Was wird das endliche Schicksal Roms seyn?[]
- [1808]
Diese Frage beschäftigt gegenwärtig die Politiker allgemein, und sehr natürlich, denn aus allem, was man erkennen kann, wird es deutlich, daß die Besitznahme Roms durch Französische Truppen, Folge eines großen tiefdurchdachten Plans ist, der wahrscheinlich die Umgestaltung des ganzen Italiens betrift. Wie war es möglich, daß ein kleiner Strich Landes, wie der Kirchenstaat, andern Gesetzen, einer andern Verfassung, und gleichsam einer andern Macht unterworfen bliebe? Oder wir konnte dieser Theil eine Ausnahme zu machen hoffen, nachdem das Ganze gewichen war? Rom hätte wahrscheinlich weit früher ein ähnliches Schicksal erfahren, wenn es irgend einem Monarchen in neuern Zeiten gelungen wäre, sich zum Beherrscher von Italien zu machen. Hieran zweifelte im Ganzen wohl Niemand, selbst in Italien, weil es zu auffallend war, daß der Kirchenstaat dem Schicksal des übrigen Italiens folgen muß, indessen beruhigte man sich damit, daß der Augenblick der Entscheidung noch fern sei, und daß bei Lebzeiten Pius VII. keine solche Veränderung vorgehen möchte, und brachte damit die Reise des heiligen Vaters nach Paris zur Kaiserkrönung in Verbindung. Man sagte nämlich, es sei dem heil. Vater bei seiner Anwesenheit in jener Stadt zugesichert worden, daß er bei seinem Leben im ungestörten Besitz seines ganzen Staates bleiben sollte, außer insofern nothwendige temporelle Maaßregeln eine Beschwerde für seine Länder mit sich führen dürften. Daß der Pabst selbst dieses gehoft hatte, scheint aus seinem ganzen Benehmen beim Einrücken der Franzosen in Rom zu erhellen. Die Foderungen die man an ihm von Französischer Seite gemacht, sollen darin bestanden haben, daß er das Gesetzbuch Napoleons annehme und feierlich den Krieg gegen England erkläre. Hierauf gründen sich auch die Ausdrücke in der Protestationsakte des Pabstes, wo es heißt: es wären ihm Aufforderungen vorgelegt worden, die er weder seiner heiligen Pflicht noch seines Gewissens wegen hätte annehmen können. Von der sehr wünschenswerthen Annahme des Kodex Napoleon war schon lange die Rede gewesen, und man weiß, daß hauptsächlich die Ehescheidung als ein Stein des Anstosses angesehen wurde. In Ansehung der Kriegserklärung aber soll er erklärt haben, daß ihm dergleichen als ein Diener des Friedens nicht zukomme.
Gewiß ist, daß der Pabst bei der ganzen Sache sich mit vieler Entschlossenheit zeigte und sie fast von der Seite ansah, als gälte es hier ein neues Märtyrerthum. Leben oder Tod, Absetzung oder Verbannung hatten daher für ihn nichts schreckendes mehr. Er selbst hat bei einer Versammlung der Kardinäle diejenige aufgefodert, sich zu entfernen, die nicht den gleichen Muth und Willen hätten, und als alle einmüthig blieben, machte er sein Testament selbst für solche Fälle, die gewiß nie eintreten werden. -- Natürlich ist es, daß die Ansichtsweise der Französischen Regierung und der Römischen Geistlichkeit von ganz verschiedenen Prinzipien ausgehen, und sich daher nie begegnen können, aber die physische Macht ist in der Hand der ersten und die öffentliche Meinung von beinahe ganz Europa unterstützt sie, folglich ist wohl nichts gewisser, als daß der Pabstes geistliches Regiment gänzlich aufhören werde, weil er sich nicht bequemen wollen, solches mit einer weltlichen Regierung zu vertauschen, die ihm Napoleon ganz bestimmt übertragen hätte, aber das eigne Regiment was der Pabst und seine Kardinäle von jeher bildete, das was Napoleons Plane: Toleranz immer weiter auszubreiten, zu sehr entgegen, als daß er Roms bisherige Verfassung ruhig mit ansehen konnte.
Französische Erklärung an den Pabst. Der päbstliche Legat verläßt Paris.[]
[2]
Man lieset jezt folgende Note, welche von dem Französisch-Kaiserlichen Staatsminister, Herrn von Champangny an den päbstlichen Legaten zu Paris, Cardinal Caprara unterm 3ten April dieses Jahrs erlassen worden.
"Unterzeichneter Minister der auswärtigen Angelegenheiten Sr. Maj. des Kaisers der Franzosen, Königs von Italien, hat die Note Sr. Eminenz, des Cardinals Caprara, folgende Antwort darauf zu ertheilen:
Der Kaiser kann den Grundsatz nicht anerkennen, daß die Prälaten demjenigen Souverän nicht unterworfen sind, in dessen Reich sie geboren worden.
Was die zweite Frage betrifft: nemlich, daß ganz Italien, Rom, Neapel und Mailand eine Off- und Defensiv Ligue ausmachen müssen, um Unordnung und Krieg von der Halbinsel zu entfernen, so wird der Kaiser hiervon nie abgehen. Tritt der heilige Vater diesem Vorschlag bei, so ist alles beigelegt, *) weigert er sich dessen, so giebt er durch diesen Entschluß zu erkennen, daß er kein Arrangement treffen, keinen Frieden mit dem Kaiser will, und daß er ihm den Krieg erklärt.
- *) Tout est termine.
Das erste Resultat des Kriegs ist die Eroberung, und das erste Resultat der Eroberung ist Veränderung des Gouvernements. Denn, wenn der Kaiser gezwungen ist, mit Rom im Kriege zu seyn, ist er dann auch nicht genöthigt, dasselbe zu erobern? die Regierung desselben zu verändern und eine andere einzusetzen, welche mit den Königreichen Italien und Neapel gegen die gemeinschaftlichen Feinde gemeinschaftliche Sache mache?
Was garantirte ihm sonst die Ruhe und Sicherheit von Italien, wenn die beiden Königreiche durch einen Staat getrennt wären, wo die Feinde fortfahren würden, auf eine sichere Aufnahme zu rechnen?
Der heilige Vater wird bei den Veränderungen, die nothwendig werden, falls er bei seiner Weigerung beharrt, nichts von seinen geistlichen Rechten **) verlieren, er wird fortdauernd Bischof von Rom seyn, wie es seine Vorgänger in den ersten 8 Jahrhunderten und unter Carl dem Großen gewesen sind. Indessen würden es Se. Majestät doch recht sehr bedauern, wenn Sie sehen müssen, daß Unüberlegtheit, Starrsinn und Verblendung die Absicht oder den Gegenstand des Genie's der Politik und der Einsichten vernichteten.
- **) De ses droits spirituels.
In dem nemlichen Augenblick, wo Unterzeichneter den Befehl bekommt, diese Antwort Monsignore, dem Cardinal Caprara zu ertheilen, erhält er die Note, womit Se. Eminenz ihn unterm 30sten März beehrt haben. Diese Note betrifft zwei Gegenstände. Erstlich, kündigt sie das Aufhören der Vollmacht des Legaten des heiligen Stuhls an, und notificirt sie gegen den Gebrauch und die gewöhnlichen Formen, und zwar gerade vor der stillen Woche, einer Zeit, wo der Römische Hof, wenn er noch von wahrem Evangelischen Geist beseelt wäre, suchen sollte, die geistliche Hülfe zu vermehren und durch sein Beispiel die Liebe unter den Glaubigen zu predigen. Dem sey nun wie ihm wolle, da der heilige Vater Sr. Eminenz die Vollmachten entzogen hat, so erkennt der Kaiser Selbige nicht mehr als Legaten.
Die Gallicanische Kirche kehr wieder zu der Integrität ihrer Lehren zurück, und sie wird fortdauernd die katholische Religion in Frankreich behaupten, in deren Respectirung und Vertheidigung der Kaiser immer seinen Ruhm setzen wird.
Der zweite Gegenstand der Note Sr. Eminenz, des Cardinals Caprara, ist die Verlangung seiner Pässe als Ambassadeur.
Unterzeichneter hat die Ehre, sie ihm zu übersenden. Se. Maj. sehen mit Bedauern dieses formelle Verlangen der Pässe, welches der Gebrauch der neuern Zeiten zu einer wahren Kriegserklärung macht.
Rom ist also mit Frankreich im Kriege und bei dieser Lage der Dinge, haben Se. Maj. diejenigen Befehle ertheilen müssen, welche die Ruhe von Italien nothwendig macht. Den Entschluß, welchen der Römische Hof gefaßt hat, für diesen Bruch grade eine Zeit zu wählen, wo er seine Waffen für mächtiger halten konnte, lassen von seiner Seite noch andere Extreme erwarten; allein die Aufklärung des Jahrhunderts wird ihre Würkung hindern.
Das Weltliche, das Geistliche wird nicht mehr mit einander verwechselt. Die Königliche Würde, von Gott selbst geheiligt, ist über alle andere erhaben. Unterzeichneter xc.
Dekrete.[]
1808.[]
Man liest gegenwärtig folgende 2 kaiserliche Dekrete:
"Wir Napoleon, von Gottes Gnaden und durch die Konstituzionen Kaiser der Franzosen, König von Italien und Beschützer des Rheinischen Bundes. In Betracht: daß der Weltliche Souverain von Rom sich immer beharrlich geweigert hat, die Engländer zu bekriegen, und sich den Königen von Italien und Neapel zur gemeinschaftlichen Vertheidigung der Italienischen Halbinsel anzuschliessen; daß ferner das Interesse der 2 Reiche und der Armeen von Italien und Neapel es fordert, daß ihre Kommunikazion nicht länger von einer feindlichen Macht unterbrochen werde; daß endlich die Schenkung Karls des Grossen, Unsers glorreichen Vorfahrers, über die Länder, welche den Kirchenstaat ausmachen, zum Besten des Christenthums, nicht aber zum Vortheil der Feinde Unserer heil. Religion geschah; und da überdies der in Paris gestandene Päpstliche Bothschafter am 8. März seine Reisepässe gefordert hat, so haben Wir beschlossen, und beschliessen, was folgt: 1. Die Provinzen Urbino, Ancona, Macerata und Camerino sind unwiederruflich und auf immer Unserm Königreich Italien einverleibt. 2. Am 11. May wird von diesen Provinzen förmlich Besitz genommen, und das Wappen des Reichs in denselben angeschlagen. 3. Zu gleicher Zeit wird der Kodex Napoleon darin publizirt, dessen Vorschriften aber erst mit dem 1. Jun. in Giltigkeit treten. 4. Die obenbenannten, mit dem Königreich Italien vereinigten Provinzen werden 3 Departements bilden, die sowohl in Bezug auf Verwaltung als Gerichtswesen der Verfassung des Königreichs Italien gemäß organisirt werden. 5. Nach Ancona kommt ein Appellazionsgericht und eine Handelskammer. Eben so erhält die Stadt Sinigaglia eine Handelskammer. Da, wo es angemessen scheint, werden Gerichtshöfe erster Instanz und Friedensgerichte eingesetzt. 6. Die drey neuen Departemente bilden eine Militärdivision, von welcher Ancona der Hauptort ist. 7. Dem Vizekönig, Unserm geliebtesten Sohn, übergeben Wir zur Vollziehung des gegenwärtigen Dekrets die ausgedehntesten Vollmachten.
So gegeben in Unserm kaiserl. Pallast zu St. Cloud den 2. April 1808.
- (Unterz.) Napoleon."
"Wir Napoleon, von Gottes Gnaden und durch die Konstituzionen Kaiser der Franzosen, König von Italien und Beschützer des Rheinischen Bundes, haben Folgendes beschlossen: 1. Die Kardinäle, Prälaten, Beamten und Angestellte jeder Art bey dem Römischen Hof, welche aus dem Königreiche Italien gebürtig sind, müssen nach dem nächsten 25. May in dasselbe zurückkehren, bey Strafe der Konfiskazion ihres Vermögens auf den Fall des Ungehorsams. 2. Die Güter aller derjenigen, welche bis zum 5. Jun. diesem Befehle nicht Folge geleistet haben, werden in Beschlag genommen. 3. Die Minister Unsers Königreichs Italien erhalten den Auftrag, gegenwärtiges Dekret, jeder in seinem respektiven Fache, zu vollziehen; dasselbe soll publizirt, und in das Bulletin der Gesetze eingerückt werden.So gegeben in Unserm kaiserl. Pallast zu St. Cloud den 2. April 1808.
- (Unterz.) Napoleon."