Das Gebäude der Amsterdammer Börse ist zwar seinem Zwekke gemäß und bequem eingerichtet, aber doch an und für sich nicht besonders sehenswerth. Indessen verstehet sich auch von selbst, daß eine Börse bloß durch die ungeheuren Geld- und Handlungsgeschäfte merkwürdig wird, welche auf derselben oft in einem Augenblick abgeschlossen werden. In der Stunde der Börsezeit ist sie daher ein ganz eigener belehrender Tummelplatz des männlichen Handlungsgeistes. Ein einziges mündliches Ja und ein treuherziger Handschlag schließen hier auf die unwiederruflichste Art einen Handel, wobei viele Tausende gewonnen oder verloren werden. Unmittelbar nach der Schließung eines Handels geht man zur Armenbüchse der Börse, und opfert ihr zur Bestätigung des Geschäfts eine Gabe, deren Größe allemal nach Maaßgabe dessen bestimmt wird, was man bei dem geschlossenen Handel zu gewinnen glaubt –
GAS Amsterdam
Man sieht hier, vermöge eines darüber vorhandenen Börsengesetzes, durchaus kein weibliches Geschöpf, aber ein desto größeres Gewühl von Männern aus allerlei Nationen des Erdbodens -- Juden, Christen und Muselmänner, Europäer aus allen Landen, Asier und Afriker, alle bunt unter einander. Nichts ist ungewöhnlicher und auffallender, als die große Sicherheit vor Diebereien, in welcher man sich in diesem Menschengedränge befindet. Ungeachtet sich beständig Juden in zerlumpten Rökken um und neben einem durchdrängen: so ragen doch Papiere und Bankonoten über Tausende eben so sicher aus der Tasche des Kaufmanns hervor, wie sich sein reicher Geldbeutel in derselben befindet. Diese in der That wunderbar scheinende Sicherheit vor Dieben und Taschenspielern dankt man einzig und allein der Liebe, welche ein jeder zu seinem Leben hat, und um derentwillen auch der ausgelernteste Spitzbube hier noch Mißtrauen in seine Kunst setzet. Die Gegend der Börse hat nämlich das Recht, daß der hier auf der That ertappte Dieb -- und hätt' er auch nur ein Dübbelchen, oder den Werth eines Strickes gestohlen -- von den Umstehenden auf der Stelle und ohne vorherausgegangenes Urtheil vom Leben zum Tode befördert werden darf. Dies Vorrecht der Börsengegend ist vor vielen Jahren wirklich einigemal in Ausübung gebracht worden. Die Anwesenden sind damals auch gar nicht darüber verlegen gewesen, wo sie in der Geschwindigkeit einen Scharfrichter hernehmen sollten; nein, vielmehr hat einjeder derselben dem Diebe eine geballte Faust fühlbar gemacht, bis zulezt der Unglückliche dem gedrängten Haufen unter die Füße gerathen, und unter unaufhörlichen Fußtritten eines sehr unsanften Todes verblichen ist. Indem mir ein hiesiger Handelsmann diese schauderhafte Erzählung von dem in Ausübung gebrachten Rechte seiner Börse machte, wurde ich von ihm in eine der angenehmsten Gegenden der Stadt begleitet, und hatte da den überraschenden Anblick des schiffreichen Hafens.
Das Gewimmel und Gedränge auf der Börse um zwey Uhr mag ich Ihnen nicht schildern, es hat zudem auch sehr wenig Mannigfaltiges, alle treibt ein Geist, der des Gewinnes, wenig neugierige Fremde ausgenommen; es ist einfach, da man nur immer das nähmliche wieder sieht, und wieder hört; sonst sind da freylich der Menschen genug, und der große, geräumige Platz ist ganz angefüllt. –
Sie bildet ein längliches Viereck. Die beyden längeren Seiten haben offene bedeckte Säulengänge, um gegen übles Wetter zu schützen. An jeder Säule, jedem Pfosten ist das Geschäft angeschrieben, über welches auf diesem Platz verhandelt wird. Die, welche gleiches Interesse haben, sind sicher sich hier zu treffen. Oberhalb wohnen Schreiber und Mäkler, und was unten verabredet ist, wird da wenn es nöthig ist zu Papier gebracht.
Die Zeiten sind vorüber, wo man hier und in London um den Welthandel wetteiferte. Doch drängt sich in dem innern 250 Fuß langen Hofe noch unablässig die Menschenmasse, durch die man sich besonders gegen zwey Uhr nur mit Mühe durchwindet, wenn Tausende ab und zu strömen. Bey weitem ein schöneres Local hat die Börse zu Rotterdam.
Eine sonderbare Sitte erlebten wir gerade zur Zeit unsers Aufenthalts. Während den Kermes oder der Messe hat die Jugend der Stadt das Recht, so wie es drey Uhr schlägt, alles herauszutreiben, was noch auf dem Hofplatz verweilt, und ihn mit ihrem Schwarm zu füllen. Selbst den ganzen Tag lang ziehen sie wie kleine Soldaten mit hölzernen Gewehren, papiernen Grenadiermützen und kleinen Trommeln, mit unleidlichen Lerm, durch die Straßen. Vor langen, langen Zeiten soll, so geht die Sage, angelegtes Feuer durch einige Knaben entdeckt und die Stadt gerettet seyn.
In Holland ist die Ausfuhr der Kartoffeln wieder erlaubt worden. Auf die Zeitungsnachrichten, daß die französischen Kolonien auch eine Revolution angefangen, haben viele Spekulanten auf Domingo und Martinikkaffee spekulirt. Es wurde viel von diesem Artikel aufgekauft. Aber die gleich in drey Tagen darauf angekommene Briefe haben das Gegentheil mitgebracht, und die Spekulaten sind betrogen.
Der Maître des Requêtes, Direktor der Centralkasse in Holland,
Kraft der Autorisation, die er von Sr. Excellenz, dem Minister des Kaiserl. Schatzes, erhalten, von dem Wunsche Sr. Majestät, des Kaisers und Königs, zu benachrichtigen, die Anleihen für Se. Majestät, den König von Preussen, zu begünstigen, die von dem Handelshause der Wittwe Uberfeld und Serrurier, und für die Mark Brandenburg von dem Hause des Herren Van Halmael und Hagedoorn eröffnet worden -- macht es sich zur angenehmen Pflicht, das Publikum in Hinsicht der Solidität dieser Anleihen zu beruhigen, und hierdurch anzuzeigen, daß Se. Majestät, der Kaiser und König, an dem Erfolge dieser Anleihen allen Antheil nimmt, den das Verhältniß als Alliirter Sr. Preussischen Majestät Ihnen einflößt, und daß Alles, was diese Anleihen begünstigen kann, ein Gegenstand der besondern Rücksicht Sr. Kaiserl. Königl. Majestät ausmacht.
Der russisch-kaiserliche Hof hat hier vor mehrern Jahren eine beträchtliche Anleihe eröffnet. Die Kriege gegen Schweden und gegen die Türkey haben auf den Kours dieser Fonds Einfluß gehabt. Sie standen im letzten Oktobermonat auf 64 Procent; allein seitdem die Armeen gegen die westlichen Gränzen Rußlands vorgerückt sind, und besonders seit dem Anfange der Feindseligkeiten zwischen Frankreich, dessen Alliirten und Rußland, sind sie noch mehr gefallen; sie sind an der heutigen Börse 49 notirt, und Alles kündigt an, daß sie noch mehr fallen werden.
Quellen.[]
↑Ueber den Feldzug der Preußen gegen die Nordarmee der Neufranken im Jahr 1793. Von einem Beobachter, welcher die jetzigen Feldzüge der verbündeten deutschen Heere mitmacht. Stendal, bei Franzen und Grosse, 1795.
↑Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.
↑Beobachtungen auf Reisen in und außer Deutschland. Nebst Erinnerungen an denkwürdige Lebenserfahrungen und Zeitgenossen in den letzten funfzig Jahren. Von D. August Hermann Niemeyer. Dritter Band. Reise durch einen Theil von Westphalen und Holland im Jahr 1806. Halle, in der Buchhandlung des Waisenhauses. 1823.
↑Sechs u. zwanzigste Beilage zu politischen Gesprächen der Todten. Dienstag den 30sten Merz 1790.
↑Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 182. Dienstag, den 30. July /11. August 1812.
↑Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 188. Dienstag, den 6/18. August 1812.