmarsch schlagen, und Jeder begibt sich auf seinen Posten. Ein Bataillon, das mit 2 Kanonen die Piketwache beim Großherzog hatte, marschirt auf den Platz vor dem Pallast. Bald wird es von den Meuterern herausgefordert; es stellt sich in Schlachtordnung, und beginnt in zwei Linien sein Feuer. Die Kartätschen fliegen in verschiedene Straßen; augenblicklich verschwinden alle Volkshaufen, und auf den wüthendsten Hochmuth folgt die größte Bestürzung. Der Großherzog hatte dem Gen. Grouchy Befehl geschickt, durch die Alcalastraße heranzuziehen, und einen Haufen von mehr als 20,000 Menschen, der sich auf dieser Strasse von den benachbarten Plätzen versammelt hatte, zu zerstreuen. Dreißig Kartätschenschüsse und einige Angriffe mit der Kavallerie reinigten sogleich alle Straßen. Die Aufrührer flüchteten sich nun in die Häuser, und fingen an, aus den Fenstern zu schießen; allein die Brigadegenerale Guillot und Daubray ließen die Thüren einschlagen, und Alles, was man mit den Waffen in der Hand und feuernd fand, wurde niedergemacht. Ein Detaschement von der Garde zu Pferde, den Eskadronschef Dausmenil an der Spitze, hieb auf dem Platze mehreremale ein. Diesem Offizier wurde zwei Pferde unter dem Leibe getödtet, dem Gen. Grouchy eins verwundet. Während dieß vorging, liefen die Aufrührer nach dem Zeughaus, um sich der 28 Kanonen zu bemächtigen, und sich mit den 10,000 Flinten zu bewaffnen, die dort lagen. Allein Gen. Lefranc, der mit seiner Brigade im Kloster St. Bernadino kasernirt war, kam mit einem Regiment im Sturmmarsch herbei; die Aufrührer hatten kaum Zeit, ein Paar Kanonenschüsse zu thun; Alles, was sich im Zeughause befand, wurde zusammengehauen. Die Flinten, die sie eben aus den Kisten zu nehmen angefangen hatten, wurden wieder in die Waffensäle verschlossen. Aus den benachbarten Dörfern war eine große Menge Bauern zu dieser gewaltigen Unternehmung in die Stadt berufen worden. Als diese indeß sahen, mit welcher Schnelligkeit man den Auflauf zerstreut hatte, wollten sie sich wieder aufs Land retten, allein die Cavallerie erwartete sie vor den verschiedenen Ausgängen der Stadt; man hieb auf der Ebene in sie ein, und alle, die man mit den Waffen in der Hand gefangen nahm, wurde füsilirt. Bloß die französische Besatzung von Madrid hat an diesen Begebenheiten Theil genommen; das heißt, zwey Füsilierbataillons von der Garde, unter Obrist Friederichs; ein Piquet Chasseurs von der Garde, und 5 oder 600 Mann Reiterey. Als der Kanonendonner erschallte, schlug man in den fünf Lagern Generalmarsch; die Divisionen stellten sich und eilten im Doppelschritt nach Madrid; allein bey ihrer Ankunft war die Ordnung schon wieder hergestellt. Die 3000 Mann, welche die Besatzung der Stadt bildeten, hatten hingereicht, alles zur Vernunft zurück zu bringen. Unser Verlust wird auf 25 Todte und 45 bis 50 Verwundete geschätzt; von den Aufrührern sind mehrere tausend geblieben.

Madrid, den 2. Mai 1808.

*) Nach den spanischen Nachrichten rührten diese Beleidigungen von den Franzosen, und der Aufstand des Volks davon her, dass diese zwey letzten noch anwesenden Glieder der königlichen Familie auch nach Bayonne abgeführt werden sollten.


Quellen.[]

  1. Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
  2. Sammlung der Actenstücke über die spanische Thronveränderung. Germanien, 1808.
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