Von Reisende.[]
Friedrich Schulz. [1]
- [1793]
Hinter Grodno mußte ich noch einmal über die Niemen, und sodann eine beträchtliche Anhöhe hinauf, die sich in eine weite Fläche ausdehnte. Ich fand eine breite, gemachte, mit ziemlicher Sorgfalt unterhaltene, Straße, die an beyden Seiten mit Graben versehen und mit Bäumen bepflanzt war. Dieser Straßendamm ist ebenfalls ein Werk des unermüdlich-thätigen Tyßenhausen; Schade, daß die Landschaft, durch die er führt ziemlich traurig ist. Man sieht fast nichts, als einen kahlen, gelblichen, sandigten Boden, dessen Fläche nur hier und da durch kleine Anhöhen und einzelne Baumgruppen und Buschwerk unterbrochen wird. Hier zeigte sich eine sehr angemessene Bahn für die Eilfertigkeit der Postknechte. Ich legte in 4½ Stunde zwey Posten, nach Kuznicz und Sokolk, oder sechs Deutsche Meilen, zurück. Streckenweise ging es in gestrecktem Laufe, die übrige Zeit im Sprunge. Aber es ist gewiß, daß man nur Polnischen Pferden so etwas zumuthen kann.
Kuznicz ist übrigens ein unbeträchtliches, ich weiß nicht, Flecken oder Städtchen; denn ich kann mich in den hieher gehörigen Lithauischen Maßstab noch nicht finden; aber Sokolk ist ansehnlicher und gehört unter die Klasse von Janiszek und Schadow. Besonders zeichnet sich der Marktplatz aus, der mit Fabrikgebäuden und Fabrikantenhäusern besetzt ist, lauter Anstalten des erwähnten Tyßenhausen, die durch seinen Tod in Verfall gerathen sind. Die oben erwähnte Tuchmanufaktur in Grodno, die eine Weile gedeihen zu wollen schien, und deren Anlage ebenfalls sein Werk war, geräth täglich mehr in Verfall und es wird nicht lange dauern, so dürfte das Andenken an diesen unternehmenden Mann in Schutt zerfallen. In Grodno versicherte mir ein Mann, den er als Aufseher der Manufaktur aus der Schweiz verschrieben hatte: Tyßenhausens größester Fehler sey gewesen, daß er nie Geduld gehabt, den Erfolg der einen Unternehmung abzuwarten, ehe er eine zweyte anfing. Dies verursachte Unordnung in seinen Geschäften und endlich den gänzlichen Stillstand derselben. Er war Hofschatzmeister von Lithauen, sehr in der Gnade des Königs, und würde Verbesserer der Polnischen Staatseinkünfte und Schöpfer der Polnischen Fabriken und Manufakturen geworden seyn, wenn ihn nicht der Neid niedergehalten hätte. Die Gläubiger griffen zu und alles ging zu Grunde.
Quellen.[]
- ↑ Reise eines Liefländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau, Dresden, Karlsbad, Bayreuth, Nürnberg, Regensburg, München, Salzburg, Linz, Wien und Klagenfurt, nach Botzen in Tyrol. Berlin, 1795. bei Friedrich Vieweg dem ältern.