M. de Calonne.[]
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M. de Calonne war Obereinnehmer in Paris, und nennet sich noch Staatsminister, er verschafte sich vor und während der Revolution großes Ansehen. Seine Talente erhoben ihn von einem geringen Stande während der monarchischen Regierung zu einem Platze, wo man unbeschränktes Zutrauen zu ihm hatte. Er war sehr bei der Königin angeschrieben, und seine Feinde beschuldigten ihn, daß er die Verschwendung Ihrer Majestät, der Brüder des Königs, und vorzüglich des Grafen von Artois, der jetzt den Titel Monsieur, oder erster Prinz vom Geblüt führet, unterstützt habe. Die Staatsschulden Frankreichs, die zuerst von Herrn Necker dem Publikum gezeigt wurden, kamen von vielen auswärtigen Kriegen, und einer ansteckenden erniedrigenden Verderbniß im Innern des Reichs her. Calonnes und Neckers ganz entgegengesetzte Verwaltung, führte nothwendig zu der Versammlung des Adels. Diese veranlaßte die Versammlung des großen Staatsraths, der die Nationalversammlung zur Folge hatte, sie ging der constitutionirten Versammlung voran, aus welcher die Republik entstand. Unter vielen wichtigen, einige werden vielleicht sagen, unrichtigen Behauptungen von Calonne ist diese: Frankreich besitze fast dreymal so viel baar Geld als Großbrittannien, und habe weit mehr Korn als es zur Unterhaltung seiner Einwohner gebrauche.
L. A. v. Calonne.[]
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Calonne (L. A. v.), gebohren zu Douay aus einer Familie angesehener Rechtsgelehrten, vollendete auf eine glänzende Weise seine Studien auf der Pariser Universität. Seine Talente, das Angenehme und die Lebhaftigkeit seines Geistes hoben ihn nach und nach zu den Stellen eines Generalprokurators des Parlaments von Douay, eines Intendanten von Metz, von Flandern, endlich zum Generalkontroleur der Finanzen, Großschatzmeister, Kommenthur des heiligen Geistordens und Staatsminister empor. Finanzkontroleur ward er nach dem ersten Abgange Neckers, und während seines Ministeriums berief der König die Notablen zusammen. Calonne beschuldigte vor diesen seinen Vorgänger als Urheber des Deficit. Seine Feinde schoben ihrer Seits wieder die Unordnung in den Finanzen auf seine Verschwendung, und daß er sich zu leicht habe mißbrauchen laßen. 1788 entzog ihm der König sein Zutrauen, nahm ihm das Band seiner Orden, und verwies ihn nach Lothringen. 1790 gieng er nach England. 1791 beriefen ihn die Brüder Ludwigs XVI. zu sich nach Koblenz und Calonne verwaltete einige Zeit ihre Finanzen. Er gab 1793 und 1799 einige schöngeschriebene politische Werke heraus. Das Konsulargouvernement gab ihm 1802 die Erlaubniß, nach Frankreich zurückzukommen. Er legte einige Memoiren über die Finanzen vor, die aber schlecht aufgenommen wurden. Hierauf machte er abermahls eine Reise nach England und starb noch in demselben Jahre den 29sten Oktober zu Paris.
Historische Portraits aus den Jahren 1780 bis 1789.[]
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Calonne und Necker.
Calonne war der liebenswürdigste Weltmann, der sich denken läßt. Eine herrliche Figur, eine einnehmende Physiognomie; voll Geist, voll Grazie und Lebhaftigkeit; immer artig, immer zuvorkommend, immer galant. Er sprach und arbeitete mit großer Leichtigkeit; er kannte alle Feinheiten der Dialectik, aber für seine Stelle war er nicht gemacht. Der Kopf, der die Decoration eines Hotels angeben, oder eine Fete anordnen konnte, -- und hierin war Calonne unübertrefflich -- erlag unter der Geschäftslast.
Necker war ein großer, dicker, schwerfälliger Mann, mit einem höchst sonderbaren Gesichte, auf dem Alles von unten nach oben ging. Wenn man ihn ansah, errieth man seinen Charakter auf den ersten Blick: Ehrgeitz und Stolz, ja selbst mit Hochmuth vermischt. Er hatte mehr Gravität als Würde; er war steif, aber er imponirte nicht; er sprach mit Geläufigkeit; aber er war immer emphatisch dabey. Er hielt sich für einen der größten Minister Europens, wo nicht für den größten selbst. Sein Finanzfach, worin er unstreitig die meisten Kenntnisse besaß, schien ihm viel zu klein für seinen hohen Geist. Er wollte auch als Gesetzgeber, als Reformator von Frankreich gelten; aber er kannte die Menschen nicht. Er war ein guter Financier, denn er war ein guter Kaufmann; aber er war ein schlechter Politiker, denn er beurtheilte eine Monarchie wie Frankreich, nur nach den Verhältnissen einer kleinen Republik wie Genf.
Man hat ihm indessen häufig Unrecht gethan; wenigstens hat man häufig seine Motive verkannt. Als er sich des Tiers-Etat so heftig annahm, ward er als Demokrat ausgeschrieen. Das war er aber durchaus nicht. Er wollte den Tiers-Etat nur als Mittel gebrauchen, um den Adel zu schwächen, und um die Gewalt des Königs; d. h. seine eigene zu erhöhen. Späterhin nach seiner Zurückberufung, glaubte man ihn an den Hof verkauft. Allein gerade das Gegentheil. Er fühlte recht gut, daß er dem Hof zuwider war, und daß man ihn nur aus Furcht in seiner Stelle ließ. Sein ganzes Bestreben ging also darauf, sich in der Nationalversammlung eine Partey zu verschaffen, um auf diese Art immer gedeckt zu seyn. Allein er hatte falsch gerechnet. Man fand ihn viel zu gemäßigt, und besonders zu eingenommen für sein eigenes System.
Mit Calonne verglichen, gewinnt er allerdings als Finanzminister, oder eigentlich als Staatsbanquier; allein er verliert als Politiker. Calonne kannte die Nation weit besser, er wußte, wie weit man sie gehen lassen darf; doch sie selbst im Zaume zu halten, das verstand er ebenfalls nicht. Necker war ein großer Rechner, Calonne hatte einen Abscheu vor Allem, was Zahlen hieß. Necker brachte den Staat durch seine Systemsucht, Calonne durch seine Systemlosigkeit ins Unglück.
Zeitungsnachrichten.[]
1793.[]
Rom, vom 30. Wintermonat. [4]
In voriger Woche ist von Londen, und zulezt von Neapel der vormahlige Französis. Finanz Minister Calonne hier angekommen, und bey Sr. Heiligkeit, die sich eine zeitlang mit ihm unterhielten, zur Audienz gelassen worden.
Quellen.[]
- ↑ Anecdoten und Lebensbeschreibungen berühmter Männer aus verschiedenen Zeitaltern. Aus dem Englischen. Hannover, in der Administration der Ritscherschen Buchhandlung. 1798.
- ↑ Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
- ↑ Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. 1813.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 18. Christmonat, 1793. Num. 101.