Entwurf des neuen Criminal-Gesezbuches.[]
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Es ist für die Nation ein wahres Bedürfniß, aus der chaotischen Verwirrung, in welche die Revolution die Gesezgebung gestürzt hatte, herauszutreten. Die Zeiten, wo oft in einem Abend, nach einem wohlbesezten Mittagsfrühstück, die Deputirten der Legislativ-Versammlungen, Gesetze und Verordnungen duzendweise entwarfen und bestätigten, konnten unmöglich lange dauern; es mußten sich bald die auffallendsten Widersprüche einschleichen, und eine vernünftige Rechtspflege so gut als unmöglich machen. Seitdem die Nation unter Bonaparte's Konsulat einige innere Ruhe genießt, und aus diesem Grunde die Regierung sich mehr mit der Verwaltung des Reichs abgeben kann, hat man sich auch ernsthaft mit der Verfertigung von Gesez-Sammlungen abgegeben, welchen ausschließliche Kraft beigemessen wurde, um endlich die öffentlichen und Privat-Rechte nicht länger mehr der Willkühr der Vorgesezten Preiß zu geben. Man hat gesucht, in diese wichtigen Operationen die gröstmögliche Schnelligkeit zu bringen, und so ist innerhalb zwei Jahren die Compilation des Civil Gesezbuches geendigt worden. Allgemeine Verordnungen über das Handelswesen, über das gerichtliche Verfahren in Civilsachen, über mehrere Zweige der Inneren Verwaltung sind wirklich die Gegenstände der Arbeit des Staatsraths. Ein Entwurf eines neuen Criminal-Gesezbuches ist vorigen Monat beendiget, und allen Mitgliedern des gesezgebenden Korps mitgetheilt worden; denn die Session des künftigen Jahres soll zur Diskussion der Verfügungen desselben angewandt werden *).
- *) Er ist noch nicht ins Publikum gekommen, und wir denken daher durch diesen sehr sorgfältig bearbeiteten Auszug unsern Lesern ein desto angenehmeres Geschenk zu machen. A. d. H.
Von diesem Entwurf, welcher durch eine besonders hiezu ernannte Kommission, bestehend aus den Herren Viellart, Target, Oudart, Treilhard, Blondel, Kassationsrichter, verfertigt worden ist, wollen wir hier eine kurze Uebersicht mittheilen. Er ist betitelt: Projet de Code criminel, correctionnel & de police, und zerfällt in zwei Hauptabtheilungen, davon die erste von den Verbrechen und Strafen, und die zweite von der Justiz und Polizei handelt. Die Untersuchung der Unterabtheilungen und der Anordnung der Materien wird uns auf einige Bemerkungen und Vergleichungen leiten.
Der erste Theil des Entwurfs besteht aus vier Büchern, deren jedes wieder in Kapitel und Abschnitte zerfällt. Als Präliminar-Dispositionen sind acht Paragraphen vorangeschikt, in welchen die Definitionen von Vergehen (Délit), Verbrechen (Crime) und Uebertretung (Contravention) enthalten sind. Sodann wird der Grundsatz, daß jede Strafe vorher durch ein Gesez mußte angedroht seyn (nulla poena sine lege), aufgestellt, und die Militär-Verbrechen bestimmt, und von den Verfügungen dieses Gesezbuches getrennt. Aus diesen Paragraphen besteht der ganze allgemeine Theil. Die folgenden Bücher beziehen sich auf die Spezialanordnungen. Es ist seltsam, daß man hier weder die Begriffe von Strafe, Strafgesetz und Strafbarkeit, noch die Zergliederung des Begriffes Verbrechen in seine Arten und Abstufungen, und von Thatbestand und dessen Merkmahlen, noch die Scheidung des Verbrechens von der Schuld antrifft; Bestimmungen, die, wegen ihrer Angrenzung an das Gebiet der Philosophie, so wichtig hier dem Richter sind, der nicht oft genug seinen Blick vom einzelnen Fall auf das Ganze, und besonders auf die Absicht des Gesetzes richten kann, um nicht sein fürchterliches Amt zum Nachtheil der Gesellschaft auszuüben.
Das erste Buch handelt von den verschiedenen Criminal- und Zucht- Polizei-Strafen. Es zählt zehn Arten von Criminal-Strafen in folgender Ordnung auf:
- 1. Todesstrafe.
- 2. Lebenslänglicher Arbeitszwang.
- 3. Deportation (lebenslängliche Verbannung).
- 4. Arbeitszwang auf bestimmte Zeit.
- 5. Einsperrung.
- 6. Brandmarkung.
- 7. Infamie und Pranger.
- 8. Relegation (zeitige Verbannung).
- 9. Amts-Entsetzung (forfaiture).
- 10. General-Confiskation.
Es giebt nur eine Vollziehungsart der Todesstrafe, nemlich die Enthauptung. Im Falle eines Vater- und Gatten-Mords, Vergiftung, Meuchelmords, Mordbrennerey wird diese Strafe dadurch geschärft, daß der Verurtheilte in einem rothen Hemde eine Stunde lang auf dem Schaffotte aufgestellt, und ihm vor der Hinrichtung die rechte Hand abgehauen wird. Auch soll der Körper an einer Heerstrasse, unfern des Orts, wo das Verbrechen begangen worden ist, begraben, und ein rother Pfahl mit der Inschrift: hier liegt ein Vatermörder, Mordbrenner, Vergifter u. s. w. auf das Grab gestekt werden. Die zu öffentlichen Arbeiten Verurtheilten sollen zum Bergbau, Austroknung von Morästen oder andern mühsamen Beschäftigungen angewandt werden. Die Deportation geschieht in einen ausser dem europäischen Gebiete des Reichs gelegenen Ort. Jeder, der zu dieser Strafe oder zu lebenslänglichem oder zeitigem Arbeitszwang verurtheilt worden ist, soll offentlich mit einem glühenden Eisen auf beide Schulterblätter gebrandmarkt werden. Die Einsperrung soll in Zuchthäusern Statt haben, woselbst die delinquenten zu Arbeiten angehalten werden, deren Ertrag zum Theil für sie seyn soll. Die längste Dauer dieser Strafe ist zehen Jahre. Die Ausstellung am Pranger ist mit ihr, wie mit der vorigen, verbunden. Alle diese Strafen ziehen auch den Verlust aller bürgerlichen Rechte nach sich.
Der übrige Theil dieses Buches handelt von den Zuchtstrafen, von der Kautionsleistung, von der Aufsicht der Polizei über gewisse Verbrecher, die ihre Strafe ausgehalten haben, und von den Strafen, welche auf die Wiederübertretungsfälle gelegt sind.
Das zweite Buch beschäftigt sich mit dem Subjekte der Strafen, oder den strafbaren Personen.
Zuvörderst wird der Begriff eines Urhebers des Verbrechens festgesezt: die positiv concurrirenden Helfer stehen in derselben Klasse, so wie die, welche solche Dienstleistungen unterlassen haben, welche das Gesez unter Androhungen infamirender oder züchtigender Strafen von ihnen fordert. ---Kein Verbrechen kann durch die Anführung von Umständen, welche das Gesetz nicht ausdrücklich als Milderungsgründe erklärt, entschuldiget werden.
Hiernächst ist von der Civil-Verantwortlichkeit der Eltern, Vormünder, Erzieher, Herren und Meister, Ehemänner und Gastwirthe, für die Vergehen ihrer Kinder, Zöglinge, Dienstbothen, Weiber und Gäste, die Rede, welches eine blosse Polizei-Verfügung ist.
Das dritte Buch handelt von den einzelnen Verbrechen und ihrer angedrohten Strafe, und untersucht zuerst die öffentlichen oder Staats-Verbrechen, und zweitens die Privatverbrechen.
Die Staatsverbrechen werden unterabgetheilt in
- 1. Verbrechen, die gegen die Sicherheit (politische Existenz) des Staats gerichtet sind, und zwar
- (1) gegen die äussere Sicherheit. Auf diese ist die Todes- und Confiskations-Strafe gesezt; als Verbrecher dieser Art sollen angesehen werden, alle die, die Waffen gegen das Vaterland tragen, oder die auswärtigen Mächte zum Kriege gegen dasselbe anreitzen, wenn gleich der Krieg selbst nicht ausbricht, oder alle Franzosen, welche im Einverständniß mit den Feinden stehen, um ihnen den Einfall in das französische Gebiet zu erleichtern, oder, um ihnen eine Veste, einen Hafen, Zeughaus, Magazin, Schiffe u. s. w. in die Hände zu spielen. Diese Strafe ist dieselbe, wenn solche Machinationen gegen die mit der Republik verbündeten Mächte gerichtet sind.
- Die Seeräuber sind in dieser Klasse mitbegriffen, obgleich dieses Verbrechen mehr Privat- als Staats-Verbrechen ist.
- (2) gegen die innere Sicherheit des Staats. Gleiche Strafe für alle Theilnehmer an Complotten, welche gegen das Leben und die Sicherheit der Consuln oder eines derselben, oder gegen die Vereinigung, Sicherheit und Freiheit des Senats, des gesezgebenden Körpers und des Staatsraths gerichtet sind; oder welche zum Zwecke haben, die Regierung zu ändern, einen Bürgerkrieg anzufachen, eine oder mehrere Gemeinden der Republik zu verheeren oder in Brand zu stecken; und diß selbst, wenn diese Complotte sich erst nur als Attentate geäussert hätten.
- 2. Verbrechen gegen die bürgerliche Verfassung. Die Deportation in gewissen Fällen und die Relegation sind demjenigen angedroht, welcher durch Zwang oder Drohungen einen Bürger von der Ausübung seiner bürgerlichen Rechte zurückgehalten hätte. Die Unterschlagung von Stimmen in den Wahlversammlungen wird mit der Infamie und dem Pranger bestraft. Hier werden nun ziemlich weitläufig eine Menge Fälle von Mißbrauch der amtlichen Gewalt der verschiedenen Behörden angeführt, und mit Strafen bedroht, welche zum Theil Relegation, zum Theil Amtsentsezung, oder auch nur einfache Zuchtstrafen sind.
- 3. Verbrechen gegen die öffentliche Ruhe.
- (1) Von den Fälschungen. Hier werden die öffentlichen und Privatfälschungen unter derselben Rubrik abgehandelt, und zuerst die Münzverbrechen bedroht. Auf das Verfälschen dem Korn und Schrote nach, der gesezlichen National-Metallmünzen und auf den böslichen Kuncurs bei diesem Verbrechen, ist die Todes- und Konfiskations-Strafe gesezt, desgleichen auf das Nachmachen des Staats-Siegels und den böslichen Gebrauch dieser Verfälschung, und auf das Nachahmen der Staatsschuldscheine, Nationaleffekten und Zettel der grossen Bank, oder der Partikular-Banken in den Departementen. Wer irgend einen Nationalstempel verfälscht, soll deportirt werden; die Verfälschung anderer Zeichen, welche die Regierung auf verschiedene Waaren setzen läßt, oder der Siegel und Stempel der öffentlichen Beamten, wird mit der Einsperrung bestraft.
- Auf die Verfälschung öffentlicher Schriften ist die Deportation gesezt, auf die von Privatschriften die Einsperrung.
- Von Sachen- und Waaren-Verfälschungen, Grenzverrückungen, Stellionat, Meineid ist gar nicht die Rede, weder in diesem Kapitel, noch in den folgenden. Diese Verbrechen sind ganz übergangen.
- (2) Von den Verbrechen, welche die öffentlichen Beamten in der Ausübung ihres Amtes begehen können: weitläufiges Kapitel, in welchem sehr viel Polizeiverfügungen vorkommen.
- (3) Von der Rebellion und dem Ungehorsam.
- Dieser Abschnitt zerfällt in fünf Unterabtheilungen, die etwas unzusammenhängend an einander gereihet sind. Die Ueberschriften derselben sind:
- § 1. Gewaltthätigkeiten gegen die zwingende öffentliche Gewalt.
- § 2. Gewaltthätigkeiten, Beschimpfungen, Irreverenzen gegen die öffentlichen Beamten.
- § 3. Ungehorsam.
- § 4. Nichtleistung eines gesezlich-schuldigen Dienstes; hier ist von den National-Gardisten, und den gezwungen-angeworbenen Jünglingen (Konscribirten) die Rede, welche nach Militärgesetzen (ausserordentlich scharf) bestraft werden: die Eltern und Vormünder dieser Rekruten sind für sie verantwortlich, wenn sie im Augenblicke der Aushebung bei ihnen wohnhaft sind, und sind für ihre Verzögerung oder Entweichung mit einer Geldstrafe bedroht.
- § 5. Entweichung von Gefangenen. Hier ist blos von Bestrafung der Gefangenwärter, Thurnhüter u. s. w. die Rede.
- § 6. Gewaltsame Erbrechung von Siegeln und Entwendung von Aktenstücken aus den öffentlichen Archiven.
- (4) Von der Zusammenrottirung von Verbrechern und Vagabunden. Die Verfügungen dieses Abschnitts beziehen sich vorzüglich auf das Bettelwesen.
- (5) Verbrechen gegen die Ehrfurcht, welche man der Obrigkeit, den öffentlichen Gebräuchen und den Denkmählern schuldig ist.
- (6) Verbrechen, welche durch die Presse und Verbreitung von Schriften begangen werden.
- (7) Verbrechen gegen die öffentliche Sittlichkeit.
- (8) Verbrechen, welche sich auf die im Staate existirenden Gesellschaften beziehen. Hier sind die Bedingungen vorgeschrieben, unter welchen die Bildung einer Gesellschaft Statt haben kann. Durch eine Menge Einschränkungen, wodurch der Misbrauch derselben, den man aus Erfahrung hinlänglich kennt, verhindert werden soll, wird die Möglichkeit des Vereins einer Gesellschaft sehr erschwert. Einige andere Polizeiverfügungen betreffen die Störung des Gottesdienstes und die Beschimpfung der Kirchen. Wer jemanden zwingt, an Sonn- und Festtägen zu arbeiten, wird mit einer Geldstrafe von fünfzig bis zweihundert Franken, und mit eilftägiger bis zwei-monatlicher Gefängnißstrafe belegt.
Der zweite Abschnitt des dritten Buches, welcher von dem Privatverbrechen handelt, zerfällt in zwei Kapitel.
- 1. Verbrechen gegen die Personen. Zuerst wird hier von der Tödtung gesprochen. Der Mord (meurtre) ist eine mit Willkühr, und der Meuchelmord (assassinat) eine mit vorhergefaßter Absicht und Ueberlegung begangene Tödtung. Die Vergiftung, wenn gleich sie nur eine Krankheit verursacht hatte, wird als Mord angesehen. Auf alle Arten von Mord ist die Todesstrafe gelegt. Die verschiedenen Arten von Mord-Räubern, Chauffeurs. Garotteurs, welche, um ihre Absichten zu erreichen, Qualen und barbarische Behandlungen anwenden, sind als Meuchelmörder zu bestrafen. Hierauf ist von den Verwundungen aus einem Hinterhalt die Rede, welche, je nachdem der Tod schnell oder nach bestimmter Zeit, oder gar nicht, ohne Verstümmelung, erfolgt, mit dem Tode, lebenslänglichem Arbeitszwang, und Deportation bestraft werden. Mit dieser letzten Strafe wird auch der Kindermord belegt. Die Nothzucht soll mit der Einsperrungsstrafe geahndet werden, mit zeitigem Arbeitszwang, wenn die verlezte Person noch nicht volle funfzehn Jahre alt ist, und mit der Deportation, wenn der Schänder in die Klasse derjenigen gehört, welche Autorität auf die Geschändete haben, oder wenn er ein öffentlicher Beamter, Religionslehre oder Lohndiener ist. Die Castration wird mit dem Tode bestraft, wenn sie den Tod verursacht hat, mit lebenslänglichem Arbeitszwang, wenn diß nicht darauf erfolgt ist. Jedoch soll diese That, wenn sie als Nothvertheidigung der angegriffenen Unschuld statt hatte, als unverschuldete Tödtung angesehn werden. Auf das Abtreiben und die Beihülfe dazu, ist die Einsperrung gesetzt; auf das Aussetzen der Kinder, Geld und Gefängnißstrafe, auf die gewaltsame Entführung, den Menschenraub und die unrechtmässige Gefangennehmung, Einsperrung, lebenslänglicher Arbeitszwang und Deportation, je nachdem die That mit gravirenden Umständen begleitet ist. Die unverschuldet zufällige Tödtung wird mit der Gefängnißstrafe, die höchstens nur zwei Jahre dauern kann, und mit einer Geldbuße von 50 bis 600 Franken bestraft.
- Hierauf folgen peinliche Verfügungen gegen die Bigamie, auf welche Einsperrung und eine Geldstrafe gelegt ist; gegen den Ehebruch von Seiten der Frau, welche nebst ihrem Mitschuldigen zu einer Gefängnißstrafe von drei Monaten bis drei Jahren verurtheilt wird; der Ehemann, welcher in dem gemeinschaftlichen Wohnhause eine Beischläferin hält, wird mit einer Geldbuße bestraft. Den Beschluß dieses Kapitels machen mehrere Polizeyverfügungen über die Vernachlässigung der Formalitäten, welche die Einschreibung der neugebohrnen Kinder in das Geburtsregister erfordert, über das heimliche Begraben der Leichname, über das falsche Zeugniß ablegen in Criminalfällen, über verläumderische Beschuldigungen und sonstige Beschimpfungen.
- 2. Das zweite Kapitel, welches die Verletzungen des Eigenthums betrift, handelt im ersten Abschnitt von den Diebstählen. Die Hauptdefinition, die hier aufgestellt wird, ist: Jede Entwendung einer Sache eines andern ist als Diebstahl anzusehn. Das Merkmal der Zueignungsabsicht ist mit Stillschweigen übergangen. Der gefährliche Diebstahl wird mit dem Tode bestraft, wenn fünf Umstände, die hier aufgeführt sind, ihn begleiten, oder auch nur die drei letzten, welche darin bestehen, daß die That des Nachts, mit angewandter Gewalt oder List, welche von gewisser Art seyn muß, und mit gewaltsamer Mishandlung oder Drohung mit Waffen begangen worden ist. Die übrigen Arten von Diebstählen werden mit lebenslänglichem oder zeitigem Arbeitszwang, oder Einsperrung und kürzerer Gefängnißstrafe, bestraft. Hierauf folgen die genauen Bestimmungen der Wörter, Wohnhaus, Straße, öffentlicher Weg, Park, Erbrechung, Erkletterung, falsche Schlüssel, auf welche sie die vorhergehenden Verfügungen beziehen. Im zweiten Abschnitt ist die Rede von der Beraubung, (Rapine) den Betrügereyen (Escroqueries) und dem Mißbrauch des Zutrauens. Auf den betrügerischen Bankerott ist die Einsperrung und eine Geldstrafe gesetzt, auf diebische Betrügereyen, Gefängniß und Geldstrafe. Hierauf folgen eine Menge Polizeyverfügungen über das Errichten und Halten von verbotenen Spiel- und Leihhäußern, die Verlezungen der Anordnungen, welche das Manufaktur- und Fabrikwesen und den Waarenpreis betreffen, und über die Verfälschung von Gewichten, den Nachdruck und das unbefugte Aufführen von Theaterstücken.
Der dritte Abschnitt handelt von der Zerstörung und Beschädigung von Sachen. Die Brandstiftung aller Art wird mit dem Tode bestraft. Häuser-, Felder-, Baumbeschädigung und andre werden verhältnißmässig mit der Gefängnißstrafe belegt.
Im vierten Buche wird von den Polizey- oder Zuchtstrafen, welche in Gefängniß, Geldstrafe und der Spezial-Konfiskation bestehen, und von den Vergehen, auf welche sie gesetzt sind, gesprochen.
Diß ist eine Uebersicht des ersten Theils dieses Entwurfs; der andre Theil, welcher überschrieben ist von der Polizey und Justiz, handelt von der Verfassung beider und dem peinlichen Verfahren. Wir werden nächstens eine kleine Uebersicht desselben geben. Als Beschluß dieses Artikels wollen wir einige der Hauptbemerkungen anführen, welche der Kassationsrichter Target auf speciellen Auftrag in einem besondern Aufsatze über den ersten Theil des peinlichen Gesetzbuches gemacht hat, und welche gewissermaßen den philosophischen Theil desselben bilden.
Die Laster, sagt er, sind die Wurzeln aller Verbrechen, könnte man sie ausrotten, so wäre kein Strafgesetz mehr vonnöthen. Die Strafe ist keine Rache. Die Nothwendigkeit der Strafe ist der Grund ihrer Gesetzmässigkeit, die Prävention der Verbrechen ist nicht der Hauptzweck der Strafe, ob sie gleich einer der wichtigsten Zwecke derselben ist. Die Schwere der Verbrechen mißt sich nach dem Grad der Gefährlichkeit, und nicht nach der moralischen Verdorbenheit des Thäters. Die Wirksamkeit der Strafe steht in geradem Verhältniß mit der Furcht, welche sie einflößt, diese Furcht beruht vielmehr auf die Gewißheit und Schnelligkeit der Strafe, als auf ihrer Strenge. Die gesetzlichen Ahndungen können ohne Gefahr gemässigter seyn in einem Lande, wo eine gute Polizey herrscht. Es entsteht aber die Frage: ist die Todesstrafe nach Vernunftgesetzen zu rechtfertigen, und ist sie nothwendig? Hier wird nun zuerst bewiesen, daß sie nothwendig ist, denn die Gesellschaften sind zu betrachten, so wie sie sind, und nicht so, wie sie seyn sollten; für ein großes Volk, welches in unzählige Klassen von der ungleichsten Bildung sich abtheilt, und dessen niedriger Pöbel der Sitz aller Verbrechen ist, muß es eine Todesstrafe geben, denn alle Strafen müssen hauptsächlich auf diese verdorbene Klasse berechnet werden, und der stärkste Trieb des Menschen ist der Erhaltungstrieb, so daß die Androhung des Todes viel stärker wirken muß, als die der Sklaverey und des Arbeitszwangs; da die Todesstrafe also vorerst, bis glücklichere Zeiten kommen, nothwendig ist, so ist sie auch ganz zu rechtfertigen.
Hierauf vertheidigt Herr Target die wiedereingeführte Strafe des lebenslänglichen Arbeitszwangs. Die konstituirende Versammlung hatte mit Unrecht verordnet, daß keine Strafe sich auf die ganze Dauer des Lebens erstrecken sollte, denn diß lähmte die Wirkung derselben. Die Idee der Perfektibilität sey zwar sehr verführerisch, müsse aber eben deßwegen in eine imaginäre Welt verbannt werden. Eben so nothwendig ist die Wiedereinführung der Strafe des Brandmarkens, welche man aus demselben Grunde abgeschaft hatte: denn diese Strafe wirkt sehr stark auf rohe Menschen, und bietet der Obrigkeit ein leichtes Mittel an, entronnene Verbrecher wieder zu erkennen.
Die Strafgewalt soll forthin keine Finanzquelle mehr für den Staat seyn; die Konfiskation bildet keine Strafe für sich, sie schärft nur die Kapital-Strafen in gewissen Fällen, wo die Sicherheit der Gesellschaft eine sehr schwere Ahndung fordert.
Diese Bemerkungen, welche das Gepräge eines geübten Nachdenkens tragen, sind sehr bündig und schön geschrieben. Obschon in dem Entwurfe der Mangel an einer strengern logischen Ordnung, und besonders an Vollständigkeit ziemlich sichtbar ist, so muß man dennoch wünschen, daß er bald gesetzlich Kraft erhalten möge, um die peinliche Verfassung des Reichs, von den beiden Extremen, auf welche sie sich befindet, wieder in die Mitte zurückzuführen. Die Vereinigung der peinlichen und Straf-Polizei-Verfügungen in ein einziges Gesezbuch erleichterten dem Richter die Uebersicht des Gebietes der Strafgewalt, aber wenn diß der Fall seyn sollte, so muß durchaus eine genauere logische Trennung, und auch an mehrern Orten eine grössere Klarheit der Bestimmungen in den künftigen Codex gebracht werden.
- Arnold.
- (Fortsetzung und Beschluß.)
Die Strafpolizey und Justizpflege sind der Gegenstand des zweiten Theils dieses Gesezbuches, von dem wir das wichtigste nur ganz kurz ausheben wollen. Die allgemeinen Grundsätze, die voraus geschikt werden, sind: Die Verhinderung der Vergehungen erfordert die vereinte Kraft der Polizei und der Justizgewalt, die erste geht vor der leztern her. Der Zweck der Polizei ist, die öffentliche Ordnung, die Freiheit des Eigenthums und die individuelle Sicherheit zu handhaben. Sie theilt sich in Verwaltungspolizei und Strafpolizei. Jene beschäftigt sich mit der fortgesetzten Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung. Sie soll den Verbrechen zuvorkommen (der Begriff der bürgerlichen Wohlfahrt ist hier nicht aufgenommen, weil die Franzosen alles, was darauf sich bezieht, nicht zur Polizei, sondern lediglich zur Verwaltung zählen). Die Strafpolizei forscht den Verbrechen nach, welche die administrative Polizei nicht hat verhindern können, und übergiebt die Thäter den peinlichen Behörden. Die Beamten, welchen das Gesez die Pflege der Strafpolizei aufträgt, sind: die Maire's und ihre Adjunkte, die Polizeicommissäre, die Flurhüter und Förster, die Sicherheitsbeamten (magistrats de Sureté) die Friedensrichter, die Generalpolizei-Commissäre, die Proprätoren.
Der Wirkungskreis dieser Personen ist genau bestimmt. Die Sicherheitsbeamten sind von neuer Erfindung. -- In jedem Bezirk, wo auch ein Tribunal erster Instand ist, soll ein solcher Beamter seyn. Er ist beauftragt, Klagen und Beschuldigungen anzunehmen, und den Vergehungen, auf welche sie sich beziehen, nachzuspüren und die Beweißmomente derselben einzusammeln. Die Angeschuldigten werden durch ihn dem Proprätor ausgeliefert. Er hat deßhalb das Recht, die bewaffnete Macht zu requiriren.
Der Zweck der Errichtung dieser Stelle ist der, in einer Person alle Funktionen zu vereinigen, welche unter die Menge der übrigen der Polizei obliegenden Beamten vertheilt sind, und die Oberaufsicht der Regierung zu erleichtern. Der Zweck der Proprätoren, deren in jedem Bezirk einer ist, welcher von der Regierung auf Lebenslänge ernannt wird, ist derselbe. Die Kriminalprozesse sollen von ihnen geleitet werden. Sie sollen eine gewisse Kontrolle über die peinlichen Gerichtshöfe ausüben, und sind aus dieser Hinsicht Mitglieder derselben. Die Regierung hat außerdem bey diesen Tribunälen ihren Kommissär oder Prokurator, und so ist sie ihrer Einwirkung auf dieselben, so wie überhaupt ihres Einflusses auf das gesammte peinliche Justizwesen ziemlich gewiß.
Das Verfahren durch Jury's oder Geschwornen-Gerichte ist in dem neuen Gesezbuche beibehalten. Man hat indessen einige Veränderungen vorgenommen, die sehr zwekmässig sind. Der Proprätor ist beauftragt, den Angeschuldigten vor ein Anklage-Jury zu berufen, er zitirt die Zeugen und läßt den Anklag-Akt aufsetzen. Die Geschwornen müssen vor ihm einen Eid schwören, daß sie aufmerksam und unpartheyisch seyn, und sich weder von den Regungen von ihrer Pflicht entfernen lassen wollen. Da diese Geschwornen nicht zu untersuchen haben, ob der Angeklagte wirklich schuldig ist, oder nicht, sondern blos ob hinreichende Präsumptionen gegen ihn vorhanden sind, um ihn vor das peinliche Gericht zu ziehen, so wird ihnen von den Proprätor eine Instruktion hierüber vorgelesen. Als Chef dieses Jury wird der älteste unter ihnen, oder derjenige, den die andern hiezu erwählen, angesehen. Als entscheidende Stimmenanzahl wird schon die Hälfte angesehen.
In jedem Departement wird, wie bisher, ein peinlicher Gerichtshof seyn, dessen Mitglieder seyn werden: Ein Prätor, die Proprätoren der Bezirke des Departements, drey Suppleanten, ein Regierungskommissär, seine Substituten und ein Greffier. Zu einer Prätur gehören eine gewisse Anzahl von peinlichen Gerichtshöfen. Der Prätor kann nur ein Jahr lang in demselben Sprengel sein Amt verrichten, und begiebt sich das folgende Jahr auf Befehl des Oberhaupts des Staats in einen andern. Wenn der Prätor in ein Departement kommt, um dort Gericht zu halten, so nennt man die Sizungen des peinlichen Gerichts die grossen Gerichtstäge. Die Hauptverrichtungen des Prätors sind: den Angeklagten sogleich und innerhalb vier und zwanzig Stunden nach seiner Ankunft abzuhören, die Geschwornen zusammen zu berufen, und sie durchs Loos zu bezeichnen, und eine genaue Aufsicht über die Proprätoren, welche unter ihm stehen, zu fuhren. Da er mit einer beliebigen Gewalt und Diskretion bekleidet ist, so kann er auf Ehre und Gewissen alle Mittel anwenden, um auf die Spur der Wahrheit zu kommen, und ist in dieser Hinsicht an keine Formalitäten gebunden.
Niemand soll vor ein peinliches Gericht gezogen werden können, wenn die gegen ihn gerichtete Anklage nicht von einem Anklage-Jury als gegründet erklärt worden ist. Innerhalb vier und zwanzig Stunden nach dieser Aussage sollen der Angeklagte und alle auf ihn sich beziehenden Aktenstücke an das peinliche Tribunal des Departements gesandt werden, und innerhalb vier und zwanzig Stunden nach der Ankunft soll er von dem Prätor oder dem Proprätor angehört werden. Sodann hat er fünf Tage Zeit, um mit Hülfe seiner Vertheidigers, den er sich wählte, oder den das Tribunal ex officio ernennt hat, die Anklagakten anzugreifen. Der Prätor muß wenigstens alle vier Monate einmal in jedem Departemente seines Sprengels ein Geschwornen Gericht zusammen berufen.
Die Feyerlichkeiten und Formalitäten, welche bey dem Verfahren zu beobachten sind, werden in diesem Gesezbuche mit dem grösten Detail aufgeführt. Der Prätor leitet den Gang desselben, und insbesondere die Operationen der Geschwornen, welche in einem Zimmer so lange eingeschlossen bleiben, bis sie ihre Deklaration gemacht haben. Das Jury kann, wenn das Tribunal ihm hiezu die Befugniß ertheilt hat, erklären, daß der Angeklagte, wenn gleich überwiesen, dennoch zu entschuldigen (excusable) sey, auch kann es ihn dem Mitleid der Regierung anempfehlen. Das Tribunal hat das Recht, den Urtheilsspruch zu verschieben, wenn es glaubt, daß die Geschwornen sich in Rücksicht der Materie geirrt haben. Diß findet aber bey dem Fall, wo der Angeklagte von dem Jury für nicht schuldig erklärt worden ist, nicht statt.
Das Gesetzbuch bestimmt auch aufs neue die Grundsätze, auf welchen die Bildung der Geschwornen-Gerichte und ihr Wirkungs-Befugniß beruhen soll. Was man auch gegen dieses Institut einwenden mag, so ist es doch nicht zu läugnen, daß es eine Hauptstütze der burgerlichen Sicherheit ist, für Frankreich besonders, dem es angelegen seyn muß, einiges aus der politischen Experimenten so reichen Periode, welche das etwas mißlungene Erneuerungs-Geschäft herbeiführte, gleichsam zum Andenken zu retten; ist es nicht unwichtig, diesen brittischen Sprößling, der seither in dem leichten gallischen Boden dem Schilf ähnlich emporgeschossen war, aber ohne Früchte zu bringen, zu erhalten, und ihn pflegend und wartend zum Schutz, Schatten und Früchte gebenden Hochstamm zu erziehen. Es ist einmal ausgemacht, daß das Recht jedes Bürgers, nur von seines gleichen gerichtet zu werden, das ist, von andern Bürgern, deren Amt keine längere Dauer hat als der Prozeß selbst, zu welchem sie berufen sind, eine große, freilich nicht unübersteigliche noch unzerstörbare Schutzwehr gegen die Willkuhr der Machthaber ist. Die Strafgewalt ist fürchterlich schon an sich. Nur wenn sie unabhängig bleibt von aller Eigenmacht, sieht sie der Bürger als wohlthätig für die Gesellschaft an. Sie kann deßhalb nicht perpetuirlich in den Händen derselben Magistratsperson sich befinden, welche auch durch die lange Gewohnheit zu bestrafen leicht hartherzig, grausam und gewiß einseitig werden würde. Das Institut des Jury stellt die Unabhängigkeit der Richter-Gewalt völlig her, und wenn sein Wirkungskreis nicht eingeschränkt wird, so kann der Despotismus wenigstens nicht insgeheim und auf Schleichwegen der bürgerlichen Freiheit und Sicherheit nahe treten. Dem gewöhnlichen Einwurf, daß zur Beurtheilung der Haupt- und Nebenumstände von Verbrechen eine Fertigkeit gehört, welche nur durch besondres vorhergehendes Erlernen erlangt wird, kann diß Institut dadurch ausweichen, daß die Geschwornen nur aus der gebildeteren Volksklasse genommen werden, und daß ihr Verfahren durch eine leitende Oberaufsicht den Absichten des Gesezes entsprechend gemacht wird.
Das gegenwärtige Gesetzbuch läßt keinen zu der Stelle eines Geschwornen, der nicht volle dreyssig Jahre alt ist, und lesen und schreiben kann. Alle obern Staatsbeamten sind deßgleichen ausgeschlossen. Zu Geschwornen bey dem Anklage-Jury werden diejenigen genommen, welche unter der Zahl der zweihundert meist besteuerten Bürger des Bezirks sich befinden. Um Geschworner bey dem Urtheils-Jury seyn zu können, muß man wenigstens zu hundert Franken direkter Abgaben besteuert seyn. Hierin besteht eine heilsame Veränderung der bisherigen Verfügungen, indem nach den Constitutionen von 1791 und dem Jahr III das Eigenthums- oder Nutzniessungs-Recht von einem unbeweglichen Gut, dessen jährlicher Ertrag dem Werthe von hundert und fünfzig Tagewerken gleich ist, einen Bürger eignete, Geschworner seyn zu können. Nun konnten Personen, welche lange nicht vor der Dürftigkeit gesichert waren, nur mit Widerwillen eine Reihe von Tagen diesem Amte aufopfern, um so mehr, da sie wegen ihres geringen Vermögens nicht in gleichem Grade bei der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit interessirt seyn können, als Eigenthümer von beträchtlichen Grundstücken. Nach einem spätern Gesetze, im Jahr 8, sollten die Geschwornen aus den Communal- und Departemental-Listen genommen werden, allein konnte man hier vermuthen, daß die Wahl des Volks gerade die tauglichsten Bürger bezeichnen würde? und übrigens sind jene Listen bloße Präsentations-, nicht aber auch Nominations-Listen. Die Auswahl der Geschwornen darf keinen Zufälligkeiten überlassen werden.
Die Listen der Geschwornen werden von den Präfekten verfertigt, und enthalten jedesmal die doppelte oder dreifache Anzahl, aus welcher dann die Bürger, welche diese Stelle für einen peinlichen Fall begleiten sollen, durch das Loos herausgehoben werden. Dieser Verfügung, welche bisher auch galt, schreibt man es vorzüglich zu, daß die Geschwornen-Gericht meist schlecht zusammengesetzt sind. Der Richter, der viel besser weiß, welche Eigenschaften ein Geschworner haben muß, soll eigentlich jene Listen verfertigen, und nicht der Verwalter, und sodann sollte die lezte Auswahl nicht durch das Loos geschehen. In England wählt der Scheriff die Geschwornen aus.
Das Anklage-Jury soll man dem neuen Gesetz aus zehn bis fünfzehn, und das zweite Jury wenigstens aus zwölf Geschwornen bestehn. Bisher waren blos acht bei dem ersten; diese Zahl war offenbar zu gering, besonders weil sie durch das Loos bezeichnet wurden. In England ist die grand Jury, nach welcher in Frankreich das Anklage-Jury gebildet wurde, wenigstens aus zwölf und höchstens aus drei und zwanzig Geschwornen bestehend. Niemand darf in derselben Angelegenheit zugleich Geschworner bei den beiden Jury's seyn. Der Angeklagte hat das Recht, diejenigen Geschwornen, welche ihm verdächtig scheinen, zu rekusiren, ohne daß er gehalten ist, die Motive, die ihn hiezu bewegen, anzugeben. Diese Befugniß entspricht ganz dem Zwecke des Instituts. Könnte der Angeklagte nicht diejenigen entfernen, welche er als seine Feinde ansieht, so würde ihn das größte Mißtrauen beunruhigen, er würde sich schon für verlohren halten, und diese Furcht würde vielleicht die Freiheit des Geistes, welcher er zu seiner Vertheidigung so sehr bedarf, zerstören, und ihm die Sicherheit, welche ihm die Gesetze bis auf den Augenblick des Urtheilspruches schuldig sind, rauben. Würde er ferner gezwungen seyn, seine Beweggründe anzugeben, so würde er sehr oft gehindert seyn, sich dieser Freiheit zu bedienen, denn die Abneigung und der Haß beruhen häufig auf kleinlichen Ursachen, welche dem Richter unglaublich scheinen können, und welche er aus diesem Grunde nicht anhoren würde. Auch setzt immer das Geständniß eines feindlichen Verhältnisses beide Theile bei allen Anwesenden in ein zu ungünstiges Licht, welches in der Folge mancherlei Nachtheil veranlassen kann.
Was die Prozedur vor dem Jury anbetrifft, so läßt das neue Gesetzbuch die bisher geltenden Verfügungen stehen, indem es sie mit Stillschweigen übergeht. Es können Indeß Veränderungen genug vorfallen, indem die Prätoren und Proprätoren ziemlich freie Vollmacht haben, nach ihrer Einsicht den Prozeß zu leiten, und insofern kann sich das Kriminalwesen in Frankreich einer größern Vollkommenheit nähern; als bisher, denn für jeden besondern Fall treten neue Bedingungen und Erfordernisse in Rücksicht des Verfahrens ein, und die Materie der peinlichen Verfügungen kann nie speziell genug seyn.
Den Schluß dieses Gesetzbuches bilden die Kapitel, welche von der Angehung des Kassationsgerichts, der Revision der Prozesse, auf den Fall, daß die Geschwornen mit Irrthümern behaftet gewesen wären, von den Anklagen, welche gegen die Mitglieder des Senats, der Regierung, der Minister u. s. w. gerichtet werden, von dem Kontumazialverfahren und von dem hohen Gerichtshof (haute Cour) handeln. Dieser Gerichtshof wird zusammenberufen, um über Minister und andre große Staatspersonen zu richten; er besteht aus drei Prätoren, zwei National-Anklägern und zwölf hohen Geschwornen, welche leztere von dem Senat hiezu ernannt werden. Die Urtheilssprüche desselben sind dem Kassationsgericht nicht unterworfen. Einige Polizeiverfügungen, die Regreßklagen gegen die Richter, die Wiedereinbringung entflohener Arrestanten und einige Specialverordnungen der Tribunale betreffend, folgen hierauf, nebst Verfügungen, welche sich auf die Gefängniß- und Arrestations-Häuser beziehen. Zulezt ist von dem Begnadigungsrechte des Staatsoberhaupts, von der Rehabilitation derer, die ihre Strafe ausgehalten haben, und von der Verjährung in peinlichen Sachen die Rede. Die Todesstrafe, der lebenslängliche Arbeitszwang, die Deportation und die Infamie sind unverjährbar, jedoch wird nach dreißig Jahren die Todesstrafe und der lebenslängliche Arbeitszwang in die Deportationsstrafe verwandelt. Die übrigen Strafen können sich nach Verlauf von zwanzig Jahren verjähren.
Es ist sehr zu wünschen, daß dieser Entwurf, sobald als möglich, Gesetzeskraft erhalten möge, um einer Menge von Mißbräuchen, welche sich in das Kriminalwesen eingeschlichen haben, Abbruch zu thun. Die Art, wie er diskutirt, und dem gesetzgebenden Korps vorgelegt werden wird, wird dieselbe seyn, wie bei dem Civilgesetzbuche. Die Berichte, welche die Staatsräthe über die einzelnen Theile desselben zu machen haben, werden hoffentlich auf manche gründlichere Erörterung und neue Gesichtspunkte führen, und es steht zu vermuthen, daß dieser Versucht sich desjenigen Erfolges freuen wird, welchen er wirklich in Vergleich der vorhergehenden dieser Art verdient.
- A.
Der neue Kriminalkodex.[]
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Aus Frankreich den 7. Nov.
Das Projekt des neuen Kriminalkodex, der in den Staatsrathsversammlungen debattirt wurde, ist nunmehr im Umlauf. Es ist von 5 berühmten Rechtgelehrten, den HH. Treilhard, Viellart, Target, Oudart und Blondel, verfertigt, und mit den Bemerkungen des Kassazionsgerichtshofes und des Großrichters versehen. Das Ganze besteht in einem starken Oktavband. Nach einigen vorausgeschickten P_äliminarverfügungen wird im ersten Buch von den peinlichen und Zuchtpolizeystrafen und deren Wirkungen gesprochen. Das zweyte Buch ist überschrieben: Von den zu bestrafenden Personen und von denjenigen, die nur mit Zivilresponsabilität beladen werden können. Das dritte Buch handelt alsdann überhaupt von den Verbrechen und von den Vergehungen, und zwar im ersten Abschnitt von den Verbrechen gegen die äussere Sicherheit, und im zweyten Abschnitt gegen die innere Sicherheit des Staats Unter andern soll jeder Franzose, der die Waffen gegen Frankreich trägt, mit dem Tode bestraft, und seine Güter konfiszirt werden. Dasselbe soll gegen alle diejenigen Statt finden, welche im Einverständniß mit fremden Mächten oder deren Agenten sind, um sie zu bewegen, Feindseligkeiten gegen Frankreich zu begehen, oder einen Krieg gegen dasselbe zu unternehmen. Jeder Befehlshaber zu Land oder zur See der ohne Befehl der Regierung irgend eine feindselige Handlung gegen auswärtige Mächte begeht, oder einen Traktat verletzt, woraus ein Krieg zwischen Frankreich und einer auswärtigen Macht entstehen kann, wird mit Landesverweisung, und wenn der Krieg wirklich ausbricht, mit Deportazion bestraft. Gegen alle Seeräuber soll Todesstrafe mit Vermögenskonfiskazion ausgesprochen werden. Ein Französischer Befehlshaber oder ein öffentlicher Beamter, der die Person oder die Freyheit eines Gesandten oder eines auswärtigen Agenten gefährdet, wird mit Landesverweisung bestraft. Wer sich ausserhalb des Französischen Gebiets Beleidigungen oder Beschimpfungen gegen Unterthanen einer fremden Macht erlaubt, und dadurch zu Repressalien gegen Franzosen Veranlassung giebt, wird bestraft, wie wenn er dieses Verbrechen in Frankreich selbst begangen hätte. In besondern Abschnitten wird von den Verbrechen der öffentlichen Beamten in Ausübung ihrer Aemter; von Aufruhr und Ungehorsam gegen die Gesetze; von Bestrafung der Weigerung, einen öffentlichen Dienst, zu dem man berufen ist, zu versehen; von Bestrafung der Flucht aus den Gefängnissen, der Entwendung von Dokumenten aus öffentlichen Archiven oder andern Depots; der Verbindungen von Uebelthätern und Vagabunden; der Verletzung der Achtung, die man der öffentlichen Gewalt, den eingeführten Instituzionen, und den öffentlichen Monumenten schuldig ist; der Verbrechen, die durch Mißbrauch der Pressfreyheit und durch Verbreitung von Libellen begangen werden; der öffentlichen Attentate gegen die Sittlichkeit und der Vergehen gegen öffentliche Gesellschaften, die vom Staate autorisirt sind, mit vieler Umständlichkeit gehandelt.
Aus dem Abschnitte, die Mißbräuche der Pressfreyheit betreffend, heben wir nur Folgendes aus: "Jede Bekanntmachung und Vertheilung von Schriften, Bulletins, Journalen und periodischen Schriften, so wie von fliegenden Blättern, in welchen nicht der wahre Name, Stand und Wohnort des Verfassers oder Druckers angegeben ist, wird als ein Vergehen angesehen, das mit Konfiskazion der Schrift, mit einer Einthürmung von wenigstens einem Monat und höchstens 6 Monaten, und mit einer Geldstrafe, die nicht geringer als 100 Franks, und nicht höher als 600 Franks seyn kann, bestraft wird. Gegen die Ausrufer, Verkäufer und Vertheiler von solchen Schriften sind ebenfalls Geld- und Gefängnißstrafen verhängt, die aber geringer sind, als die eben angeführten. Wenn in einer Druckschrift sich eine Provokazion zu irgend einem Verbrechen findet, so werden die Verkäufer und Vertheiler derselben mit eben den Strafen belegt, wie die Verfasser und Drucker; sie können sich aber davon befreyen, wenn sie den Namen des Druckers angeben. Wer in öffentlichen Reden oder Schriften, (sie mögen gedruckt seyn oder nicht,) oder durch Ausstellung, Verkauf oder Vertheilung von Liedern, Kupfern und Bildern, die Grundsätze der natürlichen oder öffentlichen Moral verletzt, wird mit Geld- und Gefängnißstrafe bestraft." In dem Abschnitt von Verbrechen und Vergehen gegen Privatpersonen ist zuförderst die Rede von Verbrechen gegen Menschen, und dann von Verbrechen gegen das Eigenthum. Das vierte Buch beschäftigt sich mit den Polizeyvergehen und der Bestrafung. Der zweyte Hauptabschnitt des Werkes ist überschrieben: Von der Polizey und der Justiz. Besondere Rubriken sind darin den verschiedenen Beamten, die sich mit Untersuchung der Verbrechen und Vergehen zu beschäftigen haben, gewidmet, und ihre wechselseitigen Funkzionen genau bestimmt; nämlich der Adjunkten der Maires, der Polizeykommissäre, der Bannwarte und Forstbeamten, der Sicherheitsbeamten, der Friedensrichter, der Gensdarmerieoffiziere, der General-Polizeybeamten und der instruirenden Richter. Alsdann wird das Verfahren und die Prozedur bey den einfachen Polizeygerichten, den Zucht-Polizeytribunalen und den Kriminalgerichten weitläuftig auseinandergesetzt. Der letztern erwähnen wir hier nicht, weil dieser Abschnitt bey den, unter Vorsitz des Kaisers gehaltenen Berathschlagungen des Staatsraths über diese wichtigen Gegenstände, grosse Veränderungen erlitten hat. So sind unter andern die bisher bestandenen Jurydirektoren und Anklagsjurys völlig abgeschaft; die jetzigen Kriminalgerichtshöfe ebenfalls aufgehoben, und dagegen eine Art sogenannter Assises eingeführt, welche von ambulirenden Appellazionsrichtern, mit Zuziehung von Zivilrichtern gehalten werden sollen; der Urtheilsjury ist beybehalten, erleidet aber mannichfaltige Modifikazion. Jeder Angeklagte soll u. a, größtentheils durch seine Pairs gerichtet werden. -- Eine merkwürdige Neuerung findet sich in Ansehung der Einführung einer Revision der Kriminalprozesse. Wenn nämlich die Kriminalrichter dafür halten, daß die Geschwornen sich in der Ansicht des Faktums vollkommen geirrt haben, so können sie verordnen, daß die Aussprechung des Urtheils suspendirt werde. Die Akten des Prozesses werden sodann durch den kaiserl. Oberprokurator beym Gericht dem Großrichter und Justizminister übermacht, und in einem sogenannten Conseil privé aufs neue untersucht. Hat dieses die nämliche Ansicht, so werden die Schriften an den Kassazionsgerichtshof transmittirt, dessen Kriminalsekzion den Prozeß an ein anderes peinliches Tribunal verweiset, wo sodann die Debatten vor einem neuen Urtheilsjury eröffnet werden. Ist hingegen das Gutachten des Conseil privé gegen die vom Kriminalgericht geäusserte Meinung, so wird dasselbe als eine Empfehlung an die Gnade der Regierung angesehen, und die Strafe, die nach der Strenge der Gesetze verhängt werden soll, kann vermindert werden. Ein besonderer Regierungsbeschluß verfügt darüber das Weitere. Besondere Verfügungen betreffen die Prozedur wegen Verfälschungen; das Verfahren gegen entwichene Angeklagte, gegen Richter in Betreff von Amtsvergehen; wegen Rekusazion von einzelnen Richtern oder gegen ein ganzes Tribunal. Den Beschluß des ganzen Werks machen die Verordnungen wegen Vollstreckung der Urtheile; wegen Organisazion der Gefängnisse, der Arrest- und Justizhäuser; über die Mittel, die Freyheit der Bürger gegen gesetzwidrige Verhaftnehmungen zu sichern, wegen Rehabilitazion der Verurtheilten, und wegen Verjährung der Verbrechen. -- Die Bemerkungen des Kassazionsgerichtshofs über das Projekt betreffen hauptsächlich die Nullitäten der peinlichen Prozedur; die Komposizion des Urtheilsjury und die bey dieser Instituzion zu treffenden Verbesserungen; die den Richtern zu ertheilende Befugniß, die Strafe zu schärfen oder zu verringern, und das deshalb einzuführende Maximum und Minimum von Strafe für jedes Verbrechen oder Vergehen; das Recht des Monarchen, Gnade zu ertheilen oder die verhängte Strafe zu mildern; besondere Bestimmungen in Betreff des Kindermords; Maßregeln, um diejenigen Personen, welche ihre Strafe ausgestanden haben, nach ihrer Freylassung für die Gesellschaft unschädlich zu machen, und unter eine gewisse Aufsicht zu setzen; mehrere Veränderungen im peinlichen Verfahren. Die Bemerkungen des Großrichters Justizministers beschränken sich ebenfalls größtentheils auf die erwähnten Gegenstände, besonders aber auf die neue Organisazion der Geschwornengerichte.