1. Die Franzosen in Albanien.[]
[1]
Beyträge zur Kriegsgeschichte des Jahres 1798.
- (Von Augenzeugen.)
Als sich die Franzosen im Jahre 1797 außer Corfu und den übrigen griechischen Inseln, auch der venetianischen Besitzungen in Albanien bemächtiget hatten, suchten sie vor allen Dingen die Freundschaft des Pascha von Janina zu gewinnen, indem derselbe, im Falle eines Bruches mit der Pforte, ein sehr nützlicher Alliirter zu seyn versprach. Pascha Ali, geboren im Jahre 1750, war der Sohn eines kleinen Pascha von Tebeleni oder Tebdelem, das vier und zwanzig französische Meilen nördlich von Janina liegt. Da er seinen Vater sehr früh verlor, so war er in Gefahr, aus dem Paschalik vertrieben zu werden; allein seine heldenmüthige Mutter stellte sich an die Spitze der Truppen, bekriegte die benachbarten feindlichen Pascha's mit Erfolg, und behauptete sich im Besitz. Ali wuchs demnach unter beständigen Unruhen auf, zog schon im dreyzehnten Jahre als gemeiner Arnaute mit in das Feld, ging alle militärische Grade durch, und übernahm endlich das Commando selbst. Wiewohl er nun wirklich ein Mahl ganz aus Tebeleni vertrieben, und fast aufs äußerste gebracht worden war, gelang es ihm dennoch, seine Truppen mit neuem Muthe zu beleben, und er kehrte siegreich in seine Besitzungen zurück. Seine Macht und sein Ansehen nahmen nun unaufhörlich zu. Er vermehrte seine Truppen, vergrößerte sein Gebieth, wußte sich eine Partey im Divan zu verschaffen, und drang sich am Ende wie gewöhnlich, zum Pascha von Janina auf. Hier ward er nun der Pforte in Kurzem so furchtbar, daß sie, mit dem Scheine der Oberherrschaft zufrieden, ihn völlig unabhängig regieren lassen muß, ja sogar seinen beyden Söhnen die Nachfolge versichert hat. Pascha Ali ist zwar eigentlich nur ein roher Krieger, weiß aber europäische Cultur zu schätzen, sucht sich auf alle Art zu unterrichten, und hat einen sehr sicheren, politischen Blick. Seine Armee, gewöhnlich nur 6000 Mann stark, kann um das vierfache vermehrt werden; seine Einkünfte werden auf 8 Millionen Livres geschätzt. Dieß war der Mann, den man zu gewinnen bemüht war.
Pascha Ali kam den Franzosen auf halbem Weg entgegen, denn er sah sie für eine vortreffliche Stütze gegen die Pforte an, ja er versprach sich sogar mit ihrer Hülfe eine Vergrößerung seines Gebieths. In Kurzem hatte daher Gentili, der Generalgouverneur dieser neuen Besitzungen, sehr freundschaftliche Verhältnisse mit ihm angeknüpft, wobey der Generaladjutant Roze zu verschiedenen Sendungen gebraucht ward. So kam der Frühling von 1798 heran, und die Bestimmung der Touloner Flotte erregte die allgemeine Aufmerksamkeit. Der General Gentili war geschickt genug, dem Pascha mit einer Expedition auf Morea zu schmeicheln; so daß sich dieser für jene Escadre zu einer bedeutenden Lieferung von Lebensmitteln verstand. Als sich aber das Gegentheil zeigte, Corfu beynahe vernachlässigt ward, und die Bezahlung für die Lieferung ausblieb; da sah der Pascha nur zu gut ein, daß wenigstens in diesem Augenblick von einer Verbindung mit Frankreich kein Vortheil zu erwarten sey. So standen die Sachen, als Ali von dem Divan Befehl erhielt, mit einem Corps von 10,000 Mann zur türkischen Armee zu stossen, die damahls gegen den aufrührerischen Paswan Oglou vor Widdin lag. Dieß setzte den Pascha Ali in große Verlegenheit. Er wollte sich nicht offen gegen die Pforte erklären, er wollte aber auch eben so wenig zu Paswan Oglou Unterjochung behülflich seyn. Lange blieb er daher unentschlossen, und both alles auf, um von dieser Expedition entbunden zu werden; aber vergebens, der Divan bestand darauf. Der neue Generalgouverneur Chabot glaubte diese Umstände benützen zu können, und schickte deßhalb den Capitän Schefer als Unterhändler an ihn ab.
Nachdem das erste Ceremoniel vorüber war, verlangte Capitän Schefer eine geheime Audienz, die ihm auch so fort bewilligt ward. Der Dolmetscher war der Einzige, der zugegen blieb. Hier begann nun der Pascha mit den bittersten Klagen über den General Gentili, wie sehr er von ihm getäuscht, und nicht einmal für seine Lieferungen bezahlt worden sey. Der letzte Punct besonders schien ihm am meisten am Herzen zu liegen, das Ganze machte eine Summe von 80,000 Livres aus. Capitän Schefer, der den schlechten Zustand der französischen Cassen kannte, befand sich allerdings in einiger Verlegenheit. Indessen suchte er darüber wegzugehen, und theilte dem Pascha den eigentlichen Zweck seiner Sendung mit. "Die französische Regierung werde ihn mit großem Mißvergnügen gegen Paswan Oglou agiren sehen, da dieser eher sein Freund als Feind seyn sollte. Man habe bestimmte Nachricht aus Constantinopel, daß der Divan ihn, den Pascha Ali, nur aus seinem Paschalik locken, und dann im türkischen Lager hinrichten lassen wolle." Dieß Letztere machte einen so starken Eindruck auf ihn, daß er einige Minuten sehr unruhig schien, und endlich lebhaft fragte, aus welcher Hand jene Nachricht gekommen sey. Capitän Schefer erwiederte hierauf, man wisse es durch gesandtschaftliche Berichte, er stehe für die Wahrheit derselben ein. Pascha Ali sann nun einige Augenblicke nach, und sagte endlich: "Es ist mir unmöglich, den Befehl des Sultan unerfüllt zu lassen. Ich habe allen meinen Einfluß angewendet, ich habe sogar Zeugnisse von meinem Arzte beygebracht, um dieses Zuges überhoben zu seyn. Jedoch vergebens, der Sultan besteht unwiderruflich auf seinem Befehl. Ich weiß, wie ihr, daß man nur meinen Kopf haben will, aber unter meinen treuen Albanesern fürchte ich alle meine Feinde nicht. Von diesen tapfern Waffenbrüdern umgeben, gehe ich bis in das Zelt des Kapudan-Pascha, und trotze seinem Zorn. Ungern verlasse ich Janina, zumahl da der Zug gegen Paswan Oglou meinen Freunden mißfällt, aber ich kann nicht anders. Wenn man mit nicht 10,000 Franzosen und 100,000 Zechinen gibt, so muß es geschehen!" -- Capitän Schefer gab dem Pascha einige Hoffnungen, alles zu erhalten, sobald das Directorium davon unterrichtet seyn würde. Der Pascha erwiederte hierauf, indem er ihn auf den Arm schlug: "Ihr Franzosen habt mir viel versprochen. Vielleicht glaubte ich euch, hätte ich nur etwas in Erfüllung gehen sehen. Allein bis jetzt ist es immer nur bey den Worten geblieben. Ihr werdet begreifen, daß dieß für eine solche Unternehmung wahrlich nicht hinreicht!" Capitän Schefer hatte nun zwar noch einige Audienzen bey ihm; aus Mangel an Geld konnte er indessen seinen Zweck nicht erreichen. Pascha Ali trat seinen Zug nach Widdin an, und Capitän Schefer kehrte nach Corfu zurück.
Unterdessen hatte die englische Partey im Divan das Übergewicht erhalten, und man konnte einer Kriegserklärung der Pforte gegen Frankreich in Kurzem entgegen sehen. Pascha Ali änderte daher sein System, beschloß die Umstände zur Vergrößerung seines Paschaliks zu benützen, und richtete sein Augenmerk zuerst auf Preveza, das in der That der wichtigste Punct unter allen französischen Besitzungen von Albanien war. Von da aus wollte er dann nach Butrinto, Parga und Vonnizza, ja selbst die Inseln Corfu und St. Maur wegnehmen, was ihm bey der Schwäche der Franzosen nicht schwer schien. Er gab demnach seinem Sohn Muktar Befehl, unter irgend einem Vorwande ein kleines Truppencorps nach Preveza zu senden, und sich dieses Ortes mit List zu bemächtigen. Allein der französische Commandant ließ die Albaneser gar nicht hinein kommen, so daß die Unternehmung mißlang, und die Franzosen nur desto behutsamer wurden. Auch war mit Ausnahme des Pascha's Mustapha von Delvino und der Sullioten, ganz Ober- und Niederalbanien wirklich bereit, gegen sie aufzustehen. Im September erklärte nun die Pforte Frankreich den Krieg; im October kam Ali von Widdin zurück, zog Truppen auf seiner Gränze zusammen, und schickte Patrouillen auf das, von den Franzosen besetzte Gebieth, wobey es jedoch zu keinen Feindseligkeiten kam.
Doch bald ließ Pascha Ali die Maske vollends fallen. Am 26. October lud er den Generaladjutanten Roze nach Filiates in Nieder-Albanien zu einer Conferenz ein, ließ denselben bey seiner Ankunft sogleich fesseln, und befahl ihn nach Janina abzuführen. Auf gleicher Art bemächtigte er sich des Lieutenants Steil von der Garnison des Forts Butrinto, der auf sein Verlangen mit einem griechischen Geistlichen an ihn abgeschickt worden war. Roze starb im folgenden Jahre in Bagno von Constantinopel, Steil und sein Begleiter wurden nach einigen Monathen ausgewechselt. Nachdem nur Ali auf diese Art den Krieg erklärt hatte, ließ er so fort auf mehreren Puncten angreifen, wobey es zu höchst blutigen, doch wenig entscheidenden Gefechten kam. In Folge derselben sahen sich indessen die Franzosen gezwungen, das Fort Butrinto und Parga zu räumen, nachdem sie zuvor alles zerstört und mitgenommen hatten.
Unterdessen hatte General Chabot Nachricht erhalten, daß eine russisch- türkische Escadre gegen Corfu im Anzug sey. Um nun dieser die Zufuhr aus Niederalbanien abzuschneiden, und zu gleicher Zeit eine Diversion daselbst zu machen, beschloß er, den Pascha Mustapha von Delvino, in Verbindung mit den Sullioten, wo möglich zum Kriege gegen Ali zu bewegen. Er schickte deßhalb einen jungen Griechen, Nahmens Milonas, mit einem Briefe an ihn ab. Mustapha zeigte bey der Übergabe des Briefes große Aufmerksamkeit. Als dieselbe beendigt war, fragte er, wie viel denn eigentlich Franzosen in Corfu seyen? Milonas gab die Zahl derselben zu 4000 an. Allein hier unterbrach ihn der Pascha, und beklagte sich über seinen Mangel an Wahrhaftigkeit. Da keine Unterhandlung ohne Ehrlichkeit bestehen könne, verspreche er sich von dieser wenig Erfolg, denn man mache sich gerade noch ein Mahl so stark. Milonas gab ihm Recht, behauptete jedoch, daß die anderen 2000 Mann aus Griechen und Juden beständen, auf deren Treue vollkommen zu rechnen sey. Mustapha schüttelte dagegen den Kopf. Die Franzosen, meinte er, betrögen sich gewaltig, wenn sie hier Anhänger zu haben glaubten. In den Corsioten sey weder Geist noch Festigkeit, und zudem sey auf allen Inseln, so wie in Niederalbanien, besonders aber auf Corfu die russische Partey äußerst stark. Weiter äußerte er sich über die Unmöglichkeit, den combinirten Truppen Widerstand zu leisten, so lange diesen nicht das feste Land verschlossen sey. Nun könne dieß aber nur dann geschehen, wenn die Franzosen lauter Bundesgenosse in Albanien hätten. Man müsse ihm vor allen Dingen Geld oder Hülfstruppen geben, damit er Ali bekriegen, und so für die Franzosen wirken könne. Außerdem müsse er den Befehlen des Divan gehorchen, und könne nichts für sie thun!" Man begreift leichte, daß dieß so gut, als eine abschlägige Antwort war, denn es fehlte dem Generalgouverneur besonders an Geld und Truppen. Indessen kann man nicht in Abrede stellen, daß Mustapha die Sache sehr richtig ansah.
Zur völligen Räumung von Albanien trugen besonders die Niederlagen der Franzosen bey Nikopolis und Preveza bey, die ihnen Ali durch seine Übermacht beygebracht hatte. In dem ersteren Gefechte kamen von 700 Mann nur 100 Franzosen und 20 Griechen mit dem Leben davon; in und bey Preveza aber fanden bis auf neun, darunter der Commandant, Capitän Tissot, alle übrige den Tod in verzweifelter Gegenwehr. Der Sieger ließ die gefangenen Franzosen in scheußliche Kerker werfen, die Griechen aber in Stücke zerhauen. So endigte der Feldzug der Franzosen in Albanien im Jahre 1798.
Quellen.[]
- ↑ Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. 1814.