Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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[1790]

Seit einiger Zeit war der Rückstand des Soldes der Grund oder vielmehr der Vorwand der Unruhen der Soldaten, und mehrere Cassen waren geplündert worden. Die Besatzung von Nanci bestand aus einer Abtheilung Infanterie, welches das Regiment des Königs hieß, und in der Armee große Vorrechte genoß und aus einer Abtheilung Schweizer-Truppen. Nachdem beide von ihren Anführern nach und nach große Summen erpreßt hatten, ward ein General an die abgeschickt der ihre Klagen untersuchen sollte, und da sich diese Klagen bald in Drohungen verwandelten, zwangen sie ihn, sich mit dem Degen in der Hand durchzuschlagen, und sich so schnell als möglich nach Lüneville zurückzuziehen wo eine Abtheilung leichter Reiterei unter seinen Befehlen stand. Ein Haufen Reiterei hatte ihn auf dem Fuße nachgesetzt so daß er kaum Zeit hatte, seinen Trupp in Vertheidigung zu setzen. Die nachsetzende Reiterei ward zurückgeschlagen, mehrere getödtet, und die übrigen gefangen genommen. Sogleich eilen die Soldaten von Nanci zu den Waffen; die Offiziere werden nicht mehr gehört; der Anführer, Lanoue wird ergriffen, ins Gefängniß geschleppt, und mehrere Offiziere, die ihn vertheidigen wollen, verwundet. Von dem Augenblicke an wurden die Unruhen eine Empörung, und die ganze Besatzung von Nanci ging auf Lüneville los um den Tod ihre Kameraden zu rächen, und den Anführer der leichten Reiterei Malseigne todt oder lebendig in ihre Gewalt zu bekommen. Bei der ersten Annäherung dieser Bande ohne Befehl und ohne Anführer, ging ihnen der Bürgerrath von Lüneville entgegen, und da er eine Plünderung fürchtete, bat er die Abtheilung der leichten Reiterei, sich zurückzuziehen, und sich in der Ebene zu stellen. Von hieraus unterhandelte man. Man kam überein, das sich Malseigne unter einer Bedeckung auf das Rathhaus begeben, und daß seine Person von jeder Gewaltthätigkeit gesichert seyn sollte. Er war aber kaum in die Stadt gekommen, als sich die Soldaten seiner bemächtigten, und ihn mit sich fortschleppen wollten. Er war als nochmahls genöthigt, sich von ihnen loszureißen, und mehrere Reiter seiner Bedeckung wurden getödtet. Indessen zog sich den Besatzung von Nanci nach Nanci zurück, ohne daß man die Ursache dieses plötzlichen Rückzuges hätte erfahren können. In derselben Nacht setzte sich, auf einen falschen Lärm, die leichte Reiterei zu Pferde, und in dem Augenblicke, als Malseigne an ihre Spitze stellte, ward er umringt, nach Nanci geführt, und der Besatzung ausgeliefert.

Von allen diesen Vorfällen erhielt die National-Versammlung nach und nach Kenntniß, und ließ sogleich den Umständen angemessene Beschlüsse ergehen, um die Anführer wieder zur Ordnung zurückzubringen; allein entweder, weil die bürgerlichen Gewalten von Nanci von den Soldaten in Furcht gesetzt und beherrscht wurden, oder weil die neue Ordnung der Dinge Gegner in einer Stadt fand, die von Alters dem Hause Oestreich erblich angehörte, in der das Andenken an den letzten Herzog Carl noch nicht erlöscht war, und in der darauf Stanislaus, König von Polen, viele Gunstbezeigungen erwiesen hatte, -- genug die Beschlüsse, welche die Versöhnung bewirken sollten, wurden nicht bekannt gemacht, und die aufrührerische Besatzung blieb beständig zwischen der Furcht, sich auf Gnade und Ungnade zu unterwerfen, und zwischen der Nothwendigkeit, auf ihren ersten Schritten zu beharren.

In dem letzten Beschlusse ward der König gebeten, die nöthigen Maßregeln zu ergreifen, damit das Gesetz Kraft behalte.

Dem zu Folge hatte der General Bouillé Befehl erhalten, die Truppen, die unter seinen Befehlen standen, zusammen zu ziehen, und mit den National-Garden von Metz zu vereinigen. Er marschirte mit ohngefähr drei tausend Mann.

Außer der aufrührerischen Besatzung befanden sich in Nanci noch eine Menge Fremde, die sich in der Uniform der National-Garde dahin begeben hatten, an den Unruhen Theil nahmen, und sie vermehrten. Als es bekannt ward, daß der General Bouillé marschirte, zwangen die Soldaten den Bürgerrath, Befehl zu geben, daß die Einwohner die Waffen ergreifen, und sich mit ihnen vereinigen sollten.

Der General Bouillé war nur noch zwei Stunden von Nanci entfernt; man schickte vier Soldaten an ihn ab, welche gedruckte Circular-Schreiben mitbrachten und laut versicherten, daß alle Soldaten seiner Armee binnen zwei Stunden entwaffnet, das heißt, gewonnen, und mit ihnen vereinigt seyn würden. Da diese Armee nur aus Abtheilungen von den verschiedenen Regimentern bestand; so machte die Verschiedenheit der Uniform die abgesandten Soldaten glauben, daß sie wenigstens funfzehn tausend Mann stark sey. Die Soldaten des Generals Bouillé gaben ihnen auf alle Weise ihre tiefe Verachtung zu erkennen; Bouillé war sogar genöthigt, ihnen bei ihrer Rückkehr eine Bedeckung zur Sicherheit mitzugeben.

Die Municipal-Beamten, die mit den abgesandten Soldaten gekommen waren, wollten nicht mit ihnen zurückkehren, und schrieben die Forderungen des Generals, nämlich:

1) daß die beiden gefangenen Offiziere, Malseigne und Lanoue, an der Spitze der drei Regimenter vor die Stadt geführt, und daselbst Befehle erwarten sollten;
2) daß von jedem Regimente auf der Stelle vier Soldaten an die National-Versammlung geschickt werden sollten, um nach der Strenge der Gesetze von ihr gerichtet zu werden; wo nicht; so werde er alles, was er in der Stadt bewaffnet antreffen würde, über die Klinge springen lassen.

Die Besatzung von Nanci fing an, über ihre Lage, und über die Entschlossenheit des Generals besorgt zu werden; man schickte nochmahls vier Soldaten von jedem Regimente an ihn ab; er empfing sie an der Spitze seiner Armee, und dictirte ihnen seine Antwort:

"Binnen einer Stunde sind Herr von Malseigne und Herr Lanoue, so wie die drei Regimenter mit umgekehrten Waffen ausmarschirt, oder ich rücke mit Kanonen ein. Unterzeichnet: Bouillé."

Sein Befehl ward schon befolgt, die beiden Offiziere wurden aus dem Gefängnisse geführt, und zu seiner Armee gebracht, die drei Regimenter hatten sich vor die Stadt, auf ihnen bestimmten Platz begeben, und der Bürgerrath hatte Befehl ertheilt, die Posten zurück zu ziehen, welche die Thore der Stadt vertheidigten; allein diese Posten, die aus Freiwilligen, und in großer Anzahl aus den Unbekannten und Fremden bestanden, die sich unter die bewaffneten Einwohner gemischt hatten, weigerten sich, dem Befehle zu gehorchen, und gaben Feuer auf den Vortrab, der dreißig Schritte vom Thore Halt gemacht hatte. Dieser Vortrab bestand aus den National-Garden von Metz; die Hälfte stürzte von der ersten Ladung, die Uebrigen stürmten das Thor, und drangen in die Stadt ein. Hier war es, wo ein junger Offizier vom Regimente des Königs, Desilles, dessen Nahme von der Nachwelt genannt werden muß, nach vergeblichem Bemühen, die aufrührerischen Soldaten am Losbrennen der Kanonen zu verhindern, sich über die Kanone her warf, und da sie ihn nicht herunter reißen konnten, mit mehreren Stichen auf ihr durchbohrt ward, woran er einige Tage darauf starb; er lebte noch so lange, daß er die Beweise der Achtung der National-Versammlung und des Königs noch empfangen konnte.

Beim ersten Lärm dieses unvermutheten Angriffs, indem man den Frieden für gesichert hielt, erhub sich unter beiden Parteien das Geschrei über Verrath und Treulosigkeit. Die ausmarschirten Regimenter kehrten in die Stadt zurück; es kam in den Straßen zum Gefechte; aus Fenstern und Kellern ward auf die Glieder der Armee geschossen, und das Feuern hörte erst in der Nacht auf.

Aus dem Eindrucke, den die Nachricht von diesem Vorfalle auf die Versammlung mache, hätte man leicht den Geist einer jeden Partei wahrnehmen können. Die Verständigen und Gemäßigkeiten klatschten Beifall, bedauerten aber zugleich den blutigen Erfolg, der einen bürgerlichen Krieg verkünden konnte. Die revolutionäre Partei fürchtete, den bei Revolutionen nothwendigen, oder wenigstens unvermeidlichen Schwung bald nachlassen zu sehen. Die Gegenpartei triumphirte über einen Erfolg, der die Unzulänglichkeit der Mittel des Gesetzgebers, und die Nothwendigkeit einer Einhalt thuenden, und einzig und allein für die Vollziehung der Gesetze Sorge tragenden Macht zu beweisen schien; aber der Rednerstuhl der Jacobiner, welche von Tage zu Tage mächtiger wurden, erschallte von Beschuldigungen gegen Bouillé. Man forderte ihm über das Französische Blut Rechenschaft ab. Man mußte ihn sogar auf dem Rednerstuhle der Versammlung vertheidigen.

Der Neid bediente sich eines mißverstandenen und übertreibenden Patriotismusses, um ihm Feinde zu machen, und die Art von Volksungnade, die ihn jetzt traf, trug nicht wenig dazu bei, ihn für die Gegenpartei zu stimmen, wo sein Uebergewicht gewünscht wurde, während man es in der Partei der Revolution, deren Rädelsführer ihn lieber zum Feinde, als zum Nebenbuhler haben wollten, fürchtete.

Die Untersuchung der Begebenheit zu Nanci ward der Versammlung zugeschickt, und der König ernannte Commissarien. Die Schweizer wurden dem Kriegsrechte der Regimenter ihrer Nation übergeben; siebzehn wurden aufgehangen, und acht und zwanzig auf die Galeeren geschickt, von denen sie durch einen Beschluß der ersten gesetzgebenden Versammlung wieder befreit wurden.


Quellen und Literatur[]

  • Geschichte von Frankreich, seit der Revolution von 1789. Aus zeitverwandten Urkunden und Handschriften der Civil- und Militär-Archive. Von F. Emmanuel Toulongeon. Münster, 1804. bei Peter Waldeck.
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