Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Cabrera.[]

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Cabrera, kleine Insel auf dem mittelländischen Meer, südlich unter Mallorca. Sie hat einen guten Hafen, gesunde Luft, viel Holz, ein fruchtbares Erdreich, und ist doch nicht bewohnt, wegen der Seeräuber, welche hier oft landen. Man sieht noch die Ueberbleibsel des alten Schlosses, welches der Seeräuber Dragut 1550 zerstörte.


Von Reisende.[]

Karl Scheurmann.[]

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Cabrera. Beschreibung der Insel und ihrer Merkwürdigkeiten. Lebensart der Kriegsgefangenen in der Rhede von Mahon.

Wir schmeichelten uns vergebens, nach Marseille oder einem andern französischen Hafen gebracht zu werden, wie uns der englische Admiral die Hoffnung gegeben hatte. Nun erst bereuten wir, daß wir nicht die Güte des Amerikaners benutzt, und ihn, da wir dem Gestade von Algier so nahe gewesen, vermogt hatten, und dahin zu führen. Er würde es gewiß gethan haben, hätten wir nur Ernst gezeigt. Das versicherte er uns selbst, als wir uns vor Palma und in allen Erwartungen betrogen fanden.

Vierzehn Tage lang blieben wir in Ungewißheit über unser künftiges Loos. Dann wurden der Kriegsgefangenen bei fünftausend auf achtzehn Transportschiffen nach der unbewohnten Insel Cabrera gebracht. Auch ich war unter denselben und die Zahl der Offiziers ohngefähr anderthalb hundert.

Dies Eiland, wohin Spanien sonst Verbrecher auszusetzen pflegte, erhebt sich südwärts von Majorca, ohngefähr sechs Stunden von Palma, wie ein todter, kahler, zackiger Felsenklumpen, aus dem Meere. Diese Ansicht unsers künftigen Wohnplatzes war keine heitere Aussicht in die Zukunft. Doch wurden wir einigermaßen damit ausgesöhnt, als wir in einem Hafen ausgeschifft wurden, an welchem wir ein altes, wüstes Schloß liegen sahen, und den Fuß der Berge mit Pflanzen bedeckt. Es war der 11. Mai 1809.

Man gab uns Zelte und Lebensmittel. Letztere wurden uns auch nachher ziemlich regelmäßig zugeführt. So überließ man uns unserm Schicksal.

Ich richtete mich mit einigen meiner Unglücksgenossen ein, so gut es gieng. So übel wir daran waren, machten Gewohnheit und Hoffnung uns doch endlich das Leben leichter. Plagte mich die lange Weile, gieng ich baden oder fischen; oder ich verfertigte mir, wie ein anderer Robinson, meinen kleinen Hausbedarf, auch eine Sonnenuhr; oder ich durchstrich die Insel nach allen Richtungen; kletterte auf ihre Felsengipfel; zeichnete oder schrieb, was mir merkwürdig schien, in mein Tagebuch ein. In England wurden mir nachher Tagebuch und Zeichnungen abgenommen. Das war mir ein großer Verlust. Doch will ich von Cabrera, dieser wenig bekannten Insel des Mittelmeers erzählen, so viel mir im Gedächtniß geblieben.

Die Römer nannten sie Capraria, vermuthlich von der Menge sich dort aufhaltender wilder Ziegen. Jetzt sind diese Thiere dort vertilgt. Als wir auf die Insel kamen, fanden wir noch in allem fünf, davon unsere Soldaten vier erwischten. Die Römer hatten auf dieser kleinen balearischen Insel eine Niederlassung; wenigstens eine Veste, wie uns einige Ueberbleibsel davon Gewißheit gegeben haben. Beim Bau einer Hütte für unsern Regimentsarzt Kasthofer stießen wir grabend auf altes Mauerwerk. Wir fanden einen römischen Grabstein, Trümmern von Aschenkrügen; auch römische Münzen. Leider war unter uns allen kein Alterthumsforscher.

Auch noch in spätern christlichen Zeiten ist Cabrera bewohnt gewesen. Das sehr alte, nun zerfallene Schloß verbürgt es. Man hat von demselben die Aussicht auf Majorca und sieht Palma über dem Meere. Allein die Raubsucht und Grausamkeit der afrikanischen Seeräuber, oder die Flucht vor denselben, entvölkerte das Eiland; und die Schlaffheit der spanischen Könige wußte diesen Fleck Landes nicht zu retten. Der berüchtigte Seeräuber Dragut-Rais, Babarossa's Liebling, zerstörte das Schloß von Cabrera im Jahr 1550. Noch jetzt liegt es halb zerfallen da.

Die Insel hat ohngefähr vier bis fünf Stunden im Umfang, und drei große Buchten. In zwei derselben können Schiffe von jeder Größe landen. Die Bucht beim Schlosse aber ist die sicherste; nur ihre Einfahrt böse, kaum hundert Schritt breit, zwischen Felsenriffen, und sehr gewunden.

Auf diesem kleinen Raume ist alles bergig und uneben. Der höchste von den Bergen mag aber doch kaum mehr, denn achthundert bis tausend Schuh über dem Spiegel des Meers erhaben sein. Die obern Gipfel sind ganz kahl und nackt und schroff. Sie bestehen aus Kalk; sind sehr zackig; an einigen Orten wackenartig, löcherig, höhlig, wie Schlacken. Doch bemerkt' ich keine Spur von Bimstein, oder irgend etwas Verglasungsartiges, das an Vulkane mahnen könnte. Auf der Abendseite der Insel befindet sich Steinsalz. Auch von Wismuth und Blende fand ich eine ziemlich starke Ader zu Tage ausgehend. Es sind hier mehrere beträchtliche Höhlen in den Bergen. Schon Gilblas wird jene Grotte beschrieben, welche dem Schloß gegenüber an der Seite der Bucht ihre Wunder zur Schau bietet. Man steigt in dieselbe nicht ohne Gefahr, ohngefähr fünfzig Schuh abwärts, sehr steil. Dann erblickt man das schöne Gewölbe sechszig bis siebenzig Schuh hoch über sich. Die Haupthöhle, denn sie hat auch Nebengänge, hat eine Länge von ohngefähr hundertundfünfzig Schuh, eine Breite von sechszig bis siebenzig. Ungeheuere Stalaktiten, in seltsamen, wunderlichen Gestalten, wie Altäre, Orgeln, Säulen begegnen dem Blick rund umher. Alle Röhren ertönen; denn sie sind alle hohl.

Eine andere Grotte befindet sich auf der Morgenseite von Cabrera. Der Eingang ist mühsam. Man muß auf den Bauch hinein kriechen. Dann gelangt man zu einer vom Tropfstein natürlich gewachsenen Wendeltreppe, auf der man bei siebenzig Schuh tief abwärts steigt. Unter ist kristallhelles Wasser. Die Weitung beträgt im Durchmesser etwa dreißig Schuh. Man steht da, wie unter einem runden hochgewölbten Dom. Der Glanz des schneeweißen und farbigen Tropfsteins ist beim Schein des in der Tiefe angezündeten Feuers dem Auge blendend.

Diese beiden Höhlen waren schon vor uns bekannt. Eine dritte, kleinere, wurde von uns noch entdeckt. Wir nannten sie nachmals die Dragonerhöhle. Denn dreißig Dragoner machten sie zu ihrer Wohnung, unglückliche Menschen, die nicht einmal Lumpen hatten, ihre Blöße zu decken. Nur immer ein einziger von ihnen konnte sich bekleidet und öffentlich zeigen, während die andern in der Höhle auf der Streu lagen, oder sich vor der Grotte sonneten. Ein englischer Schiffshauptmann, der in der Folge von ihnen hörte, hatte noch so viel Menschlichkeit, alle wieder zu bekleiden.

Cabrera hat drei Hauptthäler, die fruchtbar genug waren, wenn man sie anbauen würde. Denn das Klima ist vortrefflich und mild. Eine Juniperusart und Buchsbaum wächst in Menge; kleines Gesträuch an den Klippen, und in den Felsenklüften gute Steinkresse. Es giebt mehrere Zwiebelgewächse. Eine Art derselben lernten wir auf traurige Weise kennen. Denn die davon aus Hunger genossen, wurden, waren sie starker Natur wahnsinnig und wüthend; die Schwächern starben schneller daran hin. Laubholz sah man nirgends. Nur ein einziger Ulmenbaum stand in der Mitte des Thals, welches dem Schlosse zunächst liegt. Ich besuchte ihn oft. An der Ostseite der Insel steht noch eine magre Waldung von Fohren (pinus).

Das ganze Land wimmelt von Kaninchen. Schon Strabo erzählt, man habe aus dem festen Lande von Hispanien Kaninchen auf die balearischen Inseln gebracht, die hier bald eine so ausserordentliche Vermehrung gehabt, daß die Einwohner, weil der Boden ganz verheert wurde, die Römer um Hilfe angerufen hätten. Diese brachten afrikanische Katzen, welche die Kaninchen bis in ihre Höhlen verfolgten. Wir fingen deren viele in Schlingen. Doch war der Fang nicht immer leichtes Geschäft. Ausser ihnen sind auf der Insel die Ratzen sehr gemein. Im Schlosse wohnen ganze heerschaaren derselben. Andere Vierfüßler bemerkten wir nicht. Im Herbst und Frühling kehren hier viele Wachteln, Krammtsvögel, Schnepfen und andere Zugvögel ein. In den Felsenklüften nisten Seemöven, die man Nachts in ihren Nestern mit den Händen fing. Von Schlangen ist in Cabrera keine Spur. An kleinen Eidechsen, Scorpionen und Taranteln hingegen fehlt es nicht. Unter Taranteln versteh' ich hier nicht die bekannte Tarantelspinnen, sondern ein kleines, zolllanges, eidechsenförmiges, plattköpfiges Geschöpf, welches zur Klasse der Gekotten oder Stellionen gehören mag. Es ist ein äusserst ekelhaftes Thier. Wo es einem über den entblößten Arm oder Leib kriecht, schwillt die Haut danach auf.

Ausser den Austern, die an den Klippen der Bucht zwölf und sechszehn Schuh unter dem Wasser fest hangen, und schwer zu lösen sind, bemerkt' ich unter den Meerbewohnern den Seeaal (muraena coger) mit grauer, buntschillernder Haut. Ich fing einen von sechs bis sieben Schuh Länge in den Felsenlöchern der Meeresbucht. Auch der Dintefisch (sepia officinalis) ist gemein. Der Hunger lehrte uns, diesen Schleimwurm mit Vergnügen verzehren, so wenig auch sein Aeusseres zum Genuß einladet. Im Wasser blau, wird er, sobald er ans Land geworfen ist, und seine schwarze Feuchtigkeit ausgesprützt hat, ganz weiß. Wir fingen zuweilen eine andere Molluskenart, von der ich jetzt nicht entscheiden mögte, ob sich zu den Sepien oder Lernäen gehörte. Wir nannten dies Thier den Siebenarm. Es war an diesem Thier nichts fest, alles gallerartig und weich, wie Rindergedärm; nur in der Mitte seines Leibes befand sich eine harte, knörpelartige Oeffnung, in Gestalt eines Dreiecks, die ihm zum Mund diente. Sechs bis sieben Schuh lange Arme giengen von ihm aus, wie Schwänze, nach denen es den Namen empfing. Auch sein Fleisch hat uns zur Speise gedient. Eifriger noch suchten wir die Meerigel oder Meerkastanien (echinus esculentus). Diese Thiere, von der Größe mittelmäßiger Aepfel, rund und stachlich, wie Kastanien in ihrer Schaale, haben im Innern, unter ihrer Haut ein Fleisch, welches ich kleinen Fischroggen, mit Schleim verbunden, vergleichen mögte. Es schmeckt zwar nicht übel; aber sättigt wenig. Die Stacheln sind beweglich, scharf und zerbrechlich. Durch unvorsichtige Berührung verwundet man sich daher an ihnen leicht. Nach einem Sturm waren die Felsen von ihnen ganz voll.

Es liegt noch eine andere kleine Insel, etwa sechshundert Schuh weit von der Ostseite Cabrera's, wo wir zuweilen hinüberschwammen. Sie gleicht einem Schildkrötenrücken, oder eine Pastete; ist rundlich und ein einziger Hügel, den man in einer halben Stunde in der Mitte durchwandert. Wir pflegten dies Eiland, welches von gewürzhaften Kräutern und kleinen Gestrüpp bedeckt ist, worin unzählbare Kaninchen leben, das Kanincheninsel zu nennen.

Wir hatten schon vier Wochen in Cabrera gelebt, als Befehl kam, daß sämmtliche Offiziers eingeschifft werden sollten. Ein Theil von uns wurde nach Majorca gebracht; ein anderer Theil, zu dem auch ich gehörte, nach Minorca. Ich kenne die Ursache dieser Veränderung nicht.

Wir ankerten am 19. Mai früh Morgens in der Rhede von Mahon. Nach einigen Tagen Quarantaine wurden wir ans Ufer gebracht, nicht aber zur Stadt, sondern in das am Gestade liegende sogenannte Hospital. Das ist ein weitläuftiges, mit zwanzig Schuh hohen Mauern umgebenes Gebäude; oder vielmehr es sind mehrere große von einander gesonderte, mit eignen geräumigen Höfen versehene Gebäude. In denselben empfingen wir, weit über hundert gefangene Offiziers, unsere Wohnung. Nach Mahon durfte niemand; doch war es uns erlaubt, im Meere das Bad zu nehmen.

Es dauerte nicht lange, so hatten wir uns hier ganz vortrefflich eingenistet. Es hatte jeder täglich von uns ohngefähr zweiundvierzig Kreuzer zu verzehren. Ein Spanier, desgleichen auch ein Franzose hielten Kaffeehäuser. Der Wein war wohlfeil. Wir hatten ein Billard. Man gab Konzerte. Endlich wurde selbst Schauspiel veranstaltet; zu Mahon befanden sich noch alte Dekorationen eines Theaters, das ehmals Engländer gehabt hatten. Diese frischten wir auf. Unsere Bühne ward niedlich. Die Schauspiele hatten Beifall. Selbst der Kommandant von Mahon mit seiner Familie und andern Herren und Frauen von Mahon besuchten unser Theater, bei welchem ich bald als Maler, bald als Maschinist, und wenn es sein mußte, sogar mit Donner und Blitz, redliche Dienste leistete. Nach dem Schauspiel oder Konzert ward getanzt bis spät in die Nacht.

Von den Offizieren unsers Bataillons befanden sich nur sieben hier. Unter ihnen war auch Hauptmann Plüß, mit dem ich zur Unterhaltung einen mathematischen Kurs anfing. Ich verfertigte mir eine Australuhr, vermittelst welcher ich in der Nacht auf die Minute die Stunde wußte, sobald ich nur den Polarstern und großen Bär sehen konnte. So verschwand die Zeit ziemlich angenehm. Zuweilen gab uns die vor Toulon kreuzende englische Flotte mit ihrer Erscheinung auf dem Meere ein majestätisches Schauspiel. Einmal besuchte uns auch der greise Admiral Collingwood im Hospitale selbst. Immer waren in dem Hafen Schiffe ab und zu in Bewegung. Doch nicht jedesmal war ihre Nähe erfreulich. Es hatten sich einst von einer algierischen Korvette mehrere Christensclaven glücklich in der Rhede gerettet. Fünf derselben wurden wieder eingefangen. Der spanische Befehlshaber, welcher wenigstens den Namen eines Kommandanten oder Gouverneurs führte, und die Engländer, welche eigentlich den Oberbefehl auf der Insel hatten, waren grausam genug, die Unglücklichen dem algierischen Satan wieder auszuliefern. Er ließ ihnen die Bastonade auf den Tod geben. Ich hörte ihr entsetzliches Geschrei unter der langsamen, zerfleischenden Quaal der Schläge fast den ganzen Tag, und pries sie glücklich, als ihre sterbenden Stimmen nach und nach erloschen.

Der Kommandant von Mahon war ein filziger, knauseriger Mann. Ward einmal gegen seine Befehle gesündigt: mit einem guten Glase Weins, mit kleinen Geschenken war er leicht zu versöhnen. Ich schreib' es auch nur seinem Geiz zu, daß wir nach einem zehnmonatlichen Aufenthalt Minorca wieder verlassen, und auf Cabrera zurück mußten. Dort konnt' er wahrscheinlich mehr an uns gewinnen.

Am neunzehnten April des Jahres 1810 ward uns befohlen, ein algierisches Schiff zu besteigen. Jeder machte sein Bündel. Binnen zwei Tagen befanden wir uns allesammt wieder in Cabrera.

Hier hatte sich während unserer Abwesenheit Alles verwandelt. Die Zelte waren verschwunden und von den zurückgebliebenen Soldaten in Kleider oder Betttücher umgeschaffen. Im Thal an der Bucht stand ein Dorf, mit regelmäßigen Straßen, und einem öffentlichen Platz. Jedes von den Häusern war von Steinen und Leimen aufgeführt; mit Schornsteinen versehen; mit Zweigen gedeckt. Die Fenster bestanden aus geöltem Papier. Jede Gegend hatte ihre Namen; sogar ein Palais Royal gab es. Alles trieb Gewerbe. Da fand man Unterricht bei Tanz- und Fechtmeistern. Da ward Markt gehalten, wo der Eine sein Brod, der Andere ein Stück Tuch, der Dritte Gemüse, der Vierte Papier oder Holz verkaufte. Es war eine Castagnettenfabrik angelegt, welche zierliche Waare für die spanischen Tänzer verkaufte, und an diejenigen abgesetzt wurde, welche uns von den Inseln wöchentlich Proviant brachten.

Wir Neuangekommenen mußten uns, in Ermangelung der Zelte, ebenfalls bequemen, Häuser jener Art mit eigenen Händen zu bauen. Wir waren in der Kunst oft ungeschickt genug und sahen mehrmals unsere Mauern stürzen. Wir siedelten uns ausserhalb dem Dorfe an, und lebten gleich Vornehmern in Landhäusern, auf den Höhen umher.

Obgleich einige Offiziers auch hier wieder das heitere Leben von Minorca herstellen wollten, konzerte und Liebhabertheater einführten, gelang es doch beim Gefühl der eignen und beim Anblick der allgemeinen Noth nicht, wie damals. Der Mangel an Lebensmitteln, mit denen man uns so kärglich versorgte, verbitterte uns jede Lust. Die Kaninchen, die Fische und Mollusken waren nur schwer zu fangen; nicht alle Tage glücklich. Es war herzzerreißend, so viele erdgelbe, halbnackte, ausgehungerte Gestalten umherschleichen zu sehen. Viele starben an ungesunder Nahrung. Einmal schienen wir ganz vergessen worden zu sein, indem die Zufuhr von Lebensmitteln sechs Tage über die bestimmte Zeit ausblieb. Man fand Menschen mit der Angel tod am Meere sitzen. Verschiedene stürzten sich aus Verzweiflung von den Felsen in die See. An Flucht war hier nicht zu denken. Einige französische Seeoffiziers hatten sich in unbegreiflicher Heimlichkeit ein Schiff gebaut, das Holz selbst dazu gefällt, und Alles mit bewundernswürdiger Kunst beinah vollendet. Da verrieth sie den Spaniern ein Soldat um -- ein Brod.

Mit diesem Elende verband sich die Ruchlosigkeit verwilderter Menschen, die keine Obrigkeit über sich anerkannten. Zwar hatten sie anfangs dergleichen, und eine Art Gesetze unter sich eingeführt. Dem Diebe ward ein Ohr abgeschnitten; stahl er zum zweitenmal, ward er erschlagen oder erdrosselt. Bald aber blieb nur der Stärkere Meister. Zweikämpfe mit hölzernen Stoßrappieren, vorn mit scharfgespitzten Eisen versehen, waren nicht selten.

Unter den Soldaten mogten sich etwa funfzehn bis zwanzig Weiber befinden, welche mit in die Gefangenschaft gerathen waren. Diese wurden abwechselnd, wie andere Waare, verkauft und gekauft, je nachdem einer ein Weib ernähren konnte, oder nicht. So änderten diese weiblichen Geschöpfe oftmals die Ehen. Einst warf im Zorn ein Mann seine Frau ins Meer. Ein anderer kam dazu, sprang ins Wasser und zog sie wieder heraus. Jetzt entstand Prozeß, wem eigentlich von beiden Männern die Frau von rechtswegen gehöre? Die Entscheidung der Richter gieng endlich dahin, daß dem, welcher das Weib ins Meer geworfen, die Kleider zukommen sollten, auf welche er Anspruch machte; der andere behielt die Frau, welche er sich gerettet hatte.

Unser betrübter Zustand auf Cabrera dauerte bis zum 28. Heumonds 1810, also ein volles Vierteljahr. Dann wurden wir erlöst. Alle Offiziers und Unteroffiziers erhielten Befehl, sich auf mehrere angekommene kleine Transportschiffe zu begeben. Wie gern gehorchten wir! Die Fahrt ging nach Gibraltar, wo wir den 10. August einliefen.


1810.[]

[3]
Der schreckliche Sturm von 6. bis zum 10. März that den Belagerern und Belagerten von Cadix an ihren Werken vielen Schaden und das Fort Malagorda wurde in der Grund geschossen.

Als ein Paar Pontons mit französischen Gefangenen von der cadixer Rhede verloren gingen, transportirte man viele dieser Gefangenen nach den Canaria-Inseln, Mallorca, nach England und 7000 nach der wüsten Insel Cabrera. Hier litten sie oft schreckliche Noth und hatten nicht einmal Obdach, 2500 tödtete das Elend, 1500 nahmen englische oder spanische Dienste. Die einzige Quelle der Insel versiegte im Sommer. Die Unglücklichen öffneten sich aber eine Höhle im Felsen, wo sie gutes Wasser fanden. Aus den Schädeln gestorbener Kameraden tranken sie ihr Wasser und schnitzten aus deren Knochen knöpfe für den Handel. Seit 1813 erhielten sie Sämereyen, um sich aus ihren Gärten einen Theil ihrer Nahrung zu verschaffen und hatten nun etwas geringere Noth. Daß sie so schlecht behandelt wurden, war nur die Schuld einiger wenigen niederträchtigen Lieferanten.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
  2. Ueberlieferungen zur Geschichte unserer Zeit. Jahrgang 1817. Aarau Bei Heinrich Remiggius Sauerländer.
  3. Geschichte des Kriegs auf der pyrenäischen Halb-Insel unter Napoleon begleitet von einer politisch-militärischen Schilderung der kriegführenden Mächte vom General Foy. Aus dem Französischen übertragen und mit Erläuterungen versehen durch Oberst Chevr. Puttrich, ehemaligen General-Stabs-Officier bey der franz. Armee in Spanien xc.; anjetzt königl. sächs. Civil-Diensten. Mit dem Bildniss des Generals. Leipzig, J. C. Hinrichssche Buchhandlung. 1828.
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