Achtes Bülletin der kaiserl. königl. Französischen Armee.[]
Wien, den 16. May 1809.
Die Einwohner von Wien sind mit dem Erzherzog Rainer sehr zufrieden. Er war Gouverneur von Wien; allein als er von den revoluzionären Maßregeln, welche der Kaiser Franz II. angeordnet hatte, Kenntniß erhielt, weigerte er sich, das Gouvernement beyzubehalten. Der Erzherzog Maximilian ward an seine Stelle geschickt. Dieser junge Fürst, mit der vollen Inkonsequenz seines Alters, erklärte, er werde sich unter den Trümmern der Hauptstadt begraben lassen. Er rufte die unruhigen Köpfe und alles schlechte Gesindel auf, das in einer grossen Stadt immer zahlreich ist, bewaffnete sie mit Picken, und vertheilte unter sie alte, in den Zeughäusern vorräthigen Gewehre. Vergeblich stellten ihm die Einwohner vor, eine grosse Stadt, die auf Kosten so vieler Arbeit und Schätze zu einem so hohen Grade von Glanze gekommen sey, dürfe nicht den Unfällen, die der Krieg nach sich zieht, bloßgestellt werden. Diese Vorstellungen reitzten immer mehr seinen Zorn, und seine Wuth ging so weit, daß er nur durch den Befehl antwortete, auf die Vorstädte Bomben und Haubitzen zu werfen, die bloß Wiener tödten konnten, da die Franzosen in ihren Transcheen Schutz, und in ihrer Kriegsgewohnheit Sicherheit fanden. Die Wiener fühlten gewaltigen Schrecken, und die Stadt hielt sich schon für verloren, als der Kaiser Napoleon, um der Hauptstadt die Leiden einer langen Vertheidigung dadurch zu ersparen, daß er dieselbe schnell unnütz machte, Truppen über den Donauarm gehen, und den Prater besetzen ließ.
Um 8 Uhr kam ein Offizier mit der Meldung zum Erzherzog, daß man eine Brücke baue, daß eine Menge Franzosen schwimmend über den Fluß gesetzt haben, und auf dem andern Ufer wären. Diese Nachricht machte den wüthenden Prinzen erblassen, und brachte die Furcht in seine Lebensgeister. Er begab sich eilig durch den Prater, schickte jedes Bataillon, dem er begegnete, jenseits der Brücken, und flüchtete sich, ohne irgend eine Veranstaltung zu treffen, oder nur Jemanden das verlassene Kommando zu übertragen. Und doch war dies der nämliche, der eine Stunde früher betheuerte, sich unter den Trümmern der Hauptstadt begraben zu wollen.
Die Katastrophe des Hauses Lothringen ward durch vernünftige Männer von den entgegengesetztesten Meinungen vorauszusehen.
Manfredini hatte vom Kaiser eine Audienz begehrt, um ihm vorzustellen, diese Krieg werde lange auf seinem Gewissen lasten; er werde den Sturz seines Hauses nach sich ziehen, und die Franzosen würden bald in Wien seyn. Bah, Bah! antwortete der Kaiser, sie sind alle in Spanien.
Thugut benutzte das alte Zutrauen des Kaisers, und erlaubte sich zu wiederholten Malen Vorstellungen.
Der Fürst de Ligne sagte laut: Ich glaubte alt genug zu seyn, um die Oesterreichische Monarchie nicht zu überleben. Und als der alte Graf Wallis den Kaiser zur Armee abgehen sah, sprach er: Es ist Darius, der dem Alexander entgegen eilt; er wird dasselbe Schicksal haben.
Graf Ludwig Kobenzel, der Haupturheber des Krieges von 1805, erließ auf seinem Todbette, und nur 24 Stunden, ehe er die Augen schloß, einen nachdrücklichen und rührenden Brief an der Kaiser. "Euer Majestät, schrieb er, müssen sich in der Lage glücklich schätzen, in die Sie der Preßburger-Friede versetzt hat; Sie stehen im zweyten Rang unter den Europäischen Mächten, und dies war auch der Rang ihrer Voreltern. Geben Sie den Gedanken an einen Krieg auf, zu dem sie nicht gereitzt wurden, und der den Sturz ihres Hauses nach sich ziehen wird. Napoleon wird siegen, und mit Recht unerbittlich seyn xc."
Diese letzte Handlung des Grafen Kobenzel hat Interesse über seine letzten Augenblicke verbreitet.
Der Minister des Innern, Fürst Zinzendorf, mehrere Staatsmänner, die gleich ihm der Bestechung und den unglücklichen Täuschungen des Augenblicks fremd geblieben waren, viele andere Personen von Stande, und die Angesehensten der Bürgerschaft, theilten insgesammt die nämliche Ueberzeugung und äusserten sie. Aber der gedemüthigte Stolz des Kaisers Franz II., der Haß des Erzherzogs Karl gegen die Russen, die Bitterkeit, welche ihm der Anblick der engen Verbindung Rußlands mit Frankreich einflößte, das Englische Gold, das den Minister Stadion verführt hatte, der Leichtsinn und die Inkonsequenz von etwa 60 jungen Weibern, die Heucheley und die falschen Berichte des Bothschafters Metternich, die Ränke der Rasumowski, der Dalpozzo, der Schlegel, der Genze und anderer Abentheurer, die England zu Ansachung der Zwiste auf dem festen Lande unterhält, führten gegen die Heiligkeit der Verträge diesen unvernunftigen Krieg herbey.
Ehe die Franzosen auf dem Schlachtfelde siegten, behauptete man, sie wären nicht zahlreich, es gäbe keine mehr in Deutschland, die Korps bestünden nur aus Konskribirten, die Kavallerie wäre zu Fuß, die kaiserl. Garde in Aufruhr, die Pariser in Aufstand gegen den Kaiser Napoleon. Nachdem wir gesiegt hatten, hieß es, die Französische Armee sey unzählbar, sie habe nie aus geübtern und tapferern Soldaten bestanden, ihre Abhänglichkeit für Napoleon verdreyfache und vervierfache ihre Hilfsmittel, die Kavallerie sey prächtig, zahlreich, furchtbar, die Artillerie besser bespannt als bey irgend einer Nazion, sie marschiere mit der Schnelligkeit des Blitzes u. s. w.
Schwache Fürsten! bestochene Kabineter! unwissende, leichtsinnige, inkonsequente Menschen! Diese nämlichen Fallstricke legt euch England seit 15 Jahren, und ihr fallet jedesmal hinein. Aber nun ist endlich die Katastrophe, die ihr vorbereitet habt, vollendet, und der Friede des festen Landes für immer gesichert. . .
Gestern musterte der Kaiser die schwere Kavallerie-Division des Generals Nansouty. Er lobte die Haltung dieser schönen Division, die nach einem so thätigen Feldzuge 5000 Pferde in Linie ausstellte. Se. Majestät ernannte zu den erledigten Stellen, bewilligten den Baronstitel mit einem Geschenk an Landgütern dem tapfersten Offizier und die Dekorazion der Ehrenlegion mit einem Jahrgehalt von 1200 Fr. dem tapfersten Kürassier jedes Regiments.
Man fand zu Wien 500 Kanonen, viele Laveten, Flinten, Pulver und verarbeitete Munizion, auch eine grosse Menge Kanonenkugeln und gegossenes Eisen. Es sind nur 10 Häuser während des Bombardements abgebrannt. Die Wiener haben bemerkt, daß dies Unglück die eifrigsten Anhänger des Kriegs getroffen hat; daher sagten sie auch, General Andreossy leite die Batterien.
Die Ernennung dieses Generals zum Gouverneur von Wien ist allen Einwohnern angenehm gewesen; er hatte ein ehrenvolles Andenken in der Hauptstadt zurückgelassen, und genießt darin allgemeine Achtung.
Einige Ruhetage haben der Armee sehr wohl gethan, und die Witterung ist so schön, daß wir fast keine Kranken haben. Der Wein, den man den Truppen vertheilt, ist reichlich und von guter Qualität.
Die Oesterreichische Monarchie hatte zum Behuf dieses Krieges ungeheure Anstrengungen gemacht: man berechnet, daß ihr die Rüstungen über 300 Millionen in Papier gekostet haben. Die Masse der umlaufenden Banknoten übersteigt 1500 Millionen. Der Wiener-Hof hat die Kupferplatten zu dieser Art von Assignaten mit sich genommen, die auf einen Theil der Bergwerke der Monarchie, das heißt, auf ein beynahe chimärisches und nicht disponibles Eigenthum hypothezirt sind. Während man so ein Papiergeld verschwendet, das vom Publikum nicht zu realisiren war, und das täglich mehr verlor, ließ der Hof durch die Wiener-Bankiers alles Gold, was aufzutreiben war, aufkaufen, und schickte es ins Ausland. Vor wenigen Monaten wurden Kisten voll Dukaten in Golde, mit dem kaiserl. Wappen versiegelt, durch Norddeutschland nach Holland expedirt.
- (Die Beylagen folgen morgen.)
Quellen und Literatur.[]
- Wiener-Zeitung. Verlegt von den v. Ghelenschen Erben. Nro. 50. (1809)