Belgrad.[]
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Belgrad, oder Griechisch-Weißenburg, eine Stadt und Festung in Servien an dem Zusammenfluß der Donau und der Sau. Sie besteht aus dem Oberschloß, aus der Stadt, aus der Wasserstadt und aus der Raitzenstadt, liegt auf der Gränze von Ungarn und der Türkei, und gehört zur letztern. Belgrad, das zwischen 25 bis 30,000 Einwohnern und 14 Moscheen hat, ist vielen wichtigen Belagerungen und Eroberungen ausgesetzt gewesen; im Jahre 1522 wurde es von Solimann II., 1688 von den Kaiserlichen und 1690 wieder von den Türken erobert. 1717 nahm Prinz Eugen den Ort, und im Passarowitzer Frieden 1718 verblieb er dem Kaiser, bis im Jahre 1739 die sehr stark befestigte Stadt von den Türken belagert, und diesen ohne Eroberung abgetreten wurde. Laudon belagerte sie 1789 wieder und nahm sie auf Kapitulation, sie wurde aber 1791 beim Frieden zurückgegeben. Bei dem Aufstand der Servier gegen die Pforte bemächtigten sich diese der Stadt und Festung Belgrad, und behielten sie in ihrem Besitz, bis nach dem Frieden, der im J. 1812 zwischen der Pforte und Rußland geschlossen wurde, da der Großvezier mit seiner Armee in Serbien einrückte, die Macht der Insurgenten vernichtete, und Belgrad wieder für die Pforte in Besitz nahm.
Von Reisenden.[]
Bantisch Kamensky.[]
Umsonst hofften wir Belgrad vor Nacht zu erreichen; um Mitternacht waren wir noch fünf Werste davon entfernt. Um bey den Serviern, die bey der Lage, worein der Krieg sie versetzt, sehr mißtrauisch sind, keine Besorgniß zu erregen, beschlossen wir, was auch unsere Führer uns anriethen, den übrigen Theil der Nacht im Freyen zuzubringen. Wir lagerten uns in bester Ordnung, mitten auf einer großen Ebene. Jeder legte sein Gepäcke unter den Kopf; einer der servischen Postillone mußte die Pferde hüthen, und obgleich diese Lagerstätte etwas hart war; so säumten unsere Augen gleichwohl nicht, sich in einem wohlthuenden Schlummer zu schließen. Früh um 3 Uhr wurde wieder zu Pferde gestiegen, und um 4 Uhr langten wir in Belgrad an.
Mein Absteigquartier nahm ich in dem Hause des Staatsraths Rodophinikin, von dem ich mit außerordentlicher Gefälligkeit und Freundschaft aufgenommen wurde. Er verlangte, daß ich ihn in die Versammlung des Senats begleiten sollte. Bey unserem Eintritt in den Rathssaal, der wegen seines gewölbten Plafonds, und der darin herrschenden Feuchtigkeit eher einem Keller gleich sah, standen die sämmtlichen Senatoren von ihren Sitzen auf, und machten eine angemessene Verbeugung. Ich wurde ihnen in der Eigenschaft eines russischen Majors vorgestellt, welcher als ein Geschenk Seiner Majestät des Kaisers aller Reussen das, zum Gebrauch der servischen Kirche bestimmte heilige Öhl überbringen sollte. Nun war es an mir, diesen Vätern des Vaterlandes meine Reverenz zu machen, und auf ihre Frage: "Debro doschli, gospodin major?" (Ist Ihre Reise glücklich von Statten gegangen, Herr Major?) Jedem absonderlich zu antworten: "Ohwala Boga!" (Ehre sey Gott! oder Gott sey gelobt!) welchen Ausruf sodann Jeder von ihnen gravitätisch wiederhohlte. Nachdem diese Complimente vorbey waren, nahm Jedermann Platz. Die Versammlung bestand aus fünf Mitgliedern, von denen einer als Präsident einen besonderen Stuhl einnahm, indeß die Übrigen in einer Reihe ihm gegenüber saßen. Alle diese Herren, und besonders der Präsident, zeichneten sich durch ein ernsthaftes, oder vielmehr düsteres Wesen sowohl, als durch Unreinlichkeit in ihrer Kleidung aus. Mitten im Saale saßen an einem Tische zwey Griechen als Secretärs, welche die Expeditionen mit der, ihrer Nation eigenthümlichen Leichtigkeit machten. Diese Leute sind hier zu Lande um so unentbehrlicher, da keiner der Senatoren schreiben kann. Nach Verfloß einer halben Stunde verließ ich mit Herrn Rodophinikin die Sitzung, und hatte dann das Vergnügen, mit diesem liebenswürdigen Manne zu Mittag zu speisen. Nach Tische lud er mich, um die Merkwürdigkeiten der Stadt und ihrer Umgebungen zu besehen, zu einem Spatziergang ein. Er selbst war nebst zwey, sich bey ihm aufhaltenden Franzosen zu Pferde, mich aber, da ich zum Reiten zu müde war, führte sein Sekretär in einer Postchaise. Unweit von der Stadt, an dem Ufer der Donau, hatte Rodophinikin eine Mineralquelle entdeckt, die er mir zeigte. Sie sprudelt aus einem schwarzen Erdreiche hervor, hat krystallhelles Wasser, und einen sehr entschiedenen Salpetergeschmack.
Die Festung Belgrad, zwischen die Donau und Sawa eingezwängt, hat eine eben so schöne und vortheilhafte, als schwer zu bezwingende Lage. Sie besteht aus zwey Festungen, einer höheren, und einer tiefer gelegenen. In dieser letzteren befinden sich das Arsenal, ein großes steinernes Gebäude, und die Kasernen. Im Arsenal werden Lanzen, Gewehre, und Patronen verfertigt, auch Glocken gegossen. Mit allen diesen Arbeiten werden die türkischen Gefangenen beschäftigt. Auch hat man, wiewohl ohne Erfolg versucht, Kanonen in diesem Arsenale zu gießen. Mehrere Stücke, die ich liegen sah, hatten nicht fertig gemacht werden können In der oberen Festung befindet sich das Haus des Pascha, welches ebenfalls steinern, und zwey Stockwerke hoch ist. In einem der Säle desselben zeigt man mehrere, den Türken abgenommene Fahnen, und ein großes Gemählde, auf welchem alle Czaren oder Oberhäupter von Servien abgebildet sind, in deren Reihenfolge auch Czerni Georg figurirt. Er ist in dem Augenblicke vorgestellt, wo er einem, vor seine Füße niedergeworfenen Türken den Kopf absäbelt. Die Erfindung und Ausführung dieses Gemähldes ist von einem Servier. In diesem Theile der Festung sahen wir auch noch eine schöne, sehr hoch gewölbte, aber nichts Bemerkenswerthes enthaltende Moschee.
Nahe bey dem Hause, wo gewöhnlich der Pascha residirt, ist in einem Thurm ein sehr tiefer Sodbrunnen, und in geringer Entfernung von diesem der Eingang einer unterirdischen Gallerie zu sehen, die parallel mit der Sawe ausgehen soll, und in die man über 300 Stufen hinabsteigt. Der großen Feuchtigkeit wegen hält es aber schwer, darin fortzukommen *). Die Festung ist mit doppelten Thoren verschlossen, deren Flügel von massivem Eisen sind.
- *) Von dieser unterirdischen Gallerie meldet Blount, ein englischer Reisender aus dem siebenzehnten Jahrhundert (a Voyage into the Levant ect., wovon die achte Ausgabe in London 1671 erschienen ist) Folgendes: In dem Schlosse zu Belgrad sah ich einen Thurm, der inwendig mit eisernen Haken und Spitzen ausgeschlagen ist. In diesen werden die Missethäter hinabgestürzt, und finden einen mehr oder weniger geschwinden Tod, je nachdem sie schneller oder langsamer auf diese oder jene Seite herabfallen. Die Überreste dieser Unglücklichen werden von den, bis an die Fundamente des Thurms eindringenden Fluthen der Donau weggespühlt.
Nachdem wir die Festung besehen hatten, statteten wir bey dem Metropolitan Leon einen Besuch ab. Dieser liebenswürdige und bescheidene Prälat wohnt in einem unscheinbaren hölzernen Hause. Er beehrte uns mit einer langen und interessanten Unterhaltung. Von da begaben wir uns zu dem Commandanten Mladen Milanowicz, der eben von den Fatiguen, die ihm die Sitzung des Senats, dessen Präsident er ist, verursacht hatte, wieder ausruhte. Man weckte ihn auf, er erschien, die Augen noch voll Schlaf, in einem rothen Nachtrock und Pantoffeln. Ein großer, wohlernährter Körper zeugt von dem, an der Tafel dieses Mannes herrschenden Überflusse, und von den guten Tagen, die er sich zu verschaffen weiß. Er war kurz von Worten, gähnte oft, und trank in starken Portionen rothen servischen Wein. Noch am gleichen Abend beehrte er mich in Begleitung des Staatssecretärs und eines Panduren mit einem Gegenbesuche. Ich ging ihm entgegen, und wurde angenehm überrascht, als ich ihn seinen silbernen, reich vergoldeten Säbel von türkischer Fabrik, von der Hüfte losschnallen und mir überreichen sah, indeß mich der Secretär, eine Grieche, der geläufig russisch sprach, also anredete: Empfangen Sie diesen Säbel als ein Andenken des servischen Senats, für die große Mühe, die Sie haben nehmen wollen, aus einem fernen Lande das, zum Dienste der servischen Kirche bestimmte heilige Öhl zu uns herzubringen. Ungeachtet aller Bedenklichkeiten, die ich äußerte, ein so kostbares Geschenk anzunehmen, konnte ich am Ende doch nicht umhin, mich seinen wiederhohlten Zumuthungen zu fügen.
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Belgrad, (auf das wir nach dieser langen Abschweifung wieder zurückkommen) liegt mit seinen beträchtlichen Vorstädten in einer schönen und fruchtbaren Gegend, am Zusammenflusse der Donau und Sawe; aber das Innere der Stadt ist ein furchtbares Bild der Verheerungen des Krieges. Ein großer Theil der Häuser liegt in Ruinen und Asche; selten ist eine ganze Glasscheibe zu sehen; die meisten sind mit Papier zusammengeklebt, an vielen Häuser gibt es gar keine Fenster. Die Minarets oder sehr hohen Thurmspitzen der zahlreichen Moscheen, verschaffen der Stadt von Weitem ein prächtiges Aussehen. Nur noch in einem einzigen dieser Gebäude haben die Türken die Freyheit, ihren Gottesdienst zu halten, die übrigen alle stehen entweder leer, oder sind in Schwein- und Viehställe verwandelt. Die Türken, deren es in Belgrad in der Stadt sowohl, als in den Vorstädten noch viele gibt, leben in einem kläglichen Zustande der Unterdrückung. Sie werden zu öffentlichen Arbeiten gebraucht, und ihr Elend spricht sich auf ihren entstellten Gesichtszügen laut aus.
Was den Fremden, der die Straßen von Belgrad durchwandert, eigentlich in Schrecken setzt, ist die ungeheuere Menge von Schlangen und Eidechsen, welche dieselben verpesten. Die Zahl der Einwohner beläuft sich etwa auf 30,000. Um die Stadt herum geht ein Wall mit vielen Batterien. Alle Stadtthore werden streng bewacht.
Die Servier verabscheuen in gleichem Grade die Türken, die byzantinischen Griechen, die Ungern und Deutschen, welche nacheinander ihr Land beherrscht haben. Der Staatsrath Rodophinikin thut alles Mögliche, das Zutrauen dieses mißtrauischen Volks zu gewinnen. In seinem Garten sah ich eine Tafel zum Frühstücken, die er absichtlich hat verfertigen lassen, um dadurch den Serviern zu schmeicheln. Dieser Tisch ist nähmlich eine große, auf vier türkischen Leichensteinen ruhende Steinplatte; die Steine sind von den Gräbern eines Derwischen, eines Janitscharen, und zweyer reichen Muselmänner genommen, und in Form eines Turbans ausgehauen. Von den Serviern wird diese Tafel nicht anders, als mit Enthusiasmus betrachtet.
Wir verließen Belgrad am 5. Juny, und schifften uns in Gesellschaft des Bouloukbascha, Gregor Guzin, und einiger Panduren wieder auf der Donau ein.
Zeitungsnachrichten.[]
1806.[]
Semlin, 14. April. [3]
In Belgrad drückt die höchste Noth. Vor einigen Tagen sind etwa 40 Belgrader Türken mit allerlei Geräthschaften hier angekommen, welche sie um allen Preis zu verkaufen suchen. Mit höchster Bewilligung sind 300 Metzen türkischer Waitzen nach Belgrad abgeliefert worden.