Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Eröfnung des Reichstags zu Versailles.[]

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Der fünfte May 1789.

Dieß war der merkwürdige Tag, an dem die in Frankreich seit 175 Jahren zum erstenmal wieder zusammen berufenen Reichsstände sich versammelten. Er fieng mit einer feyerlichen Messe an. Die Abgeordneten aller drey Stände des Reichs giengen durch eine ungeheure Menschenmenge mit dem König in Procession in die Kirche, die Kardinäle im päbstlichen Purpur, die Erzbischöfe und Bischöfe violett gekleidet, die Landprediger schwarz. Diesen folgte der Adel in kurzen spanischen Mänteln mit Spitzen reich besetzt, auf den Hüten weiße wehende Federbüsche, und endlich der Bürgerstand, schwarz gekleidet, mit stark gepudertem Haar, schwarz ungebunden auf den Rücken herabfiel. Nach Endigung der Messe gieng der Zug in den Versammlungs-Saal, der sehr groß und auf das prächtigste ausgeschmückt war. Er ruhte auf zwanzig Dorischen Säulen. Hier setzte sich der König unter einen himmelblauen, mit Gold gestickten, mit goldenen Tressen besetzten und mit goldnen und silbernen Lilien besäeten Thronhimmel, umringt von den Prinzen vom Geblüt, den Herzogen und Pairs des Reichs u. s. w. Er las mit starker Stimme eine Rede ab, worin er seine Hofnungen ausdrückte, die er von dieser Versammlung und ihren Rathschlägen für das Glück des Königreichs hege. "Möge" -- "schloß er -- eine glückliche Eintracht in dieser Versammlung herrschen! Möge der gegenwärtige Zeitpunkt für den Wohlstand Frankreichs immer unvergeßlich bleiben! Dieß ist der Wunsch meines Herzens und mein eifrigstes Verlangen. Dieß ist die Belohnung, die ich für die Aufrichtigkeit meiner Gesinnungen und für die Liebe zu meinem Volk erwarte."

Nach dem König hielt der Siegelbewahrer eine Rede und dann Necker, als Finanzminister; mit der letzten war man am wenigsten zufrieden, vielleicht, weil man am meisten von derselben erwartet hatte; auch traute man seinen Versprechungen nicht, denn sie waren zu groß, als daß er sie hätte erfüllen können.

So endigte sich unter lautem Jubel der erste Tag.


Konstituirung der Nationalversammlung in Frankreich.[]

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Der siebenzehnte Junius 1789.

Schon am 4ten May wurde die Versammlung aller Stände in Frankreich oder der Reichstag eröffnet und am 5ten nahmen die Sitzungen ihren Anfang, allein es erwachte ein böser Geist der Zwietracht unter den drey Ständen. Der größere Theil des Adels wollte sich mit dem Bürgerstand nicht einmal dahin vereinigen, die Vollmachten der Abgeordneten gemeinschaftlich zu untersuchen, geschweige denn einzuwilligen, daß die Stimmensammlung in den Berathschlagungen nicht nach Ständen, sondern nach Köpfen geschehen soll, worauf der Bürgerstand mit Recht drang, weil die Gegenstände, über die man sich berathschlagen sollte, die ganze Monarchie betrafen, und nicht blos den Vortheil des einen oder andern Standes. Schon in der zweyten Sitzung am 6ten May erschien nur der dritte Stand, der Adel und die Geistlichkeit blieben weg, die auch am folgenden Tag zu einer Vereinigung, wozu man sie einlud, nicht zu bewegen waren. Der Adel besonders hielt fest, bey seiner einmal gemachten Proposition, daß die Stimmensammlung nach Ständen und nicht nach Köpfen geschahen solle, und daß er sich besonders berathschlagen werde. Unter diesen Streitigkeiten vergieng die kostbare Zeit bis zum 17ten Junius. Endlich an diesem Tag erklärte der Bürgerstand, weil seine Bemühungen, den Adel und die Geistlichkeit mit sich zu vereinigen, fruchtlos abgelaufen waren, sich selbst für eine Nationalversammlung und nahmen diesen Namen an, da er sich vorher, "Kammer der Gemeinen" genannt hatte, welche Benennung dem Adel ebenfalls anstössig war.


Quellen.[]

  1. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  2. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
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