Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Cambray.[]

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Cambray, (Cammerik) eine ehemalige deutsche Reichsstadt, *) an der Schelde, von welcher ein Arm einen Theil der Stadt berührt, hat eine schöne Lage in einer Ebene, ist von Vauban befestigt, und hat auserdem noch eine Citadelle, welche schon Karl V. erbauen ließ. Durch Schleusen werden die Vestungsgräben mit Wasser versehen. Die Stadt ist gut gebauet, und die schönsten Strasen laufen bei dem prächtigen Rathhause zusammen, auf welchem eines der berühmtesten Uhrwerke sich befindet.

Im Jahr 1677 belagerte Ludwig XIV. Cambray. Die Stadt hielt eine monatliche Belagerung aus, aber dann zog Ludwig als Sieger ein. **) Seit dieser Zeit ist Cambray mit Frankreich vereinigt geblieben, da im Nimweger Frieden das ganze Gebiet Cambresis zugleich an Ludwig abgetreten wurde. Die Vestungswerke haben, seit die Stadt unter französischer Hoheit steht, auserordentlich gewonnen, und schützen die Stadt hinlänglich vor einer plötzlichen Einnahme. In der Nähe dieses Orts sind noch die Reste eines alten römischen Lagers, nämlich einige Verschanzungen und Vestungswerke, die einem alten Lager, das die Römer hier aufgeschlagen hatten, zur Vormauer dienten. Als die Franzosen 1792 das Lager bei Famars verlassen hatten, sammelten sie sich hier im sogenannten Cäsarlager. ***)

Cüstine sollte, nach dem Willen des Nationalkonvents, mit seinen hier versammelten Truppen die von dem Feinde bedroheten Vestungen, Conde und Valenciennes, entsetzen. Allein es unterblieb, und die Unterlassung dieses Entsatzes wurde nach der Zeit einer der vorzüglichsten Anklagepunkte gegen Cüstine. Nachdem Conde und Valenciennes in den Händen der Oestreicher waren, wollten sie die Franzosen in ihrem Lager angreifen; diese hatten es aber bereits verlassen, und gegen Douay sich zurückgezogen. Nun wurde Cambray zur Uebergabe aufgefordert; allein es schlug sie ab, und bald verliessen auch die Oestreicher das Cäsarlager.

Cambray hat etwa 15,000 Einwohner und gegen 3000 Häuser.

Das hiesige Erzbißthum, als eine der einträglichsten Pfründen, (es trug auf 150,000 Livres ein) ward immer nur den Günstlingen der Regenten zu Theil. Fenelon, ****) Dübois *****) und Fleury ******) sind die merkwürdigsten unter den hiesigen Erzbischöfen. Auch ist Cambray der Geburtsort des Generals Dümouriez.

In Cambray wurde die weisse feine Leinwand, welche unter dem Namen Kammertuch bekannt ist, zuerst verfertigt, und erhielt daher ihren Namen. Allein die Kunst, diese feine Leinwand zu fertigen, hat sich dann weiter ausgebreitet, und man macht iezt nicht nur in der Picardie, sondern selbst in England sie eben so fein. *******)

*) Daher ihr Erzbischof auch den Titel führte: Fürst des heiligen römischen Reichs.
**) Das Thor, durch welches er seinen Einzug hielt, hat man zugemauert.
***) Daß diese und ähnliche Reste von alten Lagerschanzen noch aus den Zeiten der Römer sind, ist gewiß, ob sie aber von Cäsars Heeren errichtet worden sind, ist nicht ganz erweisen.
****) Erzieher des Herzogs von Burgund, des Enkels Ludwigs XIV. und Vaters Ludwig XV.
*****) Von diesem Erzbischof und Kardinal, der unter dem Herzoge von Orleans als Regenten, während Ludwig XV. Minderiärigkeit, sich zur Stelle der ersten Ministers emporschwang, macht ein französischer Geschichtschreiber folgende Schilderung: Noch als Privatmann war er ein Bedienter, ein Gauner, ein Wüstling, ein Geistlicher und -- verheirathet. Als Erzieher des iungen Fürsten (des Herzogs) ward er sein Verführer. In den ersten Zeiten der Regentschaft verkaufte er den Staat an England und Oestreich. Als er Minister geworden war, brachte er, um sich zu behaupten und Kardinal zu werden, ganz Frankreich in Verwirrung. Kurz vor seinem Tode hatte er den Plan, den Herzog zu stürzen. (Richelieu in seinen Memoiren.) Dübois starb unter den Schmerzen einer Operation, die er durch seine Ausschweifungen nöthig gemacht hatte.
******) Erzieher von Ludwig XV. und nachher Premierminister, ein Mann von vieler vortreflichen Eigenschaften.
*******) Besonders in Winchelsea. In Schleswig wurde 1756 ein Kammertuchmanufaktur errichtet, und auch in Schweden ist eine angelegt worden.


Cambrai.[]

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Cambrai oder Camerich, eine große starkbefestigte Stadt mit einem Erzbisthume (der berühmte Fenelon bekleidete hier die erzbischöfliche Würde, und nach ihm der eben so berüchtigte Cardinal Dubois) an der Schelde, in den französischen Niederlanden; jetzt in dem Departement du Nord. Von daher kommt die unter den Namen Cammertuch bekannte Leinwand. Die Zahl der Einwohner beläuft sich auf 16,000. Der Friede zu Cambrai wurde im Jahr 1529 zwischen Kaiser Carl V. und dem König Franz I. von Frankreich geschlossen, und zwar durch Vermittelung der Mutter des Königs und der Vaters-Schwester des Kaisers, Margaretha, damaligen Gouvernantin der Niederlande; daher der Friede auch la paix des Dames, der Friede der Damen, heißt. England trat diesem Frieden bei. 1507 wurde daselbst ein berühmtes Bündniß gegen die Republik Venedig geschlossen, und 1724 zwischen Kaiser Carl VI. und Philipp V. ein Friedenscongreß eröffnet, der sich aber durch den wiener Vergleich von 1725 zerschlug.


Quellen.[]

  1. Geschichte und Beschreibung der französischen Niederlande des Elsasses und Lothringens. Leipzig bei J. A. Barth. 1794
  2. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
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