Briefe aus Aachen.[]
Briefe aus Aachen, von einem AugenZeugen: vom 5 Febr. -- 3 März 1793.
. . . Also mit Neuigkeiten, und mit der Beschreibung unsers Elendes, wäre Dir gedient? Bis jetzt ist es eben noch nicht zu seiner ganzen Größe angewachsen; aber es wird eben so wenig, wie das KopfWeh nach einem Rausch, ausbleiben. -- Noch begehen die FreiheitsMänner keine Ausschweifungen, einige, die sie im Trunke begingen, ausgenommen; aber mit ihrer Constitution hudeln sie uns gar jämmerlich. Schon seit 14 Tagen ist der provisorische Magistrat eingesetzt worden, NB. mit Gewalt. Einer Section, die sich zu lange widersetzte, und gar nichts von Constitutionen hören wollte, wurden in der Kirche 350 Mann Wache über den Hals geschickt, und auf diese Art ward sie zum Wälen gezwungen. Dennoch sprang ein Kerl vom Sitze auf, und schrie dem General auf französisch zu: plantés vos canons devant l'eglise, massacrés nous y, mais jamais vous ne me forcerés de changer notre vraie liberté contre une chimere. Und hierauf wälten sie einmütig zu ihrem Repräsentanten einen alten Bettler, der vor der Kirche Almosen sammelte. Da der General sah, daß sie ihn zum Narren hatten, ließ er noch 100 Mann Cavalerie holen, die dann alles, was nicht Ja rufen wollte, herausführten. Ungefär 20 - 30 blieben in der Kirche, die dann endlich auch wälten, nachdem diese Section 7mal vergeblich versammelt gewesen war. Den General hatten sie so in Respect gesetzt, daß er für gut befand, sich die Nacht drauf durch 30-40 Mann bewachen zu lassen; und bei einem Ball sagte er laut, daß alle Umstehende es hören konnten, nie hätte er einen rasendern und wütendern Pöbel angetroffen, als hier. Hierauf wurde zur Wal des Maire geschritten, die denn ganz ruhig ablief; außer daß der Gewälte, der diese neue Stelle nicht annehmen wollte, durch die Drohung, daß man ihm 30 Mann Execution schicken wollte, dazu gezwungen wurde. Dem ungeachtet sagte er öffentlich auf dem Rathause, das jetzt GemeindeHaus genannt wird, zum General-marechal de camp Dampierre: in Deutschland hieße man ein solches Verfaren nicht Liberté, sondern Despotie. Bei dieser Gelegenheit sagte der General Dampierre folgende merkwürdige Worte: "Ihr seid noch zu weit zurück, als daß Euch der ware Begriff göttlicher Freiheit deutlich einleuchten könnte. Ihr müßt gleich einem Kranken, dem eine schmerzhafte Operation heilsam ist, dazu von wolmeinenden Freunden gezwungen werden. Erst nach ein par Jaren, wenn Ihr aus Erfahrung merken werdet, daß die Freiheit über alles geht, werdet Ihr an uns denken". Als wenn die . . . uns mer geben könnten, als wir schon haben. Wir hängen von niemanden ab; unsern Magistrat, den wir selbst wälen, können wir auch absetzen, wenn wir wollen.
Freilich für die hiesigen Protestanten wäre die Freiheit, die sie uns geben wollten, von unendlichem Werth; wenn sie uns nichts schaffte, als freie ReligionsUebung, wäre dies schon allein eine eine große Woltat; aber one diese brächte sie uns eine Menge Vorteile, die wir jetzt entberen müssen, da wir in dem größten und schändlichsten Drucke leben. Wollen wir beten, so müssen wir in einem 1 ½ Stunden von hier entlegenen holländischen Dorfe zur Kirche laufen, woselbst aus 3 Oertern die Gemeinde zusammenkömmt. Für mich ist es äußerst beschwerlich, da ich seit 1 ½ Jaren . . . . dieser Gemeinden bin, und also ser oft bei Wind und Wetter dahin muß. Kein Protestant darf hier das kleinste geringste Amt bekleiden, kein Advocat von unserer Religion practiciren. Ich glaube, wenn ein Engel vom Himmel käme, seine Schriften würden nicht angenommen, blos aus der Ursache, weil er Protestant sei. Uebrigens sind auch nur 20 - 25 Haushaltungen von uns hier, und also machen wir kaum den tausendsten Teil der hiesigen Einwohner aus. Sie steckten auch lieber die Stadt in Brand, als daß sie uns einen Platz zu einer Kirche hier einräumten. Sogar bei dieser Gelegenheit haben sie es durch Drohungen, die in der Zukunft erfüllt werden sollten, dahin gebracht, daß kein Protestant nicht einmal bei den Walen gegenwärtig seyn, und daher auch nicht mitstimmen durfte, ongeachtet keiner von uns onehin sich eingefunden haben würde. Du siehst also, daß weder ich noch andere von uns Anteil, wenigstens directe, an etwas nemen dürfen noch können; wir bemühen uns auch mit der ganzen Sache nicht, einige Wenige ausgenommen, die zu dem hier errichteten Klub der Freunde der Freiheit der Gleichheit und BruderLiebe (JacobinerClub) gehören.
Was die hiesigen Bürger noch mer gegen die Franken erbittert, ist ihre gar geringe Anhänglichkeit an den Christkatholischen Glauben, ihre Gleichgiltigkeit gegen Religion, die bei ser vielen in Verachtung und Spott ausartet, und endlich (und dieses ist der HauptGrund ihres unerbittlichen Hasses), weil sie alle Klöster mit Wachen besetzt, und alle Effecten der Geistlichkeit unter Sigel genommen, die JesuiterKrirche zum BackHaus, die Capuciner- und noch eine andere zum MehlMagazin, die Carmeliter- und Bernhardiner- zum Hospital, und endlich die FranciscanerKirche zum PferdeStall, gemacht haben. Bei keinem Volke wirst Du dümmern Aberglauben, bei keinem grössere Panegyriker und enthusiastischere Anhänger der Pfaffere und des MönchsWesens, finden, als bei uns und in Brabant. Wie konnte es also bei einem auf seine Dummheiten so versessenen Pöbel felen, daß dies Verfaren nicht die größte Gärung unter demselben zu Stande brachte? Nicht Anhänglichkeit an die deutsche ReichsVerfassung, nicht Treue gegen den Kaiser, sind die BewegGründe ihres heftigen Widerstandes: -- nein! bloß Aberglauben, und weil sie sich in ihrer Religion gekränkt zu seyn glauben, weil man ihren irdischen Göttern, den Pfaffen, ihr überflüssiges Geld ein bischen in Circulation bringt, dies sind die Ursachen ihrer Erbitterung. Ehe die Franzosen hier waren, schickte die mit unserm Magistrat missvergnügte, und von Wetzlar verurteilte Partie, ihnen eine Deputation, bat sie, sich der Stadt anzunemen, und sie für die Bedrückungen ihres Magistrats zu rächen. Die Franken haben es getan, den Magistrat ihrem Willen gemäß abgesetzt, und uns ihre neue Constitution aufgedrungen. Dies war noch alles gut. -- Aber da sie dem Pfaffen zu Leibe gingen, da kam man ihnen an die Sele; und wo die Franzosen sonst 50 Anhänger hatten, da haben sie jetzt keine 10 mer. Alles was ihnen jetzt die Cour macht, ist der ware Schaum, der ächte Auswurf des Pöbels.
Gestern Abend kam der Befel vom General an alle Sectionen, sich heute Morgen in ihre resp. Kirchen zu versammeln, um zu der Wol eines NationalConvents zu schreiten, damit der provisorische Rat, der schon zu lange gesessen hätte, abgesetzt werden könnte. Nun ist aber in all n 9 SectionsKirchen diesen Morgen nichts zu Stande gebracht worden. In den meresten schrie alles: wir wollen von keinem Convent, von keiner Constitution, wissen, und in 3 waren keine 30 Menschen. Der General ist auf das äuß rste erbittert, und ließ nach dem Essen durch den Druck einen Befel publiciren, sich heute über 8 Tage aufs neue zu versammeln, und one Widerstand zu wälen, sonst würde er sich ernsthafter ins Spiel mischen.
Was es noch geben wird, muß die Zeit leren. Ich kann bei meiner Sele aus ihren Projecten nicht klug werden. Die Clairfaitsche und die französische Armee werden beide ser verstärkt. Täglich kommen Pelotons hier durch, die zur AvantGarde stossen; es sind aber immer nur Trupps von 3 - 4- 500 Mann. Noch nie kam ein stärkerer Zug durch, als vor 2 Stu den. Wenn es wenig war, so waren es 3000 Mann. Es dauerte über 5/4 Stunden, immer 4 Mann übereinander.
Heute Morgen ist auch beinahe unsere ganze Garnison (die aus 1 Bat. von Flandern, 1 von Dauphin, 1 von Penthievre, 1 von Roussillon, und 2 Bataillons NationalGarde, bestand) abgegangen. Diesen Abend aber erwarten wir dagegen andere, wovon bereits schon einige Bat. eingetroffen sind. Die meresten ziehen nach der Gegend von Ruremonde hin, wohin auch viel Geschütz abgeführt wird. Sie müssen sich von dieser Seite nichts gutes vermuten; der alte Beaulieu kommt ihnen zu nahe. Er steht nur noch 3 Stunden von Stablo und Malmedi, und also nur 6 Stunden von hier. Eine ungeheure Menge Geschütz und Munition schleppen sie durch. Das ganz schwere steht zwar noch in Lüttich, indessen ist doch auch schon vieles passirt, wo 10 - 12 Pferde vor waren. Dumourier wird schon seit 8 Tagen erwartet; ob er aber kommen wird, weiß man nicht: -- mit ihm sollen noch 12000 Mann kommen. Ganz gewiß ist es aber, daß heute Abend 5000 Mann aus Lüttich marschiren, um morgen in unseren Gegenden einzutreffen.
Jetzt eben um 10 Ur Abends, kömmt noch ein HusarenOfficier, mit dem ich bekannt bin, und der zu den Vorposten gehört, Abschied von mir zu nemen. Vor einer halben Stunde haben alle hier in der Stadt befindlichen Officiere, die zur AvantGarde gehören, und sich hier, weil blos kleine Scharmützel vorfallen, aufhielten, Ordre bekommen, sich ungesäumt auf ihre Posten zu verfügen. Nun müssen die armen Teufel, in dem scheußlichsten Wetter, und der stockfinstersten Nacht, einige noch 3- andere noch 4 - 5 Stunden, reiten. Das ist, so war Gott lebt! ein rechtes HundeLeben! Nein, da liegt es sich besser im Bette, wo ich mich auch gleich hinstrecken will, um mir wenigstens auf 7 Stunden glücklichere Zeiten zu träumen. Morgen gedenke ich Dir mer zu schreiben.
6 Febr. Ich glaube, die Franzosen werden uns am Ende noch die Stadt in Brand stecken. In 7 Tagen hat es nun doch 7mal gebrannt. So unvorsichtig, wie die Kerls mit Licht und Feuer umgehen, kann es kein Kind tun. Nicht genug, daß sie uns wie KramsVögel rupfen, wollen sie uns auch noch verbrennen.
Sie trauen den hiesigen Einwohner gar nicht. Sobald die SturmGlocken angeschlagen sind, glauben sie, es sei Aufrur unter dem Volke; und augenblicklich ist die ganze Garnison unterm Gewer, und teilt RibbenStösse und Prügel nach Noten aus. Ihr Mißtrauen geht so weit, daß sie in dem BürgerHause, wo sie einquartirt sind, nicht eher anbeissen wollen, bis der HausHerr selbst vom Essen gekostet hat. Sie haben aber auch warhaftig Ursache, mistrauisch zu seyn: von Vielen wären sie schon vergiftet worden, wenn sie die scharfe Examination nach dem Tode eines jeden Soldaten nicht fürchteten.
Diesen Morgen kam Ordre, daß alle StadtSoldaten, deren Zal sich auf 3 - 400 beläuft, Ober- und UnterGewer abliefern sollten. (Seit der Ankunft der Franzosen hatten sie schon keine Dienste mer getan, durften sich auch in der Uniform nicht blicken lassen). Man fand es aber bei keinem; hingegen erfur man, daß ihr Obrister sich es schon seit 8 Tagen in seinem Hause hatte zusammenbringen lassen. Alsobald wurden ihm 40 Mann und 2 Officiere gesandt, ihn höflichst zu ersuchen, das Gewer abzuliefern; und da sie fanden, daß er sich wolweislich schon aus dem Staube gemacht hatte, quartirten sie sich sämmtlich in sein Haus ein. Diese Woche sollen alle Häuser visitirt werden, und jeder Bürger sein Gewer auf das GemeindeHaus bringen; es ist aber bis jetzt noch nicht geschehen. Die Frankreicher sind teufelmässig bange. Sie trauen, glaube ich, dem Himmel selbst nicht einmal.
Die Teurung nimmt stark überhand, und läßt uns schreckliche Folgen befürchten. Seit 8 Tagen bleibt alle Zufur aus, und es ist auch keine Hoffnung da, daß so bald welche kommen wird. Mel ist zwar genug hier, mer als 20000 Mann in 6 Monaten verzeren: aber das ist auch alles, an allem andern felt es. HornVieh kömmt gar nicht, und sie haben wirklich schon den Bauern in unserm Gebiet einige hundert Ochsen und Kühe weggenommen (unserm Pachter allein 4). Sie geben zwar Assignationen auf ihre Commissaires des vivres, die hier sind; wenige sind aber noch bezalt worden, und werden es auch allem Anschein nach nicht. An Fourage aber leiden sie den abscheulichsten Mangel. Blos die CanonenPferde bekommen ordentliches Futter. Die HusarenPferde haben schon seit 3 Wochen keinen Haber gesehen, und seit 8 Tagen bleibt auch noch das Heu aus, und sie müssen jetzt ErbsenStroh und Brod fressen. Fast alle Bauern, die Pferde haben, erstechen sie, oder verkaufen sie, wenn sie können; denn für Geld ist bei den Bauern kein Haber mer zu bekommen. Der arme LandMann wird in 30 Jaren den Einfluß noch spüren, den die verfluchte Freiheit auf seinen Beutel hatte. Auf den Dörfern ist kein HornVieh mer zu sehen: wo ein Franzose etwas von seinem Geknöchs wittert, das wird kein Pardon gegeben, und es wird gefressen.
An Gelde aber felt es am meisten. Der General Stengel (bei dem mein . . . . oft um Pässe gehen muß, und der überdem sein Landsmann ist) erzälte ihm, um 1500 lumpichte Livres, die man einem hiesigen Apotheker für GrindSalbe schuldig wäre, sei er expres nach Lüttich gereiset, und habe sich doch nicht bekommen. Der Kerl ist das originelste Original, das man sich denken kann. Von Jedermann auf das schrecklichste gefürchtet, verbindet er mit dem rauhesten wildesten Charakter das beste Herz. Sein drittes Wort ist ein Fluch, und wer sich durch sein auffarendes Wesen abschrecken läßt, kann nichts mit ihm ausrichten. Meinem . . . hat er wesentliche Dienste geleistet, denn one ihn wären wir um 16 - 18000 Thaler geprellt werden. Er commandirte die AvantGarde bisher allein, seit einigen Tagen aber ist ihm der Pole Miaczynjky zum Gehilfen gegeben worden. Vor einiger Zeit wurde angeschlagen, daß alle diejenigen, die durch Plünderung gelitten hätten, sich zu den Commissarien verfügen sollten, wo ihnen der Schaden vergütet werden sollte. Wirklich waren auch vom Nat.Convent 60000 Liv. dafür ausgezalt worden: man machte aber so viel Umstände, wollte Zeugnis habe, wollte diejenigen angegeben haben, die geplündert hätten, daß wenige ein Geringes erhalten haben. Freilich lief viel Unterschleif mit unter, und mancher, dem kein Thaler gestolen war, kam, und verlangte 30. -- Bisher haben sie noch alles bar bezalt. Jetzt aber fangen sie an, mit Assignaten und PapirGeld zu zalen, freilich mit Verlust von 46 bis 60 vom Hundert.
Die schreckliche Ermordung ihres guten Königs hat große Sensation gemacht, und unter den Soldaten eine entsetzliche Gärung hervorgebracht, vorzüglich unter den LinienTruppen. Ser viele weinten wie Kinder, und am nämlichen Tage, da der Courier des Nat.Convents diese HiobsPost dem General brachte, vermißte das Regiment Flandern 8 seiner ersten Officiere. Seit dieser Nachricht nimmt die Desertion merklich überhand. Hingegen freuen sich die meisten NationalGardisten und Volontairs ser darob. Sie sagen: on a bien fait de lui couper la gorge; c'était un maudit aristocrate. Der Teufel möchte in seiner Lage nicht Aristokrat gewesen seyn. Viele Freiwillige keren nach ihrer Heimat zurück, unter dem Vorwande, sie hätten dem Vaterlande geschworen, es zu verteidigen, nicht aber fremde Länder zu erobern.
Daß der NationalConvent den Krieg an Holland und England erklärt habe, wird Dir jetzt schon bekannt seyn. Heute Abend kam die erste Nachricht hier an. Die Leute müssen rasend seyn; aber sie sagen, un homme de plus ou de moins, cela ne nous fera rien, und viele behaupten noch steif und fest, in 6 Wochen würfen sie den Kaiser in Wien vom Thron. -- Quo non ascendam!
So erbost die Leute hier über die FreiheitsKnechte sind; so wollen sie doch fast alle lieber 3 Franzosen, als Einen Kaiserlichen, in Quartir haben. Die LinienTruppen füren sich auch wirklich recht brav auf, und verdienen alles Lob. Ueberdem erhält der Franzose täglich Brod, Fleisch, und Salz, nebst Reis, beköstigt sich auch ganz. Sed nulla regula fine exceptione. Hingegen kriegt der Oestreicher nichts, und ißt auch überdem wie ein glouton. Vorzüglich die Ungarn. Ich kann davon ein Liedchen singen. Beim Rückzuge der Oestreicher wurden wir mit 3 Husaren von Blankenstein bedacht. Diese aßen an einem Mittage einen ganzen Schinken, ein halb Dutzend Ellen Bratwürste, einen ungeheuren Teller Zugemüse, ein tüchtiges Stück frisch Fleisch, und endlich einen HammelBraten der sich gewaschen hatte. Wenn ich nicht selbst, wärend sie Tafel hielten, in der Küche gewesen wäre, würde ich geglaubt haben, sie hätten es versteckt. Aber außer den kleinen Taschen in ihren HusarenJacken hatten sich nichts, worin sie es hätten verstecken können.
Den 7 Febr. Die Franzosen haben schon wirklich diese Nacht 3 bis 4 herumliegende holländische Dörfer besetzt, und die darinnen befindlichen Braunschweigische Sauvegarden nach Maestricht gejagt, wo alle Canonen auf den Wällen diese Nacht geladen worden sind. Auch sollen sie sich schon der Festung Sas-van Gent im Holländischen Flandern bemächtigt haben.
Brissot de Warville, der im Convent die KriegsErklärung zu Stande gebracht hat, muß doch seinen Mut ein bischen zu verlieren anfangen; denn in seiner Rede, die ich heute in 2 verschiedenen Pariser Zeitungen las, sagt er unter andern: préparons nous à des malheurs et à des souffrances. Que chaque citoyen en état de porter les 'armes, marche vers nos ennemis. Que les banquiers mettent de coté les speculations et leurs interets, et viennent offrir sur l'autel de la patrie leur argent àfin de soutenir le credit de nos assignats. Bientôt nous ferons un crime au citoyen qui a deux habits tandis que son concitoyen n'en a qu'un. Das Vaterland soll wieder in danger declarit werden, und alle ins Feld ziehende Bürger sich auf eine Zeit lang selbst mit allem Nötigen versehen. Wenn die Oestreicher losbrechen (bis jetzt cantonirt noch alles), fürchte ich, wird es den Franzosen hier herum übel gehen. 22000 Mann sollen schon durch Cöln passirt seyn, die Clairfaitsche Armee zu verstärken. Hier erhalten wir über Cöln von den dort herum cantonirenden Truppen keine Nachricht. Es darf nichts herüber geschrieben werden, und wehe dem, den sie darüber ertappen.
Heute verbreitete sich die Nachricht, Mainz sei von den Preussen, mit einem Verluste von 17000 Mann weggenommen worden. Wenigstens 40 Leute sind diesen Morgen hier gewesen, um zu wissen, ob es war sei; denn man hatte in der ganzen Stadt verbreitet, mein . . . . habe diese Neuigkeit diesen Morgen mit der BriefPost erhalten. -- Nun sich aber diese ganze Woche noch keine Posten angekommen, und folglich hatten wir auch keinen einzigen Brief erhalten. Du siehst also, wie man hier lügen kann. Es ist auch gar nicht glaublich, denn die Preußen müssen erst über den Rhein, oder über Mannheim, ihnen in die Flanke kommen. Nun ist aber noch keine Armee über den Rhein: und wenn sie auch wirklich aus Kassel geschlagen worden wären, so ergibt sich Mainz, das von 400 Canonen verteidigt wird, nicht sogleich. Vielleicht ist Königstein über, und das Gerücht rürt daher. Wie wollen auch die Preußen so geschwind Mainz einnemen, da sie schon seit 5 Wochen vergeblich Königstein bloquiren; ein bloßes Dorf, nicht einmal ein Flekken, mit dem elendesten BergSchloß, dessen kleines Verdienst ist, ser hoch auf einem Berge zu liegen, und in denselben gebaut zu seyn. Ich bin gewiß 4mal da gewesen, und habe es eher für ein altes RaubSchloss, als für eine Festung, angesehen. Wie müßt Ihr dort oben herum, durch die Zeitungen belogen werden, da wir, die wir fast mitten zwischen den Armeen liegen, es so gräßlich werden. Vorige Woche war nichts gewisseres, als daß die Oestreicher, die in einem 2 Stunden von hier entlegenen Dorfe (Marcem) gelegne Franzosen umzingelt, und 400 niedergemacht hätten. Gestern Morgen aber lud ein Furmann aus dem nämlichen Dorfe. Er wußte von dem ganzen Vorfalle weiter nichts, als daß ein Schwadron Esterhazyscher Husaren das Dorf bei Nacht umgeben, aber einen Weg offen gelassen, so daß viele Franzosen entflohen, einige 40 aber gefangen worden wären. Blos 1 Oestreicher und 3 Franzosen seien geblieben.
Heute Morgen ist das Gerücht allgemein, der Hr. General hätte dem Magistrat 3 Punkte zum Wälen vorgeschlagen, 1. 2000 Mann zu stellen, oder 2. 2 Mill. BrandSchatzung zu zalen, oder 3. die Stadt der Plünderung preis zu geben. Daß es gelogen sei, will ich eben nicht sagen, denn im JacobinerClub der eben so hier wie in Paris regirt, sind die 2 ersten Puncte in Vorschlag gebracht worden; und überdem sind die Volontärs ser zum Plündern geneigt. Vorgestern Abend speiste ich mit einem Freunde in einem der ersten hiesigen Gasthöfe an der WirtsTafel. Zehen VolontärOfficiere, die an der WirtsTafel saßen, sprachen so lange, als unsere Sitzung dauerte, und dies war wol 2 Stunden, von nichts als vom Plündern, bekamen aber Streit mit 2 Officieren von den LinienTruppen, die ihnen ihr schändliches Gespräch verwarfen, und es kam zu einem Duell, das aber eben one sonderliches BlutVergießen ablief.
Es werden auf beiden Seiten der Stadt Wege um dieselbe gemacht. Mer denn 400 Menschen arbeiten schon seit 8 Tagen daran. Nun versicherte mich diesen Morgen unser abgesetzter Bürgermeister (der mit den beiden Generälen in dem besten Vernemen steht, und fast täglich bei ihnen ist), General Dampierre hätte ihm sein Wort gegeben, daß die beiden Wege in keiner andern Absicht gemacht würden, als damit im Fall einer Retirade die Volontairs, FreiCorps, NationalGarden, und alles Gesindel, um die Stadt gefürt werden könnten, und bloß die LinienTruppen durch die Stadt passiren würden. Aber bei dem allen ist doch jedermann in der bangsten, in der schrecklichsten Erwartung. Hätte ich ⅓ von dem, was hier jetzt und seit einiger Zeit vergraben und versteckt wird, ich wollte dem türkischen Kaiser wol seinen Thron damit abhandeln.
Heute Morgen war ich 2 Stunden von hier auf ein kleines uns zugehöriges Vorwerk geritten. Unterwegs begegneten mir im größten Gallop 100 bis 200 Husaren, fast alle one Säbel und Mäntel. Ha! dacht ich, post equitem sedet atra cura, und so war es auch. Denn als ich auf unser Vorwerk kam, hörte ich, daß sie von den Kaiserlichen, eine halbe Stunde weiter herauf, einen lästigen Besuch erhalten hätten.
Die kaiserl. Vorposten lassen nichts durch, blos alle 8 Tage einmal den BriefPostillon. Mein . . . ., der dies nicht wußte, kömmt vor 8 Tagen von Trier, bei Jülich aber wird er von den Vorposten zurückgewiesen. Er reitet ins HauptQuartir nach Burgheim, und gerade zum FeldMarschall Clairfait. Seine FlügelAdjutanten wollen ihn, unter dem Vorwande, der General gäbe keine Pässe, nicht durchlassen. Er paßt aber seine Zeit ab, und bleibt stehen, bis Clairfait alle andere expedirt hatte, introducirt sich vermittelst ines türkischen Bedienten des Generals, der etwas französisch verstand, wird von Clairfait ser höflich und artig empfangen, bekömmt aber keinen Paß, und muß warhaftig, da er nur noch 5 kleine Stunden nach Aachen hatte, nach Cöln zurück, daselbst über den Rhein setzen, und kömmt endlich gestern Abend, um 11 Ur, von Jülich über Cöln, Krefeld, Venloo, und Rüremonde, hier an -- mußte also einen Unweg von 40 - 50 Stunden machen.
Den 8 Febr. Di se Nacht sind durch StreifParteien 2 holländische Dörfer rein ausgeplündert worden, und morgen erscheinen alle Officiere und Gemeine mit Flor um den Arm und den Degen. Als ich diesen Abend einen Officier um die Ursache fragte, gab er mir zur Antwort: vous allés peut-être croire que c'est pour notre coquin de roi, mais gardés Vous en bien, c'est pour Pelletier de St. Fargeau. Es wird Dir bekannt seyn, daß dieses Mitglied des Nat.Convents, am Tage der Verurteilung des Königs, von einem ehemaligen Garde du corps, Namens Paris, im KaffeHause im palais royal ermordet wurde, weil er auch für die schleunige Hinrichtung des Königs gestimmt hatte. Nun ist, durch die ganze Armee, eine 3tägige Trauer für diesen Mann, der für "Freiheit und Vaterland" starb, anbefolen worden!
Den 2 März. . . . Freilich wird die Erzälung auf Dich den Eindruck nicht machen, den ich als AugenZeuge empfand. Schrecklich war die Idee, die ich mir immer von einer Schlacht machte, aber doch nicht so scheuslich, wie es mir jetzt vorkömmt. Also -- Gestern Morgen um 9 Ur war alles noch in guter Ruh. Ich wollte eben mit ein par französischen Officieren nach Mastricht, die Belagerung ein wenig von fern zu sehen: aber um 10 Ur kam das Gerücht, die französ. AvantGarde wäre an 4 Orten von den Oestreichern zurückgeschlagen, und letztere seien schon alle über die Ruhr. Niemand glaubte es, weil man so oft belogen wird, und überdem unsre ganze Garnison sich ruhig verhielt. Am Mittag wird der GeneralMarsch geschlagen; die Regimenter Flandern, Roussillon, und einige Bataillons Nat.Garden, rücken aus, um die AvantGarde zu unterstützen. Eine Menge Blessirte in dem elendesten schauderhaftesten Zustande werden hereingebracht, unter andern ein Officier, der ehedem bei uns logirt hatte. Von diesem hörte ich, daß die Oestreicher, in der Nacht vom 28 Febr. auf dem März, um Mitternacht, von Düren bis Sinnich (eine Strecke von 8 Stunden) auf einmal und zu gleicher Zeit über die Ruhr gesetzt, und die diesseits des Flusses stehende französ. Vorposten angegriffen und zurückgeschlagen hätten. Sie hätten sich in ihre Retranchements 2 Stunden von der Stadt zurückgezogen, und hofften sich bis den 2ten März halten zu können; alsdann würden sie sicher von Mastricht u. Lüttich unterstützt werden. Das Blutbad wäre schrecklich gewesen: 8000 Mann sollen beiderseits geblieben seyn. Vorzüglich sollten die östreich. Husaren, die sie in ihren Retranchements hätten angreifen wollen, durch die französ. Canonade viel gelitten haben. War ist es, daß viel Volk von beiden Seiten geblieben ist, und der Kampf heiß gewesen ist. Wir hörten die nämliche Nacht eine schreckiche Canonade; da wir es aber seit 8 Tagen von Mastricht her immer hörten, so glaubten wir auch, es käme auch diesmal daher, und gaben nicht acht, daß die Canonade viel näher, und also auch viel hörbarer als gewöhnlich, war.
Den 1ten Nachmittags, da unsre Garnison zu der AvantGarde abgegangen war, blieben wir ruhig: aber Abends um 7 Ur, da man glaubte, sie würden sich halten, fing die Retirade in optima forma an. Kein Bürger durfte sich auf der Straße sehen lassen, die Häuser mußten erleuchtet werden und so dauerte es, unter dem fürchterlichsten Geschrei und in der größten Eile, bis 6 ½ Uhr heute Morgen. Ich blieb, und mit mir glaube ich 7/8 der Stadt, die ganze Nacht auf. Furcht und Besorgnis verscheuchte den Schlaf. Heute Morgen um 7 Ur war kein Franzos, und folglich an unsern Hüten keine Cocarde, mer zu sehen. Alle Bürger waren auf den Beinen, um den Oestreichern entgegen zu gehen. Endlich um 9 Ur kamen ungefär 100 Mann ScharfSchützen. Unter dem entsetzlichst n Zulauf, und unter dem beständigen Ausruf, vivat der Kaiser! wurden sie auf den Mark gefürt, der FreiheitsBaum abgerissen, und dem Kaiser Karl das rote Käppchen abgenommen, 20 Franzosen, die sich noch in der Stadt befanden, wurden auf der Straße erschossen. Unter andern waren bei der Ankunft der Oestreicher noch 3 französ. Husaren in einem unserer berümtesten Bordelle. So bald sie diese HiobsPost hörten, setzten sie sich auf, und jagten in größtem Gallop weg. Nahe aber am Tor, wo ich eben war, stehen schon 4 ScharfSchützen, und legen sie alle 3 von den Pferden. K um bin ich 20 Schritte weiter gegangen, kommen 2 hiesige Bürger mit einem Franzosen in ihrer Mitte geschleppt, bringen ihn einem ScharfSchützen. Ganz kaltblütig nimmt der seine Büchse, hält den Lauf derselben dem Franzosen dicht vor den Kopf, und spedirt ihn zu seinen Vätern. Mag entscheiden wer da will, ob unsre Einwohn r sich edel bei der Sache betragen haben.
Also um 9 Ur heute, kamen die ersten Oestreicher. Um 10 Ur aber erschienen an einem andern Tore, ungefär 1500 bis 2000 Franzosen, schossen das verschlossene Tor mit 2 CanonenSchüssen auf, und rückten durch die Stadt nach einem andern Tor, von welchem die Oestreicher noch eine halbe Stunde entfernt waren. Die 100 Oestreicher, die schon in der Stadt waren, und schrecklich bramarbasirt hatten, liefen nun eben so geschwind zum Tor wieder hinaus. Die Franzosen stellten sich auf den Wällen in Reih und Glied, pflanzten 4 Canonen auf dem Wall, und 2 in unserer Straße, auf. Bis halb 12 hielten sie sich ruhig. Nun kam aber die AvantGarde der Oestreicher, und das schreckliche Schießen mit dem kleinen Gewer fing an. Es war nicht anders als wie ein HeckenFeuer. Unaufhörlich dauerte dies bis ½ 1 Ur. Nun fingen die Canonen mit an zu spielen. Alle Häuser in unserer Stadt zitterten, und in ser viele fielen CanonenKugeln. Mit einem Wort, es ist mir platterdings nicht möglich, Dir den Zustand, in welchem wir 2 Stunden waren, zu schildern. Stelle Dir vor, unser Haus liegt in der HauptStraße, wo alles durch muß, und 20 Schritte von dem Tor, wo sie so fürchterlich aneinander waren. Ich lag im Fenster auf dem Boden, konnte alles sehen und hören, und sah voraus, daß es noch besser kommen würde.
Endlich um ½ 2 schlugen die Franzosen den GeneralMarsch, und nun kamen 6 Canonen, hinter jeder ungefär 50 Mann, und jagten und liefen, was sie laufen konnten. Gerade vor unserm Hause füren 2 grosse Straßen nach dem Markte. Hier also unter unsern Fenstern, commandirte der Officier der bei den 3 letzten Canonen befi dlichen Mannschaft, unter den kräftigsten Flüchen, zu halten. Aber von 150 bis 200 liefen alle hinter den Canonen, nur 40 bis 50 blieben stehen, stellten sich vor unserm Hause, und hielten das Gewer vor. Wie ich das sah, andete ich Kugeln in den Fenster, worin ich lag, und lief unters Dach, wo ich mich auf den Bauch legte. Es wäre wol eine Viertelstunde, ehe Oestreicher kamen. Ich hörte, daß die Soldaten die 3 Officiere baten, sie möchten sie doch fliehen lassen, da 40 Mann die ganze Armee doch nicht würden aufhalten können; aber die Officiere waren unerbittlich. Unter andern fluchte einer so jämmerlich, daß mir die Hare zu Berge stunden, und befal ihnen, stehen zu bleiben: sie könnten freilich die Armee nicht zurücktreiben, aber doch so lange in der Stadt aufhalten, bis ihre Canonen hinaus wären. Nun schrie ein Gemeiner ganz laut: allons camarades, vous voyés quel nous ne pouvons echapper à la mort, bravons-la, defendons nous en Français, heureux de pouvoir mourir pour la patrie. Nun suchte einer dem andern Mut einzusprechen, und gleich darauf kamen die Oestreichischen ScharfSchützen, und sie fingen tüchtig auf einander zu feuern an. Ungefär 10 Minuten blieben die 40 Mann Franzosen stehen. Aber da sie keine Rettung sahen, liefen sie nach dem Markte zu, bückten sich, und schossen immer gebückt noch hinter sich. Auf dem Markte blieben sie wieder stehen, weiter hinauf noch einmal, und so hielten sie die Oestreicher noch ¾ St. auf. Nun gings zum Tor hinaus. Die Oestreicher immer hinter drein, bis im Aachner Wald (½ Stunde von hier), wo die vorher entflohenen Franzosen auf Bitten ihrer Officiere noch hielten. Nun ging das Gemetzel aufs Neue los, und von dem ganzen Commando Franzosen ist nicht Einer entwischt. Man sah den Leuten die Verzweiflung im Gesichte, und man muß es ihnen nachsagen, daß sie sich wie Rasende gewert haben. Der General, der diese wenige Mannschaft noch einmal nach Aachen gegen die ga ze kaiserl. Armee, da die französ. AvantGarde schon bei 5 Stunden von der Stadt war, zurück beorderte, muß ein Schurke seyn, denn es war unmöglich, daß ein einziger Mann davon kam. Inzwischen sollen doch 4 bis 500, die gleich beim ersten Schuß links um gemacht hatten, entwischt seyn. Die Oestreicher haben auf den Markte eine Kartetsche losgebrannt, die à mitraille geladen war, und auf dem großen Platz ist fast keine FensterScheine ganz geblieben.
Grade vor unserer Tür liegen 4 todte Franzosen, und ein todter Oestreicher. Einer von den letzteren wurde schwer verwundet von 2 andern weggetragen. Durch alle Straßen, wodurch ihr Zug ging, liegen Todte. Die Oestreicher aber, um nicht merken zu lassen, wie viele von ihnen geblieben sind, haben ihre Todte, wie sie fielen, gleich wegnemen lassen. So eben wurden auch 3 französ. Canonen, bei denen vor 1 ½ Stunden noch Franzosen waren, von den Kaiserlichen eingebracht.
Den 2ten März vergess ich in meinem Leben nicht!... das gräuliche Geschrei der Fliehenden, das Brüllen der Tyroler und Ungrischen ScharfSchützen, das Gewimmer der Sterbenden, das unaufhörliche Krachen der Canonen, die ob sie gleich nur 6Pfünder waren, in den Straßen der Stadt einen unaussprechlichen Lerm machten...
Heute ist in der ganzen Stadt nicht gearbeitet worden. Unsre ComptoirBediente waren nicht hier, und die weiblichen DienstBoten waren zu bange, um auszugehen. Ich ging daher selbst auf die Post, und da ich hörte, daß sie wegen der heutigen Verwirrung erst morgen abginge, nam ich meinen Brief wieder mit, wenn etwas vorfallen sollte, einen kleinen Appendix zu machen, und das will ich denn morgen auch tun.
Ich habe auf meinem Ritt nach der Post 21 Todte gezält, wovon allein in unserer Straße 16 liegen. Jetzt ist es schon 8 Ur, und noch keiner ist weg, alle sind bis aufs Hemd ausgezogen.
Den NationalGarden ist kein Pardon gegeben worden, den LinienTruppen aber wol. Auf dem Markte liegt ein junges Mädchen von 17 bis 18 Jaren, das niedlichste Geschöpf, das ich je sah, im bloßen Hemde, mit einer Kugel durch den Rückgrad. Wie ich sie genauer in den Augenschein nam, erkannte ich sie. Bei meinem . . . . hat sie mit ihrem Vater, der Major beim 29sten Regiment war, 7 Wochen logirt. Vorgestern ging sie weg; wie sie aber mit den 1500 Mann zurückgekommen seyn mag, weiß ich nicht. Um 12 Ur, da die ersten Canonen durchzogen, kam das arme Ding, recht artig angezogen, zu Fuß vorbeigelaufen, und fragte mich noch an der HausTür, ob ich ihren Vater nicht gesehn hätte? Wäre die auf meine verneinende Antwort gleich weggelaufen, lebte sie vielleicht noch: aber so hielt sie sich noch bis ein Viertel nach 1 Ur auf dem Markte auf. Nun kam zwar ihr Vater, aber fliehend, hinter ihm die Oestreicher: ein ScharfSchütz bläst ihm vor ihren Augen das LebensLicht aus. In der Angst ihres Herzens ruft sie: ach Gott! mein armer Vater! im Augenblick schreit ein anderer Oestreicher: wart' geh' du auch zu deinem Vater, und drückt sein Gewer auf sie ab. Sie hat beinahe noch ¼ Stunde gelebt, und verlangte zu beichten, niemand aber hörte sie. Hätte sie nichts gerufen, so hätten die Oestreicher vielleicht geglaubt, es sei ein Mädchen aus der Stadt. -- Aber die Tochter eines Mannes, der ihnen so tapfer wiederstand, und auf den sie ihr HauptAugenmerk richteten, am Leben zu lassen, schien ihnen zu stark. -- Die Rache war klein.
3 März. Diesen Morgen um 10 Ur lagen noch alle Todte in der Straße. Erst um 10 Ur wurden sie zur Stadt herausgebracht, werden aber erst morgen begraben werden. Sie sind alle ganz nackend, 31 an der Zal auf einem Haufen. Es ist ein empörender Anblick.
Mastricht soll schon entsetzt, und in Lüttich die Oestreicher auch schon eingerückt seyn. Welch ein Glück, daß ich vorigen Donnerstag von Lüttich, wo ich Geschäfte halber über 3 Wochen war, zurückkam! 96 französ. Gefangne wurden eben hier durch nach Cöln gebracht.
Zeitungsnachrichten.[]
- [1793].
Aachen, vom 12 Jenner. [2]
Heute soll die Installirung der provisorischen Repräsentanten der hiesigen Gemeinde durch den Französis. Commandanten General Dampiere vor sich gehen. Zufolge des Decrets des Französis. National-Convents vom 27. Dec. ist durch eine Proclamation bekannt gemacht worden, daß jedermann, der durch Plünderung Französis. Soldaten in Schaden gesezt worden sey, sich mit den dißfallsigen Ansprüchen an die hier befindlichen Kriegs-Commissarien zu wenden habe, um Entschädigung zu erhalten. Die Commissarien des National Convents, Camüs, Danton, Lacroix und Gossuin sind nach Paris zurückgereiset.
Von der französischen Avantgarde an der Ruhr haben wir noch keine Berichte von einem entscheidenden Vorfalle. Indessen fallen fast täglich zwischen den beyderseitigen Vorposten Scharmüzel vor, die öfters sehr blutig sind. Auch sehen wir von Zeit zu Zeit Wägen mit Verwundeten hier ankommen.
Aachen, vom 23. Jenner. [3]
Gestern sind die hiesigen Sektionen zu der Wahl eines Maire und eines provisorischen Tribunals geschritten. Zum Maire der Stadt ist der Nadelfabrikant, Bürger Beissel, und aus jeder Sektion ein Bürger zu dem provisorischen Tribunal gewählt worden.
Aachen, vom 2. Merz. [4]
Wir sehen uns nun auf einmahl aus der bedenklichsten Lage gerissen. Gestern Morgen hörten wir, daß eine allgemeine Attaque geschehen werde. Stengel war schon um 2. Uhr Nachts zu Pferde, Dampiere des Morgens. Um Mittag brachte man einen gefangenen österreichischen Husar ein, welcher sagte, man habe ihn in Eschweiler gefangen. Zu gleicher Zeit hörten wir, die Kayserlichen seyen an den Batterien zu Högen und Rüh. Das waren die einzigen haltbaren Posten. Nach Tische trafen schon Bleßirte, Fouragewagen xc. zurück ein. Um 3. Uhr kam Dampiere, den Rest der hiesigen Garnison zu versammeln. Im Augenblicke war alles auf den Beinen, alles angespannet; was sich retten konnte, rettete sich; rafte zusammen, was man kriegte; ließ liegen, was man nicht haschen konnte, und die Nacht hindurch bebte die Erde unter den Flüchtlingen. Bis auf diesen Morgen sah man noch wenige hier und dort wegziehen. Kaum 8 Uhr, krack, krack, da kamen Tyroler Scharfschüzen. Michalowiz, etwa 30 an der Zahl, den Seilg_aben herauf, den Berg herunter, schossen vor unsern Augen einen Franzosen, der laufen wollte, nieder. Man hatte hier viele gefangen. Der Freyheitsbaum ward gleich niedergehauen. Der Freudengeschrey ist allenthalben so groß daß man keine Silbe ruhig schreiben kan. Heute wird sicher das K. K. Corps einrücken. Der Klub ist ganz aus einander gejagt.
Nachmittags um 4. Uhr. Kaum wollten wir uns der Wonne dieses Tages ganz überlassen, da ward unsere Freude gestört. Um 11 Uhr gabs Lärm. Wircklich kamen gegen 6000 Franzosen das Pontthor herein. Da der Aachner Bürger sein Jubel zu vorlaut hatte werden lassen, welche Folgen hätte das haben können. Diese Mannschaft, die sicher noch die Arriergarde der französischen Armee zu treffen vermuthete, zog den Seilgraben herunter aufs Köllnthor an, besezte es, so wie die nebenseitigen Wälle. Um halb 12 Uhr giengs Schiessen an. Da war wirklich die Aktion am Köllnthore im Gange. Kaum war es 12 Uhr, so zogen sich die Franzosen zurück. Die Kaiserl. Jäger und Michalowiz folgten in kleiner Anzahl.
Ein Viertel über 12 Uhr stande die Kayserl. schon auf dem Lausberge, auf dem Weingartsberge und auf allen Anhöhen um Aachen. Sie machten ein lebhaftes Feuer, und um 1. Uhr war die Aktion vollkommen in der Stadt. Die Franzosen formirten auf dem Markt ein Quarre; flohen aber, sobald sie die Kayserl. Jäger vom Büchel anrücken sahen, und liessen 2 Kanonen im Stiche. Auch am Jakobsthor hinterliessen sie 2 Kanonen. Jezt ziehen die Kaiserl. in starker Anzahl hier ein, haben den Markt schon besezt und viele Franzosen zu Gefangenen gemacht. Bis jezt hat man über 40. todte Franzosen und 3. Pferde auf den Strassen zerstreut gefunden.
Aachen, vom 6. Merz. [5]
Als die Franzosen aufs neue mit 6000. Mann hier ankamen, gieng erst der Tanz recht an. 600. Oesterreicher drangen von allen Seiten den Franzosen so hat auf den Leib, daß sie sich bald zum Rückzuge anschickten. Auf der Jacobstrasse sezten sie sich noch einmahl und feuerten mit Kanonen auf die Kayserl., die ihnen aber vom Markte mit Kartätschen antworteten. Dies dauerte aber nicht lang, dann auf einmahl stürzten unsere mit Säbel und Beilen bewaffneten Stadtbauren über die Franzosen her, hieben tapfer um sich, eroberten 2. Kanonen, und trieben die Franzosen mit Hülfe der Kayserl., welche auch noch 2. Kanonen wegnahmen, vollends aus der Stadt. Die beyden von unsern Bauern eroberten Kanonen sind der Stadt zum ewigen Andenken geschencket worden, und werden vor dem Rathhause aufgepflanzet. Nach dem Treffen sah man einige 40. Franzosen und nur 3. Oesterreicher auf den Strassen hingestreckt. Der Prediger Palant ist heute in seinem grauen Jakobinerrocke gefangen, ohne Hut von den K. K. Truppen durch die Stadt auf das Rathhaus in Verhaft geführt worden.
Von dem Nationalkonvent.[]
- [1793]
Paris, vom 11. Merz. [6]
Die unglücklichen Begebenheiten bey Aachen werden nun dem unter einen Theil der Staabs-Officiers noch herrschenden Aristokratismus, und besonders den beyden Generalen Steengen und Lanue, als Chefs der dort postiert gewesenen Avantgarde, schuld gegeben, und es ist deßwegen gestern dekretiert worden, daß sie in Verhaft genommen, ihre Papiere versiegelt, und dem N. Convent vorgelegt werden sollen.
Quellen.[]
- ↑ Stats-Anzeigen gesammelt und zum Druck befördert von August Ludwig Schlözer D. Göttingen, in der Vanderhoek-Rüprechtschen Buchhandlung 1793
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 23 Jenner, 1793.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 6 Hornung, 1793. Num. 11.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 13. Merz, 1793. Num. 21.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 16. Merz, 1793. Num. 22.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 20. Merz, 1793. Num. 23.