Von Bastille bis Waterloo. Wiki

Rath der Fünfhundert.[]

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Die Majorität patriotisch. Die Patrioten zerfallen in zwey sehr ungleiche Massen, die iezt miteinander gehen, wovon aber die einen Despoten unter der Maske der Freiheitsliebe sind, welche ihren Republikanism gern so gut als möglich, benutzen, und alle Stellen an sich reissen möchten die andern wahre feurige Republikaner. Die Minorität theils aus Schlafmützen, theils aus einer abscheulichen Opposition bestehend. Menschen, mit Blut und Spuren des Kothes bedeckt, aus dem sie gekrochen sind, Rojalisten der schlimmsten Art führen sie an. Ehrgeizige, die gern emporsteigen wollen, schreyen gegen die Regierung, Schwachköpfe schleichen mit. Republikaner, eifersüchtig gegen das Direktorium und wachsam über die Erhaltung der Constitution, gehn zu Zeiten mit dieser Opposition in einer Linie, aber sie trennen sich bald wieder, und in dem Augenblick verliert auch die Opposition ihre Kraft. Sobald die böse Fraktion nicht blos schleicht, sondern sich mit aufgerichteten Haupte zeigt, ist sie auch schon überwunden.

Partheyen.[]

Die Haupt-Partheyen, welche in Betrachtung kommen können, sind, um mich des allgemeinen Ausdrucks zu bedienen.

Royalisten und Anarchisten.

Diese Partheynahmen werden so entsezlich gemisbraucht, daß man nothwendiger Weise hier verschiedene Unterabtheilungen annehmen muß, um nicht etwas ganz unriechtiges zu behaupten. Täglich ließt man hier in verschiedenen Partheyblättern, bald, daß alles aus Rojalisten bestehe, bald daß es keine Rojalisten in der Republick gäbe. Beide haben Recht, oder Unrecht, wie man es nehmen will. Andere Partheyblätter schreyen über die Oberhand der Anarchisten.

So viel mir bekannt ist, hat noch Niemand dem Auslande über unser Partheywesen die Wahrheit gesagt. Ich will versuchen, die wahre Lage der Dinge darzustellen, und die so unendlich verwirten Begriffe zu berichtigen.

Der grosse Scheidepunkt besteht eigentlich darinnen, was Patriot und was Gegenrevolutionair heisse? Unter den wahren Patrioten müssen wir nach der Lage der Dinge nothwendig denienigen verstehn, welcher das Bestehen der Constitution vom 3ten Jahr, so wie sie iezt eingeführt ist, von Herzen wünscht, und diesem Wunsche gemäß handelt. Ein Gegenrevolutionär ist derienige, welcher auf den Umsturz der gegenwärtigen Verfassung thätig ausgeht.

Nach dieser Difination kan es ein sehr möglicher Fall seyn, daß Jemand innerlich überzeugt zu seyn glaubt, der fränkische National-Charakter passe besser zu einer eingeschränkten Monarchie, als zu einer Republick; eben so wohl kan auf der andern Seite ein anderer glauben, daß Frankreich bey einer weit demokratischern Constitution, etwa bey der von 1793., glücklicher seyn würde: diese Leute nennt nun hier der Partheygeist Rojalisten und Anarchisten, und mit grossem Unrecht. Es giebt uudenlich viele Menschen, die ähnliche Meynungen hegen, und doch die besten Bürger sind.

Ferner giebt es Menschen, welche mit der iezigen Regierung, mit den iezigen Rathsgliedern unzufrieden sind, und eine Veränderung derselben wünschen, diese Menschen für Feinde der Constitution, für Rojalisten, für Anarchisten ausgeben zu wollen, würde eben so ungerecht seyn.

Die sogenannten Ueberpatrioten, welche ebenfalls sehr unrechtmäsiger Weise in eine Linie mit den Anarchisten gestellt werden, sind gar oft die besten Bürger. Sie haben sich ein Ideal von einer Republick, von moralischen Instituten in derselben entworfen, welches sich vielleicht nicht realisiren läßt; sie sind unzufrieden über die nachlässige Ausübung der bestehenden Geseze, über den Verfall unsrer Sitten, über die Misbräuche, die sich noch erhalten oder wieder eingeschlichen haben, und es würde wahrlich sehr Unrecht seyn, diese gutmüthigen Schwärmer, auch wenn sie zu Zeiten zu schwarz sehn, für schlimme Bürger auszuschreyen.

Hieher zähle ich auch die Rojalisten aus Religion, und aus gutem Ton, d. h. die Menschen, welche theils alles geduldig gehn lassen, aber glauben, der Herr werde schon einmal durch einen Engel eine Veränderung hervorbringen; den zweyten ist eigentlich iede Art von Regierungsform gleichgültig, und sie raisonniren iezt nur zu Zeiten einfältig ins Gelag hinein, weil es guter Ton ist. Hieher gehören fast zwey drittel aller Pariser Petitsmaitres und Petitesmaitressen. -- Diese leztere Classe ist aber wenigstens in so weit nicht ganz unschädlich, da ihr Necken und ihre Unverschämtheit die Hitzköpfe unter den Patrioten oft aufs Aeusserste und zu unüberlegten Handlungen treibt.

Gegenrevolutionairs sind also dieienigen, welche thätig an dem Umsturz der gegenwärtigen Verfassung arbeiten. Wir wollen hier erst von den Anarchisten und dann von den Rojalisten reden.

Anarchisten im eigentlichen Sinne des Worts, d. h. Leute, welche sich systematisch eine Idee von Anarchie in Frankreich gebildet hätten, und darauf ausgingen, diese Anarchie als ihren Zweck zu erreichen, giebt es gar nicht. Wohl aber sind noch hie und da Ueberbleibsel aus den alten Revolutions Ausschüssen geblieben, welche nichtswürdig genug seyn möchten, Rache und Plünderung über Frankreich nochmal zu wünschen, um sich zu bereichern. Das sind denn, wenn man will, die sogenannten Terroristen. Mit diesem Ausdruck wird iezt der abscheulichste Misbrauch getrieben. Man benennt ieden Mann damit, der eine strenge Ausübung der Gesetze wünscht, oft auch sogar ieden Republikaner im Allgemeinen. Sie werden in hiesigen Blättern tagtäglich finden, daß die Glieder des Directoriums, des Ministeriums, und der beyden Räthe aus lauter Terroristen zusammengesetzt seyen. Daß dieß abgeschmackt sey, braucht wohl nicht erst bemerkt zu werden. Andere verstehen unter dem Wort Terroristen ieden, der sich bei der Geschichte der Revolution ausgezeichnet hat. Diß ist eben so vag und unrecht. Die wahren Terroristen verfallen in drei Classen, nemlich in:

1.) Politische Fanatiker, welche aus Schwärmerey, aus Ueberspanntheit der Begriffe zuweilen auch aus Furcht in der besten Meynung, daß man bey einer Revolution gewaltsame Mittel ergreifen müsse, dem Antrieb befolgten, den ihre schlauere Bösewichter gaben.

2.) Raubgesindel, das sich, ohne irgend eine politische Meynung zu haben, überall da anhängt wo es zu stehlen giebt, heute an den aufgebrachten Pöbel, der ein königliches Schloß plündert, morgen an die Schaar der Kriegsknechte, welche die Häuser der Aufstandshäupter verbrennen. -- Der gleichen Gesindel, meist aus alten Bedienten, verdorbnen Wirthen xc. bestehend, hatte man viel unter die Revolutionsausschüsse gemengt.

3.) Berechnende Anhänger des Königthums, welche durch Gräuel die Nation von der Freiheit zur Knechtschaft zurückführen wollten.

Man sieht, daß diese letztere Parthey ganz dem Royalism zugehörte, und die zweite Classe sich daran anschließt. Die erste Classe kann, der Lage der Dinge nach, nie mehr furchtbar werden.

Unter den Anarchisten, die iezt noch sogenannt werden, und schädlich seyn könnten, kann ich mir blos zweyerley Leute denken, die ich viel eigentlicher unter der Rubrick Royalism aufführen sollte.

Die erste Classe besteht aus Leuten, welche sich anfänglich mit vielem Eifer in die Revolution geworfen haben. Sie hegten aber dabey übertriebne egoistische Erwartungen. Sie wollten nun, blos deswegen, weil sie sich Patrioten nannten, alle einträgliche und bedeutende Stellen haben. Statt ihren Endzweck zu erreichen, verarmten sie bey der Revolution, und wurden, oft ungerechter Weise, gekränkt. Diese Leute gehn also iezt, ohne sich irgend einen bestimmten Zweck vorgesetzt zu haben, darauf aus, eine neue Umwälzung der Dinge zu bewürken, weil sie hoffen, daß sie dann Gelegenheit finden möchten, eine vortheilhafte Rolle zu spielen.

Die zweite und gefährlichste Classe sind die Söldlinge des Auslands, welche es dahin bringen sollen, daß Unzufriedenheit und Unruhe in Frankreich beständig überhand nehme, und die Constitution nie zu einer gewissen Festigkeit gelangen könne. Diese Leute wollen eigentlich weder uneingeschränkt, noch konstitutionelle Monarchie, weder Verfassung von 1791. noch von 1793. noch von 1795. sie sind nichts als Schurken, welche von dem grossen Mordbrenner Pitt besoldet werden, um das Haus in Brand zu stecken, das er plündern will. Unter diese Rubrick gehören unsre meisten Flugblätter, hauptsächlich die Verfasser der Apostelgeschichte, der Quotidienne, des Censours, des Mirons u. s. w.

Die Royalisten theilen sich in eine Menge verschiedner Zweige, welche sich untereinander so grimmig hassen, als die entgegengesetzten Partheyen. Einige wollen im allgemeinen nur einen König, ohne sich darum zu bekümmern, wer es werden möge; andere haben ihr Auge auf diesen oder jenen Prinzen geworfen. Einige wollen die alte Monarchie, wie sie von 1789 bestand, wieder hergestellt wissen; andere lieben die Constitution von 1791. oder eine ähnliche. Die Verübungen des Royalism von [[1789}1789.]] und 1791. sind sehr sichtlich. Die Anhänger der alten Monarchie sind theils auf Seiten des Prätendenten, theils auf Seiten Condés. Diese Spaltungen sind so groß, daß sicher auch denn, wenn der Satz: wir wollen einen König haben, schon ausgemacht wäre, die verschiednen Partheyen sich unter einander aufreiben würden. Die meisten Anhänger (so unwahrscheinlich diß auch klingen mag.) hat noch der Prätendent und die alte Form der Monarchie.

Diese Partheyen, so wüthend auch ihr Haß gegen die Republick seyn mag, sind meiner Meynung nach, nicht zu fürchten, so lange die Regierung nicht zu Boden gestürzt ist. Aber die furchtbarste Partheyen sind die Semirojalisten, d. h. die Parthey, welche, ohne sich vors erste darum zu bekümmern, wer König seyn soll, oder unter welcher Form, blos dahin ihr Augenmerk richtet, allen Gewinn der Revolution zu vernichten, einen neuen Hof und die ersten Magistratspersonen zu bilden, sich alle einträgliche Stellen zuzueignen, alle Republikaner, davon zu verdrängen, das Volk auszusaugen und muthlos zu machen, die alten Misbräuche wieder herzustellen, Familien, Connexionen zu benutzen, um Einfluß und Geld zu aristokratischen Vorzugsrechten zu machen xc.

Diese Semiroialisten oder Oligarchen sind die wahre gefährliche Parthey, welche der Republick weit mehr Schaden zugefügt, als die Commissaire des Prätendenten. Sie sind gewohnt, sich in alle Formen zu schmiegen, und haben ein grosses Uebergewicht über die Republikaner, weil sie Bildung und Geld besitzen, und schlau genug sind, den Patrioten nie geradezu den Krieg anzukündigen, sondern sie als rohe Anarchisten zu verfolgen.

Noch giebt es so viele kriechende, verdorbne feile Ueberbleibsel des Königthums, daß iedes Partheyhaupt immer ein Paar Parasiten und Schmeichler findet, die es vergöttern. Der Hauptmann der Semiroialisten ist der Minister Benezech. Als er neulich seine Reise nach Belgien machte, und Bericht darüber abstattete, glaubte man einen ehemaligen Kammerherrn oder Hofmarschall zu hören. Suard erzählte in seinem Blatte die Feyerlichkeit, welche zu Antwerpen und Brüssel dem Minister zu Ehren angestellt wurden, und fügt hinzu: le Ministre a daigné sourire, gerade, wie man sonst sagte: Sr. Königl. Majestät geruhten durch ein huldreiches Lächeln ihre allerhöchste Zufriedenheit allergnädigst zu erkennen zu geben. O über die Republikaner von 1797.


Von Reisende.[]

Friedrich Johann Lorenz Meyer.[]

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[1796] </smup>

Alle Geschäfte dieser gesetzgebenden Versammlung geschehen durch ernannte Ausschüsse, und nur das Resultat der Konferenzen wird in den Sitzungen des Raths berichtet, und zum Dekret gebracht; die Debatten selbst sind nur selten von Bedeutung, wie sie es bei andern Einrichtungen vordem waren. Staatsgeschäfte von grosser Wichtigkeit und allgemeinem Interesse, werden in dem geheimen Ausschuss, wozu sich der ganzen Rath formirt, verhandelt, wobei kein Zuhörer gegenwärtig ist. Die Versammlungen des Raths sind deswegen für den fremden Zuhörer, nach der Stillung der ersten Neugier, den grossen Volkssenat in seiner Sitzung zu sehen, nur dann interessant, wenn man über einen Kommissionsbericht wichtige Debatten voraussieht; und das ist bei der Bekanntschaft mit einem oder dem andern Deputirten, leicht vorher zu erfahren.

Der Rathsaal der Fünfhundert ist die vormalige Reitbahn im Garten der Tuillerien, der ehemals der konstituirenden Versammlung gehörte. Man hat ihn eingekürzt; er formirt jetzt ein einfach dekorirtes langes Viereck von gutem Verhältnisse. Der erhöhte Präsidentenstuhl, mit seinem Büreau, und die Rednerbühne vor demselben, sind an dem schmalen Ende; fünf amphitheatralische Sitzreihen der Repräsentanten laufen den Saal hinab, und lassen in der Mitte eine länglichte Arena. Am andern Ende ist, als die sechste Sitzreihe, die Barre mit der Tribüne der Petizionairs; dahinter sind, in den abgeschnittnen Saalecken, die beiden Logographenlogen, und darüber die Volksbühnen. Die Sitze der Repräsentanten sind numerirt, und werden periodisch durchs Loos verwechselt, durch welche Einrichtung den vormaligen Parteienverbündungen, und jenen, böser Vorbedeutung vollen Benennungen der rechten und linken Seite, des Berges und Sumpfes, nun vorgebeugt wird. Die Volkstribünen sind verkleinert, und fassen etwa zweihundert Menschen. Es entsteht daher, vor der Eingangsthür zu diesen Tribünen bis auf die Gasse hinaus, ein langer Schweif von Leuten, die nach und nach, so wie andre die vollen Tribünen verlassen, einzeln hinaufgelassen werden. Auf den Volkstribünen, die einst, mit unerhörter Frechheit, die Versammlungen verspotteten und trotzten, herrscht ungestöhrte Ruhe; die geringste Ungezogenheit eines Zuhörers wird mit der Verweisung aus dem Saale bestraft. -- In den Logographenlogen sitzen etwa zwanzig, von Journalisten besoldete Geschwindschreiber. Merkwürdig ist ihre Gewandheit im Auffassen der Hauptpunkte der Debatten, und im Nachschreiben. Ihre Schrift ist eine Chiffersprache von Abkürzungen. Diese Bursche erheben sich oft selbst zu den ersten Zensoren der Verhandlungen und Reden; unverschämt tadeln sie, oder lachen unter sich; und es geschieht nicht selten, dass einer zur Ordnung gerufen, oder von dem Präsidenten aus dem Saale verwiesen wird. Es ist übrigens kaum begreiflich, wie diese Tachygraphen dem Vortrage folgen können, da es der Stöhrungen so viele giebt. in dem, nicht nach den Regeln der Akustik gebauten Saale, verliert man, in dieser weitesten Entfernung von der Rednerbühne, ohne die höchste Anstrengung des Gehörs, viel von den Reden, wenn die Sprache des Redners nicht sehr laut und artikulirt ist; das Geräusch in der Versammlung, durch das Öffnen und Schliessen der Thüren, das Gehen auf dem hohlen hölzernen Amphitheater, das laute Zwischenreden der Repräsentanten, und das immerwährende Geschwätz der Geschwindschreiber selbst, sind für den ihnen nahen Zuhörer eben so viel Stöhrungen der angestrengtesten Aufmerksamkeit. -- Das sogenannte Murren in der Versammlung ist ein seltsames Getöse von unartikulirten Tönen, Räuspern, Scharren oder gar Stampfen der Füsse, dem die Klingel des Präsidenten Stille gebietet; und das Geblöke der Haussiers: Silence, citoyens! verursacht oft mehr Lärm, wie jenes Getöse selbst.

Morgens eilf Uhr sollen die Sitzungen anfangen, selten aber werden die vor Ein Uhr geöffnet, wenn dann die zur Deliberazion erforderliche konstituzionelle Zahl, von wenigstens zweihundert Mitgliedern, bei einander ist; doch hält man nicht strenge hierauf; ich habe einigemal bei Eröffnung der Sitzung viel weniger Repräsentanten auf ihren Sitzen gezählt, aber es kommen dann mit jeder Minute mehr hinzu. Die vorbereitenden Konferenzen der Ausschüsse, die Vorarbeiten der Berichterstatter, die Zersteuungen und Geschäfte der Deputirten selbst, und das Verhältniss der, in zwei, höchstens drei Stunden abzumachenden Verhandlungen, veranlassen diese Verspätungen.

Die für die Deputirten dekretirte Kleidertracht ist noch nicht eingeführt, und wird wahrscheinlich nie eingeführt werden, da man schon gegen den theatralischen Schnitt dieser Braminen-Tracht Einwendungen und Anträge gemacht, und eine passendere Kleidung der Repräsentanten vorgeschlagen hat. Auch würde die Anschaffung des Kostüme, es möchte nun vom Staate besorgt, oder von den Deputirten bezahlt werden sollen, in beiden Fällen zu kostbar sein. -- Der Präsident zeichnet sich durch eine, über den Rock gegürtete dreifarbige Schärpe aus; die Huissiers tragen eine rothe. Die Repräsentanten sollen auch dreifarbige Schärpen, und dreifarbige Federbüsche am Hut tragen, aber ein solcher Représentant en costume ist eine sehr seltne Erscheinung.

-- Die Kleidung der meisten Repräsentanten ist reinlich und ordentlich, diejenigen ausgenommen, welche aus natürlichen Anlagen, oder bei sehr beschränkter ökonomischer Lage, ihr Äusseres vernachlässigen, und das Auge mit einem sehr schmutzigen Anzuge beleidigen.

Der Geist der Mässigung, der Ordnung und der Ruhe, dieser gute Geist der jetzigen Verfassung, herrscht in den Versammlnngen der Gesetzgeber der Nazion, mit höchst seltenen Ausnahmen, wo der Dämon Zwietracht sein scheussliches Haupt noch einmal erhebt, so wie er einst die Versammlung der Volksvertreter täglich beherrschte und umhertrieb. -- Die grosse Majorität der Versammlung ist von jenem guten Geiste beseelt, sowohl die, welche durch Rednertalente und andre vorzügliche Eigenschaften des Kopfs und Karakters ihre Namen berühmt machen, und den Ton angeben, die auch die grössre Zahl derjenigen, die sich an diese Männer anschliessen, bloss des Stimmegebens wegen da, und sonst meistens unbedeutende Menschen sind; wie es z. B. mein vorerwähnter Représentant en costume war.

Bei Szenen, die durch ein innres Reiben des Parteigeistes der Minorität der Versammlung erzeugt werden, ist das Übergewicht jener Majorität zwar immer sehr entscheidend, aber sie sind nichts desto weniger ärgerlich, und werden von allgemeiner Misbilligung gefolgt. --


Palais Bourbon (Chambre des Députés).



Ernst Moritz Arndt.[]

[3]

[1798 - 1799]

Das gesetzgebende Korps hat seinen Sitz in dem schönen vormaligen Pallast Bourbon dicht an der Revolutionsbrücke in der Vorstadt St. Germain. Ein großer Saal ist in eine herrliche Tribune umgewandelt, wo die Sitze zur Ersparung des Raums amphitheatralisch angebracht sind. Der Präsident hat seinen Stuhl und Tisch neben der Rednerbühne, welche vor der Stirn aller Sitze steht. Oben sind wenige Gallerien und Logen für die Zuhörer angebracht, mit Fleiß wenige, damit diese nicht auf die Verhandlungen zu sehr durch Geschrei und Beifall und Tadel wirken können, wie dieses sonst nur zu sehr der Fall war. Einige Logen und die Gallerie waren für jeden Bürger, und immer gab es gegen die Zeit der Eröffnung der Sitzungen eine Menge Neugieriger oder Müssiggänger, die sich hier die Zeit vertreiben lassen wollten. Es war oft ein Gedränge schon im Eingange des Pallastes, daß die hintersten sicher seyn konnten, nicht in den Teich zu Bethesda zu kommen; und wann es wichtige Verhandlungen gab, waren einige Stunden vor der Oeffnung der Thüren alle nächsten Zugänge schon besetzt. Fremde, die die Repräsentanten der Majestät des Volks auch einmal in ihrer Glorie zu sehen wünschten, mußten sich durch ihre respektive Gesandten, oder durch eines der Mitglieder und Saalinspektoren ein Eintrittsbillet in die Departements-Logen oder die für die fremden Gesandten bestimmten zu verschaffen suchen. Durch solche Begünstigungen bin ich mehrmals ganz bequem hineingekommen, ohne mich den Fäusten und Ellenbogen der Menge und ihrem erstickenden Dampfe Preis geben zu müssen.


F. J. L. Meyer.[]

[4]

[1801]

Paris. An dem Quay im Angesicht der NationalBrüke ist der neue Saal der gesezgebenden Versammlung in dem vormaligen Pallast Bourbon von einem Architekten, Namens Gisor, erbauet, und war dem Rath der Fünfhundert bestimmt. Ich müsste Zeichner seyn, um diesen grossen, glänzenden Saal anschaulich, wenigstens im Umriss, darstellen zu können. Mit mehr Pracht ist in Frankreich vielleicht kein Gebäude dieser Art errichtet und dekorirt, als dieses -- und das in den Jahren des tiefsten Verfalls der Staatsfinanzen, und der Armuth der grösten Theils seiner Bürger, wo die unglükliche Handwerker und Arbeiter von der Regierung mit Papier ohne Werth bezahlt wurden. Der Gedanke schwächt bei mir den Eindruk dieser glänzenden Halle. Ich glaube darinn den Pallast eines jener mit Goldflittern behängten privilegirten Staatsdiebe, einen Lieferanten, Agioteur, u. dgl. zu sehen, der des Armen spottend, ihm einen Stein statt Brod zuwirft. -- Der Saal mit seinem Halbamphitheater, seinen Tribünen, seiner Rednerbühne und dem Präsidententhron, leuchtet vom schönsten Marmor, von Bronz, Akajouholz, Sammt und Gold. Die Statuen römischer und griechischer Gesezgeber und Redner und die allegorischen Basreliefs, sind von einem zwanzigjährigen Bildhauer Lemot, der jezt aus Italien zurükgekommen ist, um die erstern -- bis jezt nur Modelle von Gips -- in Marmor auszuführen. Die Schönheit der Kuppelform dieser von oben herab beleuchteten Halle, mit der Harmonie der Farben, dem zarten Geschmak, der sinnreichen Kunst gepaart, bezaubert das Auge: aber mit drängt sich nun einmal jedes Bild auf; es schwebt mir vor, wohin ich an diesen glänzenden Wänden blicke.


August von Kotzebue.[]

[5]

[1804]
Der Saal der Fünfhundert.

So muß der Versammlungsort des alten römischen Senats ausgesehen haben, und wenn er nicht so ausgesehen hat, so hat er sicher dem Saal der Fünfhundert weit nachgestanden. Dieser ist prächtig ohne Luxus, eine einfache, aber darum imponirende Pracht. In einem großen halben Zirkel erheben sich amphitheatralisch 500 Sitze, hinter diesen eine Gallerie für die konstituirten Autoritäten, und über derselben eine zweite für das Volk. Die Decke, die sich an letztere schließt, wird durch die Bilder alter Gesetzgeber und berühmter Republikaner geschmückt. Da sind Solon, Lykurg, Regulus, Cato, und viele Andere, stets mit Angabe der Zeit, in welcher sie gelebt haben. In der Mitte aller dieser Bilder thront die Natur, mit der Umschrift: "die Natur allein giebt ewige Gesetze." -- Das Licht erhält der Saal von Oben, und die Wärme von Unter, denn Fenster und Oefen hat er nicht.

Den Sitzen der Fünfhundert gegen über steht eine schöne Tribüne für den Präsidenten, ein wenig tiefer eine zweite für die Sekretairs. Die Wände sind ringsumher drapirt, aber nicht mit dreifarbigem, sondern mit dunkelgrünem Tuche mit feuerfarbenen Verzierungen. Alles ist einfach erhaben, und es scheint mir unmöglich, irgend ein Lokal auf der Welt seiner Bestimmung gemäßer einzurichten.

In der That werden alle die kleinen Hilfsmittel, welche so sehr auf die Sinne, und durch diese auf den Geist wirken, von uns hypersoliden Deutschen gewaltig vernachläßigt: wir spötteln wohl gar darüber, denn wir sind viel zu vernünftig dazu; deßwegen kommen wir auch vor lauter Vernunft nie zum Handeln. -- Der Franzose hingegen vergißt Nichts von Dem, was ihn an seine Thaten erinnern, oder zu künftigen Thaten anfeuern kann. Was er zu diesem Behuf erfindet, ist nicht immer Original, er kopirt meistens die Griechen und Römer, aber gleichviel, wenn es nur die nämliche Wirkung wie damals hervorbringt. So sind z. B. in den Hallen des Palais legislatif Tafeln aufgehangen, auf welchen die verschiedenen Eroberungen und Siege der Armeen verzeichnet sind. Wer nun in diesen Hallen auf und nieder wandelt, liest unwillkührlich was, wohin er sich auch wenden mag, die Tafeln ihm vorhalten; im Soldaten erweckt es Ehrgeiz, in Bürger Nationalstolz; wer unter jenen Armeen diente, findet sich schmeichelhaft belohnt, wer jetzt darunter dient, genießt den Vorgeschmack des Lohns, der seiner wartet. Doch das Letztere wohl nie mehr, als wenn er das Hotel der Invaliden besucht.


Quellen.[]

  1. Die fünf Männer. Lebensgeschichte der fünf jetzt in Frankreich regierenden Direktoren, Geschichte ihrer Regierung und Entwickelung ihres Systems. Herausgegeben von Georg Friedrich Rebmann. Paris, im 5ten Jahr der Republick.
  2. Fragmente aus Paris im IVten Jahr der französischen Republik von Friedrich Johann Lorenz Meyer Dr. Domherrn in Hamburg Hamburg bei Karl Ernst Bohn 1797.
  3. Ernst Moritz Arndts Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 und 1799. Leipzig 1804. bey Heinrich Gräff.
  4. Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs, von F. J. L. Meyer Dr. Domherrn in Hamburg. . . Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1802.
  5. Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. von August von Kotzebue. Berlin 1804 bei Heinrich Fröhlich.