Aegyptens Eroberung ist nur aufgeschoben.[]
- [1808]
In dem Kriege, den England gegen Frankreich seit funfzehn Jahren führt, hat ersteres keine glänzendere Thaten aufzuweisen, als die Vernichtung des Eroberungsplans von Aegypten.
Dieser Zug Napoleon Bonapartes nach Aegypten, steht noch in seiner Geschichte wie eine einsame Episode, und erwartet erst in der Folge, daß der Held des Tages, sie mit dem Ganzen verknüpfen werde.
Man kann als bestimmt annehmen, daß Aegypten in der Geschichte Napoleons wieder erscheinen werde, denn damals mußte er das kaum angefangene Werk verlassen, um ein größeres zu unternehmen, -- Frankreich vom Untergange zu retten.
Welchen Werth Napoleon, als Obergeneral seiner Republik, im Jahre 1799 auf die Behauptung Aegyptens setzte, sieht man aus vielen Zügen seiner damaligen Korrespondenz und derjenigen, die seiner Person am nächsten standen.
So z. B. schrieb er folgendes bei seiner Abreise von Aegypten dem General Kleber, welchen er den Oberbefehl der Armee übertrug. "Sie wissen so gut, als einer, wie wichtig der Besitz Aegyptens für Frankreich ist." Diese Wichtigkeit baute damals Napoleon auf die Voraussetzung, daß das Türkische Reich, von allen Seiten mit dem Untergange bedroht, zusammen stürzen werde, und daß also die Räumung Aegyptens für Frankreich ein um so größeres Unglück wäre, weil alsdann diese schöne Provinz in die Hände anderer Europäer fallen würde.
Eine andre Stelle dieses interessanten Briefes ist folgende: "Sie kennen Bürger General, was die politische Behandlungsart Aegyptens selbst belangt, meine Ansichten. Was sie auch thun mögen, die Christen sind immer unsre Freunde. Man muß nur verhüten, daß sie nicht allzu frech werden, damit die Türken nicht gegen uns denselben Fanatismus fassen, wie gegen die Christen; denn das machte sie unversöhnlich. Man muß, bis man den Fanatismus gänzlich vertilgen kann, ihn einschläfern.
Gewohnt den Lohn aller Arbeiten und Mühen des Lebens in der Meinung der Nachwelt zu sehen, verlaß ich Aegypten mit dem tiefsten Schmerz. Das Interesse des Vaterlandes, sein Ruhm, der Gehorsam, die außerordentlichen Ereignisse die dort vorgefallen sind, haben mich allein bewegen können, mitten durch die feindlichen Flotten zu gehen, und mich nach Europa zu begeben."
Wie sehr es ihm darum zu thun war, den Geist der Aegypter zu fesseln, und mit dem der Europäer gleichsam zu vereinigen, leuchtet aus der großen Maaßregel hervor, die er dem General Kleber vorschlägt.
"Suchen Sie," sagte er zu ihm, "5 bis 600 Mamelucken zu vereinigen, die Sie, wenn Französischen Schiffen ankommen, an einem Tage in Kahiro oder andern Gegenden, verhaften und nach Frankreich einschiffen könnten. Gäbe es keine Mamelucken, so mögen es auch Araber seyn, die unter irgend einem Vorwande festgenommen, dazu dienen könnten. Diese Individuen, in Frankreich angekommen, würden dort ein oder zwei Jahre behalten; sie würden die Größe der Nation erblicken, eine Idee von unsern Sitten, unsrer Sprache bekommen, und bei ihrer Rückkunft in Aegypten, eben so viele Freunde und Stützen für uns werden. Ich hatte schon mehrmals eine Schauspielertruppe begehrt. Ich will ganz besonders dafür sorgen, Ihnen solche zu schicken. Dieser Artickel ist für die Armee wichtig, als auch um in den Sitten des Landes die Umänderung anzufangen.
Der General Kleber schrieb an das Französische Vollziehungs-Direktorium: "Auch ich kenne die Wichtigkeit des Besitzes von Aegypten in ganzer Größe. Ich sagte schon in Europa, Aegypten ist für Frankreich der Stützpunkt, auf welchem es dem Handelssystem von allen vier Welttheilen den Umschwung gegen könne. Aber dazu bedarf es eines gewaltigen Hebels. Und dieser Hebel ist die Marine. -- Die unsrige aber hat existirt. Seitdem ist alles anders geworden, und der Friede mit der Pforte kann, wie ich glaube, uns allein noch einen ehrenvollen Rückweg von einer Unternehmung öffnen, die den Zweck nicht mehr erreichte, der sie veranlaßte."
Nicht Napoleon und Kleber allein urtheilten auf diese Weise, sondern auch die Meinung andrer die mit Einsicht darüber sprechen konnten, stimmten ganz mit deren Meinung überein.
So schrieb z. B. der General-Administrator der Aegyptischen Finanzen, Poussielgue, über diesen Gegenstand: "Es ist außer allen Zweifel, wären wir ruhige Besitzer von Aegypten, in wenigen Jahren würden wir die Geisseln dieses Landes, die wie die Pest und die Araberhorden sind, verbannen, dem Ackerbau und Handel ein neues Leben gewähren, das den alten Glanz dieses Staates wieder vereinigen sollte. Aegypten würde die schönste Provinz des Erdballs und bald diejenige seyn, die den Welthandel leitete."
"Aber Aegypten ist durch zwei Meere und durch Wüsten eingefaßt. Man muß eine mächtige Marine haben, um Herr von Gestade zu seyn, besonders um den Handel zu schützen und alle Vortheile ziehen zu können, die er verspricht."
Seitdem die Franzosen Aegypten räumten, sind nun sieben Jahre verstrichen. Seitdem sind alle südeuropäische Küsten, mit Ausnahme des Kaps von Gibraltar und der Felseninsel Maltha, unter Französischen Machteinflusse. Die weiland durch den Levantischen Handel berühmt gewordenen Staaten am Mittelmeere sind heut zu Tage Französische Staaten. Neapel, Sizilien, Livorno, Venedig, Genua, könnten wieder zu der ehemaligen Herrlichkeit und Größe zurückkehren, von der sie nur langsam niedersanken. Sie werden es aber nie, ohne daß vorher Aegypten eine Französische Kolonie ist, welche sich über das rothe Meer mit Persien, Arabien und besonders Ostindien in Verkehr setzt.
Um Herrn des ganzen Mittelländischen Meeres zu seyn, um dort jedes Brittische Schiff verbannen zu können, ihm jede Freistätte, jeden Hafen zu verschliessen, ist die Eroberung Siziliens, Malthas, Gibraltars unumgänglich nöthig für die Franzosen. Sind die Britten einmal aus dem Mittelmeer verjagt, fällt Aegypten freiwillig den Gebietern desselben zu. Und dieser für die Geschichte Europas über alles entscheidende Zeitpunkt scheint nicht mehr weit entfernt zu seyn. Welcher Friede dereinst auch Frankreich und Großbrittanien wieder mit einander auf längere oder kürzere Zeit aussöhne -- die Herrschaft über das Mittelmeer und Aegypten werden darin immer eine Hauptrolle spielen. Diejenige Parthei hat verloren, die sie der andern einräumt. Verlöre sie England, so hätte es die Basis seiner Größe aufgeopfert. Was London heut ist, würden binnen einigen Jahrzehenden Marseille und Toulon, Venedig und Alexandrien seyn -- Marktplätze der Welt.
Es ist leichter für Frankreich, die Eroberungen am Mittelmeer zu machen, und den alten vergessenen Landweg von Aegypten nach dem unerschöpflichen Indien wieder anzubahnen, als eine Marine zu erschaffen, die der Brittischen, wie sie jetzt ist, überlegen wäre.
Mag dann England die Straßen des Weltmeers um das Südkap von Afrika behaupten: Frankreich würde den Levantischen Handel dennoch über Aegypten ziehen; würde dennoch in Ostindien neue Kolonien gründen, neue Eroberungen machen und den Absatz seiner Waaren in Europa mit einer Ueberlegenheit gegen England bewerkstelligen, die seiner politischen Ueberlegenheit auf dem festen Lande gleich ist.
Bonapartes Expedition nach Aegypten in den Jahren 1798 und 99, obgleich damals zu früh unternommen und mißlungen, war für Frankreich nicht ganz vergebens, und man kann bestimmt annehmen, daß wir im Laufe weniger Jahre die zweite Expedition von Napoleon dem Großen erleben.
Quellen.[]
- ↑ Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.