Von Reisende.[]
Friedrich Johann Lorenz Meyer.[]
- [1796] </smup>
Alle Geschäfte dieser gesetzgebenden Versammlung geschehen durch ernannte Ausschüsse, und nur das Resultat der Konferenzen wird in den Sitzungen des Raths berichtet, und zum Dekret gebracht; die Debatten selbst sind nur selten von Bedeutung, wie sie es bei andern Einrichtungen vordem waren. Staatsgeschäfte von grosser Wichtigkeit und allgemeinem Interesse, werden in dem geheimen Ausschuss, wozu sich der ganzen Rath formirt, verhandelt, wobei kein Zuhörer gegenwärtig ist. Die Versammlungen des Raths sind deswegen für den fremden Zuhörer, nach der Stillung der ersten Neugier, den grossen Volkssenat in seiner Sitzung zu sehen, nur dann interessant, wenn man über einen Kommissionsbericht wichtige Debatten voraussieht; und das ist bei der Bekanntschaft mit einem oder dem andern Deputirten, leicht vorher zu erfahren.
Der Rathsaal der Fünfhundert ist die vormalige Reitbahn im Garten der Tuillerien, der ehemals der konstituirenden Versammlung gehörte. Man hat ihn eingekürzt; er formirt jetzt ein einfach dekorirtes langes Viereck von gutem Verhältnisse. Der erhöhte Präsidentenstuhl, mit seinem Büreau, und die Rednerbühne vor demselben, sind an dem schmalen Ende; fünf amphitheatralische Sitzreihen der Repräsentanten laufen den Saal hinab, und lassen in der Mitte eine länglichte Arena. Am andern Ende ist, als die sechste Sitzreihe, die Barre mit der Tribüne der Petizionairs; dahinter sind, in den abgeschnittnen Saalecken, die beiden Logographenlogen, und darüber die Volksbühnen. Die Sitze der Repräsentanten sind numerirt, und werden periodisch durchs Loos verwechselt, durch welche Einrichtung den vormaligen Parteienverbündungen, und jenen, böser Vorbedeutung vollen Benennungen der rechten und linken Seite, des Berges und Sumpfes, nun vorgebeugt wird. Die Volkstribünen sind verkleinert, und fassen etwa zweihundert Menschen. Es entsteht daher, vor der Eingangsthür zu diesen Tribünen bis auf die Gasse hinaus, ein langer Schweif von Leuten, die nach und nach, so wie andre die vollen Tribünen verlassen, einzeln hinaufgelassen werden. Auf den Volkstribünen, die einst, mit unerhörter Frechheit, die Versammlungen verspotteten und trotzten, herrscht ungestöhrte Ruhe; die geringste Ungezogenheit eines Zuhörers wird mit der Verweisung aus dem Saale bestraft. -- In den Logographenlogen sitzen etwa zwanzig, von Journalisten besoldete Geschwindschreiber. Merkwürdig ist ihre Gewandheit im Auffassen der Hauptpunkte der Debatten, und im Nachschreiben. Ihre Schrift ist eine Chiffersprache von Abkürzungen. Diese Bursche erheben sich oft selbst zu den ersten Zensoren der Verhandlungen und Reden; unverschämt tadeln sie, oder lachen unter sich; und es geschieht nicht selten, dass einer zur Ordnung gerufen, oder von dem Präsidenten aus dem Saale verwiesen wird. Es ist übrigens kaum begreiflich, wie diese Tachygraphen dem Vortrage folgen können, da es der Stöhrungen so viele giebt. in dem, nicht nach den Regeln der Akustik gebauten Saale, verliert man, in dieser weitesten Entfernung von der Rednerbühne, ohne die höchste Anstrengung des Gehörs, viel von den Reden, wenn die Sprache des Redners nicht sehr laut und artikulirt ist; das Geräusch in der Versammlung, durch das Öffnen und Schliessen der Thüren, das Gehen auf dem hohlen hölzernen Amphitheater, das laute Zwischenreden der Repräsentanten, und das immerwährende Geschwätz der Geschwindschreiber selbst, sind für den ihnen nahen Zuhörer eben so viel Stöhrungen der angestrengtesten Aufmerksamkeit. -- Das sogenannte Murren in der Versammlung ist ein seltsames Getöse von unartikulirten Tönen, Räuspern, Scharren oder gar Stampfen der Füsse, dem die Klingel des Präsidenten Stille gebietet; und das Geblöke der Haussiers: Silence, citoyens! verursacht oft mehr Lärm, wie jenes Getöse selbst.
Morgens eilf Uhr sollen die Sitzungen anfangen, selten aber werden die vor Ein Uhr geöffnet, wenn dann die zur Deliberazion erforderliche konstituzionelle Zahl, von wenigstens zweihundert Mitgliedern, bei einander ist; doch hält man nicht strenge hierauf; ich habe einigemal bei Eröffnung der Sitzung viel weniger Repräsentanten auf ihren Sitzen gezählt, aber es kommen dann mit jeder Minute mehr hinzu. Die vorbereitenden Konferenzen der Ausschüsse, die Vorarbeiten der Berichterstatter, die Zersteuungen und Geschäfte der Deputirten selbst, und das Verhältniss der, in zwei, höchstens drei Stunden abzumachenden Verhandlungen, veranlassen diese Verspätungen.
Die für die Deputirten dekretirte Kleidertracht ist noch nicht eingeführt, und wird wahrscheinlich nie eingeführt werden, da man schon gegen den theatralischen Schnitt dieser Braminen-Tracht Einwendungen und Anträge gemacht, und eine passendere Kleidung der Repräsentanten vorgeschlagen hat. Auch würde die Anschaffung des Kostüme, es möchte nun vom Staate besorgt, oder von den Deputirten bezahlt werden sollen, in beiden Fällen zu kostbar sein. -- Der Präsident zeichnet sich durch eine, über den Rock gegürtete dreifarbige Schärpe aus; die Huissiers tragen eine rothe. Die Repräsentanten sollen auch dreifarbige Schärpen, und dreifarbige Federbüsche am Hut tragen, aber ein solcher Représentant en costume ist eine sehr seltne Erscheinung.
-- Die Kleidung der meisten Repräsentanten ist reinlich und ordentlich, diejenigen ausgenommen, welche aus natürlichen Anlagen, oder bei sehr beschränkter ökonomischer Lage, ihr Äusseres vernachlässigen, und das Auge mit einem sehr schmutzigen Anzuge beleidigen.
Der Geist der Mässigung, der Ordnung und der Ruhe, dieser gute Geist der jetzigen Verfassung, herrscht in den Versammlnngen der Gesetzgeber der Nazion, mit höchst seltenen Ausnahmen, wo der Dämon Zwietracht sein scheussliches Haupt noch einmal erhebt, so wie er einst die Versammlung der Volksvertreter täglich beherrschte und umhertrieb. -- Die grosse Majorität der Versammlung ist von jenem guten Geiste beseelt, sowohl die, welche durch Rednertalente und andre vorzügliche Eigenschaften des Kopfs und Karakters ihre Namen berühmt machen, und den Ton angeben, die auch die grössre Zahl derjenigen, die sich an diese Männer anschliessen, bloss des Stimmegebens wegen da, und sonst meistens unbedeutende Menschen sind; wie es z. B. mein vorerwähnter Représentant en costume war.
Bei Szenen, die durch ein innres Reiben des Parteigeistes der Minorität der Versammlung erzeugt werden, ist das Übergewicht jener Majorität zwar immer sehr entscheidend, aber sie sind nichts desto weniger ärgerlich, und werden von allgemeiner Misbilligung gefolgt. --
Ernst Moritz Arndt.[]
- [1798 - 1799]
Das gesetzgebende Korps hat seinen Sitz in dem schönen vormaligen Pallast Bourbon dicht an der Revolutionsbrücke in der Vorstadt St. Germain. Ein großer Saal ist in eine herrliche Tribune umgewandelt, wo die Sitze zur Ersparung des Raums amphitheatralisch angebracht sind. Der Präsident hat seinen Stuhl und Tisch neben der Rednerbühne, welche vor der Stirn aller Sitze steht. Oben sind wenige Gallerien und Logen für die Zuhörer angebracht, mit Fleiß wenige, damit diese nicht auf die Verhandlungen zu sehr durch Geschrei und Beifall und Tadel wirken können, wie dieses sonst nur zu sehr der Fall war. Einige Logen und die Gallerie waren für jeden Bürger, und immer gab es gegen die Zeit der Eröffnung der Sitzungen eine Menge Neugieriger oder Müssiggänger, die sich hier die Zeit vertreiben lassen wollten. Es war oft ein Gedränge schon im Eingange des Pallastes, daß die hintersten sicher seyn konnten, nicht in den Teich zu Bethesda zu kommen; und wann es wichtige Verhandlungen gab, waren einige Stunden vor der Oeffnung der Thüren alle nächsten Zugänge schon besetzt. Fremde, die die Repräsentanten der Majestät des Volks auch einmal in ihrer Glorie zu sehen wünschten, mußten sich durch ihre respektive Gesandten, oder durch eines der Mitglieder und Saalinspektoren ein Eintrittsbillet in die Departements-Logen oder die für die fremden Gesandten bestimmten zu verschaffen suchen. Durch solche Begünstigungen bin ich mehrmals ganz bequem hineingekommen, ohne mich den Fäusten und Ellenbogen der Menge und ihrem erstickenden Dampfe Preis geben zu müssen.
F. J. L. Meyer.[]
- [1801]
Paris. An dem Quay im Angesicht der NationalBrüke ist der neue Saal der gesezgebenden Versammlung in dem vormaligen Pallast Bourbon von einem Architekten, Namens Gisor, erbauet, und war dem Rath der Fünfhundert bestimmt. Ich müsste Zeichner seyn, um diesen grossen, glänzenden Saal anschaulich, wenigstens im Umriss, darstellen zu können. Mit mehr Pracht ist in Frankreich vielleicht kein Gebäude dieser Art errichtet und dekorirt, als dieses -- und das in den Jahren des tiefsten Verfalls der Staatsfinanzen, und der Armuth der grösten Theils seiner Bürger, wo die unglükliche Handwerker und Arbeiter von der Regierung mit Papier ohne Werth bezahlt wurden. Der Gedanke schwächt bei mir den Eindruk dieser glänzenden Halle. Ich glaube darinn den Pallast eines jener mit Goldflittern behängten privilegirten Staatsdiebe, einen Lieferanten, Agioteur, u. dgl. zu sehen, der des Armen spottend, ihm einen Stein statt Brod zuwirft. -- Der Saal mit seinem Halbamphitheater, seinen Tribünen, seiner Rednerbühne und dem Präsidententhron, leuchtet vom schönsten Marmor, von Bronz, Akajouholz, Sammt und Gold. Die Statuen römischer und griechischer Gesezgeber und Redner und die allegorischen Basreliefs, sind von einem zwanzigjährigen Bildhauer Lemot, der jezt aus Italien zurükgekommen ist, um die erstern -- bis jezt nur Modelle von Gips -- in Marmor auszuführen. Die Schönheit der Kuppelform dieser von oben herab beleuchteten Halle, mit der Harmonie der Farben, dem zarten Geschmak, der sinnreichen Kunst gepaart, bezaubert das Auge: aber mit drängt sich nun einmal jedes Bild auf; es schwebt mir vor, wohin ich an diesen glänzenden Wänden blicke.
August von Kotzebue.[]
- [1804]
- Der Saal der Fünfhundert.
So muß der Versammlungsort des alten römischen Senats ausgesehen haben, und wenn er nicht so ausgesehen hat, so hat er sicher dem Saal der Fünfhundert weit nachgestanden. Dieser ist prächtig ohne Luxus, eine einfache, aber darum imponirende Pracht. In einem großen halben Zirkel erheben sich amphitheatralisch 500 Sitze, hinter diesen eine Gallerie für die konstituirten Autoritäten, und über derselben eine zweite für das Volk. Die Decke, die sich an letztere schließt, wird durch die Bilder alter Gesetzgeber und berühmter Republikaner geschmückt. Da sind Solon, Lykurg, Regulus, Cato, und viele Andere, stets mit Angabe der Zeit, in welcher sie gelebt haben. In der Mitte aller dieser Bilder thront die Natur, mit der Umschrift: "die Natur allein giebt ewige Gesetze." -- Das Licht erhält der Saal von Oben, und die Wärme von Unter, denn Fenster und Oefen hat er nicht.
Den Sitzen der Fünfhundert gegen über steht eine schöne Tribüne für den Präsidenten, ein wenig tiefer eine zweite für die Sekretairs. Die Wände sind ringsumher drapirt, aber nicht mit dreifarbigem, sondern mit dunkelgrünem Tuche mit feuerfarbenen Verzierungen. Alles ist einfach erhaben, und es scheint mir unmöglich, irgend ein Lokal auf der Welt seiner Bestimmung gemäßer einzurichten.
In der That werden alle die kleinen Hilfsmittel, welche so sehr auf die Sinne, und durch diese auf den Geist wirken, von uns hypersoliden Deutschen gewaltig vernachläßigt: wir spötteln wohl gar darüber, denn wir sind viel zu vernünftig dazu; deßwegen kommen wir auch vor lauter Vernunft nie zum Handeln. -- Der Franzose hingegen vergißt Nichts von Dem, was ihn an seine Thaten erinnern, oder zu künftigen Thaten anfeuern kann. Was er zu diesem Behuf erfindet, ist nicht immer Original, er kopirt meistens die Griechen und Römer, aber gleichviel, wenn es nur die nämliche Wirkung wie damals hervorbringt. So sind z. B. in den Hallen des Palais legislatif Tafeln aufgehangen, auf welchen die verschiedenen Eroberungen und Siege der Armeen verzeichnet sind. Wer nun in diesen Hallen auf und nieder wandelt, liest unwillkührlich was, wohin er sich auch wenden mag, die Tafeln ihm vorhalten; im Soldaten erweckt es Ehrgeiz, in Bürger Nationalstolz; wer unter jenen Armeen diente, findet sich schmeichelhaft belohnt, wer jetzt darunter dient, genießt den Vorgeschmack des Lohns, der seiner wartet. Doch das Letztere wohl nie mehr, als wenn er das Hotel der Invaliden besucht.
Quellen.[]
- ↑ Fragmente aus Paris im IVten Jahr der französischen Republik von Friedrich Johann Lorenz Meyer Dr. Domherrn in Hamburg Hamburg bei Karl Ernst Bohn 1797.
- ↑ Ernst Moritz Arndts Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 und 1799. Leipzig 1804. bey Heinrich Gräff.
- ↑ Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs, von F. J. L. Meyer Dr. Domherrn in Hamburg. . . Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1802.
- ↑ Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. von August von Kotzebue. Berlin 1804 bei Heinrich Fröhlich.