Ueber den Baueren-Stand.[]
- Eine Baueren-Zeitung.
Der erste Artikel im menschlichen Leben ist Essen und Trinken. Führet einen Menschen in einen prächtigen Pallast, wo Wände mit Gold glänzen, wo Luxus Französische, Englische und Asiatische Meubles in die Augen strahlen läßt; wo eine Komödie, ein Koncert, ein Ballet, schön ins Ohr klingen; wo Lais und Dubarris Wollust aushauchen; wo Höflinge tiefe Komplimenten kratzen; wo Dichter auf der Harfe Anakreons Verse spielen; wo Priester Segen ausspritzen: wo Zeitungen über die Politik wähnen; wo Witz und Bon Ton Lächeln rege machen; -- und wo Grazien mit Liebe tändeln. O welche Wonne wird der Mensch fühlen! Aber es schlägt 12 Uhr; noch keine Frage vom Tische. Es schlägt zwey, drey Uhr; -- Wie hat man noch nicht servirt? -- nein. Warum? In diesem Pallast wird nicht gegessen; die Erde wird nicht bearbeitet; -- die Baueren haben kein Vieh, kein Zugehör, keine Ackerinstrumenten mehr. O da bedanke ich mich. Ich will lieber in einer Dorfhütte wohnen, wo die Baueren noch Vieh, Zugehör, Pflüge und Wagen haben. Ich habe einen Kuku von allen diesen Schönheiten, wenn man nichts zu essen bekommt. Adieu schöne Wände, schöne Komödien und Koncerte, schöne Lais und Anakreonsverse! -- ich gehe meines Wegs in ein Dorf, wo die Baueren noch Butter, Brod, Fleisch, und Wein aus der Erde herauskultiviren. Also ist der prächtige Pallast nichts ohne Baueren? -- nein. Alle Künste, alle Fabricken, alle luxuriöse Meubles, alle Gelehrte, und alle Poeten und Recensenten, so gar die Zeitungsschreiber müssen den Baueren den Vorzug zugestehen. Dann der erste Artikel im menschlichen Leben ist Essen und Trinken, und wenn mir ein Philosoph das Gegentheil erweisen wollte, so schicke ich ihn in das prächtige Schloß, wo nichts zu Essen giebt, damit er praktisch überzeugt werde. Da wird ihm der Hunger seine ganze Philosophie vertreiben, und er wird am Ende vor den Baueren den Hut abnehmen. Dann Essen und Trinken hält den Leib und die Seele zusammen.
Der Bauerenstand war bei den Alten in Ehren. Die Römer haben ihre Ehrennamen von dem Ackerbau erhalten: Fabius a fabis; Cicero a cicere; Pison a pisis. Sogar von der Erziehung des Arbeitsviehes haben sich die Römer Ehrennamen beigelegt; die Familien: Asinia, Vitellia, Suillia, Porcia, Ovinia kommen von Eseln, Kälber, Schweinen, Schafen xc. Kato hat sein Feld geackert; und steht nicht noch ein Monument bei Wischau in Mähren, wo unser Kayser den Pflug führte?
Aber der gründlichste Beweis für die Schätzung der Baueren, ist das Wohl des Staats, welches ganz von ihrer Arbeit abhängt. Nicht das Geld, nicht Silber und Gold machen das Land nicht glücklich, sondern der Ueberfluß der Produkten. Ich habe auf meinen Reisen allezeit die erste Aufmerksamkeit auf die Baueren, und auf das Vieh gerichtet. Waren die Baueren stark, von gutem Schlage, gut ausgefressen: -- war das Vieh rundlich, muthig, so schloß ich gleich beim Eingang des Landes: hier ist eine gute Regierung. Aber sahe ich lange, hagere, blasse Gesichter; bemerkte ich die hervorragenden Knochen, und die wie eine Leiter oder wie Reifen am Faß hervorstossenden Rippen des Viehs; da machte ich gleich den Schluß: Hier ist Hunger mit Elend gepaart. Diese Beobachtung hat mich niemals getäuscht. Unglück dem Lande, wo der Bauer ausgemergelt wie eine Leiche daher geht! Weh dem Lande, wo der Ackersmann arm ist!
Und es hat Staatsmänner gegeben, die die Armuth des Bauerenstandes für gut hielten? und es waren Kolberte, die riethen, den Ackersmann beständig unter einer Presse zu halten, um ihm den Saft auszupressen? -- ja, es hat Minister gegeben, und es giebt noch Leute, die am Ruder sitzen, welche behaupten, der Bauer müsse niemals viel haben. -- Das heist wirklich die Presse beständig anziehen, bis nichts mehr herausgepreßt werden kann.
Der Ackerbau ist eine Unternehmung, die viele Auslagen voraussetzt. Nicht der Bauer allein, nicht die Menschen allein können die Erde durchwühlen, es gehören Pferde und Ochsen dazu; diese müssen den Pflug ziehen; es gehören Kühe, Schaafe, Schweine xc., dazu, diese müssen den Ackersmann mit seinem Gesindel ernähren, und für das Feld Dünger liefern. Der Bauer muß noch Wagen, Pflüge und andere Instrumente mehr haben, und sie im guten Stande unterhalten. Der Bauer muß also ein ziemliches Eigenthum unterhalten. Der Bauer muß also ein ziemliches Eigenthum haben, um dieses alles nach der Ordnung zu unterhalten. Noch mehr: -- Der Bauer muß so zu sagen die Unkosten ein Jahr voraus auslegen, wenn er aus seinen Felder etwas ziehen will. Er zieht erst in einem Jahre, und manchmal noch später die Früchte seiner Arbeit, und seiner Auslagen.
Weil also das Essen und Trinken der nothwendigste, der wichtigste Artikel im menschlichen Leben ist, so ist also der Bauer, der das Essen und Trinken aus der Erde herauswühlt, das nöthigste Instrument des wahren Reichthums; so verdient also der Baueren-Stand die Hauptaufmerksamkeit im Staate. -- Und wenn diesem Stand alle Mittel verringert werden, um sich zu erhalten; wenn er keine Früchten seiner Arbeit für sich, sondern nur für andern einerndet; wenn ihm die Auslagen und die Arbeitsamkeit sein Schicksal nicht verbessert; o da achtet er auf keine Verbesserung der Felder und des Viehs. Man kann zwar den Ackersmann zwingen, die Felder auszubauen. Aber wer kann immer mit dem Stocke dabei stehen, und ihm die Präparation der Erde, das Düngen, und das Fettmachen des Bodens einstocken? -- Nur die Hoffnung eines eigenthümlichen Profits kann ihn dazu anspornen. Alle Gewalt macht ihn muthlos, und was entsteht daraus? -- Die Erde, die ihre wahre Pflege nicht erhält, trägt nur wenig, und der Bauer und die Erde -- sind beide mager. Da verliert der Staat vieles an Produkten, und weder der Ackersmann weder der Staat sind glücklich.
So sprach der alte Columella im Reiche der Todten über den Baueren-Stand. Er merkte noch dabei, daß der Boden, so schlecht er auch immer ist, durch Arbeitsamkeit der Baueren und des Viehes zum Beßten und ergiebigsten Boden ausgebauet werden könne, wenn der Ackersmann nur Mittel in Händen hat, und wenn sie ihm nicht benommen werden.
Allein so nothwendig als der Bauerenstand ist, eben so ist es auch nöthig ihn in Gesetzen eingeschränkt zu halten. Der Wohlstand macht gemeiniglich den Menschen stolz und unnachgiebig. Welche Unordnung kann also entstehen, wenn der rohe Mensch auf dem Lande das Joch der Gesetze abwirft? der Landmann soll im Wohlstande seyn: aber die Ruthe der Ordnung muß vor seinen Augen hangen. Jede Ausschweifung, jedes Auflehnen muß viel härter gestraft werden, weil daraus gräuliche Folgen entspringen. Doch dies hangt von dem Pfarrer und von dem Landmann ab, die Sittlichkeit und die Ordnung der Landleute zu leiten. Sie müssen beide mit vereinigten Kräften der Baueren ihre Väter seyn. Aber leider! wo ist ein Dorf, worinne der Amtmann und der Pfarrer gut zusammen stimmen?
Aber die Geister haben dem Columella einen Entwurf gemacht. Wie? sprachen sie, überschaue den ganzen Erdballen, beobachtet den Bauerenstand in allen Ländern. Wirst du nicht in Brabant überrascht? siehst du nicht, daß die Baueren im Brabant, unter allen Baueren der Welt, am beßten essen, trinken, wohnen, sich kleiden, sich lustig machen, und daß sie die wohlhabendesten Baueren sind? -- und doch -- siehtst du nun was sie thun! Sie haschen nach einem anderen Glück, daß sie noch nicht kennen; sich suchen eine andere Regierungsart, und toben. ---Columella antwortet: die Schicksale der Staaten sind so beschaffen, daß sie durch verschiedene Triebfeder geleitet werden können. Die Revolution in Brabant ist durch eine künstliche und wohlkombinirte Federkraft in Bewegung gerathen. Höret, was ein englisches Blatt darüber sagt.
Quellen.[]
- ↑ Politische Gespräche der Todten über die Begebenheiten des 1790sten Jahrs. Nro. 3. Samstag den 16ten Januar.