Von Bastille bis Waterloo. Wiki

Die Russen belagern Danzig.


Eroberung und Preußische Besitznahme von Danzig.[]

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Die von den Franzosen besetzt gehaltenen deutschen Festungen, haben seit 7 Jahren für uns Deutsche ein so hohe Interesse bekommen, daß wir von jeder fallenden einen so viel als möglich vollständigen Bericht geben müssen. Die Geschichte des Kriegs und Napoleons Unterdrückungssucht, ist damit zu genau verwebt. Deshalb erfolgen hier auch einige Nachrichten von Danzig. Es ist unser Bestreben, dieser Zeitschrift einen bleibenden historischen Werth zu geben, selbige zu einem Repertorio alles Merkwürdigen zu machen, was die so wichtige Zeit herbeiführt, und fern ist es von uns über Napoleon und die Franzosen nur zu witzeln oder zu spotten, wie es in hundertfältigen kleinen Schriften geschieht. Thatsachen der Unterdrückungssucht hervorzuziehen, und Belege zu den so vielen herzerhebenden Proclamationen der hohen Mächte und der Heerführer zu liefern, darauf arbeiten wir hin.

Anderthalb Stunden unterhalb Mewe und dem Ausfluß der Fers in die Weichsel, theilt sich dieser mächtige Fluß in zwei große Arme, wovon der eine, unter der Benennung Nogat, rechts über Marienburg nach dem frischen Haf geht, der andere seinen Lauf in nördlicher Richtung über Dirschau bis eine gute Stunde von der Ostsee fortsetzt, und dann in zwei schiffbaren, eine Zeit lang östlich und westlich mit dem Seegestade beinahe parallellaufenden Armen, sich rechts als alte Weichsel in das frische Haf, und links unter seinem alten Namen in das baltische Meer ergießt. An dem linken Ufer des letztern, und eine Stunde Wegs von seinem Ausfluß, liegt in der schönsten und gesegnetsten Gegend von Polen und Preußen die ansehnliche Handelsstadt Danzig, welche über 60,000 Einwohner zählte, die Producte des polnischen Bodens und vorzüglich das Getreide durch ganz Europa führte, und den größten Theil des weiten Länderstrichs zwischen der Memel und Oder mit den Erzeugnissen anderer Staaten versah. Die Modlau, die aus den Höhen in der Nachbarschaft von Dirschau entspringt, geht in zwei schiffbaren Kanälen mitten durch die Stadt, vereinigt sich innerhalb derselben mit der Radaune, die von Zemplin herunterkommt, und bildet, indem sie in die Weichsel fällt, eine vortrefflichen Hafen, in welchem selbst bei einer Belagerung die Schiffe ziemlich sicher liegen. Jenseits des Ausflusses der Modlau scheidet ein Kanal, die Loake genannt, die Biegung der sich plötzlich nördlich wendenden Weichsel ab, und bildet dadurch eine gegen die Stadt hin sehr breite, dem Ausfluß zu aber ganz spitz zulaufende, drei Viertelstunden Wegs lange Insel, den Holm. Die Mündung der Weichsel ist rechts durch das alte Fort Weichselmünde, links durch die Verschanzungen von Neufahrwasser vertheidigt. Ersteres ist ein bastionirtes Viereck, das inwendig eine uralte Steinzitadelle enthält, und in den neuesten Zeiten durch eine Menge von Außenwerken und Schanzen ziemlich furchtbar geworden ist. Letzteres war ehedem nur eine kleine, mit zwei Lünetten versehene Brückenschanze, die Westerschanze genannt. Um dieses verfallene Werk herum haben sich seit der russischen Belagerung von 1734, so viele Familien angesiedelt, daß daraus eine besondere kleine Stadt entstanden ist. Da die alte Mündung bei Weichselmünde versandete, so war links eine neue künstliche Mündung eröffnet worden, wo große Schiffe ohne Gefahr einlaufen können. Dadurch erhielt der Ort seinen Namen Neufahrwasser. Die durch beide Mündungen gebildete Insel war mit besondern Schanzen hinlänglich versehen; und Neufahrwasser, das auf zwei Seiten mit Sümpfen umgeben ist, war durch einige Werke ein weitläuftiges, und doch sehr wohl zu vertheidigendes, verschanztes Lager geworden. Die Stadt Danzig selbst hatte, als die 1792 ihre bisherige Freiheit aufgeben mußte, ein vortrefflich versehenes Zeughaus mit Kriegsvorräthen aller Art, und sehr wohl unterhaltene, sogar pallisadirte Festungswerke. Der Hauptwall hat 20 Bastionen, wovon die 8 zwischen der Modlau und der Weichsel liegenden wegen der vorliegenden Berge sehr hoch sind. Die Bastionen auf beiden Flügeln, die den Namen Jacobs- und Auerochs-Bastion führen, sind vorzüglich hoch, und enthalten Kavaliere. Die übrigen 12 Bastionen, die gegen die Fläche und den Fluß zu liegen, werden immer niedriger, je mehr sie sich von der Gebirgsseite entfernen. Die Wälle haben eine gutes Profil, sind mit Rasen bekleidet und zum Theil mit lebendigen Hecken umgeben. Sie haben durchgehends eine Faussebraie, oder wenigstens eine gute Ringmauer, und an vielen Orten Grabenvertheidigung. Der Graben ist breit, und reichlich mit Wasser versehen. Es liegen nur 3 Außenwerke darin, nämlich das Ravelin zwischen dem Jacobs- und Legerthor, und die beiden Lünetten zu Deckung des Eingangs der Modlau. Nur auf der Westseite ist der Stadt bei einer Belagerung beizukommen. Der Boden besteht hier aus unzähligen, wellenförmigen Bergen, die dem Grund eines ausgetrockneten Moores gleichen. Die vielen Schluchten, welche hindurchziehen, machen den kleinen Krieg schikanenreich, erleichtern aber den Angreifenden das Annähern. Zwei von diesen Höhen, der Hagels- und Bischofsberg, befinden sich ganz nahe vor dem Glacis der Festung und enthalten jeder ein Fort. Der Hagelsberg hat nur zwei Bastionen nebst einem kleinen Ravelin und ist nirgends revetirt, weit größer, befestigter und dominirenden ist aber der Bischofsberg. Beide sind durch eine Enveloppe mit einander verbunden, die mehrere ein- und ausgehende Winkel und Bastionen enthält, und links bis an die Weichsel, rechts bis an die Modlau fortläuft, auch in der Ebene Wassergräben hat. Ein guter verdeckter Weg umgiebt das Ganze. Auf diese Art hat man es mit einer doppelten Festung zu thun, und kann die innere gar nicht angreifen, so lange man nicht eines von beiden Forts und mit ihm einen Theil der Enveloppe erobert hat. Der Raum zwischen beiden Festungen ist so groß, daß er an einigen Stellen ansehnliche Vorstädte enthält. Beide Forts sind zwar durch die unmittelbar davor liegenden Berge, Grantberg, Zikangenberg und Stolzenberg überhöht; doch sind sie, wenn die gehörig mit Pallisaden und Blockhäusern versehen werden, einer langen Vertheidigung fähig. Von hier erhebt sich das Terrain nach und nach immer mehr, wird zusammenhängender, und endlich schließen sich alle Schluchten in der ansehnlichen Höhe von Pitzkendorf, Michau und Wonneberg, deren Fuß rechts bei Praust durch die Radaune bespühlt wird, und die links nach der Gegend von Oliva in einer halbstündigen Entfernung von dem Seegestade fortläuft. Ein anrückendes Corps findet auf diesem schon ziemlich rauhen Gebirg eine feste Stellung gegen die Stadt. Mehrere Quellen gehen aus seinem Busen hervor, und suchen die See. Die Thäler, welche sie bilden, sind vor allen nachtheiligen Winden geschützt, und wetteifern in Güte des Klimas mit den südlichen Gegenden von Deutschland, Anlagen der reichen Danziger verwandelten sich hier in kleine Paradiese.

Auf allen andern Seiten ist der Stadt nicht gut beizukommen, wenn man nur die, sich selbst darbietenden Mittel benutzt. Der Holm ist mit wenig Mühe so zu befestigen, und so leicht zu vertheidigen, daß man die Communication mit Weichselmünde und der See immer behaupten kann, so lange man die Frische Nehrung nicht ganz verliert. Diese übrigens aus Dämmen und Sandbergen bestehende Erdzunge, die mehrere Dörfer enthält, verschafft dem Besitzer von Danzig, so lange er Heer zur See ist, eine beständige Communication mit Königsberg zu Lande, und hinreichende Deckung der Verbindung mit Weichselmünde. Zwischen Danzig, der Modlau und Weichsel liegt ein sehr niedriger, aber vortrefflicher Strich Landes, der Danziger Werther. Dieser enthält 33 Dörfer mit höchst wohlhabenden Einwohnern, welche eine ausgezeichnete Rindvieh- und Pferdezucht treiben. Das schmale Stück Landes zwischen der Modlau und Radaune, das die Danziger Niederung genannt wird, ist von gleicher Beschaffenheit. Von der Stadt aus kann diese Gegend auf eine Stunde Wegs weit unter Wasser gesetzt werden. Die große Insel zwischen der Weichsel und Nogat enthält durchaus reiches Land, und kann einer starken Besatzung von Danzig, so lange man sie nicht einzuschließen vermag, viele Vortheile gewähren.

Seit 1772 war die Stadt gleichsam vom preußischen Gebiet umschlossen, die starke Zölle drückten sie fürchterlich. Handel, Kunstfleiß und Bevölkerung sanken, und der Wunsch, ganz unter Preußens Herrschaft zu kommen, wurde der vernünftigste. Zudem befanden sich die Weichsel und das Fahrwasser in preußische Gewalt, und der letzte König von Polen erklärte offen, daß er Danzig seinem Schicksale überlassen müsse.

Als daher Preußen dessen Unterwerfung verlangte, mußte der vernünftigere Theil der Einwohner, dem dieser Schatten von Unabhängigkeit lästiger war, als ihr gänzlicher Verlust, leicht über die wenigen Familien werden, die bis jetzt regiert hatten.

Danzigs Wohlstand stieg unter Preußens Schutz wieder empor. Es genoß Ruhe und vielfältiges Glück bis zum Ausbruch des preußisch-französischen Kriegs. Eine harte Belagerung im Jahr 1807 zerstörte viel. Es kam jedoch nicht aufs Aeußerste. Dieser Hauptplatz ergab sich aus Mangel an Pulver, vertheidigt von einem der besten Generale, an die Franzosen unter dem Marschall Lefebre, welcher dafür von Napoleon zum Herzog von Danzig ernannt wurde.

Danzig sollte nach französischen Berichten von jetzt an eine freie Stadt seyn, war aber mit einem dazu genommenen Gebiet, eine französische Provinz. Dafür daß die Preußen die Festung inne gehabt und vertheidigt hatten, mußten die Einwohner ungeheuer leiden. Nicht allein daß der Handel ganz in Verfall gerieth, daß die Schiffe verfaulten, und sich die vermögendsten Einwohner herauszogen, sondern die Befreier machten auch sehr bedeutende Forderungen. In dem Zeitraume vom 27. Mai 1807 bis Ende des März 1812 wurden zu zahlen auferlegt: 59 Millionen und 604,079 Danziger Gulden, oder 10 Millionen und 750,000 Rthlr. preußisch. Von dieser Summe betrug die der Stadt zuerkannte Contribution 20 Mill. Franken baar und 10 Mill. an Naturalien; für die Verpflegung der Garnison, die Kosten der Einquartierung bei den Bürgern ungerechnet, etwas über 12 Mill. Gulden; für extraordinäre Verpflegung, Tafel- und Quartiergelder für die Generale allein viertehalb Millionen, für Unterhalt des Gouvernementshauses, in welchem der General Rapp wohnte, beinahe dreimalhunderttausend Gulden; zu Bällen und Illuminationen 68,000 Gulden; für geheime Ausgaben bis zu Ende März 1811, 2,800,000 Gulden. Von diesen geheimen Ausgaben erhielt der General Rapp in drei verschiedenen Posten 1,500,000 Gulden und einen Degen für 30,000 Franken; der Intendant Chopin in zwei Posten 124,000 Franken; der Marschall Lefebre 400,000 Franken und 2 Pferde, eins für ihn und eins für seinen Sohn; der Marschall Soult, bei Abschließung des Gränzvertrages, 91,000 Franken; der Stadtcommandant Menard 40,000 Franken. Die Lazarethe haben erfordert über drittehalb Millionen Gulden. Der größte Theil dieser Summe wurde durch gezwungene Anleihen herbeigeschafft. Hiezu kam noch die ungeheure Steigerung aller Abgaben. Die Mahlzins z. B. überstieg, wenn die Kornpreise niedrig standen, den Werth des vermahlten Getreides. Bedenkt man nun noch, daß Handel und Gewerbe gänzlich stockten, so hat man ein vollständiges Bild von dem Glücke, welches der Stadt Danzig durch die französische Regierung zu Theil wurde.

Als Napoleon zu dem Kriege mit Rußland Anstalt machte, wurde Danzig noch vielmehr mit Truppen belegt, und General Rapp marschirte dann mit nach Rußland, überstand den dasigen Frost und Hunger, und kam den 17. Decbr. 1812 wieder als Gouverneur in Danzig an. Was die Einwohner vom April bis Decbr. 1812 gelitten haben, ist noch nicht bekannt geworden. Vom Tage der Ankunft des General Rapp ging aber die Noth erst recht an. Mit ihm drängten sich einige tausend erfrorne Offiziere in die Stadt, und die Russen folgten ihm. Am 6ten Januar 1813 machte der General Rapp zwar noch bekannt, daß Jedem, welcher Reden zum Nachtheil der Franzosen führen würde, auf der Parade die Haare geschoren werden sollten, und daß der Glücksstern, wenn gleich durch die Elemente einen Augenblick gebleicht, Ehrfurcht gebietender wieder erscheinen würde, allein die Elemente hielten die Russen nicht ab, den 16. Jan. 1813 vor Danzig zu erscheinen. Der General Rapp war ihnen also doch einen vollen Monat voraus geeilt, und die Augenblicke, welche er unterdessen gehabt hat, und in welchen allen zusammen der Glücksstern doch nicht wieder hell geworden ist, mögen wir nicht ausrechnen.

Meist ein volles Jahr mußten die Danziger nun gefangen sitzen, und ihr Kerkermeister war gewiß nicht der sanftmüthigste. Die Russen wollten die Stadt schonen, und forderten den General Rapp vielfältig auf, sich zu ergeben, er ergab sich aber nicht, das es ihm weder an Mannschaft, noch an Lebensmitteln fehlte. Es blieb nun kein ander Mittel, als ihn ganz förmlich und mit aller Strenge zu belagern.

SectieDanzigBelagerung1813

Situationsplan der Blockade und Belagerung von Danzig, im Jahr 1813.

Der Herzog von Würtemberg commandirte das Belagerungscorps, und den 3ten November 1813 ließ derselbe die Trancheen eröffnen. Die Belagerungsarbeiten wurden mit der größten Thätigkeit fortgesetzt, und den 17ten November spielten die Batterien der erste Parallele aus 131 Stücken, ein in allen Belagerungsgeschichten seltenes Beispiel, da man sonst in derselben höchstens 50 bis 60 Stück zu placiren pflegt. Das Feuer der russischen Batterien gewann bald eine solche Ueberlegenheit über das der feindlichen, daß mehrere dessen Werke, unter anderen die Redoute Friaul, dergestalt gänzlich zerstört wurden, daß der Feind genöthigt war, sie in der Nacht vom 9ten zum 10ten November zu verlassen. Man besetzte sich sogleich, erhielt durch sie vollkommene Deckung der Tranchee-Arbeiten, und konnte diese nun mit mehrerer Thätigkeit gegen den Bischofsberg und das Thor von Petershagen fortsetzen.

Die Lünette le Clerc vor dem Bischofsberge, war ebenfalls genöthigt, ihr Feuer einzustellen, das die Front der Parallele incommodirte. Ein Pulvermagazin in diesem Werke, durch eine der diesseitigen Bomben in die Luft gesprengt, erregte nicht allein allgemeine Verwirrung bei der Besatzung desselben, sondern begünstigte auch das Vorrücken der Arbeiter. Da das diesseitige Feuer durch sechs neue Batterien, theils in der Redoute Friaul, theils auf dem linken Flügel der Position angelegt, immer lebhafter wurde, viele feindliche Batterien demontirte, die Pallisaden ruinirte, die Arbeiten immer weiter gegen das Petershager Thor vorrückten und der Bischofsberg dergestalt ruinirt war, daß in kurzer Zeit ein Sturm auf dieses wichtige Werk unternommen werden konnte, so mußte der General Rapp, in Betrachte aller dieser vereinten Umstände, endlich sich in Unterhandlungen einlassen, welche die Capitulation herbeiführten, und auf die Vorschläge, die ihm vom commandirenden General gemacht wurden, hören, die nach langen wiederholten Debatten und mühevollen Entgegnungen feindlicher Forderungen endlich zu Stande kam. Eilf Monate währte die strenge Blokade. Von 13,000 Einwohnern, aus denen die ganze Bevölkerung während der letzten Monate noch bestand, starben in jeder Woche 100 und 130, größtentheils vor Hunger und Hinfälligkeit. Den Jammer vergrößerte endlich noch das Bombardement, wodurch außer dem gänzlichen Abbrennen sämmtlicher Vorstädte, auch das Feuer einen großen Theil der Stadt verzehrte. 300 Speicher, die größtentheils mit den Effecten der abgebrannten Vorstädter angefüllt waren, wurden ein Raub der Flammen. Von ungefähr 4000 Häusern, wurden 970 mehr oder weniger durch Wurfgeschütz unbrauchbar gemacht. Das Dominikanerkloster und einige und 70 Häuser gingen in Rauch auf. Zwischen 50 und 60 Menschen wurden getödtet, ohne die bei der Schanzarbeit umgekommenen.

So endete ein Unternehmen in 26 Tagen am Schlusse des so wichtigen Jahres 1813, welches die höchsten Anstrengungen erforderte, aber unter den wichtigen Resultaten, die erkämpft wurden, die Eroberung einer der wichtigsten Festungen des Continents herbeiführte, und die Feinde von der Weichsel gänzlich vertrieb. Im Moniteur vom 26. Jan. 1813 hieß es: "Danzig ist jetzt ein unbezwingbarer Ort. Dreißigtausend Mann der besten Truppen sind dort versammelt, gute Generale commandiren sie, und der Gouverneur der Stadt, General Rapp, ist ein braver und unerschrockener Soldat. Eine gute Anzahl Officiere vom Genie und er Artillerie sind bei der Garnison, und der Platz ist für zwei Jahre mit allem versehen."

Den russischen Belagerungstruppen waren auch preußische Truppen beigestellt, und bei diesen befand sich auch der preußische Ingenieurmajor Pullet, welcher 1807 sich als preußischer Ingenieur des Platzes in Danzig befand. Ein Werk, das er damals meisterhaft mit vertheidigen half, nahm er auch jetzt meisterhaft wieder mit ein.

Am 2ten Januar 1814 zogen die Belagerer unter der Anführung des Herzogs Alexander von Würtemberg in Danzig ein, und ein feierlicher Gottesdienst wurde sogleich abgehalten, so wie auch am Abend die Stadt erleuchtet wurde. Die bisher Belagerten, in so weit es Franzosen waren, wurden als Kriegsgefangene nach Rußland abgeführt. Es waren gegen 9000, unter welchen sich, außer dem General Rapp, über 1000 Offiziere befanden. An Geschütz erbeutete man 1300 Stück.

Der 3te Febr. 1814 war ein neuer höchst wichtiger Tag für die Danziger. Der Herzog von Würtemberg, welchem die Verwaltung der Stadt einstweilen oblag, zeigte offiziel an, daß Danzig mit seinem Territorio wieder unter Königlich Preußische Hoheit zurückkehre. Der preußische General-Lieutenant von Massenbach trat daher als Gouverneur auf, und erließ folgendes

Publikandum.

Die für eine gerechte Sache siegreich fechtenden Waffen der hohen Verbündeten, haben auch die Stadt Danzig und deren Gebiet in ihre Gewalt gebracht.

In Gefolge des Befehls Sr. Majestät des Königs, meines Herrn, habe ich mich hierher begeben, und das mir gnädigst anvertraute Gouvernement der Stadt und ihres Territorii übernommen.

Achtbare Bürger der Stadt, Einwohner derselben und ihrer Umgebungen, ich bin bei Euch eingekehrt, nicht als ein Fremdling, denn ich habe einst Eure Mauern vertheidigen helfen, ich komme zu Euch und fühle ganz die Wichtigkeit meines Berufs, ich kenne meine Pflichten und werde sie, unter dem Beistande der Vorsehung, gegen den König, meinen Herrn, gegen Euch, deren Wohlfahrt mir am Herzen liegt, mit Treue und Eifer erfüllen. Darum steht jedem ohne Unterschied des Standes der Zugang zu mir offen, ich werde ihn hören, und seinen gerechten Beschwerden soll abgeholfen werden.

Danzigs einst so glückliche Bewohner! sieben schmachvolle unglückliche Jahre habt Ihr verlebt, mit ihnen sahet Ihr Euren Wohlstand, der -- wer unter Euch wird es leugnen -- als Preußens Adler Euch beschirmten, den höchsten Grad erreicht hatte, dahinschwinden. Doch sind nicht Deutsche Treue, Gemeinsinn und jede andere Bürgertugend von Euch gewichen, dann könnt Ihr, allen Umständen trotzend, mit Muth der Zukunft entgegengehen. Ihr kehrt zu einem Staate zurück, werdet wieder Theil einer Nation, die gleich Euch gelitten, durch Ausdauer, Selbstverleugnung, Tapferkeit, Liebe und Anhänglichkeit an den edelsten der Fürsten, sich die Bewunderung der Zeitgenossen erworben hat, und deren Name von kommenden Geschlechtern mit Ehrfurcht genannt werden wird. Darum fasset Muth, Ihr habt als Preußen mit Preußen glücklich gelebt, von Preußen getrennt, seyd Ihr unglücklich geworden, Ihr werdet als Preußen und mit Preußen Euch wieder glücklich sehen. Gegeben in meinem Gouvernement.

Danzig, den 3ten Februar 1814.
v. Massenbach.

Die Civilbesitznahme erfolgte den 19ten Februar nicht allein mit großer Feierlichkeit, sondern auch mit den unzweideutigsten Freudensäußerungen der Einwohner.


Der Russen Angriffe auf die Vorstädte Langfuhr und Ohra bei Danzig.[]

[2]
Der 28. August 1813.

Die Belagerung und Vertheidigung Danzigs im Jahre 1813 führte mehrere einzelne bemerkenswerthe Kämpfe herbei. Unter die heftigsten gehören die Angriffe, welche die Russen am 27. und 28. August auf die zwey Höhen Belvedere und Stern, von denen die beiden Vorstädte Langfuhr und Ohra beherrscht wurden, unternahmen. An beiden Plätzen fanden sie die hartnäckigste Gegenwehr, und es gab ein schreckliches Blutbad. Die Angriffe des 27. misslangen. Am folgenden Tage stürmten 10,000 Mann gegen Belvedere vor; erst nach dem 3. Sturm konnten die Russen Meister der Höhe werden, wo sich ringsherum Leichen thürmten. Dreyhundert Bayern und Westphalen, welche in der Vorstadt Langfuhr verschanzt waren, und nach unerschrockenem Ausharren durch das Feuer, in welchem die Vorstadt ausloderte, bezwungen werden sollten, schlugen sich durch Feinde und Flammen durch, und fanden so eine wunderähnliche Rettung. Die Eroberung des Sterns, von dessen Höhe man das Innere von Danzig frey überblicken konnte, kostete noch einen sechswochentlichen sehr blutigen Kampf; denn die Belagerer konnten sich erst am 10. Oktober dort festsetzen.

Denkwürdigkeiten aus dem Tagebuche des General Grafen von Rapp.[]

[3]

Sieben und dreißigstes Kapitel.

Danzig scheint von der Natur zu einer Festung bestimmt zu seyn; gegen Norden von der Weichsel umflossen, gegen Süd-West durch eine Kette steiler Anhöhen geschützt, wird sein übriger Umfang durch eine Ueberschwemmung vertheidigt, die durch zwei sich in dieselbe ergießende Flüsse die Mottlau und die Radaune, entsteht. Napoleon, dem die Vortheile einer so schönen Lage nicht entgangen waren, hatte beschlossen, sie unüberwindlich zu machen; er hatte demnach ungeheure Arbeiten anfangen lassen. Brückenköpfe, Forts und verschanzte Lager sollten sie gegen jeden Angriff decken, und den Lauf des Stroms beherrschen; es hatte jedoch an gehöriger Zeit dazu gemangelt, und die mehrsten Werke waren entweder noch nicht vollendet oder kaum angefangen, noch kein Magazin war bombenfest, für die Besatzung waren noch keine guten und sichern Gebäude vorhanden; die Casematten waren unbewohnbar, die Blockhäuser verfallen und die Brustwehren schadhaft. Durch die Kälte, die immer heftiger wurde, hatten alle Wassergräben eine feste Eisdecke bekommen, und Danzig, dessen natürliche Lage so glücklich und fest ist, war nichts mehr als ein auf allen Seiten offener Ort. Die Besatzung befand sich in keinem bessern Zustande; sie bestand aus einem Haufen Soldaten von allen Waffengattungen und von allen Nationen; es gab Franzosen, Deutsche, Polen, Afrikaner, Spanier, Holländer und Italiener. Die mehrsten davon waren erschöpft, krank, und hatten sich nur nach Danzig geworfen, weil sie nicht mehr fortkommen konnten; sie hatten gehofft, hier einige Erholung zu finden; da ich aber fast von allen entblößt war, keine Arzeneien, kein Fleisch, kein Gemüse, keinen Branntwein, keine Fourage hatte, so sahe ich mich genöthigt, die Stadt von allen, die nicht durchaus unfähig waren, zu räumen und sie weiter zu schicken. Dem ungeachtet behielt ich noch über fünf und dreißigtausend Mann, von denen höchstens acht bis zehntausend zum Dienst tauglich waren; von diesen bestand noch dazu ein großer Theil aus Recruten, die keine Erfahrung hatten; ich kannte indessen unsere Soldaten und wußte, daß, um ihre Schuldigkeit zu thun, es nur eines guten Beispiels bedürfe; ich war daher entschlossen, mich nicht zu schonen.

So war der traurige Zustand, in welchem sich die Festung und die Soldaten, die sie vertheidigen sollten, befanden. Zuerst mußte für das Nothwendigste gesorgt und wir vor jedem Ueberfalle gesichert werden, dieses war eine ganz leichte Sache; die Festungswerke waren mit Schnee bedeckt, alle bedeckten Wege und Zugänge davon verstopft. Die Kälte war außerordentlich, das Thermometer stand auf zwanzig Grad und darüber, und das Eis war schon einige Fuß dick. dennoch gab es hier keine andere Wahl, wir mußten entweder uns darauf gefaßt machen, mit Sturm genommen zu werden, oder uns neuen Strapazen unterziehen, die fast eben so groß waren als die, welche wir schon ausgestanden hatten. Ich vereinigte mich mit zwei Männern, deren Eifer und Ergebenheit so groß als ihre Kenntnisse war; diese waren der Oberst Richemont und der General Campredon beide bei dem Genie-Corps angestellt, welches letzterer befehligte. Ich gab Befehl, neue Werke aufzuwerfen und die Weichsel vom Eis zu befreien. Dieses Unternehmen schien in einer so strengen Jahrszeit unausführbar zu seyn; dennoch fingen es die Truppen mit ihrem gewöhnlichen Eifer an, trotz der Kälte, die sie auszuhalten hatten, ließen sie doch keine Klage, kein Murren laut werden. Sie vollbrachten die ihnen aufgegebenen Arbeiten mit einem Eifer und einer Ausdauer, die über jedes Lob erhaben sind. Endlich, nach unerhörten Anstrengungen, siegten sie über jedes Hinderniß; das Eis hatte an mit Aexten losgehauen und mit Stangen nach dem Meere, dessen Strömung den Gegendruck noch vermehrte, zugetrieben, so daß dadurch in der Mitte des Flusses ein Kanal entstanden war, der eine Breite von sechszehn bis siebzehn Fuß, und eine Länge von drittehalb Stunden hatte. Aber wir waren dazu bestimmt, immer neue Schwierigkeiten entstehen zu sehen, so wie wir sie besiegt hatten; kaum hatte dieser unerwartete glückliche Erfolg unsere Anstrengungen gekrönt, so wurde auch die Kälte noch heftiger; in einer einzigen Nacht wurden die Weichsel und alle Gräben mit einer fast eben so dicken Eisdecke belegt, als die war, welche wir durchbrochen hatten. Vergebens fuhren fortwährend Kähne darauf herum, um das Wasser offen zu erhalten; doch weder diese Sorgfalt noch der schnelle Lauf des Stroms konnten es verhindern; wir mußten die Arbeiten, die uns so viel gekostet hatten und die in so kurzer Zeit wieder vernichtet worden waren, noch einmal anfangen. Obgleich Tag und Nacht daran gearbeitet wurde, das Eis zu durchhauen, so konnten wir es doch nicht verhindern, das alle Gräben zum dritten male zufroren; aber noch hartnäckiger als das uns widerstrebende Element, trotzten unsere Soldaten allen Hindernissen und besiegten sie endlich.

Auf der ganzen Fronte der Festung herrschte derselbe Eifer, aber auch dieselben Schwierigkeiten; die Erde, die mehrere Fuß tief gefroren war, widerstand der Hacke und trotzte den Anstrengungen der Pioniers; nichts konnte diese feste Masse trennen. Man mußte das Feuer zu Hülfe nehmen, um die Erde zu erweichen; große Holzhaufen die von einer Strecke zur andern angezündet und lange im Brande unterhalten wurden, waren das einzige Mittel, die Wallbefestigung herzustellen und die nothwendigen Palisaden zu setzen. Durch anhaltende Arbeit und Beharrlichkeit gelang es endlich, die kaum angefangenen Werke in Vertheidigungsstand zu setzen. Der Holm, Weichselmünde, das verschanzte Lager bei Neufahrwasser und die große Menge Forts, die die Zugänge von Danzig beschützen, wurden in den Stand gesetzt, einen vortrefflichen Widerstand zu leisten; und wenn diese Stadt auch nicht denjenigen Grad der Festigkeit erhielt, zu welchem ihr Lage sie geschickt macht, so war sie doch wenigstens fähig, eine Belagerung auszuhalten, deren Dauer und dabei sich ereigneten Vorfälle, nicht gerade das sind, was dem feindlichen Waffen am meisten zum Ruhm gereicht.

Alle diese Strapazen übersteigen die menschlichen Kräfte; die Bivouaks, der Mangel und anhaltender Dienst erschwerten sie noch mehr, auch dauerte sie nicht lange, so wurden wir von Krankheiten heimgesucht. Von den ersten Tagen des Januar an, rafte jeder Tag funfzig Menschen weg; gegen das Ende des darauf folgenden Monats, verloren wir bis gegen hundert und dreißig und hatten mehr als funfzehntausend Kranke. Von den Truppen verbreitete die Epidemie sich auch unter die Einwohner und richtete hier die schrecklichste Verwüstung an; weder Alter noch Geschlecht blieb verschont; die Armen so wie die Reichen wurden eine Beute derselben. In allen Familien herrschte Trauer und jedermann war in der größten Bestürzung. Danzig das sonst so belebt war, lag jetzt in dumpfen Schweigen, überall hatte man den traurigen Anblick der Leichenzüge und Leichenwagen. Das Läuten der Glocken, die Trauergerüste, die Bilder des Todes, die unter so verschiedenen Formen dargestellt wurden, verschlimmerten diese an sich schon beklagenswerthe Lage noch mehr. Die Einbildungskraft der Truppen fing an, davon erschüttert zu werden; ich eilte, das Uebel vom Grunde aus zu zerstören und untersagte die feierlichen Leichenbegängnisse.

Ich hatte nicht gewartet, die Epidemie zu bekämpfen, bis sie schon in ihrer ganzen Kraft sich verbreitete. sobald man die ersten Kenntzeichen bemerkte, hatte ich Lazareths anlegen, medicamente kaufen, Betten und alles was zu diesem Dienstzweig nothwendig ist, einrichten lassen; gesunde und hinreichende Lebensmittel, wären noch nothwendiger gewesen; aber wir waren so schlecht verproviantirt, daß kaum eine tägliche Portion von zwei Unzen frischem Fleische verabreicht werden konnte. Ein wenig gesalzenes Fleisch, etwas trocknes Gemüse war Alles, was ich den Leuten, die durch so lange erlittenen Mangel ganz erschöpft waren, geben konnte. Dieser Zustand war schrecklich und dennoch konnte ich nichts thun, um ihn zu ändern. vergebens hatte ich ein Fahrzeug abgesendet, um aus schwedisch Pommern, welches wir auch besaßen, Lebensmittel und Arzneien zu ziehen; das Avisschif, welches meine Depeschen an Bord hatte, wurde von einem heftigen Sturme überfallen und auf die Küste geworfen.

Die Tag- und Nachtgleiche war eingetreten und die Ostsee schon sehr stürmisch, so daß es nicht mehr möglich war, einen zweiten Versuch zu wagen.

Es blieb uns keine andere Hülfsquelle als unser Muth; nur mit dem Degen in der Hand konnten wir uns Lebensmittel verschaffen; aber so groß auch die Ergebenheit und der Muth der Truppen war, so gestattete es doch die Klugheit nicht, sie, so von Krankheiten und elend erschöpft, wie sie jetzt es waren, gegen den Feind zu führen. Man mußte sich in sein Schicksal ergeben und es erwarten, daß der Einfluß der schönen Jahreszeit ihre Kräfte wieder herstellen werde, dieser Zeitpunkt schien nicht mehr weit entfernt zu seyn; alle Anzeigen, die ihn verkündigen, waren schon zu bemerken. Das Wetter wurde gelinder, das Eis fing an zu schmelzen, es trat Thauwetter ein und man hoffte, daß die Ueberschwemmung einige Erholung von den auszustehenden Strapazen gewähren werde; doch was unsere Leiden mindern sollte, trug stets dazu bei, sie noch höher zu steigern.

Der Eisgang der Weichsel war fürchterlich; seit 1775 hatte man nicht einen ähnlichen erlebt; der schönste Theil von Danzig, seine Magazine, seine Zimmerplätze und Werfte wurden unter Wasser gesetzt. Alle Felder waren überschwemmt; auf eine Weite von mehrern Stunden hatte man nur den traurigen Anblick, von entwurzelten Bäumen, zertrümmerten Häusern, todten Menschen und Thieren, welche zwischen den Eisschollen herumtrieben. Unser Untergang schien ganz unvermeidlich zu seyn, alle uns're Werke waren zerstört; durch die mit fortgerissenen Pallisaden, die zerstörten Schleusen, die Forts, die jetzt offen standen und von den Wellen unterwaschen waren, standen wir allen Vertheidigung beraubt, einem zahlreichen Feinde gegenüber. Wir hatten keine Verbindung mit dem Holm, welcher ein so wichtiger Punkt ist, dessen Befestigungen aber fast ganz vernichtet waren. Die Insel Heubude befand sich in einem traurigen Zustande; unsere Posten im Werder und die auf der Nehrung standen unter Wasser. Um unser Unglück auf das Höchste zu treiben, stand zu befürchten, daß die Ueberschwemmung, welche die Festung schützt, austrocknen werde, sobald die Weichsel ihren ordentlichen Lauf wieder nehmen wurde.


Auszug aus dem vom Hrn. Maj. v. Bauer während der Belagerung geführten Tagebuche.[]

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Folgendes, was dem Verf. als Auszug aus dem vom Hrn. Maj. v. Bauer während der Belagerung geführten Tagebuche mitgetheilt worden, erregt ein zu lebhaftes Interesse, da es sich über mehrere in der Belag. Gesch. vorkommend Fakta ausführlicher verbreitet, und durfte den Lesern daher nicht vorenthalten werden. Der genannte Eigenthümer des Tagebuchs ist in diesen Berichten übrigens größten Theils als redend eingeführt. --

"Das 10te Armeecorps, von Marschall Macdonald commandirt, bestand aus dem 13ten Königl. Baierschen, dem 1sten Königl. Westphälischen, dem 5ten, 10ten und 11ten polnischen Regiment und einer polnischen reitenden und Fußbatterie Am 14ten Jan. (1813) rückte dasselbe in die Gegend von Danzig; das erste westphälische Regiment aber, welches bei der beständigen Krankheit des Obristen v. Pleßmann der Major v. Bauer (als damaliger älteste Obristlieutenant) commandirte, rückte, nach den Gefechten bei Rosenberg und Praust, in die Festung ein, und bestand aus etwa 1200 Mann."

"Am 3ten März besetzte ich die Vorposten von Langfuhr, Strieß und Neuschottland. Durch die Fatiguen des Rückzugs und durch epidemische Krankheiten war das Regiment in dem kurzen Zeitraum sehr zusammen geschmolzen, so daß ich nur 280 Mann unter dem Gewehr hatte, worunter sich aber manche befanden, die kaum gehen konnten. In Langfuhr und Strieß traf ich eine Capitain, nebst 2 Officieren und 70 Mann Franzosen, die ebenfalls unter meinem Commando standen. In Aller Engel stand der Obristlieut. Clement mit einem französ. leichten Bataillon als Reserve. Diese Vorposten standen sämmtlich unter dem Commando des franz. Brigadegeneral Brissand."

"Den 5ten des Morgens um 5 Uhr wurde ich in der benannten Position von allen Seiten durch die Russen überfallen. Die äußersten Posten, sowohl in Strieß, als auf dem Wege nach Jäschkenthal, die von dem Commando Franzosen besetzt waren, wurden zurückgedrängt, und kamen mit den Russen zugleich in Langfuhr an; ihre Bestürzung war so groß, daß sie auch nicht einen Schuß gethan hatten. Dies verursachte, daß die Russen mehrere Compagnien in den Häusern überfielen, von denen sich der größte Theil aus den Fenstern flüchtete und bei den andern Compagnien, die weiter im Dorfe lagen, erst wieder sammlete. Ich meinerseits nahm sofort die Grenadiercompagnie, welcher vom Kapit. v. Skrald befehligt ward und rückte mit dieser, mit gefälltem Bajonet, bis ans äußerste Ende des Dorfs Langfuhr, drängte alles, was sich mir hier entgegenstellte, zurück und gab dem Kapitän Befehl, sich bis auf den letzten Mann zu halten. Da das Dorf mehrere Ausgänge hatte, so sammelte ich die anderen Compagnien und besetze alle Ausgänge. Die Voltigeurcompagnie stellte ich als Reserve hinter den Häusern, um im Fall die Grenadiere geworfen würden, mit diesen vereint den Feind zurückzudrängen."

"Von allen Seiten angegriffen, von Neuschottland abgeschnitten und von der Reserve in Aller Engel nicht unterstützt, wurde sehr bald meine Lage verzweifelnd. Das Dorf wollte ich nicht verlassen, und mußte doch befürchten, daß der Feind durch die Gefangenen unterrichtet würde, welche geringe Streitkräfte ich ihm entgegen zu stellen hatte. In dieser Lage brach endlich der so sehnlich erwünschte Tag an, und mit ihm erschien endlich auch die Ressource von Aller Engel. in der Schnelle beorderte ich, daß diese hinter dem Dorfe Langfuhr vordringen und den Weg nach Jäschkenthal abschneiden mußte, während ich die Russen zurückdrängen und zwischen zwei Feuer bringen wollte. kaum wurden diese aber die Reserven gewahr, so flohen sie theils nach Jäschkenthal, theils nach Strieß. Hier hätte nun der Obristlieut. Clement mit seinem Bataillon schnell in Masse auf den Weg nach Jäschkenthal vordringen müssen; statt dessen aber rückte er Schritt vor Schritt en debandade vorwärts, und gab so den Feinden Zeit zu entkommen. Das Dorf Langfuhr blieb den ganzen Tag über in meinen Hände, das angränzende Dorf Strieß aber ward von den Russen besetzt. Vom 1sten Regiment Westphalen hatte ich einen Verlust von 2 Sergeanten und 12 Mann Gefangene, die in den Häusern überfallen wurden. Kapit. Straid, Kapit. Ebeling, Lieut. v. Tettenborn und Lieut. Schönwald, nebst 18 Mann, waren blessirt, 3 Unteroffic. und 6 Mann todt. Von dem Commando Franzosen hatten wir 2 Todte und 2 Blessirte. Von den Russen hingegen blieben 16 Todte und 20 Blessirte zurück; auch fanden wir auf der Straße über 40 Gewehre."

"Den ganzen übrigen Tag wurde von beiden Seiten mit der größten Erbitterung gefochten. Der General Rapp kam mit dem 7ten neapolit. Regiment, 1 Bataillon Franzosen, 1 Batailllon Polen und 6 Kanonen und setzte sich auf das Feld zwischen Langfuhr und Neuschottland, um so den Feind zu verhindern, diese Dörfer mit überlegener Macht anzugreifen. Die 2 Compagnien in Neuschottland hatten sich auf das polnische Bataillon zurückgezogen, und kamen erst spät zum Regiment nach Langfuhr."

"Um 2 Uhr Nachmittags wurde mir vom General Brissand Befehl ertheilt, dem Feinde das Dorf Strieß wie der wegzunehmen, und ich erhielt zu diesem Ende noch ein Bat. Franzosen. Die Russen leisteten nicht viel Widerstand, und mit Verlust eines Unteroffic. erreichte ich vollkommen meinen Zweck, und setzte mich auf den Kirchhof am Ende des Dorfs. Bis vor den Oliver Wald zogen sich die Russen zurück, und marschirten daselbst auf. Ich besetzte meine Posten wieder, wie die Nacht vorher; nur mit dem Unterschiede, daß ich den Westphalen die äußersten Posten gab, um nicht wieder auf eine ähnliche Art überfallen zu werden. General Rapp gab mir ein franz. Bataillon von 250 Mann zur Verstärkng, und zum Beweise seiner Zufriedenheit zugleich das Commando über die französischen Staabsofficiere -- eine Begünstigung, die den Alliirten sonst nicht leicht zu Theil ward."

"Den 8ten März marschirten alle Franzosen weg, und ich hatte mit 117 Mann (alles, was vom Regimente noch gesund war, die ganzen Vorposten zu besetzen."

"Am 15ten März löste mich das 5te polnische Regiment ab, und ich marschirte mit 85 Mann in die Festung ein. Täglich verlor ich um diese Zeit 5 - 6 Mann an Krankheiten."

"Am 24sten nahmen die Westphalen, vereint mit den Baiern, Antheil an einem Ausfall nach Schottland zu, und brachten 1 Officier und 40 Gefangene ein. Von diesem Tage an wurde von den Baiern und Westphalen ein Bataillon formirt, das abwechselnd von mir und den baierschen Majors Boilk und Seiferdiz commandirt ward."

"Den 2ten April machte das Regiment mit General Bachelü einen Ausfall in die Danziger Nehrung, wobei es mehrere Tage ausblieb; Obristlieut. v. Kruse von den Westphalen commandirte die Baiern und Westphalen. es wurden viele Lebensmittel und mehrere Gefangene eingebracht."

"Den 9ten Juni ein allgemeiner Ausfall, wobei ich mit den Westphalen zu Deckung einer polnischen Batterie commandirt war, und 1 Offic. und 16 Mann blessirt wurden."

"Am 29sten August wurde das 11te polnische Regiment in Langfuhr angegriffen und bis an die Blockhäuser am Ende des Dorfs zurückgeworfen. Um 11 Uhr Mittags rückte die ganze Garnison aus; ich stand mit 280 Mann Westphalen zur Deckung einer reit. Batterie, verlor 5 Todte, 1 Offic. und 20 Mann. wurden blessirt. Die Garnison verlor sehr viel. besonders das 10te polnische Regiment, das unter den Befehlen des Maj. Krasinsky mehrere russische Verschanzungen genommen, hatte allein 22 blessirte Officiers. Dennoch wurden 150 Gefangene eingebracht."

"Den 2ten Septbr. gegen 4 Uhr Nachmittags wurden die Dörfer Strieß und Langfuhr, nach erfolgter Ablösung der Polen, mit einer solchen Schnelligkeit und Uebermacht überfallen, daß die baiersche und westphälische Besatzung dieser Dörfer sich in die beiden Blockhäuser werfen mußte. ich befand mich in dem Augenblick mit mehreren Officiers an den äußersten Vorposten von Strieß, um mich zu überzeugen, ob die Meldungen von dem Unterofficier in Strieß gegründet seyen, daß sich nemlich russische Cavallerie nach Neuschottland zu sehen ließe. Mit der größten Anstrengung erreichte ich aber kaum die Blockhäuser wieder, und kam mit den Russen fast zugleich dort an *)."

*) Diese beiden Blockhäuser bestanden gentlich in zwei Gartenhäusern Danziger Bürger, die am Eingange Langfuhrs von der Nordseite her gegen einander über standen, und erst mit Palisaden umsetzt und durch Zuschlagen der Fenster mit Bohlen auf einige (obwohl wenig zureichende) Art zu Blockhäusern eingerichtet waren.

"Ich flüchtete in das am Eingange links stehende, wo Capit. Fahrbeck von den Baiern das Commando hatte. Kaum hatten wir die Thüren verrammelt, so waren auch die Russen schon an den Palisaden, um solche auszubrechen und zu ersteigen. Nie habe ich eine Truppe mit mehrerer Bravour und Ausdauer fechten sehn. Ihr Verlust war sehr groß und vermehrte sich von Minute zu Minute, indem wir beinahe mit dem Bajonet durch die Schießscharten sie an den Palisaden erreichen konnten, und also auch kein Schuß verloren gieng. Demohngeachtet versuchten sie es aber auf den Leichnamen ihrer Cameraden, die Palisaden zu erstürmen."

"Mittlerweile hatte die Danziger Garnison einen Ausfall gemacht. Ein neapolitanisches Regiment kam auch bis zu den Blockhäusern; wir machten einen Ausfall, und vereint mit ihnen, drängten wir die Russen im Dorfe zurück, wurden aber durch neuankommende aufs neue von der Festung abgeschnitten und mußten uns wieder in die Blockhäuser werfen. Hier machte der Feind mehrere Gefangene, besonders Neapolitaner, die zu weit vorgegangen waren und sich mit dem Regiment nicht wieder vereinigen konnten. Die nun Angekommenen versuchten es aufs neue, die Palisaden zu ersteigen, mußten aber ebenfalls mit bedeutendem Verlust davon abstehen. Das kreuzende Feuer dieser beiden Häuser kostet dem Feinde viel Leute; die ganze Straße war damit bedeckt, besonders aber vor den Palisaden. So kam unter beständigem Feuer der Abend heran, und mit ihm einige Ruhe. Meine Leute hatten so schnell gefeuert, daß sie das Gewehr nicht mehr laden konnten und erst abkühlen mußten. Die Garnison hatte nochmals einen Ausfall gemacht, ward aber wiederum durch die Russen zurückgedrängt, und somit auch uns fast alle Hoffnung eines Entsatzes benommen."

"Da die Russen endlich sahen, daß sie auf diese Art nicht Herr dieser Häuser würden, so zündeten sie die benachbarten Häuser an, und brannten einen großen Theil des Dorfes Langfuhr ab. Zu unserm Glücke wehte der Wind entgegengesetzt, und unserer Aufmerksamkeit hatten wir es zu verdanken, daß wir nicht mit verbrannten. An jedem Fenster und auf dem Boden hatten wir Soldaten hingestellt, die die angebrannten Stellen mit dem Seitengewehr abkratzen mußten und hiedurch bloß retteten wir das schon an mehreren Stellen angebrannte Haus. Die Hitze im Hause selbst war durch den Brand der benachbarten Häuser so groß, daß ich die Reserve-Patronen aus den Stuben auf den Gang setzen lassen mußte. Mehrmals nahte sich der Feind mit Pechkränzen, um die auf das Haus oder an die Palisaden zu werfen; mußte aber jedesmal seine Kühnheit mit dem Leben bezahlen."

"Den übrigen Theil der Nacht war es ziemlich ruhig, und meine Leute konnten sich etwas ausruhen, litten aber aufs schrecklichste in dieser Hitze an Durst. Ich hatte mehrere Verwundete. Die Bohlen, womit die Fenster zugeschlagen waren, waren so dünne, daß jede Kugel durchschlug. Mit dem Tage, wo wir vergeblich auf Succurs aus der Festung hofften, wurde unsere Lage noch schrecklicher: denn wir wurden mit Artillerie beschossen."

"An das uns gegenüber stehende Haus kam die Reihe zuerst, und nachdem mehrere Kugeln durch dasselbe geschlagen waren, schickte der Lieut. v. Tettenborn von den Westphälingern eine Hornisten heraus, um zu capituliren. Die Capitulation wurde ihm zugesichert, wenn sie die Gewehre im Hause ließen. Kaum waren sie aber ohne Gewehr aus dem Hause, als der Feind auch von allen Seiten Feuer auf sie gab. Ein Theil davon lief der Festung zu, und rettete sich; die übrigen wurden theils nieder gemacht, theils gefangen. Die Lieutenants v. Tettenborn und Otto, imgleichen eine Aidemajor Stöpler von den Westphalen, wurden als Gefangene aufs schrecklichste mißhandelt. "

Dies alles geschah unter unsern Augen, ohne die geringste Hülfe leisten zu können; und kaum war es geschehn, als auch wir beschossen wurden. Sieben Kanonenkugeln und 3 Haubitzen, die durch unser Haus flogen, richteten eine große Verwüstung in den vollgepfropften Stuben an. Ich befand mich auf der obern Etage, und Capit. Fahrbeck in der untersten. Jetzt kam ein Sergeant von meinen Voltigeuren und meldete mir, daß schon durch die erste Haubitze das Haus in Brand gesteckt sei und das ganze Dach schon brenne. Ich überzeugte mich selbst davon, und da ich es wirklich so fand, berathschlagte ich mit dem Capitän, daß wir versuchen wollten uns durchzuschlagen, indem doch an keine Rettung weiter zu denken war.

Das aber wurde uns sehr schwer gemacht. Die Thüre in den Palisaden war so schmal, daß nur ein Mann durch konnte; auch selbst die vielen Todten vor dem Hause hinderten unser Herauskommen. Wir hatten ungefähr 600 Schritte bis zu einer unsrer Verschanzungen, die ebenfalls von Baiern und Westphalen besetzt war. Kaum aber waren wir aus dem Hause, als wir auch schon von allen Seiten beschossen wurden. Die russischen Dragoner, die hinter den Häusern versteckt gestanden hatten, waren in einem Augenblick zwischen uns und hauten einen Theil von uns nieder; mehrere machten sie zu Gefangenen, die ihnen aber fast alle wieder entliefen. Die Besatzung der Verschanzung, so wie die Artillerie auf den Wällen, die in der Meinung standen, daß die Russen einen Sturm auf die Verschanzungen machen wollten, feuerten fleißig unter uns und tödteten so Freund und Feind -- bis endlich ein Grenadier von meinem Regiment mich erkannte und den commandirenden Capit. v. Stirnberg darauf aufmerksam machte, wo denn dieser das Feuer der Schanze einstellen ließ. So kam ich glücklich, nachdem ich von allen Seiten mit großem und kleinen Geschütz von Freund und Feind beschossen worden, ohne die kleinste Blessur, nur ganz entkräftet und ermattet bei der Verschanzung an. Diese beiden Tage hatten dem Regimente 4 Gefange und 3 blessirte Officiers, 76 Unteroffic. und Gemeine, theils todt, theils blessirt und gefangen, gekostet. Sechs Blessirte brachte ich noch mit. Der Anblick war der schrecklichste für mich, die armen Blessirten im Blockhause, die so treu mit uns ausgehalten hatten, in den Flammen zurücklassen zu müssen.

Das General Rapp uns ganz unserm Schicksal überlassen hatte, lag daran, daß der Divisionsgeneral Grandjean ihm die Meldung gemacht hatte, die Blockhäuser wären abgebrannt und die Besatzung darin von den Russen niedergemacht. Man hatte allgemein geglaubt, daß bei dem großen Brande auch diese beiden Häuser mit niedergebrannt, und die Reconnoissance, die man geschickt hatte, hatten die Russen, die todt vor den Häusern lagen, für Baiern und Westphalen gehalten, weil sie die nemlichen Mäntel hatten wie wir.

Um in etwas dieß wieder gut zu machen, befahl er mir, alle blessirte Baiern und Westphalen in sein Haus zu schicken. Er ließ das Gartenhaus hinter dem Gouvernementshause für sie zurecht machen, gab ihnen alle ärztliche Hülfe und Pflege, die nur möglich war, und behielt sie so lange dort, bis sie wieder in ihre Compagnien eintreten konnten *). Er versicherte mir mehrmals, daß ich dies als einen kleinen Beweis ansehen möchte, wie gern er das wieder gut machen wollte, was ohne seine Fehler geschehen sei. Die ganze gesunde Besatzung der beiden Blockhäuser wurde vom Commendanten und von mehreren Obristen der Festung zum Essen gebeten.

*) Auch hieraus ergiebt sich, daß Rapp keinen menschenfeindlichen Charakter besaß, und wo es ihm immer verstattet ward, Güte des Herzens bewies -- wie darüber in den Zusätzen ein Mehreres angeführt worden.

Den 17ten Sept. wurde die Schanze Kabruhn und die Häuser Schellmühl von den Russen genommen. Die Pohlen vom 5ten Regiment hatten es besetzt.

Am 19ten beschossen die Russen unsere Batterien von Johannisberg, jedoch wegen der großen Entfernung ohne allen Erfolg.

Den 27sten um 10 Uhr Morgens, fiengen die beiden feindlichen Batterien bei Schellmühl unsere Batterien auf dem Holm und Ziegelbrennerei zu beschießen an.

Den 8ten Okt. wurden die ersten Bomben und Haubitzen von der Batterie Kabruhn in die Festung geworfen.

Den 20sten Nov. wurde die Batterie in der Allée, die vom Cap. Renouard und der Grenad. Comp. des 1sten Westphäl. Regiments besetzt war, des Nachts angegriffen; die Besatzung hielt sich aber so brav, daß die Angreifenden nach einen ziemlich großen Verlust, unverrichteter Sache abzogen. Mehrere Leitern und Gewehre hatten sie zurückgelassen.

Den 24sten Nov. heute bat ich den General Rapp, mich die Vorposten nicht mehr besetzen zu lassen; er bewilligte es auch sogleich. Wir hatten erst jetzt sichere Nachrichten, wie es in unserem Vaterlande aussehe -- --


Aus Danzig, den 25sten Januar.[]

[5]

Es ist nun über ein Jahr, daß wir ganz ohne Nachrichten aus H. . . . gewesen sind. Die Blokade unsrer Stadt fing im vergangnen Januar an, und das Bombardement den 17ten October. Was wir in dieser Zeit, besonders seit dem Bombardement, gelitten haben, kann durch keine Feder beschrieben werden. Das letztere dauerte 48 Tage, während welcher Zeit viele Tausende von Bomben, glühenden Kugeln und Congreveschen Raketen in die Stadt geworfen wurden. Schon von Anfang der Blokade an haben wir großen Hunger gelitten und uns vielen Entbehrungen unterziehen müssen. Hunderte von Pferden sind sowohl vom Militär als von den Bürgern verzehrt worden. Auch Frösche, Ratten, Hunde und Katzen waren für Viele noch Leckerbissen. Die Theurung war unerhört. Der Scheffel Waizen kostete 180 - 200 Fl. Danz. *); Roggen 150 Fl. Danz.; Erbsen 225 - 250 Fl. Danz. Für ein Pfund Butter bezahlte man bis zu 24 Fl. Danz. Geschmolzenen Talg, in Wasser abgekocht, mit Lorbeerblättern und Pfeffer gewürzt, gebrauchte man als Buttersurrogat; allein den Mischmasch mußte man immer noch mit 6 Fl. bezahlen. Ein Sack Kartoffeln kostete 50 Fl., und für ein Pfund Ochsenfleisch wurde gern 6 - 8 Fl. bezahlt.

*) Ein Danziger Gulden ist etwa 6 Gr.

Zu Anfang der Blokade bestand die Garnison aus 30,000 Mann; bei der Uebergabe selbst war sie auf 12,000 herabgesunken. Daß die erste Capitulation nicht ratificirt wurde, erregte unter der Garnison große Bewegung. Zufolge der zweiten wurden alle Franzosen, gegen 7000 Mann, nach Rußland abgeführt. Ueber alle diese Verhandlungen schwebt noch große Dunkelheit.

Was wir in der Zeit, wo wir unter der Herrschaft der Franzosen gestanden haben, d. h. seit 1807, gelitten haben, ist wahrhaft unbeschreiblich. Es gibt vielleicht kein Beispiel in der neuern Geschichte, daß die Einwohner einer Handelsstadt eine solche Reihe von Jahren lang den Becher aller menschlichen Leiden so anhaltend haben leeren müssen, als es bei den unglücklichen Einwohnern von Danzig der Fall gewesen. Es ist keinesweges Uebertreibung, wenn man annimmt, daß Danzig in diesen Jahren mittelbar und unmittelbar gegen 250 Millionen Gulden verloren hat. Auch sind mehr als die Hälfte aller Familien zur Verzweiflung oder an den Bettelstab gebracht.

Alle unsere Vorstädte und die meisten Dörfer in der Nachbarschaft sind verbrannt und in Aschenhaufen verwandelt. Die entsetzlichste Feuersbrunst, die man sich denken kann, war die, als in einer Nacht auf der Insel 186 große Packhäuser niederbrannten. So unermeßlich der Verlust hierdurch auch war, so mußte man dieß Unglück doch noch segnen, denn ohne das hätte Rapp sich noch sechs Monate halten können.


Quellen.[]

  1. Skizzirte Geschichte der russisch-preußischen Blockade und Belagerung von Danzig im Jahr 1813. Nebst der Vertheidigung dieses Platzes. Nach den Hauptmomenten dieser Belagerung und mit einer planmäßigen, genau instruktiven Darstellung sämmtlicher Belagerungsarbeiten. Mit Sachkunde aus zuverlässigen Quellen, und mit Berichtigung aus denen beim Büreau des Herzogs gesammelten officiellen Tagesberichten. Von einem Augenzeugen. Berlin, 1817. In der Maurerschen Buchhandlung. (Poststraße No. 29.)
  2. Historischer Militair-Almanach des 16. 17. 18. und 19. Jahrhunderts. Mit besonderer Hinsicht auf das letztere, und den oesterreichischen Kaiserstaat. Mit 15 Portraits, für Freunde der neueren und neuesten Kriegsgeschichte von Johann Ritter von Rittersberg. Prag bei C. W. Enders 1825.
  3. Denkwürdigkeiten aus dem Tagebuche des General Grafen von Rapp. Erfurt und Gotha, Hennings'sche Buchhandlung, 1824.
  4. Das neue Deutschland. Geschichte der Bedrückung und der Wiederbefreiung Deutschlands. Berlin 1813, bei der Gebrüdern Gädicke.
  5. Deutsche Blätter Herausgegeben von Friedr. Arn. Brockhaus. Zweiter Band, Leipzig und Altenburg, 1814.
  • Das neue Deutschland. Geschichte der Bedrückung und der Wiederbefreiung Deutschlands. Berlin 1813, bei der Gebrüdern Gädicke.


Literatur.[]

  • Geschichte der siebenjährigen Leiden Danzigs von 1807 bis 1814 von A. F. Blech, Diakonus an der St. Marienkirche und Professor der Geschichte am Gymnasium. Danzig, 1815. Gedruckt bey Carl Heinrich Eduard Müller.
  • Skizzirte Geschichte der russisch-preußischen Blockade und Belagerung von Danzig im Jahr 1813. Nebst der Vertheidigung dieses Platzes. Nach den Hauptmomenten dieser Belagerung und mit einer planmäßigen, genau instruktiven Darstellung sämmtlicher Belagerungsarbeiten. Mit Sachkunde aus zuverlässigen Quellen, und mit Berichtigung aus denen beim Büreau des Herzogs gesammelten officiellen Tagesberichten. Von einem Augenzeugen. Berlin, 1817. In der Maurerschen Buchhandlung. (Poststraße No. 29.)
  • Tagebuch über die Belagerung der Stadt Danzig im Jahre 1813. Geführt von G. W. v. Düring. Fürstlich Schaumburg-Lippeschen Hauptmann. Berlin, 1817 bey Theodor Joh. Chr. Friedr. Enslin. (Breite Straße No. 23.)