Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Advertisement

SLUB Dresden


Altenburg.[]

[1]
Altenburg, die Hauptstadt des Fürstenthums gleiches Namens. Sie hat ein Schloß auf einem Felsen, war ehemals eine Reichsstadt, und die Hauptstadt des Pleißnerlandes, ward aber von Markgraf Friedrich, mit dem Biß, 1308. unter Meißnische Bothmäßigkeit gebracht. Das Schloß ist wegen des 1455. vorgegangenen Prinzenraubs berühmt, da sie 2 Söhne Kurfürst Friedrichs II. von Sachsen, durch Kunz von Kauffungen weggeführt, aber doch bald wieder gerettet wurden. Sie ist der Siz der Regierung, des Konsistoriums und des Obersteuer-Kollegiums. Das Magdalenen- oder adeliche Fräuleinstift hat Herzog Friedrich von Gotha 1705. angeordnet, und die Stiftsstatuta dergestalt confirmirt, daß jederzeit 12. adeliche erwachsene Fräulein darinne unterhalten, und 20. bis 24. dergleichen Kinder von 8. bis 9. Jahren weiblichen Geschlechts standesmäßig sollen auferzogen werden. Die Einwohner dieser Stadt betrugen im J. 1794. 9,484, welche in 1264. Häusern wohnten. Das Gymnasium illustre ist 1703. gestiftet worden. Es befindet sich ein Waisenhaus und Zuchthaus allda, auch mehrere Wollen- und Baumwollen-Manufakturen. Der Handel mit Getreide und Vieh ist bedeutend.


Von Reisende.[]

August von Kotzebue.

[1804]

[2]
Altenburg ist ein kleines Städtchen, aber ich wünsche jedem Freunde -- und warum nicht auch in Gottes Namen jedem Feinde -- wenn ihn sein Weg hindurch trägt, daß es ihm dort so wohl behagen möge als mir. Schon vor der Stadt versetzte mich der Anblick eines schönen Gebäudes, mit der Inschrift: Dem hülflosen Alter! Ernst. in die beste Laune. Zwar könnte man die Inschrift ein wenig bekritteln: Hülflosem Alter wäre kürzer gewesen; und dann so sehr ich auch den Titeln bei solchen Gelegenheiten feind bin, und so viel Ehre es dem wackern, bescheidenen Herzog von Gotha macht, daß er hier bloß seinen Namen genannt wissen wollte; so hätte doch hier das Wort Herzog nicht wegbleiben sollen, denn jetzt ist die Inschrift, für jeden Fremden, der nicht weiß oder erräth, wie der Stifter hieß, völlig unverständlich. Ich selbst glaubte einen Augenblick, es werde dem hülflosen Alter Ernsthaftigkeit empfohlen, bis mir der Name des verstorbenen wohlthätigen Herzogs einfiel. -- Doch ich schäme mich fast der Krittelei im Angesicht eines solchen Gebäudes. Segen der Asche des Mannes, der dem hülflosen Alter diese lachende Wohnung bereitete. Es ist der Nemliche, der in seinem Testament begehrte, in keinem Sarge, sondern im Schooß der Mutter Erde zu ruhen. Man hat sein Verlangen erfüllt, und, in der mit Rasen ausgezierten Gruft, ihn bloß mit Blumen bedeckt. Er schlummere sanft unter den Blumen! Das Andenken an seine stillen Wohlthaten wird nicht welken wie die Blumen. Auf den wohl unterhaltenen Chausseen seines Landes wird jeder Reisende ihn segnen, wie ich. Die Allee von jungen Obstbäumen, die ich auch hier an der Straße fand, wird noch sorgfältiger verpflegt, als die zwischen Erfurt und Gotha. -- In dieser friedlichen Stimmung fuhr ich zum Thore hinein, und fand in dem kleinen Altenburg einen Gasthof, wie er vielleicht in ganz Deutschland nicht besser angetroffen wird. Er heißt Stadt Gotha. Wer sich gern gütlich thut, der bleibe hier, könnte er auch am selben Tage noch eine Station weiter reisen. Der Anblick der alten Burg wird ihn an Kunz von Kauffungen erinnern, der die seltsame Verwegenheit hatte, zwei wohl bewachte junge Prinzen aus ihr zu rauben, die hernach von den treuen Köhlern des Waldes wiederum befreit wurden. Vor dreißig und mehr Jahren wurde auf dem weimarischen Hoftheater fleißig eine artige Oper gespielt, zu welcher diese Geschichte den Stoff geliefert hatte. Sie ist vergessen, trotz der lieblichen Musik eines Wolf. Sie ist vergessen, wie denn alles in der Welt vergessen wird. -- Die Altenburger Bauern scheinen jedoch, in Ansehung ihrer Kleidertracht, von diesem allgemeinen Fluche ausgenommen zu seyn; denn während die bunte Modewelt sich im ewigen Cirkel um sie her dreht, sind ihre Pumphosen und ihre kleinen runden Hüte noch immer dieselben, die sie vor vielen Jahrhunderten waren. Mögten auch ihre einfachen Sitten sich gleich den Pumphosen erhalten haben! Die Tracht der Männer fällt recht gut ins Auge, aber die der Weiber -- man kann sich unmöglich des Lachens enthalten, wenn man sie zum erstenmale sieht. Ein halbes Dutzend Röcke ziehen sie wenigstens über einander, und diese Röcke sind bei weitem nicht so lang als die Florschürzen einer Pariser Tänzerin; das entblößte Knie, und auch noch etwas über dem Knie, zeigt sich dem lüsternen Auge. Dabei sind die Füße so groß, daß man glauben sollte, alle Altenburgerinnen hätten Füße, wie weyland der Coloß zu Rhodos. Trotz der anscheinenden Leichtfertigkeit ihrer Röcke, habe ich doch nicht gehört, daß der böse Wille eben so leicht den Weg zu ihren verborgensten Reizen fände, als das Auge den Weg zu ihren Lenden. Sie traten vielmehr auf ihren gewaltigen Schuhen so ehrenfest einher, als drohten sie denjenigen zu zertreten, der ihre Röcke für zu kurz halten mögte.

Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
  2. Erinnerungen von einer Reise aus Liefland nach Rom und Neapel von August von Kotzebue. Berlin 1805. bei Heinrich Frölich.
Advertisement