Historisch-statistische Uebersicht.[]
[1]
Die bisherigen Vereinigten Niederlande erscheinen nun unter dem Namen der Batavischen Republik als ein neugeformter, zwar politisch sehr geschwächter, aber noch immer sehr wigtiger Staat mit beträchtlichen innern Hülfsquellen, wie er denn auch, neben mehrern andern Rücksichten, vorzüglich dem großen Geldreichthum seiner Bürger die Erhaltung seiner Selbstständigkeit verdankt. Wie das Französische Heer im Anfange des Jahrs 1795 das ganze Land besetzte, hob man sogleich die alte Verfassung auf, und nannte den Staat die Batavische Republik. In dem mit der Französischen am 16 Mai d. J. geschlossenen Friedens- Off- und Defensivallianztraktat mußte sie aber ihre Selbstständigkeit mit großen Aufopferungen erkaufen, indem sie der Französischen Republik das bisherige Staats-Flandern, einen Theil von Staats-Brabant, auch Mastricht und Venlo mit den dazu gehörigen Ländern, zusammen in Flächeninnhalt etwa 20 Q Meilen abtrat, ihr die freie Schifffahrt auf allen Strömen zusicherte, noch verschiedene andere Vortheile zugestand, und sich zur Bezahlung einer baaren Geldsumme von 100 Millionen Gulden verpflichtete. Diesem Bündniß folgte bald ein großer Verlust nach dem andern. Der Handel stockte nach und nach völlig; fast alle Erwerbsquellen wurden zerrüttet oder vernichtet. Die Engländer eroberten die auswärtigen Besitzungen bis auf die Insel Java mit Batavia, zerstörten oder eroberten den größten Theil der Flotte, die man mit ungemeiner Anstrengung von Zeit zu Zeit wieder herzustellen suchte; bedroheten fortdauernd den Staat selbst mit Angriff und Eroberung, landeten auch endlich im J. 1799 mit einem Russischen Hülfskorps, wurden aber glücklich wieder vertrieben. Die Geldzahlungen und Lieferungen an die Bundesgenossen, nebst dem größten Aufwand zur Landesvertheidigung und der Versiegung fast aller andern bisherigen Hülfsquellen schien den alten Geldreichthum der Nation gänzlich erschöpfen zu müssen. Der Friede zu Amiens, den sie, in Verbindung mir der Französischen Republik und Spanien, mit Großbrittannien schloß, sicherte endlich ihre Unabhängigkeit und verschaffte ihr die meisten verlohrnen Besitzungen wieder, indem England alles Eroberte, bis auf die Insel Ceylon (Selàn) zurückgab. Da die Batavische Republik der Französischen einen beträchtlichen Landstrich abgetreten und große Summen ausgezahlt hatte, so erklärte der Bevollmächtigte der letztern beym Friedenskongreß in einer Separat-Konvention, daß die zum Besten des Hauses Nassau im 18 Art. des Traktats von Amiens stipulirte Entschädigung auf keine Weise der erstern zur Last fallen solle. Schon im J. 1800 trat die Franz. Republik der Batavischen für 6 Millionen Franken alle Rechte und Besitzungen der Franz. Emigrirten und Geistlichkeit, auch der Deutschen Reichsstände, insonderheit des Kurfürsten von der Pfalz, im Umfange der Republik, namentlich die Herrschaft Ravenstein, die Grafschaft Megen, Herrlichkeit Boxmeer und Herrschaft Anholt im Westphälischen Kreise, das Städtchen Huyßen mit Malburgen und Hulhuyßen auf der Insel Betuwe, bisher zum Herzogthum Cleve gehörig u. s. f., ab. Der Kurfürst von der Pfalz schloß darauf am 14. Febr. 1801 mit der Batavischen Republik über seine bisherigen Besitzungen Vinnenthal, Breskesand, Ravenstein und Bergopzoom im Umfange derselben noch einen besondern Abtretungsvertrag.
Der Flächeninnhalt des Staatsgebiets beträgt jetzt gegen 600 Q Meilen und die Einwohnerzahl gegen 1,900,000.
Die Konstitution der Batavischen Republik, welche im May 1798 zu Stande kam, war nach dem damaligen Franz. Repräsentationssystem gemodelt, und theilte das Grundgebiet der Republik in 8 Departements, jedes in 7 Kreise, jeden der letzteren aber in Gemeinden und Urversammlungen; allein sie erhielt sich nicht lange. Die Machthaber wechselten oft nach dem jedesmaligen Uebergewigt der einen oder andern Parthey, deren es mehrere von sehr verschiedenen Grundsätzen und Absichten gab. Von Frankreich kam im Jun. 1801 eine neue Konstitution in Vorschlag, diese ward indeß verworfen. Nur mit den Unterabtheilungen des Staatsgebiets machte man eine Veränderung in 495 Gemeinden und 3760 Urversammlungen. Bald hernach legte eine andere Parthey, obwohl auch mit Französischer Zustimmung, dem Volk eine Konstitution vor, welche im Oktober d. J. angenommen und sogleich eingeführt ward. Diese jetzt bestehende Konstitution nimmt folgende Grundsätze an: alle Gesellschaftsglieder sind gleich, ohne einen Unterschied von Rang oder Geburt; alle Innungen sind aufgehoben; alle kirchlichen Gesellschaften, die ein höchstes Wesen verehren, genießen gleichen Schutz der Gesetze, bekennen ihren Glauben öffentlich, und mit keinem gottesdienstlichen Glaubensbekenntniß sind ausschließende bürgerliche Vorrechte verbunden; alle Lehenrechte sind abgeschafft; alle Bürger sind zur Vertheidigung der Freiheit und Unabhängigkeit bewaffnet, keiner aber ist verpflichtet, außer dem Gebiet der Republik zu dienen. Das Europäische Grundgebiet bleibt in 8 Kreise (Departemente) in den Grenzen der ehemaligen Provinzen vertheilt; Drenthe ist mit OverYssel vereinigt, und Batavisch-Brabant bildet den 8ten Kreis. Zur regelmäßigen Wahl der Glieder des gesetzgebenden Korps bleibt das Ganze in 3760 Urversammlungen getheilt. Die konstituirten Gewalten sind: 1) das Saatsdirektorium oder die Regierung (Staats-Bewind), bestehend aus 12 Mitgliedern, die vierteljährig im Vorsitz wechseln, und wovon jährlich eins austritt. Für die erledigte Stelle ernennen die Kreise nach der Ordnung 4 Personen; aus diesen wählt die Regierung selbst 2, von welchen der Gesetzgebungsrath eine in die Stelle des austretenden Mitgliedes ernennt. Die Regierung oder das Staatsdirektorium hat die vollziehende Gewalt, die Oberaufsicht über die Polizey des ganzen Staats, die Behandlung der auswärtigem Angelegenheiten, die Verwaltung der Finanzen, den Oberbefehl über die Land- und Seemacht, und einen Antheil an der gesetzgebenden Gewalt, indem sie dem gesetzgebenden Körper die Vorschläge zu den Gesetzen, wie zu den erforderlichen Staatsabgaben, Steuern u. s. f. macht. Sie theilt sich nach den verschiedenen Verwaltungsfächern in die erforderliche 4 Staatssekretaire für die ausländischen Verhältnisse, die innern Angelegenheiten, das Land- und Seekriegswesen, und einen Finanzrath von 3 Mitgliedern nebst einem Oberschatzmeister zur Seite. Sie ernennt überdem einen See-Rath von 7 Personen zur Verwaltung und Entscheidung aller Sachen, welche die Erhebung der Wassergefälle oder Licenten und Konvoyen betreffen, der ihr untergeordnet und auch verantwortlich ist. Ferner ist ihr untergeordnet ein Rath von Ostindien von 9 und ein Rath von Westindien von 5 Mitgliedern für den Handel und die Besitzungen in diesen Weltgegenden, deren jeder die besondere Verwaltung der Einkünfte aus diesen Besitzungen, auch die der Polizey und Rechtspflege in denselben, wie deren Vertheidigung hat. Alle bisherigen privilegirten Handelsgesellschaften sind aufgehoben. 2) Der Gesetzgebungsrath besteht aus 35 Mitgliedern, nemlich 13 aus Holland, 2 aus Seeland, 3 aus Friesland, 3 aus Staats-Brabant, 3 aus Gröningen, 3 aus Uitrecht, 3 aus OverYssel und 4 aus Geldern, wovon jährlich 1/3 austritt. Er hält jährlich 2 Versammlungen, auch außerordentliche, so oft es nöthig ist, und ernennt 12 seiner Glieder für die ganze Dauer derselben zur Prüfung der vom Staatsdirektorium vorgeschlagenen Gesetze, worüber sich beym Abstimmen selbst alle 35 blos mit Ja oder Nein erklären. Er kann die Vorschläge verwerfen, die Regierung indeß wieder neue machen. Jener ertheilt ausschließlich Dispensationen vom Gesetz, und auch, nach einem Gutachten des Nationalgerichtshofes, Aufhebung oder Nachlaß von richterlich zuerkannten Strafen. Ihm wird jährlich von der Regierung eine Uebersicht der Geldbedürfnisse und Mittel zur Bestreitung derselben vorgelegt, die er alsdann bewilligt.
Die Einheit der Republik ist durch eine gemeinschaftliche Gesetzgebung und Regierung, oder höchste Gewalt, gesichert, die ehemalige Selbstständigkeit oder Unabhängigkeit der einzelnen Provinzen völlig aufgehoben. Jeder Kreis (Provinz) hat indeß seine besondere Verfassung und Verwaltung mit beträchtlicher Autorität, ernennt auch die Mitglieder seiner Gerichtshöfe, die zur innern Verwaltung erforderlichen Beamten u. s. f. Jeder Stadt, jeder Bezirk, jedes Dorf hat wieder eine eigene Gemeindeverwaltung über die innern Angelegenheiten und örtlichen Einrichtungen.
Die richterliche Gewalt wird allein von Richtern ausgeübt, die von der Verfassung aufgestellt sind. Die Gerichtshöfe der ehemaligen Provinzen behalten ihre jetzige Gerichtsbarkeit. Der Nationalgerichtshof, von 9 Mitgliedern auf Lebenslang, hat seinen Sitz, wo die Regierung sich aufhält, und schlägt selbst zur Wiederbesetzung einer erledigte Stelle 2 Personen der Regierung vor, die noch 2 hinzufügt; aus diesen 4 Vorgeschlagenen erwählt der Gesetzgebungsrath einen. Der Nationalgerichtshof erkennt über alle Vergehungen der Glieder des Gesetzgebungsraths, der Regierung und aller andern hohen Staatsdiener in Amtssachen, wie in allen Sachen, worinn der Staat als Parthey belangt wird; er hat die besondere Aufsicht über die Gerichte in der Republik, kann auch den öffentlichen Ankläger oder General-Prokurator auffordern, das Recht der Nation zu verfolgen u. s. f. Ueberdem sind beym Nationalgerichtshofe noch 3 National-Prokuratoren oder Syndiks, die das Nationalsyndikat ausmachen, welches über alle untern Kollegien, Magistraturen, Gerichte und Beamte wacht, alle Klagen über rechts- und verfassungswidrige Handlungen annimmt, an den Nationalgerichtshof bringt u. s. f.
Sämmtliche Einkünfte aller einzelnen Theile des Staats sind jetzt National-Einkünfte, und alle Schulden der bisherigen einzelnen Provinzen National-Schulden, deren bestimmte Angabe jetzt aber unmöglich ist. Die gewöhnlichen jährlichen Belastungen betrugen in den letzten Jahren vor dem Französischen Revolutionskriege 42 bis 45 Mill. Gl., waren aber seitdem zu den großen Staatsbedürfnissen bey weitem nicht hinlänglich. Diese erforderten während des Krieges gewöhnlich 70 bis 80 Mill. Gl. und darüber, die man daher oft durch harte Mittel, durch freiwillige, gezwungene Anleihen u. s. f. befriedigen mußte. Die Anstrengungen zur Vertheidigung des Landes waren fortdauernd außerordentlich, die Abgaben wurden daher ungemein erhöht und vervielfältigt, und die Schulden fliegen dennoch immer höher. Im J. 1796 mußte die Provinz Holland allein über 60 Millionen zur Bestreitung der erforderlichen Staatsausgaben aufbringen. Für die Staatsbedürfnisse des J. 1802 bewilligte das gesetzgebende Korps noch 66 Mill. Gl. Nach einigen angaben betrugen die Nationalschulden 1796 über 800 Millionen. Von den 100 Mill. Gl. wozu sich die Batavische Republik im Traktat von 1795 gegen Frankreich verbindlich machte, sind erst ⅔ abgetragen, die noch übrigen 33 Millionen sollen, durch jährliche Zahlungen von 3 Mill., im J. 1812 gänzlich getilgt seyn. Die Landmacht betrug 1783 zusammen 41,200 M. (s. Milit. Biblioth. St. 2. S. 123). Im Anfange des Krieges gegen Frankreich war sie 47 bis 50,000 M. Seit 1795 unterhielt die Republik, außer 25,000 M. Franz. Truppen, oft ein eigenes Heer von 40 bis 50,000 M. Einer mit Frankreich im Aug. 1801 geschlossenen Konvention zufolge, zog jenes seine Truppen nach und nach, und mit dem Friedenstraktat zu Amiens völlig, zurück. Nach dem Abschluß des letztern ward die eigene Batavische Landmacht für den Friedensstand auf 14,000 Inf., 2500 Art., 2000 Kavall., 200 Min. u. a., und 4 Deutsche Regimenter, zusammen auf 22,383 M. eingeschränkt, einige für die Ost- und Westindischen Besitzungen besonders geworbene Regimenter ungerechnet. Die Flotte erlitt während des Krieges einen außerordentlichen Verlust. Die Engländer eroberten oder zerstörten überhaupt 35 Holl. Linienschiffe, 1 von 50 Kan., 31 Fregatten, 32 kleinere, überhaupt 89 Kriegsschiffe. Die ganze jetzige Seemacht besteht daher nur aus 10 Linienschiffen, 15 Fregatten, verschiedenen Kuttern u. s. f.
Das neue Staatssiegel enthält den alten Löwen der Generalstaaten mit dem Schwerdt in der rechten Klaue und einem Bündel an Zahl unbestimmter Pfeile mit der alten Umschrift: concordia res parvae crescunt.
Der Privatreichthum ist noch ungemein groß, und die an auswärtige größere und kleinere Staaten geliehenen Kapitalien betragen etwa 600 Mill. Gl. --
Quellen.[]
- ↑ Anton Friedrich Büschings Vorbereitung zur Europäischen Länder und Staatenkunde nebst einer statistischen Uebersicht des jetzigen Europa. Sechste, nach des Verfassers Tode völlig umgearbeitete Auflage, Herausgegeben von G. P. H. Norrmann. Hamburg bey Carl Ernst Bohn, 1802.