Brünn.[]
Brünn,[1] die Hauptstadt von Mähren, und einem eigenen, nach ihr benannten Kreise. Sie ist mit Graben, Wall und Basteien umgeben, und hat ein Bergschloß, Spielberg. Die Stadt mit ihren Vorstädten hat gegen 34,000 Einwohner. Sie ist der Sitz des Landesguberniums, des Kreisamtes, des mährischen Milizcommando's und eines Bischofs; hat ein Gymnasium, eine Normalschule, ein Frauleinstift, drei Pfarrkirchen in der Stadt und drei in den Vorstädten, und viele schöne Häuser. Zwölf Tuchmanufacturen und neunzehn Tuchmachermeister zeichnen sich durch ihre feinen Waaren aus. Sonst findet man noch Manufacturen in Seidenzeugen, Harasband, Seife, Wagenschmier u. dergl. Der Speditionshandel ist wichtig. Im Jahre 1809 wurde sie, vermöge des Waffenstillstandes von Znaim, von den Franzosen besetzt, welche bei ihrem Abzuge die Festungswerke sprengten.
Von Reisende.[]
Christian Ulrich Detlev von Eggers. [2]
Wien, den 21. Jan. 1806.
Brünn liegt unter 49° 11' 30" Breite und 34° 16' 9" Länge an der Grenzscheide des nordwestlichen großen Gebirgs und der südlich anfangenden Ebne, an zwei Hügeln gelehnt. Die Stadt verbreitet sich mit den weitläuftigen Vorstädten in zwei Hauptthäler, welche die Zwitta und Schwarzawa bilden, die sich südlich unterhalb der äußersten Vorstadt vereinigen. Nur nach dieser Seite hin gegen Süden ist Ebne; sonst ist die Stadt rings um von Bergen umgeben, wiewohl in einer gewissen Entfernung. Aber rechts auf der Straße nach Iglau hin erheben sich die Berge schon ziemlich nahe; von diesen kann man den Spielberg beschießen.
Die Stadt ist 8 Meilen von der Ungarischen Grenze entfernt, 18 Meilen von Wien, 9 Meilen von Olmüz, im Mittelpunkt von 4 Haupt-Chausseen, von denen 2 nach Böhmen, 1 nach Wien und 1 nach Olmüz führen. Ueberhaupt sind in Mähren 5 Haupt-Chausseen, nach Oesterreich, Böhmen, Gallizien, Schlesien und Ungarn; die besten in den Kaiserlichen Staaten. Nach Böhmen führen eigentlich drei Straßen, die Wiener über Znaym und Iglau, die Brünner über Großen-Moseriz und Iglau, noch eine Brünner über Czarnahorn, Latrowiz und Zwittau; nach Oesterreich führen zwei, die Brünner über Nicolsburg und die Iglauer über Znaym; nach Schlesien geht die Hauptstraße über Olmüz, und theilt sich von da in zwei Hauptwege links nach Troppau, rechts nach Teschen. Jetzt wird auch Znaym mit Brünn durch eine Chaussee verbunden.
Mit Inbegriff der Vorstädte begreift Brünn 1800 Häuser und 35000 Einwohner. Die Stadt ist befestigt. Sie hat vier Thore. Das neue Thor dient nur zur Verbindung mit den Vorstädten Zeil und Josephsstadt, von Kaiser Joseph erbauet. Aus dem Brünner Thor geht man nach dem Spielberg; aus dem Fröhlich Thor nach Böhmen, aus dem Judenthor nach Olmüz und auch nach Wien. Der Spielberg ist eine an sich sehr starke Festung auf einem nahen, etwas isolirten Hügel. Sie pflegt der Aufenthalt von Staatsgefangenen zu seyn; jetzt waren nur zwei dort. Desto größer ist die Anzahl der Züchtlinge oder Festungsgefangenen, die man zu öffentlichen Arbeiten gebraucht. Sie wissen, daß ich diese Art der Beschäftigung als Strafarbeit nicht gut finde, wie ich glaube, aus überwiegenden Gründe; davon abgesehen, fand ich Aufsicht und Behandlung hier sehr gut.
Diesen Bewohnern des Spielbergs gab man in der Geschichte des nun beendigten Krieges eine unerwartete Wichtigkeit. Sie haben doch in den öffentlichen Französischen Blättern den prächtigen Bericht gelesen, von der Eroberung der fast unbezwinglichen Festung Spielberg und der Gefangennehmung der Besatzung von 500 Mann Nun wohl. Diese Besatzung war nichts anders, als die Schaar der Zuchthausgefangenen, denen es fürwahr gleich gut galt, ob ihre Kerkermeister und Aufseher dem Französischen oder dem Deutschen Kaiser gehorchten. Als der Bericht nach Brünn kam und in Brünn gelesen ward, machten die Damen den Französischen Officiers den Krieg darüber. Il faut toujours en center un peu sagten sie, und lachten selbst darüber. So steht es, beiläufig gesagt, nur zu oft um die historische Wahrheit.
Was mich auf dem Spielberg noch vorzüglich interessirte, ist die trefliche Aussicht. Man übersieht hier die Stadt und die umliegende, stark angebauete Gegend vollkommen, mit dem Lauf der beiden Flüsse. Weiter hin zeigen sich auch noch deutlich die Anhöhen, die an dieser Seite das Schlachtfeld von Austerlitz begrenzen. Brünn ist sehr gut gebauet; viele schöne Häuser, einige Plätze. In den Vorstädten sind mehrere große, ansehnliche Fabrikgebäude. Auf dem innerhalb der Stadt liegenden Petersberge sind die Bischöflichen- und Dohmherren-Residenzen. Ueberhaupt hat die Stadt sieben Kirchen, sechs Klöster, nämlich 4 Mönchs- und 2 Frauen-Klöster, und ein adliches Damenstift.
Das Gubernial, ehemals ein Augustiner-Kloster, die jetzt in der Vorstadt sind, ist ein ansehnlicher Pallast. Hier wohnt der Gouverneur von Mähren. Auch ist hier das Locale der Civil- und Militär-Generalstellen für Mähren und Schlesien. Sie sind auf eben die Weise eingerichtete, wie in den übrigen Oesterreichischen Provinzen.
In diesem Pallast wohnte Napoleon. er sah niemand als seine Generale. Er ritt immer sehr schnell auf einem Schimmel, von seinen Garden umgeben.
Auf dem Krautmarkt steht ein sehr ansehnliches, gut eingerichtetes Theater.
Das Rathhaus ist ein altes Gebäude. Man findet noch an den Mauren das Wappen von den Zeiten her, wo Mähren seine eigenen Markgrafen hatte. Als eine Merkwürdigkeit zeigte man mir einen aufgehangenen ungeheuren Lindwurm, der vor ein paar hundert Jahren in Trautenau getödtet seyn soll. Mein Glaube war nicht stark genug; ich gieng kalt vorbei.
Sehr sehenswerth ist das allgemeine Versorgungshaus, eine Stiftung Josephs II. für Kränke, Wahnsinnige, Gebährende und elternlose Kinder. Es hat manche Vorzüge vor ähnlichen Anstalten.
Um die Stadtwälle geht zur Hälfte auf dem Glacis von dem Fröhlich-Thor bis zu dem Judenthor eine Lindenallee, die zum allgemeinen Spaziergang dient. Eine Viertelstunde von der Stadt hat Joseph II. vor dem Fröhlich-Thor eine angenehme, geräumige, öffentliche Gartenanlage für das Brünner Publikum gemacht, wie bei Wien, der Augarten genannt. Am Portal des Eingangs steht die Inschrift: Josephus II. Publico; in dem großen Eß- und Tanzsaal steht Josephs Büste mit der Inschrift: Publicum Josepho.
Unter den zahlreichen Gärten um die Stadt zeichnen sich mehrere durch geschmackvolle Anlagen aus. Zu den vorzüglichsten gehören die beiden Gräflich Mytrowskischen. In dem Kleineren, der mit großer Liberalität geöffnet wird, findet man einen Reichthum von Pflanzen; unter ihnen manche seltene.
Auch in den umliegenden Dörfern sind verschiedene schöne Landhäuser. Das große Dorf Turas, eine gute Meile von Brünn, macht das Ziel einer angenehmen Spazierfahrt. In diesem Dorfe, wo am Tage der Schlacht Napoleons Hauptquartier war, pflegte Kaiser Joseph bei den Lagern sein Hauptquartier zu haben. Fast an derselben Stelle, wo neulich die Schlacht wüthete, stand noch vor zwei Jahren das Uebungs-Lager für die Mährische Armee.
Brünn hat wichtige Fabriken. Auf 14 Manufacturen wird die Hälfte der seinen Tücher und Casimire im Lande verfertigt; außerdem giebt es eine Menge einzelner Zeug- und Tuchmacher. Unter mehreren bedeutenden Färbereien zeichnet sich die Schöllsche durch vorzügliche Einrichtungen aus. Eine Türkische Kappenmanufactur verfertigt jährlich 2500 Dutzend für die Türken, 25,000 Gulden werth. Die Schulzische Wollen- oder Harras-Bandmannfactur liefert über 4500 Dutzend Bänder und 6000 Stück Harrasgarn, meistens nach Ungarn und Polen. Zwei Manufakturen verfertigen halbseidene Zeuge, Westen- und Modezeuge und Talles für die polnischen Juden; eine Seidenmanufaktur 400 Stück Taft und eben so viele seidene Tücher, wovon die Hälfte nach Preußisch-Schlesien geht.
Die Lohgärberei ist sehr beträchtlich. Hier werden die Hälfte aller Häute in ganz Mähren bereitet; jährlich über 50,000 Stück, jedes im Durchschnitt 20 bis 50 Gulden werth. Man gärbt hier nicht mit Lohe, sondern mit Knoppern, dem gallartigen Auswüchsen der Eichelfrüchte, die an der March gewonnen werden, aber noch häufiger aus Ungarn und der Wallachei kommen. Die Häute kommen hier aus Polen, Ungarn, Tirol und Baiern zusammen. Zubereitet gehen sie bis nach Sachsen.
In Brünn werden vier ansehnliche Jahrmärkte gehalten, die fast mit Messen zu vergleichen sind. Käufer, Verkäufer und Fabrikanten strömen aus Böhmen, Gallizien, Ungarn und Oesterreich zusammen, und machen große Geschäfte; vorzüglich in Ost- und westindischen Produkten, Farbenmaterialien, Tüchern, Leder und Baumwollenwaaren.
Man findet hier bei dem Betrieb der Fabriken und Manufacturen nicht nur vielen Fleiß, sondern auch wahren Kunstsinn, der auf Verbesserungen denkt und sich fremde Erfindungen zu Nutze macht. So ist bei eigenen Tuchscher- und Wollspinn-Maschinen schon die neueste englische Maschinerie mit großem Erfolg angebracht.
Ueberhaupt viele Aufklärung, ein achtungswürdiger Gemeinsinn und ein sehr guter geselliger Ton. Vorzüglich lebhaft ist die Unterhaltung im Winter, wenn der Adel von seinen Gütern zurückkehrt, wie in den andern Hauptstädten der Oesterreichischen Staaten. Ich habe nicht so viel Luxus in Brünn gefunden, als in Prag, aber nicht minder Wohlhabenheit. Und dies selbst jetzt, wo man noch die Lasten des Aufenthalts zahlreicher, feindlicher Armeen sehr fühlt.
Auch hier ist eine Humanitätsgesellschaft, und eine Anstalt zur Vertheilung Rumfordischer Suppen, wodurch die Noth manches Bedürftigen erleichtert wird, der noch nicht zu den eigentlichen Allmosengliedern gehört.
Die Gesellschaft zur Beförderung der Natur- und Landeskunde wirkt, ihrem patriotischen Zweck gemäß, mit großem Eifer. Sie hat ein Naturalienkabinet angelegt, worin sich viele seltene einheimische Stücke finden. Als eines der merkwürdigsten betrachtet man einen großen, sehr wohl erhaltenen Elephanten-Zahn, der 9' lang ist, und 8" im Durchmesser hält. er ist in einem Leimlager bei Brünn gefunden; auch soll man dergleichen Knochen in den Leimlagern von Nicolsburg antreffen.
Noch ist in der Gegend von Brünn eine Naturmerkwürdigkeit, die aber Zeit und Witterung mir nicht gestatteten, selbst zu untersuchen.
In den Uebergangskalkgebirge zwischen Brünn und Olmüz, dessen ich vorhin erwähnte, verbreiten sich nordwärts von Brünn mehrere Meilen weit Höhlen, die wahrscheinlich das ganze Gebirge unterminiren.
Die nächste und zugänglichste ist die sogenannte Beciszala, Stierfelsen, weil von ihrer steilen Außenfläche einst ein Stier herabgestürzt seyn soll. Sie liegt in der Nähe des Fürstlich Lichtensteinischen Eisen-Schmelzofens zu Adamsthal. Als die Kaiserin sie 1804 zum erstenmal besuchte, ließ der Fürst durch Sprengung der Felsen, gemauerte Stufen, geebnete Wege, über die Wässer gebaute Stege und überall angebrachte Lampen, so bequem zur Beobachtung des Forschers einrichten, wie vielleicht keine andere von der Größe gefunden wird. Anfänglich ist ihr Gestein ein schwarzgrauer Rückstein mit Zoophyten-Versteinerungen. So weit man jetzt hat dringen können, dehnt sie sich etwa 130 Klafter in die Länge nach Osten, ohne die Seitenäste, aus, wo ein kleiner, in einem Kalkgewölbe vergrabener, kaum zugänglicher See, alle weitern Fortschritte hemmt.
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Reise durch Franken, Baiern, Oesterreich, Preußen und Sachsen von E. U. D. Freyherrn von Eggers Oberprocureur der Herzogthümer Schleßwig und Holstein. Ritter von Dannebrog. Leipzig, bei Gerhard Fleischer dem Jüngern. 1810.