Von Bastille bis Waterloo. Wiki

NHA Haarlem


Broek.[]

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Broek, im Waterland, in Nordholland, reiches Dorf, mit 752 Einwohn. das zugleich ein Muster der holländischen Reinlichkeit und Zierlichkeit in Häusern und Meublen ist.


Broek im Waterlande.[]

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Broek im Waterlande, Dorf mit 752 Einw., das man allen Reisenden als ein Muster der holländischen Reinlichkeit darstellt; aber gerade hier hat die Tugend den kleinlichsten und übertriebensten Anstrich.


Saardam und Broek, zwey sonderbar merkwürdige Dörfer in Nordholland.[]

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In einem sogenannten Reitzeuge, so heißt hier ein in seiner Art sonderbares, mit dickem Muschelwerk reich geziertes zweyspänniges Fuhrwesen, fährt man nach ein paar kleineren Dörfern, und zuletzt nach Broek (Bruck), das seines geputzten Aussehens wegen das berühmteste ist. Es scheint ganz so, als wenn ein alter pünktlicher Zuckerbäcker dazu den Plan gemacht hätte. Alles ist hier noch viel zierlicher, und noch mehr gewaschen und geputzt als in Saardam; es geht in der That über alle Beschreibung hinaus. Ein paar darauf gehaltene Leute sind beschäftigt, den mit gebrannten Steinen oder sogenannten Klinkern gepflasterten Weg nicht allein zu kehren, sondern zu waschen, und, wie es durchgehends geschieht, die an den Seiten hergehende scharf abgestochene Raseneinfassung zu stampfen; während daß ein paar Weiber die auf Säulen von blauem Lütticher Stein stehenden Laternenpfähle abputzen, die alle wie neu polirt glänzen. Bey jedem neu ausgefegten Häuschen ist der kleine gepflasterte Hof parterrmäßig mit Muscheln, bunten Steinchen, Glaskorallen und dergleichen ausgelegt, und der Garten ein vollkommnes zierliches Blumenbette, mit weiß angestrichenen Bänken, Staketen und dergleichen Verzierungen, wovon jedes Zweigleichen und jede Blume sorgfältig angebunden ist. Alle große Bäume sind geschoren; und an den meisten die Stämme weiß gefärbt. Die Kanäle sind alles ausgemauert, und Mauern, Schleußen und Brücken werden nach jedem Regen abgerieben und gewaschen. In einigen Häusern sind Eingänge, Fenster, Bänke und dergleichen mit weißem italienischen Marmor belegt. Das Putzen und Waschen wird hier, man möchte sagen, bis zur Tollheit getrieben; und wer nur räuspert, dem kommt man mit einem Quispedorjen d. i. porzellanenen Spucknäpfchen) entgegen, die man hier auf allen Tischen stehen sieht.

In diesem sonderbaren bunten Dorfe sieht man aber gar kein Vieh, und nur wenige Menschen; denn für jenes stehen die Ställe außerhalb, und im Dorfe selbst werden höchstens einige Hunde und sehr weniges Geflügel gehalten, weil man Gefahr laufen möchte, daß die schönen bunten Muscheln und Steinchen durch einander gekratzt würden, mit denen die kleinen Höfe in abgetheilten Feldern belegt sind. Die ganze Landwirthschaft besteht in Nordholland überhaupt im Viehstande; und da das Vieh im Sommer beständig auf der Weide ist, die Beschäftigung des Landmanns nur im Molkenwerke, und in einiger Entfernung von Amsterdam vorzüglich im Käsemachen. Die reicheren Bauern lassen solche Arbeiten durch ihre Leute verrichten, und führen zwar ein bäurisches, aber bequemes, ruhiges Leben. Die Frauen und Töchter kommen dabey wenig aus ihren Häusern; sie machen darin einige gröbere Handarbeiten, und wischen und putzen den ganzen Tag. Der Mann, wenn er sich, wie es hier gewöhnlich der Fall ist, nicht mit der Schifffahrt und dem Handel beschäftigt, arbeitet wol an seinem Hofe und Garten, oder auch allenfalls an den Dämmen und Gräben seiner Wiesen mit; aber es bleibt ihm doch noch manche Stunde übrige, die er bequem und mit einer ihm eigenen Behaglichkeit am Küchenfeuer, dem allgemeinen häuslichen Versammlungsorte, zubringt. Die ewig dauernde Feldarbeit und Quälerey des Landmanns unsrer Gegend ist hier gänzlich unbekannt. Zur Heuerndte, zum Torfstich und dergleichen Arbeiten, werden die fremden Arbeiter gebraucht, die jährlich aus Westphalen unter dem Namen von Holländergehern als Strichvögel dahin ziehen. Vom schönen Landleben in unsern Gegenden haben die hiesigen Sumpfbewohner gar keinen Begriff; sie kennen eben so wenig Berge und Thäler, als froh und frey ungeschoren wachsende Bäume. Allenthalben sehen sie nur Gras und Schilf, Bülten und Sumpf, um sich her; und sie haben, theils von ihren eigenen Seereisen, theils aus Erzählungen ihrer Väter, mehr Kenntnisse von der Wirthschaft der Neger, und von der Kultur des Zuckerrohrs, als von unsrer Landwirthschaft und vom Kornbau; dem Stroh und Korn werden hier als ausländische Waare zu Schiffe herbey gebracht.


Von Reisende.[]

Ralph Fell.[]

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[1800]

Während unsers Aufenthalts in Amsterdam liessen wir uns über das Y setzen, um die schönen Dörfer Broek und Saardam in Nord-Holland zu besuchen. Jenes ist wegen seiner ausserordentlichen Reinlichkeit, dieses wegen der vielen Windmühlen und grossen Schiffs-Bauplätze berühmt.

Das Dorf Broek liegt sechs englische Meilen von Amsterdam, und wird besonders von überreichen Kaufleuten bewohnt, die nach Beendigung ihrer Geschäfte sich dem Lärm und Getöse der Stadt entziehen, um der Ruhe eines einsamen Dorfs zu geniessen. Broek zählt über hundert Häuser, die sämmtlich mit der grössten Sorgfalt geschmückt und bemahlt sind. An jedem Hause befinden sich zwei Thüren; dies ist in ganz Nord-Holland der Fall; die eine wird nur bei Leichenfällen oder Kindtaufen geöffnet, die andere dient zum gewöhnlichen Gebrauche. Ich konnte nicht in Erfahrung bringen, welcher Aberglaube dieser sonderbaren Sitte, die nur in Nord-Holland gewöhnlich ist, zum Grunde liegen mag. Der Fremde findet darin etwas Feierliches, und der Anblick dieser Thüren, die nur bei Leichenbegängnissen oder bei der Aufnahme eines Kindes in die christliche Gesellschaft geöffnet werden, flöste uns eine Art religiöser Ehrfurcht ein.

Über verschiedenen Thüren waren Bildhauer-Arbeiten angebracht, welche die Lebensbeschreibung einiger der vorigen Besitzer dieser Häuser enthielten. Eine darunter zog besonders unsre Aufmerksamkeit auf sich. Sie war in vier Quartiere getheilt; das erste stellte die Einschiffung eines jungen Mannes, und die über seine Abreise weinenden Verwandeten am Kay vor. Im zweiten war die Ankunft desselben in einem fremden Welttheile vorgestellt, wo eine Menge Indianer ihn empfingen. Das dritte zeigte ihn als Pflanzer, umgeben von |Sclaven und den Produkten der Wendekreise. Auf dem letzten sieht man ihn schon bejahrt und mit Reichthümern gesegnet in sein Vaterland zurückkehren. Die dabei bemerkte Jahrszahl war 1661. Auf ähnliche Art erblickte man über einer andern Thüre die Lebensbeschreibung eines Krämers, und über einer dritten die Schicksale eines durch den Wallfischfang reich gewordnen Holländers.

Die Häuser in Broek sind mit verschiedenen Farben, hauptsächlich aber grün und weis gemahlt, einige sogar mit Vergoldungen verziert. Sie sind klein, enthalten selten mehr als acht Zimmer und sind nie über zwei Stockwerke hoch. Vor den meisten befindet sich ein kleiner Garten, mit Muscheln, Scherben von gefärbtem Glas, Stückchen Porzellain und ähnlichen Dingen auf abgeschmackte Art verziert, und Bäume und Gesträuche nach allen möglichen Formen geschnitten. In einem dieser Gärten hatte ein Baum die Gestalt eines mit Bouteillen und Gläsern besetzten Tisches; ein andrer glich einem Schiffe und ein Beet von Buchsbaum stellte eine Haasenjagd vor. Dieser lächerliche Geschmack in der Gartenkunst rührt noch aus jenen Zeiten, wie Holland nach Abwerfung des spanischen Jochs sich fast ausschliesslich dem Handel widmete, und daher alle blos schöne und angenehme Künste vernachlässigte, und eben so herrscht er noch jetzt nach zwei Jahrhunderten ohne Veränderung oder Verbesserung in Broek.

In den Strassen dieses Dorfs scheint die Reinlichkeit ihre höchste Stuffe erreicht zu haben. Sie sind dicht mit kleinen Ziegeln gepflastert, ihre engen Zwischenräume werden oft gereinigt und nirgends bemerkt man die geringste Spur von Schmutz, ja nicht einmal ein Grashälmchen. Kein Thier darf diese Strassen entweihen; Hunde und Katzen werden sorgfältig in den Häusern ihrer Herren eingeschlossen und dürfen nie die entzückende Freiheits-Luft einathmen. Selbst die Vögel in der Luft verscheucht man aus diesem Wohnsitze der Reinlichkeit, damit sie nicht, gleich jenen hässlich Harpyen Virgils, die Strassen oder Häuser mit ihrem Unrathe besudeln.

Die Tugend der Reinlichkeit wird in Broek bis zum lästigen Extrem getrieben. Nie sah' ich einen so freudeleeren, traurigen und schwermüthigen Ort. Wir erblickten eine Gruppe Knaben, von einem Alter, dem Scherz und Fröhlichkeit vorzüglich eigen sind, ganz still und sittsam am Rande eines Kanals sitzen, und mit so ernsthaften, gesetzten, nachdenkenden Mienen, wie man sie nur von alten Leuten erwartet. Ihre Neugierde wurde durch unsre Erscheinung so wenig gereitzt, dass sie nicht einmal den Kopf umwenden mochten, um zu sehen, welchen Weg wir nehmen würden. Waren Frauenzimmer am Fenster, so zogen sie sich bei unsrer Annäherung eilig zurück, und stand eine Hausthüre offen, so wurde sie mit ungastfreier Härte zugeschlagen. Mangel an Neugierde ist, wie ich glaube, eine charakteristische Eigenschaft der holländischen Nazion, und im höchsten Grade herrscht sie gewiss in diesem Dorfe.

Von Broek fuhren wir nach Saardam. Die Landstrasse geht zum Theil über den Damm, der Nord-Holland gegen die Gewässer des Y sichert. An verschiednen Orten der Strasse bemerkten wir Batterien von drei bis vier grossen Kanonen, die man im vorigen Jahre errichtet hatte, um das weitere Vordringen der Engländer, wenn sie bis nach Amsterdam gekommen wären, zu verhindern. Von einigen dieser Batterien wurden die Kanonen durch holländische Soldaten weggeführt, und man hält jetzt den Zustand des Landes für so sicher, dass sie bald gänzlich geschleift werden sollen.


Von Reisende.

Dr. Johann Friedrich Droysen.[]

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[1801]

Haarlem, den 27sten Juni, 1801..

Ich weiß nicht, wie ich es anfangen soll, um Ihnen das Eigenthümliche und Seltsame des Dorfes Brök im Waterlande zu schildern; Sie werden für Uebertreibung halten, was ich nur mit den schwächsten Zügen mahlen kann. Das ganze Dorf sieht aus, als wenn es so eben aus den Händen eines Zuckerbeckers hervorgegangen wäre, der an ihm alle seine Kunst und alle seine Farben verschwendet hätte. Die Gassen laufen ziemlich regelmäßig, mit beschnittenen Bäumen besetzt, neben einander fort, sind mit kleinen, nach bestimmter Ordnung gelegten Klinkern in bunten Figuren gepflastert, und nicht nur gekehrt, rein gewaschen, jedes Grashälmchens beraubt, und mit Sand bestreuet; so wie wir gingen fegte und wusch man wieder hinter uns her. Die Häuser in demselben, meistentheils von sehr reichen Leuten, Eigenthümern oder Bauern bewohnt, sind mit den buntesten Farben bemahlt, die Thüren und Läden grün, mit Messing beschlagen, alles bis zum Spiegeln polirt; die Fenster weiß oder roth; diese bunten Häuser liegen in kleinen Gärten, die aber nichts von der Natur, sondern alles von der Kunst haben. Statt des grünen Rasens findet man hier in bunt gemahlten Gittern Beete ohne alle Blumen, mit den buntesten Steinen, Muscheln und Glasperlen belegt, jeder dieser Spielereyen, denn Garten kann man sich nicht nennen, ist von der andern, durch die Abenteuerlichkeit ihres Geschmackes verschieden. Hier trifft man endlich ein Mahl auf Grün, aber wie? Taxusbäumchen in Gestalt von kleinen Schiffchen, Leitern, Schwänen, Störchen, Fischen und Kaffehkannen u. s. w. geschnitzelt, stehen dicht neben einander in Glasperlen und bunten blauen Steinchen. -- So ist das ganze Dorf, und dabey so öde, so todt; kein Wagen darf hier fahren, die Gassen sind zu enge dazu; nur eine Straße führt aufs Wirthshaus. Die seltenen, einzelnen Menschen die auf der Gasse gehen, tragen Schuhe von Lindenholz, die vor den Häusern stehen bleiben, um die Häuser nicht zu beschmutzen, und scheinen alle nur zu leben, um ihre Häuser und Straßen rein zu halten. Die Mädchen und Weiber die, so wie die Männer, hinter den Jalousies mit Neugier auf die Fremden sehen, sind zierlich geputzt, ihr Haar ist mit Gummi in kleinen Ringellocken gedreht, mit breiten goldenen, oft mit Brillanten besetzten Bändern eingefaßt, die über die Stirne fassen, und sehen im Ganzen nicht übel aus.

Wie gern hätten wir das Innere eines solchen Hauses gesehen, aber nach zehn bis zwölf vergeblichen Versuchen, wo uns der kaum aus der Thür hervorragende Kopf abweiß, wurden wir dessen, so wie der unglaublichen Langweiligkeit des Einerleys überdrüssig, und setzten unsern Weg nach Zaardam fort.

Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Neu bearbeitet von Konrad Mannert, Königl. Bairischen Hofrath und Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
  2. Neueste Länder- und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Sechster Band. Holland und Westphalen. Prag 1809, in der Diesbachischen Buchhandlung.
  3. Hallisches patriotisches Wochenblatt zum Besten der Armen. Erstes Quartal. 2. Stück. Den 10ten Januar 1807.
  4. Fell's Reise durch die Batavische Republik Aus dem Englischen übersetzt, und mit Anmerkungen begleitet von D. Karl Murhard. Leipzig, bei C. H. Reclam. 1805.
  5. Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.