Zeitungsnachrichten.[]
- [1808]
Wien.
Der auf seiner Durchreise am 3. July hier angekommene Persische Gesandte, Asker Chan, ist den 6. früh mit seinem ganzen Gefolge von hier nach Paris abgereist. Dieser Minister, der eben sowohl Staatsmann als Gelehrter ist, wollte die Kaiserstadt nicht verlassen, ohne die grosse kaiserliche Hofbibliothek zu besehen, die er den 5. dies um halb 12 Uhr besuchte. Die Menge der Bücher, die Grösse des Gebäudes, vielleicht das prächtigste, welches die Macht der Könige gleichfalls zu einer allgemeinen Niederlage aller menschlichen Kenntnisse je errichtet hat, setzten den hohen Reisenden in Erstaunen. Mitten in dem unermeßlichen Bibliotheksaale machte der Hofbibliothekpräfekt, Sr. Maj. Kämmerer und geheimer Rath, Freyherr von Carnea-Steffaneo, den Persischen Gesandten auf die marmornen Statuen der Oesterreichischen Kaiser aufmerksam, die sich durch Liebe zu den Wissenschaften und durch Unterstützung derselben in den vorigen Jahrhunderten ausgezeichnet haben, und welche gerade unter der prächtigen Kuppel die Rotonda des Saales einfassen: unter diesen deutete er besonders auf die Statue Carls VI., die in dem Mittelpunkte aller übrigen steht, als des Stifters dieses ungeheuern Bibliothekgebäudes. Auf die Frage von Asker Chan, wie lange schon dieser Monarch, und wo er gestorben sey? und die darauf folgende Antwort des Barons von Carnea-Steffaneo, daß Kaiser Carl VI. in Wien, ein Jahr nach der Eroberung von Mogol durch Schach Nadir, gestorben sey, nahete sich der Gesandte mit sichtbarer Ehrfurcht dieser Statue, und betrachtete mit Wärme die Gesichtszüge des Monarchen, der ein Zeitgenosse von Kuli Chan war. Hierauf zeigte der Hofbibliothekpräfekt dem Persischen Gesandten einen erst kürzlich entdeckten Band von Original-Zeichnungen über Zivil- und Militär-Architektur, und über Artilleriegegenstände, welche Carl VI. in seiner Jugend als Prinz mit eigener Hand verfertigt hatte, und führte denselben sofort in das Kabinet der orientalischen Manuskripte. Wie erstaunte nicht dieser über die kostbare Sammlung so vieler Arabischer, Türkischer, Persischer Bücher, die seit dreyhundert Jahren von den Oesterreichischen Monarchen angefangen, bis auf unsere Tage fortgesetzt und bereichert wurde! Hier setzte sich der Gesandte nieder, und verlangte die vorzüglichsten Geschichtsschreiber und Dichter seiner Nazion zu sehen. Asker Chan scheint die Dichtkunst mit Prädilekzion zu lieben, und als man ihn fragte, welche Dichter er unter allen am meisten schätzte, nannte er den Hafitz und Saadi. Sogleich wurde ihm das schönste Manuskript dieser Dichter vorgelegt. Ueber eine halbe Viertelstunde las er mit lauter Stimme in den Gedichten des Saadi, und wenn der Anfang eines Gedichtes gelesen war, deklamirte er oft das folgende auswendig. Es ist bekannt, daß Saadi ein Jahrhundert vor Petrarcha lebte, und für den Horaz der Perser gilt. Als Asker Chan im Fortgehen aus der Rotonda die beyden ungeheuern Globe bemerkte, welche der kaiserl. Geograph Coronelli unter der Regierung Leopold I. verfertigt hatte, nahte er sich der grossen Himmelskugel, und betrachtete sie, an sie gelehnt, mit der äussersten Aufmerksamkeit. In dem Kabinette fand er besonders merkwürdig das metallene Uhrwerk mit dem Kopernikanischen Planetarsystem, welches Nestfell ausgearbeitet, und dem Kaiser Franz I. in der Hälfte des vorigen Jahrhunderts überreicht hat. Asker Chan ließ sich dieses Räderwerk, welches den regelmässigen Jahreslauf der Erde und der übrigen damals bekannten fünf Planeten um die Sonne anzeigt, mit der größten Genauigkeit erklären, und neigte und bückte sich, erstaunt über den ausserordentlichen Mechanismus, bis auf die Erde, um dieses Kunstwerk besser zu betrachten. Der Gesandte verließ, durchdrungen von der höchsten Verwunderung, und mit der feyerlichsten Dankäusserung nach Persischer Sitte, dieses grosse Nazionalinstitut, welcher, von den Oesterreichischen Monarchen für die Wissenschaften gestiftet, erst neuerlich durch die höchste Gnade Sr. gegenwärtig regierenden Majestät auf die großmüthigste Weise betheilt wurde.
Quellen.[]
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro 55. Sonnabend, den 9. July 1808.