Französische Urtheile über Deutschland.[]
- [Januar]
Eine Konstitution -- sagt das Journal de l'Empire -- die in einem Zeitraum von tausend Jahren sich weder konsolidiren noch auflösen konnte, ein eitler Name der Monarchie, der ein nicht übereinstimmendes Gemisch von Hierarchie und Demokratie deckte; die Staaten dieses unförmliches Reiches bald in äußerster Wuth sich bekämpfend, bald mit langsamen Ernst zusammen streitend; ein Land, das Allen und Keinem zugehören scheint; ein blutiger Kampfplatz, wo sich die Armeen von ganz Europa begegneten; ein dunkles Labyrinth von Formen, in welchem sich jede Intrigue aller Kabinette verirrten und gegen einander rieben; ein Senat von Königen, durch Factionen zerrissen, dieses war der Anblick, den Deutschland am Ende des achtzehnten Jahrhunderts gewährte, in jener denkwürdigen Epoche, wo so viele alte politische Gebäude einstürzen sollten. Nach langen Schmerzen erscheint ein von der Vorsicht erkohrner Held auf der Scene der Welt; Europa erkennt in ihm einen andern Karl den Großen; Frankreich erhebt für ihn den Kaiser Thron des Occidents; die chimärische Krone, die man in Regensburg anbetete, erbleicht vor den Glanz jener wirklichen Krone; die Fürsten Deutschlands gaben ihm den Titel des Protektors, gehorchend der natürlichen Anziehungskraft, und sich losreissend von dem politischen Chaos, kommen die prächtigen Ueberbleibsel des deutschen Reichs, um sich von selbst an ihren alten Centralpunkt anzuschliessen.
Wer wird es wohl glauben, und doch ist es so, doch gab diese politische Wiedergeburt einer neuen Secte von Machianellisten den Ursprung. Es ist in Baiern, in München, unter den Augen einer der aufgeklärtesten Regierung, wo ein sich nennender Doktor der Philosophie, ein gewisser Zintel, in Schriften Grundsätze verbreitet, die alle Gerechtigkeit, alle Ordnung, alle öffentliche und Privatfreiheit am meisten untergraben.
Dieser Doktor behauptet in seinem Rechte des Rheinischen Bundes, daß die Fürsten Deutschlands die jetzt Souveraine geworden sind, gegen niemand Pflichten hätten, wer es auch sei; daß sie nur, so lange es ihnen beliebt, durch Traktaten gebunden seien; daß sie nicht verpflichtet wären, ihre Staats- oder Persönliche Schulden zu zahlen.
Ohne Zweifel, sagen dagegen die Herausgeber des rheinischen Bundes, die Fürsten Deutschlands sind zu bieder, um einen solchen Gebrauch von ihren neuen Rechten zu machen; ohne Zweifel werden sie nicht als blinde Schüler des Doktor Zintel die engen Ideen eines düstern Despotismus, den großen liberalen Ideen substituiren, die der Kaiser der Franzosen nicht aufhört, allenthalben, wohin er seine siegreichen Waffen trug, zu verkündigen.
Wenn die Bundesacte, indem sie die Deutschen Fürsten zu Souverainen deklarirt hat, nicht auf eine ausdrückliche Art den Grundsatz der National-Repräsentation erklärt hat, so ist es, wie Joh. von Müller energisch in der Jenaer Literatur-Zeitung sagte, "weil eine solche Erklärung nicht mehr nöthig war, als es eine den deutschen Völkern gegebene Erlaubniß fortzufahren zu essen und trinken gewesen wäre."
Man sieht also, daß die Aufgeklärtesten Deutschlands nicht mit Zintel denken, daß jemals der Despotismus die Basis der Konstitutionen werden kann, die da bestimmt sind, die verschiedenen Nationen Deutschlands zu regieren.
Ein Blick auf Deutschland.[]
- [August]
Die Deutsche Verfassung ist umgewandelt und wird es noch viel mehr werden. Man seufzt, man klagt darüber allgemein, aber sind diese Klagen auch gerecht? entspringen sie nicht aus einer Art von Stolz, aus der Anhänglichkeit an eine alte Verfassung, der man jedoch die Unvollkommenheit nicht absprechen kann? Um sich davon zu überzeugen, muß Deutschland betrachtet werden, wie es bisher war, und ich denke, es kann nicht schwer seyn, einzusehen, daß diese Verfassung nicht bestehen konnte, daß das alte morsche Gebäude nothwendig einstürzen mußte, und daß die Deutschen sich sehr wohl befinden werden, wenn es ihnen anders mit der Wiedererbauung ein Ernst ist.
Der Gang aller Deliberationen war, wie bekannt, sehr langsam und unvollkommen, so daß gar nichts, was geschwinde Ausführung bedurfte, ins Werk zu setzen war. Deutschland hatte eigentlich zu sagen, gar keine Verfassung, und das wenige, was einer Verfassung ähnlich sah, war nichts weiter, als ein Despotismus, denn die Leibeigenschaft war an den meisten Orten im vollsten Gange und daher ereigneten sich Vorfälle, die beispiellos waren.
Wer kennt nicht die Greuelthaten dieser Art, da die Hessen, Braunschweiger, Zerbster xc. dem allgemeinen Feinde des Friedens, an England verkauft wurden. Man sagt, es herrsche in der Türkei Despotismus, aber nie hat man gehört, daß ein Großsultan seine Unterthanen verkauft habe.
Kam es in Deutschland zum Kriege, und das war oft der Fall, so sah es mit den Deutschen Truppen gar jämmerlich aus, obgleich es allgemein bekannt, daß die Deutschen sehr brav waren. Mit dem Namen Reichsarmee verband man keine andere Idee als daß solche aus Soldaten bestand, die zu nichts taugten, als -- davon zu laufen. An dem allen war blos die Verfassung Deutschlands Schuld. Immer allgemeiner wurde die Anarchie, denn jeder unsrer Deutschen Fürsten handelte nach Willkühr, that war ihm beliebte, und so konnte es nicht fehlen, daß da ein Mächtiger über sie kam, auch die Auflösung des ganzen heiligen Römischen Reichs erfolgen mußte.
Aus dieser Umwandlung ist nicht schwer einzusehen, daß solche für die Deutsche Nation sehr wohlthätig seyn wird, denn aus Deutschland ist nun grade das Gegentheil von dem geworden, was es bisher war, und der allgemeine Bundesverein unter seinen mächtigen Beschützer sichert Deutschlands Existenz, da im Gegeutheil die großen Mächte die kleinern würden verschlungen haben, wenn diese Umwandlung nicht schleunig erfolgt wäre.
Es ist ganz bestimmt, daß die Nation an Größe und Selbstständigkeit gewonnen, seitdem das bisherige Reichswesen gestört worden. Sie hat einen Charakter von Tapferkeit erhalten, der unverkennbar ist, und einige Schriftsteller die man nicht in das Schmeichlerheer zählen kann, behaupten, der Deutsche wäre unter Napoleons Leitung auch schon beweglicher geworden, als er es bei der ehemaligen Pedanterie werden konnte.
Deutschland hat innere Kraft, aber es wußte solche nicht zu benutzen, und in so ferne hat es seinem mächtigen Beschützer viel zu verdanken, besonders daß die schlummernden Kräfte geweckt wurden. Doch jetzt zeigt sich nur der Anfang von den Wohlthaten die aus Deutschlands Umwandlung entspringen, und wenn es einst die Vorzüge einer raschen Rechtspflege und allgemein gültiger Gesetze genießt, dann erst wird man richtig urtheilen lernen, ob nicht die Aufhebung der bisherigen Verfassung ein Glück für Deutschland gewesen sei. Den Deutschen scheint es grade wie den Kindern zu gehen, denen Spielzeuge, die ihnen gefährlich sind, aus den Händen genommen werden, erst in reifern Alter segnen sie ihre Erzieher, statt daß sie als Kinder weinten, wenn man eine neue Ordnung ihrer Lebensweise einführen wollte.
Bemerkungen über Deutschland, für Deutsche.[]
- [Dezember]
Durch die Schlachten von Austerlitz, Jena und Friedland ist Napoleon der Schiedsrichter des Kontinents geworden, er erhielt aber durch seine Siege gleichsam nur stillschweigend die Gewalt über das ehemalige Deutsche Reich, und wußte sehr wohl, daß es nöthig sei, diese eroberte Macht durch Verträge auch für die Zukunft zu sichern. Daher hat Napoleon den Rheinischen Bund gegründet und bei dieser neuen Umgestaltung ist die Konstitution des Reichs ganz umgeschmolzen worden. Noch ist zwar die Organisation dieses Bundes nicht vollendet, was man aber bisher davon abnehmen konnte, so beruhen seine Grundsätze vornehmlich auf Gleichheit der Rechte und Gewissensfreiheit, und schon in dieser Hinsicht ist der Bund wohlthätig zu nennen, weil beide Hauptstützen eines wohl eingerichteten Staats in der ehemaligen Deutschen Konstitution gänzlich vermißt wurden. Die Hoffnung, Deutschland jemals wieder als ein Ganzes zu sehen, ist den Deutschen zwar benommen, aber aufrichtig gesagt, sie können die Ehre, eine bedeutende Rolle im großen politischen Schauspiele zu übernehmen, auch gern entbehren, sie war ihnen nie fruchtbringend, und wenn Bürgerglück, Freiheit, Künste und Wissenschaften gedeihen, so ist dieses mehr werth, als die unglückliche Aussicht für die Unterthanen, durch die Kriege ihrer Fürsten zu Grunde gerichtet zu werden. Zuerst und nach der Schlacht von Austerlitz umfaßte dieser Bund nur die südlichen Staaten des ehemaligen Deutschen Reichs, die durch den Drang der Umstände sich genöthigt sahen, an Frankreich anzuschließen, aber nach den Schlachten von Jena und Friedland mußten auch die übrigen Fürsten des Nordens und die Sächsischen Häuser diesem Bunde beitreten, denn durch Zertrümmerung der Preußischen Macht war das Schicksal Deutschlands völlig entschieden. Die Staaten die zu der Rheinischen Konföderation gehören, werden der Größe nach zu 4000 Quadratmeilen und in Ansehung der Bevölkerung zu 12 Millionen Seelen angegeben, und über Hannover so wie üb_r Pommern ist noch nicht entschieden worden. Man sieht daraus wie respektabel die Macht sei, die unter Napoleons Protektorat gekommen, und daß er unter diesem Titel sich als Herrscher Deutschlands nach Gefallen zeigen könnte, das ist wohl ausgemacht, aber -- nach seiner Weisheit fand er für rathsamer, die Veränderungen welche Deutschlands Verfassung erlitten, dessen Bewohnern nicht auf einmal so bemerkbar zu machen, und daher wählte er bis jetzt den Namen eines Protektors, obgleich leicht einzusehen ist, daß keiner von den Deutschen Fürsten ihm, dem großen Feldherrn und Kaiser, auch Deutschlands Regierung streitig machen wird. Wie bekannt hat Preußen durch den Tilsiter Frieden die Hälfte seiner Staaten verlohren und sein Verlust beträgt über 2000 Quadratmeilen mit mehr als 4 Million_n Einwohnern. Unter diesen Umständen hat Preußen aufgehört eine Stimme zu haben, und wenn auch die Oesterreichische Monarchie an Hülfsquellen noch immer eine reiche Macht zu nennen ist, so werden solche doch zu wenig benutzt, und -- kurz, die Regierung ist von der Art, daß diese Macht nie eine bedeutende Rolle auf dem Schauplatz der Politik wird übernehmen können. Ueber diese Resultate der bisherigen Kriegsübel muß der Deutsche Patriot sich herzlich freuen, denn es giebt ihm die frohe Aussicht zum Frieden, und wie bekannt, gedeiht nur das wahre Glück der Bürger im Frieden.