Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Seyn oder Nichtseyn?[]

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[1808]

Eine große politische Frage.

Hamlets Monolog in dem bekannten Englischen Trauerspiele, giebt zu dieser Ueberschrift die Veranlassung. Die Britten fühlen nur zu sehr, so gern sie auch Ruhe affectiren möchten, daß ihnen jetzt ein Kampf bevorstehe, furchtbarer als je einer war; ein Nationalkampf, wo es Seyn oder Nichtseyn gilt. Als Napoleon von seinen Siegen aus Oesterreich und Mähren zurück kam, sagte er: ich brauche noch fünf Jahre, bis sich die neue Organisation von Europa konsolodiren kann. Das waren merkwürdige Worte, denn noch nie hat er in Wind gesprochen, und bisher waren seine Erklärungen immer von der Art, daß sie pünktlich zutrafen. -- Die Hälfte dieses Termins ist bereits verstrichen, und welche Erscheinungen haben diese Jahre nicht eingeschlossen? Alte Regierungen stürzten, und neue kamen an ihre Stelle. Königreiche, die mit den ersten Mächten in gleichem Range standen, fielen, und wurden in die zweite Linie der Staaten zurückgewiesen. Was man ein Jahr vorher für Träume eines Fieberhaften gehalten, das geschah vor unsern Augen. Der durch das Genie eines unvergeßlichen Königs erhobene Preußische Staat, ward in einer Woche von seine Höhe herabgestürzt, und stellte der staunenden Welt ein Schauspiel dar, das im ganzen Umfange der Geschichte kaum seines Gleichen hat. Fürsten verschwinden plötzlich, so wie z. B. Kassel und Braunschweig aus der Reihe unsrer Deutschen Regenten, und ein neues Königreich erhebt sich aus den liegenden Trümmern der gestürzten. Eine Masse mit Frankreich verbündeter Staaten bildet sich in Deutschland, welche eilf Millionen Unterthanen zählt, immer neuen Zuwachs erhält, und durch den alles zusammenhaltenden Geist ihres Protektors, stets furchtbarer wird. Die meisten Staaten Europens hat er als Bundesgenossen um sich versammelt. Portugall, Spanien, Holland, der Rheinische Bund, die Schweiz, Italien, Neapel, Dännemark -- dienen ihm jezt unmittelbar mit all ihren Hülfsquellen; Oesterreich und Rußland wenigstens mittelbar, und seit dem Frieden von Tilsit, wodurch sich die beiden Ersten Mächte des festen Landes die Hand reichten, wodurch sich der Nord und Süd von Europa zu einem großen Zwecke verband, eroberte Napoleon ganz in dem Geiste und Charakter, womit er seine Laufbahn begann, und worin er sie seit zwölf Jahren zum Staunen der Welt fortgesetzt hat. Wenn auch die ersten Vernichtung drohenden Schläge gegen die Russen im December 1806, wenn selbst der tief vorbereitete Hauptschlag im Februar 1807 bei Eylau mißlang, wenn man darüber erstaunte, den stets vorwärts dringenden Eroberer mit eins stille stehen, und sich selbst nach gewonnenen wichtigen Vortheilen, immer wieder auf seine festen Stellungen an der Weichsel zurück ziehen zu sehen, so zeigten die Treffen bei Gutstadt und Heilsberg, so bewährte die Schlacht der Entscheidung bei Friedland, daß dies nur die Ruhe des Löwen gewesen. Napoleon wollte nie in das Innere von Rußland eindringen und schon im December bestimmte er sich zu einer furchtbaren auf alle Fälle berechneten Devensive. In einer Campagne von zehn Tagen, von 5ten bis 15ten Juny, beendigte er den so mißlichen Krieg an Rußlands Grenze, nimmt den Feinde über hundert Kanonen, tödtet oder entwafnet 60000 Streiter, entreißt den Russen ihre sämmtlichen Magazine, und endigt mit einem Schlage der Entscheidung, welcher den Nordischen Krieg plötzlich wie aus all' seinen Wurzeln reißt. -- Was werden uns wohl die noch übrigen Jahre bringen? Wie wird der furchtbare Kampf mit dem Wasserkoloß enden? Wird man England einen Frieden abzwingen, oder wird es sich fest und unerschütterlich, gegen alle diese ausgebrochenen und noch drohenden Stürme auf den Wassern behaupten, so wie sich Frankreich vierzehn Jahre hindurch gegen alle Coalitionen des festen Landes behauptet hat? -- Diese Fragen umhüllt das Dunkel der Zukunft. Pitt's letzte bedeutende Worte waren: Ach! mein armes Vaterland! Diese Worte haben einen großen Sinn, wenn man erwägt, daß sie von einem Manne herrühren, der die politische Lage seines Landes bis in das Innerste kannte, und die Gefahr voraus sah, die seinem Vaterlande drohte. Auch er fühlte schon damals, daß ein Nationalkampf bevor stehe, wo es Seyn oder Nichtseyn gelte, und seitdem hat sich Englands Lage noch sehr verschlimmert. --


Der Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten, Herr Canning.[]

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Für England war Fox's Tod ein Unglück: denn durch ihn wäre sicherlich ein Friede zu Stande gekommen, den kein anderer Minister so vortheilhaft bewirken wird. Der Kaiser Napoleon hatte Zutrauen zu ihm, er schäzte ihn und wußte, daß Fox den Frieden aufrichtig wünsche.

Fox's Charakter war eben so weit von politischer Zweideutigkeit, als von halstarriger Hartnäckigkeit entfernt: dieser Mann eignete sich daher gar sehr, einen Frieden abzuschließen, der der Welt die Ruhe wiedergiebt, die sie schon so lange entbehrt.

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The Right Hon. George Canning.

Canning, jetziger Staatssekretär, besizt viele Kenntnisse in den alten Sprachen, und ist lange Pitt's Privatsekretär gewesen. Bei seinem Eintritt in die politische Welt unterstüzte ihn vorzüglich der Lord Hawkesbury, der seine Talente kannte. Als Pitts Sekretär wurde er in alle Geheimnisse der englischen Politik eingeweihet. Oft verfocht er in den Zeitungen Pitts Maaßregeln, und da ihn Pitt wegen seiner Festigkeit in seinen Entschlüssen sehr hochschäzte, so verschafte er ihm eine Stelle im Parlamente, wo er nicht selten Maaßregeln vertheidigte, die eben so kühn als ungerecht waren. Was er beschlossen hat, von dessen Ausführung schreckt ihn keine Schwierigkeit, keine Gefahr zurück. Ihm ist ganz die alte englische Denkart eigen, die alles Ausländische gering schäzt und jeder Uebermacht durch Energie und Standhaftigkeit Trotz bietet. Seine Gesinnung in Ansehung Frankreichs und seines mächtigen Beherrschers hat er mehr als einmal im Parlamente lauf und offenherzig erklärt, und hat Frankreich einen geschwornen Feind, so ist es Herr Canning, der in der Ansicht aufgewachsen und zum Manne gereift ist, daß Frankreichs Politik eben so treulos als anmaßend sey und daß die Engländer Feinde der Franzosen seyn müssen. Diese feindselige und schreckliche Ansicht der Verhältnisse zwischen Frankreich und England bestimmt ihn in seinen Maaßregeln, und sein Verfahren als Staatssekretär gründet sich auf die Maxime, daß man Frankreichs Macht brechen und seinen Einfluß auf das feste Land schwächen müsse. Bleibt Canning am Staatsruder, so läßt sich aus seiner Denkart leicht abnehmen, daß der Friede zwischen England und Frankreich noch fern ist. Weltbürgergeist kommt nicht in seine Seele; bloß englischer Patriotismus leitet alles sein Sinnen und Trachten, und wenn auch eine Welt zu Grunde gehen sollte, so kümmert ihn dies wenig oder gar nicht, wenn England nur seinen Zweck erreicht.


Zeitungsnachrichten.[]

[1808]

Frankreich. [3]

Die Aussicht auf die Eröffnung von Friedensunterhandlungen mit England hat bereits Einfluß auf die Preise der Kolonialwaaren gehabt. Seitdem man Gewißheit von der Abschickung der zwey Kouriere nach London hat, sind alle Kolonialwaaren beträchtlich gefallen. Man verkaufte dieser Tagen zu Paris das Pf. Zucker zu 38 bis 39 Sols, und das Pf Kaffee zu 3 Livres, 10 bis 16 Sols.

Ein Französisches Blatt enthält Folgendes aus Calais vom 23. Okt.: "Der Französische und Russische Kourier, die sich am 20. zu Boulogne nach England einschifften, kommen so eben von ihrer Sendung nach unserm Hafen zurück. Gleich nach ihrer Ankunft zu Deal waren sie nach London abgegangen, wo sie bis zum Abend des 22. blieben. Sie scheinen mit ihrer Mission sehr zufrieden."


Frankreich. [4]

Paris, den 2. Nov. Zu Calais ist der Englische Staatsbote Shaw aus London angekommen, und ohne zu verweilen nach Paris abgereist. Von der Antwort, welche die Brittische Regierung den beyden Französischen und Russischen Kurieren ertheilte, ist noch nichts bekannt. Man erwartet mit grosser Ungeduld die nähern Nachrichten, wie die friedlichen Schritte der beyden Kaiser vom Londoner-Hofe aufgenommen wurden. Welches Resultat sich auch ergeben mag, so viel ist gewiß, daß diese Schritte schon einigen Einfluß auf die Kolonialwaaren hatten, und sie herabdrückten. Es ist leicht vorauszusehen, daß dies Fallen in einigen Wochen noch beträchtlicher seyn wird. -- Nach einem Privatschreiben aus Calais traf daselbst der Befehl ein, die Englischen Parlementäre, welche vor diesem Hafen mi_ Depeschen ihrer Regierung erscheinen, freundschaftlich zu empfangen.


Großbrittanien. [5]

London den 25. Okt. Am Freytag Mittag kam unter Friedensflagge ein Französisches Fischerboot in den Dünen an. Einer unserer Kreuzer besetzte es zugleich mit seinen Leuten. Sie kamen mit einem Französischen und Russischen Offizier und mit einem Französischen Kourier zurück. Sie wurden ans Land gebracht und in die Wohnung des Hafen-Admirals geführt, von wo der Russische Offizier und der Französische Kourier durch einen See-Offizier nach London begleitet wurden. Der Französische Offizier ward, wie es heißt, auf Befehl der Lords Hawkesbury und Castlereagh auf das Flaggenschiff in den Dünen gesandt, um daselbst nähern Verhaltungsbefehl von London zu erwarten. Das Boot, welches sie herüber brachte, segelte am Donnerstag Abends um 10 Uhr von Boulogne, mit der Ordre, wo es zuerst ankäme, entweder zu Deal oder Dover, zu landen. Der Russische Offizier und Französische Kourier kamen in der Freytags-Nacht zu London an, und wurden nachdem sie ihre Depeschen an das auswärtige Departement abgegeben hatten, nach der Wohnung des Staatskouriers Shaw gebracht, wo sie übernachteten. Am Sonnabend Morgens um 7 1∫2 Uhr, ward ihnen ein Reisepaß ausgefertigt, worauf sie sogleich in einer Postchaise nach Deal zurückgiengen, und an selbigem Abend dort eintrafen. Von London ward ausserdem durch den Telegraphen die Ordre nach Deal gesandt, nicht die Französische Friedensflagge absegeln zu lassen, bevor ein königl. Kourier dort angelangt seyn werde. Ungefähr um 1 Uhr Nachmittags war bey dem Minister eine ziemlich lange Konferenz über diesen Gegenstand, und es ward der Kourier Shaw hierauf vom Staatssekretär Canning mit einer Antwort auf den gemachten Friedens-Antrag abgesandt. Unser Kourier kam spät in der Nacht vom Sonnabend zu Deal an, und die Friedensflagge segelte am Sonntag den 23. nach Boulogne zurück. Dieser Friedensschimmer hat keine grosse Hoffnungen erregt.


Frankreich. [6]

Wegen der Kommunikazion von Kalais nach Dover für die ankommenden und abgehenden Kuriere sind besondere Verfügungen getroffen. Vor einigen Tagen soll sich abermals ein Französischer Kurier nach England eingeschifft haben.


Quellen.[]

  1. Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
  2. Brandraketen, ein Feuerwerk für Engländer. In zwanglosen Heften. London, 1808. Im Büreau der Ausländer.
  3. Wiener-Zeitung. Nro 92. Mittwoch, den 16. November 1808.
  4. Wiener-Zeitung. Nro 93. Sonnabend, den 19. November 1808.
  5. Wiener-Zeitung. Nro. 97. Sonnabend, den 3. Dezember 1808.
  6. Wiener-Zeitung. Nro 98. Mittwoch, den 7. Dezember 1808.
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